Alte Eltern streiten nur noch

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  • Guten Morgen an alle hier,


    Euer Zuspruch tut immer gut. Danke dafür.

    Das Pflegepersonal berichtet, dass sich meine Eltern über nichts bei ihnen beschweren, geklagt wird nur bei mir. Mein Vater stürzt öfter, verbietet dann meiner Mutter zu klingeln, sodass er erst gefunden wird, wenn jemand zufällig hereinkommt. Er besteht auch darauf, dass ich von seinen Stürzen nicht informiert werde.

    Die Pfleger*innen sagen auch, da sie sich ihnen gegenüber nicht äußern, alle Integrationsversuche bei gemeinschaftlichen Dingen ablehnen, nur in ihrem Zimmer sitzen, könnten sie auch nichts weiter unternehmen.


    Seit dem Wochenende kann ich überhaupt nicht mehr aufhören, darüber nachzudenken, was bei meinen Eltern, die sich ja auch gegenseitig ständig bestärken in ihrem einzigen Thema, "Wir wollen heim!", ihr Trauma noch verstärken würde. Sie haben es als Jugendliche erlebt, alles abgenommen zu bekommen und in Arbeitslager gesteckt und gegen ihren Willen festgehalten zu werden. In meiner Vorstellung würden sie durchdrehen, erneut mit Nichts dazustehen.

    Wenn man ihnen aber immer wieder sagt, ihr könnt noch nicht nach Hause, schürt man ihre Hoffnung.


    Ich werde noch verrückt darüber.

    Ich gehe nicht mehr ans Telefon, weil das überhaupt keinen Sinn hat. Es genügt schon die Situation beim Besuch.

    Ich weiß, es gibt keine Anleitung, wie man es richtig macht.

    Danke für Euer Ohr und Auge <3

    Liebe Grüße

  • Hallo Nelly, oh wie gut ich das verstehe ... Meine Mutter kam zwar erst ins Pflegeheim, als ihr Vergessen weit forgeschritten war, aber die Zeit vorher war schwer genug und auch jetzt noch muss ich mich selber zur Odnung rufen, wenn das Mitleid mich ergreift (meine Mutter hatte mit Flucht und Vertreibung auch kein leichtes Leben und hat sich sehr fleißig ein gutes Leben schaffen können).


    Es gibt aber halt wirklich keine Anleitung, wie man sich verhalten muss. Letztlich tut hier die Zeit sehr viel ... sie heilt im wahrsten Sinne des Wortes Wunden, .... seelische Wunden, denn man gewöhnt sich langsam an die neue Situation. Das werden die Eltern auch (müssen)! Es hilft ja alles nichts - jeder Mensch muss sich in manche Situationen fügen und seien sie noch so schrecklich. Das geht ja auch uns so und auch wir werden auf unserem letzten Weg nicht verschont bleiben, wie immer der aussehen mag.


    Vielleicht hilft es, sich immer wieder zu sagen, dass die Eltern anders nicht überleben könnten, zumindest nicht einigermaßen gut oder dass sie ein schlimmes Ende gefunden hätten. Insofern ist es nicht nur eine große Leistung, Hilfe für die Eltern gesucht zu haben, sondern auch deren Widerstand auszuhalten (wissend, dass sie es nicht besser mehr wissen).


    Mir hilft auch, meine Mutter in einem Pflegeheim zu wissen, dass ihrer Natur am nächsten kommt, und das ist in ihrem Fall eben ein Pflegeheim, in dem sie nicht pro forma beschäftigt wird, sondern in dem sie sich so verhält, wie sie es kennt und mag. Dann fühlt sie sich wohl.


    Wenn du also das Gefühl hast, dieses Pflegeheim passt eigentlich zu deinen Eltern, dann kannst du dich auch daran emotional festhalten. Ansonsten wäre es vielleicht eine Option, anderswo zu suchen ...?


    Ich wünsch dir viel Kraft und Mut und gute Ideen, wie es weitergehen kann.

  • Hallo Nelly,

    es ist wirklich schwer das auszuhalten.. Nach meiner Erfahrung kann man eh keine Einsicht erzwingen, je mehr man sich auf Diskussionen einlässt und Erklärungen sucht, warum es für die Eltern nicht mehr allein zuhause geht, desto mehr halten sie dagegen. Insofern bleibt ja nur die Möglichkeit, für sich selbst einen Umgang damit zu finden. Wenn du also schlecht aus den Gedankenspiralen herauskommst - die seltenst zu einer Lösung führen, sondern eigentlich nur zermürben - kann ich einen Trick aus einem Klinikaufenthalt weitergeben: sich kneifen und STOP sagen, evtl. bewusst real einen Schritt zur Seite machen oder sich woanders hinsetzen, je nachdem.. Dann bewusst versuchen abzulenken, spazieren gehen (Ortswechsel), eine TV-Sendung einschalten, Musik anstellen o.ä. Das muss jeder für sich herausfinden. Durch Nachdenken ändern wir jedenfalls diese belastende Situation nicht, wenn die Gegebenheiten nicht veränderbar sind.

    Du wirst offensichtlich auch keinen Einfluss mehr darauf haben, wie sehr deine Mutter auf deinen Vater hört, das sind vermutlich lange eingeschliffene Muster. Man kann sicher die Pfleger bitten, öfter mal dort reinzuschauen ob alles ok ist..

    Meine Mutter hat auch ewig lange keine Hilfe eingefordert, irgendwann habe ich sogar festgestellt, dass sie nicht wusste, wo der Notknopf ist, sondern immer einen Lichtschalter stattdessen betätigt und sich dann gewurndert, dass keiner kommt. Es ist wohl für einige alte Menschen eine heftige Überwindung sich einzugestehen, dass man auf Hilfe angewiesen ist, deswegen müssen sie sich dann wohl auch immer mantraartig vorsagen, was/dass sie alles noch allein können.

    Meine Mutter rief auch letztens abends um 22 Uhr an, sie könne nun wieder nachhause, sie könne doch wieder allein Kartoffeln schälen :(

    Wenn es dir hilft, berichte uns hier, so kann man sich schon einiges von der Seele schreiben.

    Liebe Grüße an alle

  • Liebe Nelly -


    ich kann mich Rose60 und schwarzerkater nur anschließen. Auch bei mir hilft Ablenkung wie ein Buch lesen oder rausgehen. Ich kenne aber auch die Art, nur bei den Kindern zu meckern und bei allen anderen nichts zu sagen, extrem freundlich zu sein etc. Einsicht gibt es nicht mehr, nur noch Themen, an denen sie sie Festbeißen. Das wird sich auch nicht ändern. Bitte bleib stark!

    Liebe Grüße

    Tanja

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Nelly, den vielen unterstützenden und tröstenden Beiträgen kann ich mich nur anschließen. Hilfreich sind auf jeden Fall die Erfahrungen von Rose60, das Einüben und Trainieren von "Gedankenstopps", damit keine depressiven Teufelskreise im Denken entstehen.

    Ich möchte noch einmal das herausarbeiten, was Hoffnung macht:

    • Ihre Eltern nehmen Antidepressiva und die Wirkung setzt immer zeitverzögert ein
    • Sie haben die Wohnung aufgelöst und das aufgehoben, was irgendwann mal richtig gut helfen wird
    • Sie haben - trotz allen - die große innere Stärke, ihre Eltern in den Arm zu nehmen. Sie helfen ihnen damit, dass sie die tiefe Trauer (die fast immer) hinter so furchtbarer Aggression steckt, mit ihren Tränen auflösen können - ein absolut wertvoller Moment und ein Ritual, dass die medikamentöse Wirkung verstärken wird.
    • Erlauben Sie mir folgende Deutung gegen das falsche SchlechteGewissen? Ich glaube, Ihre Eltern fühlen sich als gegenseitige Notgemeinschaft auf engem Raum mehr zuhause, als in einer Wohnung wo sie existenziell überfordert sind. Eine sog. 24-Stunden-Pflege würde in der Dynamik nie funktionieren und erst recht nicht in einer anderen Wohnung. Im Gegensatz zum Lager damals haben sie sich in der wütenden Verzweiflung der Vergesslichkeit gegenseitig, sie haben eine Tochter, auf die sie alle Wut des Lebens schütten können und die trotzdem geduldig zu ihnen hält und sie haben ein Heim, dass damit umgehen kann und die Tür für ein passendes Einleben offen hält.

    Den Hauptpreis zahlen Sie und wenn wir in einer echten Gruppe wären, würde ich sagen: Sie dürfen von mir aus absolut wütend auf Ihre Eltern sein, aber ein schlechtes Gewissen geht gar nicht, das würde ich Ihnen gern symbolisch abkaufen und ich würde Ihnen einen Gegenstand anbieten, der Ihnen hilft daran zu glauben.


    Vielleicht finden Sie selbst etwas, das Ihre innere Kraft und das Wissen um die Richtigkeit unterstützt. Der Traum zeigt ja schon deutlich, was niemals passieren darf!

    Weiß Ihre Schwester von unserem Forum? Liest sie mit? Gibt es etwas, was Sie zusammen gegen das falsche schädliche Gewissen tun können?

    Viel Kraft und gute Ideen, Ihr Martin Hamborg

  • Ein herzliches Hallo an alle hier, Ihr seid mir so wertvoll!

    Vielen Dank für die vielen hilfreichen Ratschläge und Hinweise. Danke martinhamborg für die tolle Aufzählung, ich muss sie jeden Tag durchlesen, besser noch ausdrucken und immer vor Augen haben.

    Meine Schwester weiß von diesem Forum, aber sie überlässt es gerne mir...

    Die "verschwindenden" Eltern und die meist um sich selbst kreisende Schwester lösen eine ganz neue innere Einsamkeit aus, ganz unabhängig vom vorhandenem Freund*innenkreis, dem man ja auch nicht dauernd mit den gleichen Geschichten auf die Nerven gehen möchte. Zum Glück gibt es Euch!

    Einen ganzen Samstag lang habe ich es schon geschafft, nur das zu tun, was mir gut tut, immerhin. Außerdem habe ich mich mit Literatur zum Thema Demenz eingedeckt - es liegt mir, mich auch über Bücher einem Thema zu nähern, das mich quält.

    schwarzerkater: Das hier von Dir hilft wirklich: Vielleicht hilft es, sich immer wieder zu sagen, dass die Eltern anders nicht überleben könnten, zumindest nicht einigermaßen gut oder dass sie ein schlimmes Ende gefunden hätten. Insofern ist es nicht nur eine große Leistung, Hilfe für die Eltern gesucht zu haben, sondern auch deren Widerstand auszuhalten (wissend, dass sie es nicht besser mehr wissen) --- Dachte ich gerade gestern wieder, als mein Vater sagte, "wir sind nicht alt und gebrechlich!".

    Rose60 Die Gedankenstopps sind das, was mir am schwersten fällt, weil ich sowieso zum "Overthinking" neige, schon immer. Auf der Bettkante sitzend und den Tag durchgehen, was war schlecht... immerhin habe ich die Drehung geschafft und schreibe, seit es so schlimm wurde mit den Eltern, als Erstes jeden Abend auf, was schön war - und ist es nicht toll, dass man doch wirklich immer etwas findet?

    Ich bin so fahrig geworden, das passt gar nicht zu mir.

    Heute ist mir schon zweimal etwas aus dem Kühlschrank gefallen, mit entsprechendem Putzaufwand. Schlimmer ist, dass ich in den letzten Wochen schon zweimal gestürzt bin. Einfach zu viel im Kopf, dabei sage ich mir dauernd, fokussier Dich.


    martinhamborg Ich habe in meiner Vorstellung einen Gegenstand gefunden: Ein Kaleidoskop mit bunten Glassplittern, wie ich es als Kind hatte :)

    Herzliche Grüße an alle hier <3

  • Guten Abend,


    womit man auch erst einmal klarkommen muss, ist die Unberechenbarkeit im Verhalten meiner Eltern. Es gibt Tage, da rufen sie gar nicht an, heute, nachdem ich bei ihnen war und es einigermaßen friedlich war, haben sie binnen vier Stunden schon 25x angerufen. Ich - der Trigger, klar.

    Schlimm ist, wenn ich dann auf dem Anrufbeantworter höre, wie sie streiten, sich beleidigen, meine Mutter heult, mein Vater sie beschimpft. Ich könnte das Telefon aus dem Fenster werfen und gleichzeitig beiße ich mir auf die Finger, sie nicht anzurufen, wohl wissend, dass das überhaupt nichts bringen würde.

    Man muss noch ganz schön viel lernen - und aushalten lernen.

    Liebe Grüße!

  • Hallo Nelly, schön, wieder von dir zu lesen. Ich fand es auch schwer, mich an die Unberechenbarkeit meiner Mutter zu gewöhnen, aber irgendwann ist die Unberechenbarkeit die neue Norm. Man glaubt es nicht, aber es ist so.

    Auf jeden Fall ist "auf die Finger beißen" und nicht versuchen, etwas zu klären, die richtige Strategie. Selbst wenn es so aussieht - da kommt nichts mehr an.


    Ich besuche meine Mutter nun 2mal wöchentlich für 15 Minuten. Das genügt! Sie lebt außerhalb von Raum und Zeit und ich hoffe, es bleibt so. Ich gönne ihr von Herzen, dass sie von unseren wirren Zeiten nichts mehr mitbekommt. Wir sprechen nur Belangloses: über grünes Gras, Wolken, ... das steht im krassen Kontrast zu meiner früheren Mutter, die mit Energie und Kraft sowie einem pragmatischen Scharfsinn sehr laut über alles schimpfen und argumentieren konnte. Manchmal ertappe ich mich sogar dabei, dass mir die neue Version meiner Mutter ganz angenehm ist .... (aber nur manchmal). Liebe Nelly, ich bin überzeugt, dass beide Eltern auch irgendwann "loslassen". Vielleicht hat das Heim auch eine Idee, wie man beide ein wenig (vorsichtig) voreinander schützen kann? Alles Liebe <3

  • Selbst wenn es so aussieht - da kommt nichts mehr an.

    Ein ganz wichtiger Satz, den wir uns bei jeder Begegnung, bei jedem Gespräch bewusst machen sollten und der gilt sowohl im Guten, als auch im Ärger und Frust.

    Sie lebt außerhalb von Raum und Zeit und ich hoffe, es bleibt so. Ich gönne ihr von Herzen, dass sie von unseren wirren Zeiten nichts mehr mitbekommt. Wir sprechen nur Belangloses

    So ist es bei uns auch und es erleichtert Vieles, auch wenn ich von meiner Mutter, die sie mal war, längst Abschied nehmen musste.

  • Liebe Nelly -


    ich kann Deine Situation so gut nachvollziehen. Meine Mutter hat(t) Phasen, da hat sie mich 50-60x am Tag angerufen. Ich habe sie auf meinem Handy blockiert. Die Nachrichten habe ich ungehört gelöscht. Es gab Zeiten, da habe ich den Hörer jedes Mal angenommen und jede Nachricht abgehört. Meistens waren es Beschimpfungen. Wenn ich bei ihr war, habe ich den Telefonspeicher gelöscht und versucht, alle Zettel zu finden, auf denen meine Telefonnummer stand. Seit ein paar Wochen ruft sie nicht mehr an. Entweder habe ich alle Zettel gefunden oder sie mag nicht mehr, ich weiß es nicht. Aber ich drücke Dir die Daumen, dass Du bei Deinen Eltern auch an den Punkt kommst.

    Alles Liebe

    Tanja

  • Guten Morgen alle zusammen,

    und herzlichen Dank für Eure Antworten und Hilfen!


    Mir geht seit Tagen der Satz im Kopf herum: Demenz ist wie eine Wundertüte. Nur freut man sich nicht wie früher über die Dinge, die man darin entdeckt.

    Ich habe meinen Eltern meine Handynummer weggenommen, nachdem ich einmal beim x-ten Anruf im Auto gegen die Einbahnstrasse gefahren bin... Sie können nur noch auf dem Festnetz anrufen. Ich könnte es regeln lassen, dass sie nur noch angerufen werden können und nicht mehr selbst anrufen. Das fällt mir aber gerade noch schwer. Dann fühlen sie sich doch noch mehr gefangen :/

    Mein Vater hat trotz der Stimmungsaufheller eine extrem aggressive Phase, beleidigt meine Mutter und mich, sitzt nur noch und hat dadurch natürlich Beschwerden, will aber auf keinen Fall irgendetwas dagegen tun. Nicht laufen, weil das geht ja nicht. Sich nicht mal aufrichten, obwohl er wohl Schluckbeschwerden beim Essen hat, vom vielen krummen Sitzen. Er kann die Finger nicht von seinem Katheter/Urinbeutel lassen, mit den entsprechenden Folgen... er hört einfach nicht auf das, was man ihm dazu sagt und hat die Kraft zu 100.000 Ausreden.

    Meine Mutter hat sich eine ganz schöne Phantasiewelt zusammengestrickt, aber durch ihn wird sie schwer gebeutelt. Ich habe den Eindruck, dass Pflegepersonal lässt sie einfach in ihrem Zimmer (Rausgehen wird ja auch vom Vater verweigert) und versorgt sie nur. Wenn ich es anspreche, heißt es nur, sie müssen sich noch eingewöhnen. Sicher haben sie recht. Ich denke, bei meinem Vater wird sich nichts mehr ändern, meine Mutter kann sich arrangieren, er nicht. Er hat sich schon immer über alles beschwert und gleichzeitig nichts selbst gemacht, außer Handwerken.


    Wir können uns nur gegenseitig aufmuntern und stützen - und ich bin sehr froh über die Erfahrungen von Euch, die schon seit Jahren mit der Wundertüte unterwegs sind.

    Schön, dass es Euch gibt!

    Herzliche Grüße

    Nelly

  • Ich fand es auch schwer, mich an die Unberechenbarkeit meiner Mutter zu gewöhnen, aber irgendwann ist die Unberechenbarkeit die neue Norm. Man glaubt es nicht, aber es ist so.


    Wir sprechen nur Belangloses: über grünes Gras, Wolken, ... das steht im krassen Kontrast zu meiner früheren Mutter, die mit Energie und Kraft sowie einem pragmatischen Scharfsinn sehr laut über alles schimpfen und argumentieren konnte. Manchmal ertappe ich mich sogar dabei, dass mir die neue Version meiner Mutter ganz angenehm ist .... (aber nur manchmal).

    schwarzerkater, du triffst hier ins Schwarze! Die Unberechenbarkeit ist eigentlich das Schlimmste. Ein Paar Tage Ruhe, dann wieder irgendwas völlig Irres, und zwischendrin dreht man fast durch und macht sich Sorgen (eigentlich unnötig, weil man die nächste Verrücktheit sowieso nie erraten könnte). Und ich muss zugeben, dass diese "neue Version" deiner Mutter ganz himmlisch klingt verglichen mit meinem hyperaktiv-anhänglich-ängstlich-ärgelichem Vater.

    Liebe Nelly -


    ich kann Deine Situation so gut nachvollziehen. Meine Mutter hat(t) Phasen, da hat sie mich 50-60x am Tag angerufen. Ich habe sie auf meinem Handy blockiert. Die Nachrichten habe ich ungehört gelöscht. Es gab Zeiten, da habe ich den Hörer jedes Mal angenommen und jede Nachricht abgehört. Meistens waren es Beschimpfungen. Wenn ich bei ihr war, habe ich den Telefonspeicher gelöscht und versucht, alle Zettel zu finden, auf denen meine Telefonnummer stand. Seit ein paar Wochen ruft sie nicht mehr an. Entweder habe ich alle Zettel gefunden oder sie mag nicht mehr, ich weiß es nicht. Aber ich drücke Dir die Daumen, dass Du bei Deinen Eltern auch an den Punkt kommst.

    Alles Liebe

    Tanja

    Das sind ja gute Nachrichten, Tanja! Ich hoffe, es bleibt so, dass der Telefonterror vorbei ist!

    • Offizieller Beitrag

    Hallo TanjaS und Nelly, auch ich wünsche Ihnen von Herzen, dass dieses Telefonterrormuster bald ganz vorbei ist und etwas Neues entstehen kann.


    Während ich die letzten Beiträge gelesen habe, habe ich mir vorgestellt, wie das alles wohl durch Nellys Kaleidoskop aussehen würde, in dem so komplizierte Muster plötzlich ein neues harmonisches Ganzes ergeben.

    Erlauben Sie mir eine Überinterpretation?


    Die Vervielfachung der Probleme haben Sie schon - vielleicht finden Sie mit Ihrem neuen Symbol eine neue Gestalt in einem größeren Ganzen. Eben habe ich noch etwas nachgesehen: Eine Übersetzung aus dem Griechischen heißt "Schönbildseher" - und damit wird ihre spontane Wahl noch mehr zum Programm, nicht im Problemmodus zu verharren...

    Ihr Martin Hamborg

  • Lieber Martin Hamborg, liebe Runde hier,


    das mit dem "Schönbildseher" ist ein sehr passender Name für das neue Programm...

    Gestern war es bei meinen Eltern so schlimm wie noch nie, keine Spur von Stimmungsaufheller-Wirkung. Sie waren beide so aggressiv wie noch nie, ich bin nach 15 MInuten gegangen, ziemlich aufgelöst, nach so vielen Beleidigungen. Ganz schön schwer, sich da wieder herauszuwurschteln. Hab mir mehrmals martinhamborg Ihre Aufzählung wie ein Mantra durchgelesen, das hilft ungemein!

    Gestern gelernt habe ich auf jeden Fall, nie mehr am Vormittag hinzugehen, dann sind sie wacher als am späteren Nachmittag.

    Mit dem Pflegepersonal habe ich wieder gesprochen, sie sagen nach wie vor, sie würden gar nichts von dem mitbekommen, was ich erlebe. Die Eltern sind immer höflich und freundlich und bitten um nichts.

    Die Pfleger*innen haben es immerhin geschafft, dass sie dreimal am Tag in den Speisesaal gehen und nicht mehr in ihrem Zimmer essen. An allen anderen Aktivitäten möchten sie nicht teilnehmen.

    Gelernt habe ich auch, dass es einen großen Unterschied macht, ob ich ans Telefon gehe, wenn sie anrufen - das hat gar keinen Sinn, denn dann sind sie in ihrem Nach-Hause-Tunnel. Rufe ich an und meine Mutter meldet sich, ist es für sie unerwartet und man kann kurz "normal" mit ihr sprechen, dann zeigt sie ihr "Außengesicht". Ich denke, würde mein Vater ihre Kreise nicht immer so hart zerstören mit seinen Beleidigungen und sie aufwiegeln, sie würde sich arrangieren. Das tut mir so leid für sie. Leid tut mir auch, dass bei ihnen jegliche Mitgefühlsäußerung, jeglicher Trostversuch nicht ankommt, im Gegenteil ...

    Ich muss es wirklich endlich hinbekommen, sie nur noch ein- statt zweimal in der Woche zu besuchen (Selbstbeschwörung :))

    Liebe Grüße an alle hier!

    Nelly

  • Liebe Nelly -


    wie schlimm. Ich wünsche Dir alles, alles Gute.

    Ja, meine Mutter ruft momentan gar nicht mehr an, das ist wirklich so ein Gewinn an Lebensqualität. Ich hoffe, dass sich das auch bei Dir bald einstellt.


    Liebe Grüße & eine gute Woche,

    TanjaS

  • Liebe alle -


    am Freitag bin ich zu meiner Mutter gefahren, eigentlich wollte ich bis Dienstag bleiben. Aber ich bin schon am Sonntag nach Hause gefahren. Die Situation ist so eskaliert, ich bin innerlich immer noch ganz zittrig (wenn das Sinn macht). Am Freitag wurde ich begrüßt mit "was willst Du denn hier? Du hast gar nicht gesagt, dass Du kommst". Doch hatte ich, das letzte Mal Freitagmorgens, als ich im Zug zu meiner Mutter saß. Der Samstag war dann wirklich schön, bis am späten Nachmittag ihre Bekannten aus der Kirche anriefen, ob sie sie am Sonntag zum Gottesdienst abholen sollen. Beim 1. Anruf wusste sie noch nicht, weil sie momentan Probleme mit einem Fuß hat (aber zum Arzt will sie natürlich nicht). Beim 2. Anruf sollte ich ans Telefon gehen und absagen. Gesagt, getan. Der Bekannte hat dann noch ein paar Minuten mit mir geredet und kurz danach ging es los. Warum wird denn so lange telefoniert hätten (es waren max. 5 Min.), wahrscheinlich hätten wir wieder über sie hergezogen. Sie saß ein paar Meter entfernt und hätte hören können, dass dem nicht so war. Aber sie hört leider auch immer schlechter und macht sich dann was zurecht. Danach ging es bergab. Sie hat mich in einer Tour beschimpft, wollte dann im Schlafanzug raus. Die Wohnungstür war abgeschlossen und ich habe die Schlüssel dann an mich genommen. ich hätte nie gedacht, dass ich das mal machen müsste. Aber am Sonntag wurde es noch schlimmer. Sie ist wegen der Fußschmerzen nicht zum Gottesdienst. Die Beschimpfungen gingen weiter: Sie wäre nicht mehr meine Mutter, ich würde sie nur niedermachen, alle wollen sie fertigmachen, angeleitet von mir. Ich hätte ihr alles weggenommen, auch meinen Vater. Ich wäre schuld, dass er gestorben ist. Da habe ich ihr gesagt, dass ich am Sonntag schon fahre, weil ich das einfach nicht mehr aushalte. Und es aus meiner Sicht besser für uns beide ist. Habe meinen Koffer gepackt. Dann schlug sie um in "bleib doch hier. Wir streiten auch nicht mehr. Obwohl Du ja immer anfängst". Abgewechselt mit "wenn Du jetzt gehst, brauchst Du nie wieder kommen" Sie hat mich dann physisch abhalten wollen, zu gehen, hat die Haustür abgeschlossen, hat mich von der Tür weggeschubst usw. Ich bin dann raus, um zum Taxi zu gehen. Erst hat sie die Tür hinter mir zugeknallt, dann ist sie hinterher, seltsamerweise mit einem vollen Müllbeutel, den sie mir dann entgegengeschmissen hat. Beim Warten auf das Taxi: Bleib hier - wenn Du jetzt gehst... Sie hat wohl gemerkt, dass es mir ernst war und ist dann gegangen, mich weiterhin beschimpfend. Ich muss sagen, ich war total geschockt und mit den Nerven fertig. Ich habe dann während der Fahrt ihren Bekannten Bescheid gesagt, dass ich eher weg bin, sie ggf. bei ihnen vorbeikommt. Die waren sehr nett und verständnisvoll. Normalerweise rufe ich sie morgens und abends an, aber heute morgen werde ich das nicht machen. Natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen, natürlich hoffe ich, dass sie weiter mit mir spricht und hoffe ein wenig auf die Demenz, dass sie vergisst.

    Sorry, dass ich direkt am Wochenanfang jammere. Aber ich musste mir das von der Seele schreiben.

    Ich wünsche allen eine schöne Woche.

    Liebe Grüße, TanjaS

  • Oh jeh, Tanja, du Arme! Das klingt ja fürchterlich! "Innerlich ganz zittrig" kenne ich auch sehr gut, wir alle hier wahrscheinlich. Ich hoffe, Du hast eine etwas bessere Woche vor Dir! Es ist wohl bei deiner Mutter echt so, dass Du am Besten möglichst wenig Kontakt hast, möglichst selten besuchen und hoffen, dass es mit dem Telefonterror nicht mehr losgeht.

  • Liebe Tanja, das klingt furchtbar und tut mir von Herzen leid. Natürlich macht dich das fertig, du hast doch kein Herz aus Stein!!

    Ich würde alles daran setzen, Verantwortung zu delegieren, Hausarzt befragen, weiter auf Abstand gehen, in dieser Phase kann man doch nicht mehr sicher dort übernachten..

    Ich wünsche dir sehr baldige hilfreiche Helfer!!

    Sei herzlich gegrüßt

    Rose

  • Liebe Tanja, ich kann mich den Worten meiner Vorschreiberinnen nur anschließen. Und: nein, Du musst kein schlechtes Gewissen haben, denn Du musst Dich schützen und dazu gehört eben auch, in dem Fall die Mutter zu verlassen und weniger anzurufen.

    Du brichts von Dir aus ja nicht mit ihr, Du weißt selbst, dass Du für sie da bist, wenn es nötig UND sinnvoll ist, aber was da auf Dich einbricht, kannst Du schlicht nicht und schon gar nicht alleine bewältigen.

    Du hast getan, was richtig ist und Du hoffst sogar noch etwas - auch wenn es das Vergessen durch die Demenz ist und dann geht vielleicht wirklich auch wieder ganz allmählich eine neue Phase mit friedlicheren Kontakten los.

    Ich wünsche es Dir von Herzen.

  • Liebe Tanja, oweh .... das ist ja das "volle Programm". Alle meine Vorschreiber und Vorschreiberinnen haben schon die wichtigsten Dinge gesagt. Das Gefühl (zitterig) kenne ich sehr gut ... und vor allem macht man am Anfang alles Mögliche und Unmögliche, damit die Beziehung wieder einigermaßen ins Lot kommt. Aber das ist mit den gewohnten Strategien nicht mehr möglich. Hier hilft nur Abstand und aufs Vergessen (bei deiner Mutter) bauen. Man wächst da mit der Zeit rein, auch wenn es dauert ....


    Bei meiner Mutter (weiter fortgeschrittene Demenz) ist es heute noch so, dass ich/wir sie irgendwie triggern und nicht unbedingt Freude und Freundlichkeit durch unser Kommen auslösen. Sie hat mit uns abgeschlossen ... irgendwie. Und es wäre wahrscheinlich für alle Beteiligten besser, wenn wir uns noch mehr rar machen (geht aber leider nicht, weil viele Dinge zu regeln sind).

    Ansonsten hat die Heimleiterin uns gesagt, wir sollten uns gut überlegen, warum wir die Mutter besuchen. Sie selbst hat gar nicht so viel davon. Es wäre vor allem nur für uns.


    Daher mein Rat: Überlege gut, ob du die Häufigkeit der Kontakte noch weiter minimieren kannst und es deiner Mutter hierdurch vielleicht sogar besser geht. Sie hat ja auch andere Kontaktpersonen. Wir wecken als "Kinder" bzw. nahe Angehörige vielleicht Gefühle /Erinnerungen in unseren dementen Eltern, gegen die sie sich wehren wollen.

    Die "Mutter" von früher mit all den bekannten Plus- und Minusanteilen ist leider nicht mehr da. Zurück bleibt eine neue Version ..., mit der wir anders umgehen müssen.

    Ich arbeite da immer noch hart dran und lerne viel von den Pflegerinnen.


    Liebe Tanja, ich wünsche dir möglichst bald Erfolge im neuen Umgang mit deiner Mutter und wiederhole nochmals, dass innerer und äußerer Abstand hier erst einmal die beste Strategie ist. Wie ecia schreibt, kann es auch wieder besser werden.

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