Emotionale Erpressung

Datenschutzhinweis: Bitte achten Sie darauf, dass Sie im Forum keine persönlichen Daten von sich selbst oder von Dritten posten. Auch sollten Ihre Angaben keine Rückschlüsse auf Ihre Person zulassen.
  • So hart es klingt, aber ich fühle mich mittlerweile wie ein Sklave meiner dementen Mutter. Noch lebt sie allein in einer Seniorenresidenz. Ich schaue bei ihr mehrfach die Woche für mehrere Stunden vorbei, wenn ich es mit meiner Arbeit einrichten kann oder keine eigenen Termine habe.


    Eine Ehrenamtlerin unternimmt einmal die Woche etwas mit ihr, an der läßt sie kaum ein gutes Haar. Wenn sie sich ansagt, muß ich mit Engelszungen reden, daß meine Mutter sie empfängt.


    Darüber hinaus geht sie seit Kurzem zur Ergotherapie. Aber auch das lehnt sie ab wie alles, was man ihr anbietet. Über den Ergotherapie-Termin will sie jeden Tag diskutieren. Ich habe dazu auch schon mit der Therapeutin gesprochen. Dort allerdings sagt sie, es würde ihr Spaß machen, sie käme gerne. Mir dagegen liegt sie täglich mit dem kompletten Gegenteil in den Ohren. Was sind das für Spielchen?


    Physiotherapie hat sie nach wenigen Terminen abgebrochen, die in ihrer Residenz angebotenen Aktivitäten nimmt sie ebenfalls nicht mehr wahr.

    Stattdessen bombardiert sie mich (manchmal schon von 6 Uhr morgens an) mit unzähligen Anrufen, beklagt sich über Gott und die Welt, in erster Linie aber über mich, die sich in ihrer Vorstellungswelt nicht um sie kümmert. Auch wenn wir uns fast jeden Tag sehen, behauptet sie, ich ließe mich ewig nicht blicken. Darüber hinaus benutzt sie mich permanent als Klagemauer und Fußabtreter für ihre schlechten Launen und Boshaftigkeiten.


    Darüber hinaus versucht sie dann, mich mit fadenscheinigen Vorwänden zu sich zu zitieren. So zieht sie schon manches Mal Stecker aus der Wand und behauptet, dieses oder jenes Gerät funktioniere nicht o.ä.


    Ich spüre, daß sie nur Kontakt zu mir aufnehmen will. aber kann sie denn erwarten, daß ich permanent für sie zur Verfügung und zu Diensten stehe?


    Ich bin fast am Ende, vor Tagen hatte ich schon einen Kreislaufkollaps. Den guten Rat, sich Unterstützung zu holen, habe ich ja befolgt, aber auch das führt nur zu Frustration und Ablehnung seitens meiner Mutter und entlastet mich daher auch nicht. Ich könnte ihre Anrufe ignorieren, aber das möchte ich nicht, weil ich immer denke, es könnte ja doch etwas Wichtiges sein. Auch wenn ich versuche, möglichst freundlich zu sein, so schafft es meine Mutter immer wieder, mich zu provozieren.


    Macht hier jemand Ähnliches durch oder hat einen Rat, wie ich damit umgehen kann? Ich habe in meinem Leben immer pragmatisch und lösungsorientiert gehandelt, aber hier weiß ich nicht mehr weiter.


    Vielen Dank im Voraus!

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Zimt,


    der Druck unter dem Sie stehen wird deutlich. Tatsächlich ist die Annahme, dass sobald der pflegebedürftige Angehörige im Pflegeheim ist die Sorge aufhört, ein weit verbreiteter Irrtum.


    Da Sie bereits sogar körperlich leiden, rate ich Ihnen dringend entsprechend Hilfe zu suchen und anzunehmen - nur für sich selbst. Das könnte z.B. in Richtung Psychotherapie sein o.a. Formen haben die Sie darin unterstützen, sich etwas abzugrenzen.


    Zu Ihrer Sorge, es könnte etwas sehr Wichtiges sein, wenn Ihre Frau Mutter anruft. Natürlich sind Ihrer Mutter die Dinge wichtig. Aber es klingt auch danach, als hätten Sie nicht wirklich Vertrauen zu der Senioren-Residenz. Vielleicht suchen Sie dort auch einmal das Gespräch. Denn Sie sollten sich darauf verlassen können und dürfen, dass Sie bei ganz wesentlichen Vorfällen sofort benachrichtigt werden. Wenn Sie den Eindruck gewinnen, dass man Ihre diesbezügliche Sorge ernst nimmt, können Sie vielleicht zumindest in dieser Richtung etwas loslassen.


    Weiter rate ich ganz praktisch zur Anschaffung eines Anrufbeantworters bzw. zur Einrichtung einer entsprechenden Voicebox über den Telefonanbieter. Das erspart Ihnen zunächst das (längerwierige, vorwurfsvolle) Gespräch. Anhand der Nachricht und dem was beschrieben wird, können Sie dann vielleicht auch besser einschätzen, ob eine sofortige Aktion Ihrerseits wirklich notwendig ist. Und müssen auch nicht vor sechs Uhr morgens ans Telefon gehen, sondern können die Nachrichten vielleicht nach der ersten Tasse Kaffee abhören. Dies als ganz praktischen Ratschlag. Sie können auch - nur für Notfälle für das Pflegeheim, eine zweite Nummer vergeben z.B. über ein Prepaid-Handy.
    Allerdings - jede Maßnahme die Ihnen hilft langfristig für Ihre Mutter dazusein müssen Sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt natürlich durchsetzen und durchhalten.


    Alles Gute wünscht


    Jochen Gust

  • Vielen Dank für die freundliche Antwort!


    Meine Mutter wohnt in einem betreuten Wohnen, d.h., sie lebt dort ganz selbständig in einer eigenen Wohnung. Im Haus gibt es einen Sozialstützpunkt, der allerdings nur werktags von 08:30-16:30 besetzt ist. Sie unterstützen auch bestmöglich, so hat meine Mutter mit deren Hilfe innerhalb von 2 Wochen einen Pflegegrad erhalten. Sie stehen den Bewohnern auch mit Rat und Tat zur Seite, aber den größten Teil des Tages sind die Bewohner auf sich gestellt. Nach meiner Einschätzung hat meine Mutter unendliche Langeweile, die sie auch frustriert, und sie sieht in mir dann Gesellschafterin und Blitzableiter in einer Person. Wie schon gesagt, erfindet sie sogar Vorwände, damit ich zu ihr komme. Wenn ich dann bei ihr bin, stellt sich das meistens als gegenstandslos heraus. Ich weiß, daß Demente ein hohes Maß an Kreativität besitzen können, um ihre Defizite zu kaschieren oder Aufmerksamkeit zu bekommen. Meine Mutter ist eine wahre Meisterin darin.


    Meine Versuche, ihr Zerstreuung zu verschaffen, scheitern immer wieder, weil sie alles ablehnt.


    Über eine Mailbox habe ich auch schon nachgedacht, aber aus persönlichen Gründen nicht realisierbar. Mittlerweile stelle ich, wenn ich arbeite, mein Handy auch auf stumm und lege es außer Sichtweite. Wenn ich nicht reagiere, versucht sie es eben alternativ bei meinem Mann. Sie ist unglaublich beharrlich.


    Mir ist klar, daß ich das Ganze nur mit einem dicken Fell überstehe. Es ist ja selbstverständlich, daß ich an ihrer Seite bin und sie in allem unterstütze, aber wie ich den Mittelweg zwischen Empathie und Selbstschutz finde, weiß ich noch nicht.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Zimt,


    ich erlebe in meiner praktischen Arbeit, dass ein betreutes Wohnen - so wie ich das kenne und wie Sie es beschreiben - auf die Dauer nicht funktionieren wird, wenn die Demenz fortschreitet.


    Für mehr Beschäftigung und Ablenkung zu sorgen ist vielleicht eine Sache, aber gerade im betreuten Wohnen auch mit zusätzlichem finanziellem Aufwand verbunden (Gesellschafterin, wie Sie es ja beschreiben).


    Ggfs. könnte Sie auch der Besuch einer Angehörigen-Selbsthilfegruppe vor Ort etwas unterstützen? Das richtige Maß zwischen Sorge und Abgrenzung zu finden ist eine Suchbewegung, die alles andere als einfach ist.
    Geben Sie gut acht auf sich.


    Es grüßt Sie


    Jochen Gust

  • Hallo Sonnenblümchen,


    ich kann Dich so gut verstehen. Ja, wie ein Fußabtreter, so fühle ich mich auch. Ich höre nur Klagen und Jammern, sogar, wenn man denkt, jetzt habe man eine nette Zeit verbracht, schlägt plötzlich die Stimmung um und man bekommt wieder eine Breitseite. Meine Mutter ist auch Meisterin darin, etwas positiv Gemeintes sofort in das Gegenteil zu verkehren. Wenn sie sagt, daß sie gerne in ihre Heimatstadt fahren möchte und ich sie darin sogar noch bestärke, kommt es postwendend zurück, sie wisse ja, daß ich sie loswerden wolle. Es reicht also nicht einmal, ihr nach dem Mund zu reden.


    Für mich und meine Belange hat sie keinerlei Verständnis. Ich muß mir sogar anhören, sie sei ja ganz allein und habe niemanden, als ob ich Luft wäre und nicht existiere.


    Mir ist auch klar, daß sie auf lange Sicht nicht in der Seniorenresidenz bleiben kann, so daß ich sie prophylaktisch in einem Pflegeheim angemeldet habe. Ich wüßte aber nicht, wie ich sie ja dazu bewegen könnte, dorthin umzuziehen. Ich befürchte, das wird nur geschehen, wenn etwas Schlimmes passiert.


    Ich sage mir ja auch immer, daß es die Krankheit ist, die aus ihr spricht, nicht sie selbst, aber ein Stück weit muß das auch eine Charakterfrage sein. Meine Schwiegermutter war ebenfalls dement, und nachdem sie sich im Heim eingewöhnt hatte, war sie sehr umgänglich.


    Wir haben mit unseren Müttern wohl ganz besondere Fälle erwischt...


    Wir brauchen irgendwelche Strategien, um dem Menschen zwar zur Seite zu stehen, sich aber nicht komplett auffressen zu lassen.


    LG

  • Hallo Sonnenblümchen,
    danke der Nachfrage.


    Da das ewige Hin und Her nicht mehr zu ertragen war, hat meine Mutter die Ergotherapie abgebrochen. Daß sie sich mir gegenüber so negativ, teilweise sogar beleidigend über die Therapeutin ausgelassen hat, hat diese sehr verwundert, weil sie dort immer entspannt und aufgeschlossen gewirkt hat. So ein Verhalten kann sie sich auch nicht erklären und hat sie auch noch bei keinem Dementen erlebt.


    Ansonsten gibt es das übliche Hin und Her, ein paar Tage geht es gut, da ist meine Mutter moderat. Und dann kommt wieder von einer Sekunde auf die andere, völlig unvorbereitet, ein kompletter Stimmungsumschwung.


    Aktuell erwägen wir, sie in ein betreutes Wohnen direkt in meine Nähe ziehen zu lassen. Das würde manche Abläufe im Alltag erleichtern. Aktuell steht sie dem aufgeschlossen gegenüber, aber sie ändert ihre Meinung alle 5 Minuten, was auch immer es sei. Das macht den Umgang mit ihr sehr kompliziert und bringt mich ein um das andere Mal an meine Grenzen.


    LG und alles Gute und viel Kraft!

  • Zu den Beiträgen von "Zimt" und "Sonnenblümchen":


    Die Parallelen zum Verhalten meiner Mutter sind vielseitig. Auch mich nervt ihre wachsende Rücksichtslosigkeit zunehmend.


    Eine brauchbare Lösung habe ich nicht gefunden und ich glaube auch nicht, daß es sie gibt. Ich sehe nur zwei Möglichkeiten:


    Entweder lasse ich mich von meiner Mutter komplett mit runterziehen und lande in der Klapse, lange bevor sie die Endstation Friedhof erreicht, oder ich grenze mich zunehmend ab (trotz permanent schlechten Gewissens und ständiger Sorge, es könnte tatsächlich mal einen "guten" Grund für ihren Telefonterror geben).


    Seit Jahren versuche ich ihr Hilfe zukommen zu lassen, sie lehnt aber alles ab und fokussiert sich ausschließlich auf mich als einzigem Kind. So zieht sie, je weiter sie abbaut, die gefühlte Schlinge um meinen Hals immer weiter zu.


    Mittlerweile bin ich zunehmend verärgert, weil sie sich seit jeher jeglicher Verantwortung für ihr eigenes Leben(sende) entzogen hat und nun wie selbstverständlich alles auf mich abwälzt, ob ich das nun möchte oder nicht. Das finde ich hochgradig unverschämt und rücksichtslos, schließlich weiß sie von genügend Angehörigen der Generation vor ihr, was einen am Lebensende erwartet und daß dazu RECHTZEITIG Maßnahmen eingeleitet werden müßten.


    Da ich trotz aller Vollmachten etc. NICHTS durchgesetzt bekomme gegen ihren erklärten Willen (den sie vehement und äußerst glaubwürdig kommuniziert) erlaube ich mir nun einfach, zu meinem eigenen Seelenschutz MEINEN Willen für meine Belange durchzusetzen, und das heißt, mich nicht mehr von ihr terrorisieren zu lassen, auch wenn das ihre Verzweiflung vielleicht noch etwas vergrößert.


    Aber da sie, wie geschrieben, (genau wie mein vor fünf Monaten verstorbener Vater) nie irgendeine Rücksicht auf mich genommen hat in Bezug auf ihr Altwerden und die dann anstehende Versorgung, hilft das mir, ein nicht ganz so schlechtes Gewissen zu haben, nun mehr auf mein seelisches Gleichgewicht zu achten.


    Anhang prominenter Beispiele läßt sich sehr gut erkennen, wie man es falsch (Walter Jens) oder richtig (Gunter Sachs) machen kann, die Verantwortung für sein eigenes Ende entweder selbst zu tragen oder seinen Angehörigen aufzubürden.


    Natürlich wird gegen das Beispiel von Gunter Sachs massiv gewettert, weil das der "Pflege"industrie schaden würde bei sehr zahlreicher Kopierung, aber schließlich sind (alte) Menschen nicht dazu da, einer Industrie die Existenz und Gewinne zu sichern, sondern diese Industrie sollte sich um die Belange der Alten kümmern. Schöne Theorie; wie die Praxis aussieht, weiß jede(r), der/die mit der / durch die Thematik beschäftigt / belastet ist.

  • Ja, ich kann den Frust, über den ich hier in den Posts (auch in dem anderen Thread) lese, voll und ganz nachvollziehen. Ich bin ja in derselben Situation und habe manchmal das Gefühl, meine Mutter saugt mich aus.


    Wir wollen ja helfen, aber kämpfen gegen Windmühlen. Auch ich würde die Situation meiner Mutter gerne erleichtern, aber sie lehnt alles ab, und wenn sie es nicht ablehnt, dann meckert und motzt sie in einer Tour. Es liegt doch in der Natur, daß man dann jemanden aufbauen will, aber meine Versuche, dies zu tun, dreht sie im selben Moment wieder um. Ich glaube sogar, sie gefällt sich in der Rolle der motzenden, renitenten Alten, sie ist auch die einzige Frau auf der Welt, die Witwe geworden ist. Diese Egozentrik paart sich nun mit Demenz, das ist eine ganz fatale Mischung.


    Ich als Mensch zähle, wie auch meine Vorschreiber dargestellt haben, nicht. Die Frage, wie es denn mir eigentlich geht, stellt sie nicht. Ich funktioniere nur noch als Klagemauer und Fußabtreter.


    Ich bin trotz allem für sie da, und das weiß sie. Ja, manchmal würde ich gerne alles hinwerfen und ihr sagen, sie soll ihren Kram doch allein machen, aber ich bin Mensch, und außer mir hat sie niemanden. Meine Versuche, ihr und damit auch mir das Leben zu erleichtern, gehen leider auch nur ins Leere. Physiotherapie – abgebrochen, Ergotherapie – abgebrochen, Ehrenamtlerin, die 2x die Woche zu ihr kommt – will sie nicht, gefällt ihr nicht. Da die Seniorenresidenz, in der sie lebt, m.E. für sie nicht mehr adäquat ist, habe ich mich nun um ein Appartement in einem Seniorenhaus (kein Heim) bemüht. Dann hätte ich nur noch 5 Minuten Fußweg, dort ist mehr Betreuung, ein intensiveres soziales Leben, regelmäßiges Mittagessen, alles Dinge, die sie objektiv braucht. Es sieht leider so aus, als lehne sie auch dieses ab.


    Aber wenn es brennt, dann hängt sie alle 5 Minuten an der Strippe und ich muß wieder den Trouble Shooter machen.


    Sie hinterfragt sich in keiner Weise, hält sich für das Maß aller Dinge und ist in ihrer Demenz unerträglich rechthaberisch. Sie kann nicht einmal mehr richtig die Uhr, redet sich aber damit aus, sie würde ja hier in einer anderen Zeitzone leben. Und wenn ich ihr klarmache, daß sie unrecht hat, wird sie bösartig und ausfallend. Meine Schwiegermutter war auch dement, aber sie hat sich immer hinterfragt; das macht es viel leichter, so einen Menschen zu unterstützen und ihn zu leiten. Wenn der Starrsinn die Oberhand hat, reibt man sich nur auf.


    Auch ich kann meiner Mutter vorwerfen, daß sie sich nie Gedanken darüber gemacht hat, was einmal wird, wenn sie nicht mehr so kann. Ich würde gerne alles zu ihrem Besten und möglichst frühzeitig regeln, aber da sie in keiner Weise mitzieht, wird es eben eines Tages vor die Wand fahren, und dann bekommt sie es so, wie sie nie wollte. Das ist nämlich die Konsequenz, und meine Mutter ist nicht der erste alte Mensch in meinem Umfeld, bei dem es so kommen könnte. Aber da muß sie dann durch, und ich werde mit mir im Reinen sein. Zu dieser Erkenntnis muß man gelangen, sonst geht man an der Situation zugrunde.


    Die guten Tipps, die man immer liest, sich Hilfen und Unterstützung zu holen, um sich zu entlasten, sind wohlfeil, wenn man es mit einem alten Menschen zu tun hat, der das alles rundweg ablehnt.


    Ich habe leider auch kein Rezept, wie wir alle mit dieser Situation umgehen können. Ja, das dicke Fell, das muß man sich wachsen lassen, es gibt auch Tage, da prallt vieles an mir ab. Ich lasse mich noch viel zu oft in Endlosdiskussionen hineinziehen, die sie liebt, weil sie mich dann festnageln kann. Ich suche immer noch verzweifelt nach einem Standardsatz, mit dem ich diese Diskussionen im Keim ersticken kann. Ich arbeite hart an mir, daß ich mich nicht provozieren lasse und auch Sachverhalte im Raum stehen lasse, die sie verdreht und falsch darstellt, aber ich das widerstrebt so meiner Natur. Ich kann da noch nicht über meinen Schatten springen. Ich mußte mich auch schon abreagieren und habe etwas durch die Gegend gepfeffert, weil es mich sonst zerrissen hätte. Der Austausch mit Gleichgesinnten hilft auf jeden Fall, um Dampf abzulassen. Den Schritt in eine Selbsthilfegruppe habe ich noch nicht gemacht. Ich will ja nicht auch noch meine Freizeit von meiner Mutter dominieren lassen. Die Gedanken drehen sich ja ohnehin ständig um sie. Vor Kurzem bin ich ziemlich unschön gestürzt, und ich bin mir sicher, daß es daher kam, daß ich nicht bei der Sache war.


    Aber vielleicht tut es auch gut, zu wissen, daß man mit seinen Problemen nicht allein ist, daß es viele gibt, denen es ähnlich geht. Und ich drücke allen die Daumen, daß man durch den Austausch auch eine neue Perspektive gewinnen kann.


    LG Zimt

  • Danke für deinen Beitrag, Zimt. Bei mir ist die Situation ähnlich. Ich habe auch einen Thread dazu eröffnet.


    Ich sehe das im Grunde ähnlich. Für mich ist gefühlt auch der goldene Mittelweg richtig. Nicht die totale Selbstaufgabe und auch nicht das im Stich lassen. Auch im Demenzzentrum wird einem zu diesem Mittelweg geraten. Es gibt Demenzkranke die keine Grenzen kennen und die ihr Ich komplett auf andere projizieren und das nicht erst in der Demenz, sondern schon vorher. Das habe ich bei meiner Schwiegermutter erlebt. Wenn Demenzkranke von mehreren Personen rund um die Uhr betreut werden, dann wird auch ihr Gemütszustand besser, sofern sie glauben, diese machen das umsonst und nur für sie. Das ist aber kaum möglich. Niemand hat heutzutage solche Familienstrukturen, aber selbst wenn man sie hat, was ich persönlich schon erlebt habe, dann kann auch das schiefgehen. Pauschalaussagen helfen nicht wirklich, meiner Erfahrung nach, sondern gangbare Mittelwege.
    Liebe braucht auch Ressourcen und diese Ressourcen sind bei jedem unterschiedlich stark vorhanden.

  • Guten Abend allerseits, nun der Reihe nach zu jedem einzelnen Beitrag:


    Sonnenblümchen: Was Sie schreiben bzgl. Recht auf Zuwendung und Liebe und einer Gesellschaft, in der auch alte und demente Menschen erwünscht sind, ist natürlich die Idealvorstellung. Fakt ist aber, jedenfalls bei den Personen, die sich hier austauschen, daß die dementen Angehörigen "eine nicht zu bewältigende Last" (Ihre Worte) SIND !!!! Leider. Meine Oma (Mutter meiner Mutter) war auch dement, aber ERTRÄGLICH alles in allem und recht gut zu händeln. Meine Mutter hingegen, die ihre eigene Mutter zu deren Lebensende bei sich aufgenommen und versorgt hat bis zum Tod, zieht ohne Rücksicht auf Verluste ihren Starrsinn durch, mittlerweile ohne jeden Funken Verstand, aber genauso uneinsichtig und kooperationsunfähig wie sie schon ihr ganzes Leben war. Erst heute hat sie mich bei der Polizei angezeigt und in der Nachbarschaft rumtelefoniert, um einen geeigneten Rechtsanwalt benannt zu bekommen, um gegen mich vorzugehen. Da gibt es keine Lösung; wenn Sie sich auf einen solchen Menschen einlassen wollen, haben Sie von Anfang an verloren. Sie werden permanent terrorisiert und müssen rund um die Uhr vor Ort und einsatzbereit sein; das ist erstens nicht zu bewältigen, wenn man sich nicht gänzlich aufgeben will und zweitens macht man sich so hundertprozentig selber kaputt. Wenn SIE und alle anderen, die sich hier zum Wohle ihrer Angehörigen einbringen wollen, ERNSTHAFT Gutes für diese Personen erreichen wollen, dann ORGANISIEREN Sie eine gute Versorgung für die Angehörigen, aber versuchen Sie NIE, alles Anfallende (und das wird immer mehr, je mehr die demente Person abbaut) SELBER zu machen. Das kann niemals funktionieren!!! Stellen Sie sich mal vor, ein Firmeninhaber mit einigen Angestellten und Firmenwagen und Kantine etc. würde selber die Firmenklos putzen wollen und den Angestellten das Essen kochen und deren Autos warten/putzen, dann müßte dessen Tag mindestens 240 Stunden haben statt 24. So etwas ist Unsinn; Sie müssen delegieren und dafür sorgen, daß Sie als Angehörige Ihre Kräfte schonen und den Überblick behalten, was wie von wem für Ihre Angehörigen getan wird. Sie müssen managen, nichts anderes. Und wenn Ihre Angehörigen gut versorgt etc. sind, können Sie, so wie es für SIE paßt und nicht wie die demente Person es verlangt, zu Besuch kommen und Ihren Ressourcen entsprechend eine gute Gesellschaft für die demente Person sein. Man kann hier im Forum oft genug von Geschwisterkindern lesen, die sich total aufreiben und zum Dank von den Eltern wie Fußabtreter behandelt werden, während ihre Geschwister, die jede Verantwortung von sich weisen, bei ihren seltenen Besuchen von den Eltern hofiert und liebevoll behandelt werden. Sie machen also nichts "richtig" oder "gut", wenn Sie sich restlos entmündigen, fremdbestimmen und niedermachen lassen. Soviel Selbstwertgefühl und Selbstschutz sollte jeder haben, daß man sich abwendet bzw. (im übertragenen Sinn) zurückschlägt, wenn jemand anders einem "in die Fresse haut".


    Zu Zimt: das Obige gilt ganz besonders auch für Sie. Je mehr Sie sich einzubringen versuchen, um so mehr nutzt Ihre Mutter das aus. Sie schreiben, außer Ihnen hätte Ihre Mutter niemanden. Ja, was glauben Sie denn, warum? Weil sie so eine einfühlsame, rücksichtsvolle Person ist, der es immer um das Wohlergehen der anderen geht und die sich selbst zurückgenommen hat? Wohl kaum, eher wird das Gegenteil zutreffen. Meine Mutter hat auch nie gelernt, sich auf andere Menschen einzulassen, daher steht sie jetzt auch völlig alleine da. Ist das meine Schuld? Nein. Ist das mein Problem? Ja, weil sie sich hundertprozentig auf mich fokussiert. Und bin ich nicht da, macht sie Unsinn wie an anderer Stelle schon erwähnt (zum Notar fahren, um mir die Vollmacht zu entziehen; zur Bank fahren mit dem selben Ziel; mich bei der Polizei anzeigen; einen Rechtsanwalt gegen mich einschalten wollen etc.).
    Ob Sie es wollen oder nicht, haben Sie nur EINE (legale) Chance (wenn Sie Ihre Mutter nicht umbringen wollen), damit klarzukommen: indem Sie sich zurückziehen. Zumindest so weit, daß Sie sich emotional erholen können und das, was Sie für Sie tun, möglichst einvernehmlich mit Ihrem seelischen Gleichgewicht.


    Nun noch zu Teuteburger: wenn sich Demenzkranke "rund um die Uhr versorgen lassen", machen die ja schon mal etwas sehr richtig, was sich positiv auf deren Gemütszustand auswirkt. Insofern ist der von Ihnen vorgeschlagene Mittelweg das anzustrebende Ziel. Geht aber nur mit kranken Angehörigen, die kooperativ sind. Wer sich allem und jedem gegenüber verweigert, hat nichts Besseres als sein oder ihr Elend verdient. Und da dürfen sich die pflegenden Angehörigen NICHT für verantwortlich machen; man kann auch nicht für einen Kettenraucher das Rauchen aufgeben oder für einen Alkoholiker das Saufen oder für einen Drogensüchtigen den Konsum. Das kann immer nur die Person selber. Wir können beraten, empfehlen, unterstützen, stärken. Wer das nicht annimmt, macht selber etwas falsch und nicht wir. Das haben alle, die hier an ihren Angehörigen verzweifeln, wohl noch nicht begriffen.


    Eine Einschränkung bzgl. "Delegieren" muß ich allerdings einräumen: wenn sowohl die Angehörigen wie auch die Dementen finanziell am Existenzminimum rumkrebsen, weiß ich auch nicht, wie man das hinbekommen soll. Bei uns ist es umgekehrt; ich regele die Finanzen meiner Eltern siet fast zwei Jahrzehnten und und für beide Elternteile ist üppig gesorgt (finanziell). Wenn aber jemand wie meine Mutter einfach alles ablehnt, hilft auch das nicht; man ist also kein Stück besser dran als die Mittellosen. Und das regt mich zusätzlich maßlos auf, weil den Luxus eines finanziell sorgenfreien Alters weder die früheren noch die künftigen Generationen hatten/haben. Es könnte alles so schön und so einfach sein, wenn, ja wenn die charakterliche Disposition der Betroffenen es erlauben würde.

  • Ich finde es sehr ehrenwert, wenn man sogar seine Arbeit aufgibt, um den Elternteil zu pflegen. Aber ich gebe zu, so weit würde ich nie gehen. Ich könnte es mir gar nicht leisten, nicht mehr zu arbeiten. Dann wäre bei uns schnell Schicht im Schacht. Darüber hinaus möchte ich auch für mein Alter gut versorgt sein, und das würde ich damit aufs Spiel setzen.


    Klar wäre es meiner Mutter auch lieber, wenn ich rund um die Uhr Zeit für sie hätte. Sie will nicht immer verstehen, daß ich full-time berufstätig bin, aber alles in allem haben meine Eltern großen Wert darauf gelegt, daß ich eine gute Ausbildung genieße und mein eigenes Auskommen habe. Daß sie das heute nicht mehr ganz versteht, ist eher ihrem Alters-Egoismus zuzuschreiben.


    Sollte eines Tages Pflege, womöglich im Heim, notwendig werden, sehe ich es natürlich als meine Aufgabe an, dann darauf zu achten, daß die Dinge ordentlich laufen. Permanente Pflege zu übernehmen, würde ich mir weder finanziell (s.o.) noch persönlich zutrauen und zumuten. Meine demente Schwiegermutter war auch im Heim, und das war die richtige Entscheidung.


    Mein höchster Respekt an alle, die es anders handhaben, aber für mich kommt das nicht in Frage (und das schließe ich auch für mich, wenn ich jemals in diese Situation kommen würde, aus).

  • Hallo Sonnenblümchen,


    woher haben Sie denn die Idee, sich rechtfertigen zu müssen und wer hat hat Sie wo als "weltfremd" bezeichnet?


    Soweit ich Ihre zahlreichen Schriften gelesen habe, lassen Sie sich extrem von Ihrer Mutter einspannen und niedermachen. Auf der anderen Seite schreiben Sie aber, daß Sie dies explizit wollen. Dann verstehe ich nicht, warum Sie sich trotzdem hierüber "beklagen". Daß Sie sich emotional mit Ihrer Mutter verbunden fühlen und sich für Sie einsetzen wollen, ehrt Sie. Aber wer seinen Verstand einschaltet, weiß, daß das auf Dauer nicht zu bewältigen ist, weil es über kurz oder lang in einen 24h-Job ausartet. Der einem die Nerven ruiniert, das steht fest.


    Mir ist das sowieso ein Rätsel, wie so viele Leute sich Tag für Tag (und darüber hinaus auch noch in der Nacht) unzählige Stunden mit ihren Angehörigen beschäftigen (und ggfs. noch ihre Berufstätigkeit dafür drangeben); haben die alle nichts zu tun?? Sind das alles Millionäre oder Milliardäre, die kein Einkommen zu generieren brauchen, weil sie im Überfluß leben? Haben die alle keine Interessen, Aufgaben, Bücher, Verpflichtungen, Familien, Freunde, Hobbies?? Wenn ich mich auch noch mit Einkaufen und Kochen und Haus putzen und Wäsche waschen und Kinder- oder Seniorenbetreuung etc. beschäftigen müßte, würde bei mir alles kollabieren, weil ich zu nichts von "meinen" Dingen mehr käme. Oben genannte Dinge kann ich delegieren und für relativ "kleines Geld" einkaufen, aber es gibt niemanden, an den ich Geld verdienen und den ganzen täglichen Bürokratiewahnsinn bekämpfen, mit dem ich konfrontiert werde (heute: Kontopfändung des Finanzamtes bei meiner Mutter), delegiert bekomme.


    Da hier wiederholt die eigene (spätere) Rente der heute Pflegenden thematisiert wurde, frage ich auch dazu: was für eine Rente ist da eigentlich gemeint?? Wer heutzutage noch im Erwerbstätigenalter ist hat doch eh keine Rente mehr zu erwarten, die ein Über"leben" ermöglicht. Und ob bis dahin die Pensionen noch reichen, wage ich bei unserem kaputten Finanzwesen und einem Blick in andere (z. B. die Ostblock-)Länder zu bezweifeln. Dort sind die Zahlungen des "Staates" schon an seine aktuell diensttuenden "Diener" so niedrig, daß diese sich mit Korruption/Bestechlichkeit etwas dazu verdienen müssen, um über die Runden zu kommen.


    Vor allem frage ich mich: haben all die Leute, die sich restlos von ihren Angehörigen einspannen lassen und dafür auf jegliches eigene Leben verzichten, eigentlich gar keine eigenen Wünsche, Ideen, Vorstellungen etc. zur Gestaltung ihres Lebens und zur sinnvollen Ausnützung ihrer knappen Lebenszeit?


    Für mich ist jedenfalls klar, daß mir im besten Fall noch ein paar gesunde Jahre bleiben, die ich nur dann nutzen kann, wenn ich mich aus dem Würgegriff meiner Mutter befreie. Denn sie hat noch locker ein Jahrzehnt Lebenserwartung vor sich und danach kann ich mich (mit über Sechzig) schon selber allmählich in Richtung Altersheim verabschieden.


    So, ich bin nun erst mal raus hier, ein bißchen "Psychohygiene" betreiben. Viel Erfolg an alle!

  • Es ist mir tatsächlich gelungen, meine Mutter zu überzeugen, in das Seniorenhaus mit mehr Betreuung in meine unmittelbare Nähe zu ziehen. Ich habe nicht zu hoffen gewagt, daß sie sich darauf einläßt. Ich erwarte mir davon, daß insgesamt mehr Entspannung eintritt. Sicher wird sie auch dort motzen, aber dann habe ich zumindest eine für mich vorteilhaftere Situation mit größerer Gewißheit, daß sie engmaschiger betreut wird, geschaffen.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!