Ich kann deshalb nicht mehr, weil die emotionale Erpressung und die körperliche Bedürftigkeit meiner Schwiegermutter immer größer werden.
Seit neun Jahren betreue ich meine Schwiegermutter. Ich habe dazu bereits einmal etwas geschrieben. Dreimal in der Woche bin ich bei ihr. Ansonsten kommt zweimal die Woche eine Seniorenbetreuung, die ich als meine Freundin eingeschleust habe. Duschen geht sie schon lange nicht mehr. Einkaufen und Putzen darf ich nach einigen Jahren Anlaufzeit bei ihr. Ich stelle mich voll und ganz auf sie ein. Ich fahre sie zum Arzt, ich telefoniere täglich mit ihr. Sie kann nur mit Hilfe und Rollator nach draußen.
Mein Vater ist inzwischen schwer an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt. Meine Mutter hat Anzeichen von beginnender Demenz. Ich habe auch Geschwister, aber diese haben eigene Probleme und wenig Zeit.
Ich will jedem gerecht werden, auch mir selbst noch, aber zunehmend plagt mich das schlechte Gewissen und ich komme nicht mehr zur Ruhe, denn jedesmal wenn ich meine Schwiegermutter verlasse, sagt sie mir, sie kann nicht alleine sein, sie will sich etwas antun, sie weint auch manchmal.
Unser Verhältnis ist einerseits gut, andererseits ist das auch vor der Demenz fast immer ein Monolog gewesen. Mein Leben interessiert sie nicht wirklich.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr weiter, weil sie keinerlei Hilfe annimmt, sie alles auf mich abwälzt, ihre ganze Psyche, ihre ganzen Versäumnisse und dass nie jemand mit ihr über ihr Alter gesprochen hat. Ich habe vor Jahren öfters einen Anlauf genommen, den sie souverän abgewimmelt hat. Sie geht in ein Heim, wenn sie mal nicht mehr kann. Davon will sie heute nichts mehr wissen. Im Grunde ist alles, was sie sagt, immer eine Übertreibung, um die eigenen Defizite und Bedürfnisse zu umgehen und wegzuschieben. Die Söhne haben es auch nie geschafft mit ihr über ihr Alter zu sprechen, weil sie das mit Geschrei ablehnt. Jeder hilft auf seine Weise, aber überwiegend mein Mann mal sonntags. Ich fühle mich trotzdem zunehmend alleine gelassen, weil ich ihre Qual und Psyche immer weniger aushalten kann.
Leider nimmt ihre körperliche Verfassung immer mehr ab und ich ich würde hier gerne vorsorgen, mehr Hilfe organisieren, vielleicht auch mal probeweise jemanden bei ihr schlafen lassen vom Seniorenservice, was auch möglich wäre. Nein, sie lehnt alles ab, sagt mir aber immer wie schlecht es ihr geht. Mich bringt das fast um, ihr immer wieder Hilfe anzubieten und sie lehnt alles ab, jammert aber bei mir langanhaltend über ihre Beschwerden. Meine eigene Gesundheit leidet zunehmend.
Ich schleppe mich zunehmend durch die Tage, schaffe es immer nur kurz Luft zu holen, weil auch meine berufliche Tätigkeit anstrengend ist.
Sorry für den langen Text. Mir tut meine Schwiegermutter sehr, sehr leid und immer versuche ich ihr zu helfen, psychisch und körperlich, aber es wird nicht reichen, das weiß ich. Mir graut es davor, sie eines Tages wieder in ein Krankenhaus fahren zu müssen und sie schreien und weinen zu hören und zu hören, was ich hier wieder mit ihr mache. Sie will heim.
Am liebsten wäre ihr, wenn ich bei ihr einziehen würde. Das kann ich aber nicht, wegen dem Rest der Familie, die mich auch brauchen und weil ich ihr nicht standhalten kann und ich auch nachts ein paar Stunden Ruhe brauche. Das geht alles schon zu lange.
Das, was mir am meisten weh tut, ist, das, wenn ich meine Grenze ziehe, dass ich sie verletze und im Stich lasse, weil sie über mich mitlebt. Das ist einfach schlimm.