Versuchen Sie sich bitte einmal vorzustellen, Sie hätten einen Großteil Ihres Erwachsenenlebens darauf verwandt, sich eine wirtschaftliche Existenzgrundlage zu schaffen und wären inzwischen an dem Punkt angekommen, wo Sie sowohl die nötige freie Zeit wie auch das nötige Kleingeld haben, sich des öfteren außerhalb des berühmten Hamsterrades zu bewegen und Ihr eigenes LEBEN in Angriff zu nehmen, nachdem Sie vorher jahrelang überwiegend FUNKTIONIEREN mußten.
Desweiteren haben Sie als Einzelkind und somit als einziger verantwortlicher Person die Finanzen der Eltern so gestaltet, daß auch diese für ihr Alter ein ausreichendes Einkommen haben/hatten und der ältere Elternteil bis zum Tod mit deutlich über neunzig Jahren im Pflegeheim versorgt werden konnte.
Nun wollen Sie die letzte Zeit, die Ihnen selber in diesem Erdendasein - so Gott will - einigermaßen gesund und vital zur Verfügung steht, noch etwas aus diesem eigenen Leben machen.
ABER: da ist noch Elternteil Nummer zwei, und dieser kann aufgrund seiner guten körperlichen Konstitution noch mindestens ein Jahrzehnt weiterleben. Leider mit der Einschränkung einer fortschreitenden Demenz UND der Einschränkung, daß diese Person überhaupt kein tragfähiges soziales Netz aufgebaut hat, weswegen sie nun mutterseelenallein in ihrem eigenen Haus dahintrauert und permanent abbaut, derweil sie alle Versuche Ihrerseits, eine tragfähige Versorgung dieses Elternteils mittels dafür geeigneter Personen zu etablieren, torpediert. Das einzig Akzeptierte ist Ihre Anwesenheit und Ihr telefonisches Sich-Kümmern; Fremde werden fast ausnahmslos abgelehnt.
Sie wissen genau: so kann und wird es nicht weitergehen; wer sich selbst nicht mehr adäquat versogen kann, kann erst recht nicht mehr für ein ganzes Haus mit Garten etc. sorgen. Die finanziellen und bürokratischen Dinge regeln ohnehin Sie schon längst, aber irgendwer muß natürlich den Alltag mit der dementen Person meistern, nur wiegelt diese alles von Ihnen Unternommene seit eh und je massiv ab und hat auch schon mehrere 24h-Kräfte, die auf Ihr Betreiben vorstellig wurden, in die Flucht geschlagen bzw. erst gar nicht ins Haus gelassen.
Nun sind Sie hin- und hergerissen zwischen Ihrer (nur gefühlten?) Verantwortung für diesen dementen Elternteil und Ihrem Wunsch, endlich einmal Ihr eigenes Leben zumindeest ansatzweise nach Ihren eigenen Bedürfnissen und Wünschen zu gestalten.
Die Anforderungen, die Ihr dementer Elternteil an Sie stellt, sind exakt das Gegenteil dessen, was Sie selbst anstreben, alleine schon deswegen, weil Sie dazu immer am Wohnort der Eltern sein müßten, wo Sie aber freiwillig gar nicht mehr hin wollen, sondern hinaus in die Welt.
Was würden Sie tun?