Wie würden Sie entscheiden?

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  • Versuchen Sie sich bitte einmal vorzustellen, Sie hätten einen Großteil Ihres Erwachsenenlebens darauf verwandt, sich eine wirtschaftliche Existenzgrundlage zu schaffen und wären inzwischen an dem Punkt angekommen, wo Sie sowohl die nötige freie Zeit wie auch das nötige Kleingeld haben, sich des öfteren außerhalb des berühmten Hamsterrades zu bewegen und Ihr eigenes LEBEN in Angriff zu nehmen, nachdem Sie vorher jahrelang überwiegend FUNKTIONIEREN mußten.


    Desweiteren haben Sie als Einzelkind und somit als einziger verantwortlicher Person die Finanzen der Eltern so gestaltet, daß auch diese für ihr Alter ein ausreichendes Einkommen haben/hatten und der ältere Elternteil bis zum Tod mit deutlich über neunzig Jahren im Pflegeheim versorgt werden konnte.


    Nun wollen Sie die letzte Zeit, die Ihnen selber in diesem Erdendasein - so Gott will - einigermaßen gesund und vital zur Verfügung steht, noch etwas aus diesem eigenen Leben machen.


    ABER: da ist noch Elternteil Nummer zwei, und dieser kann aufgrund seiner guten körperlichen Konstitution noch mindestens ein Jahrzehnt weiterleben. Leider mit der Einschränkung einer fortschreitenden Demenz UND der Einschränkung, daß diese Person überhaupt kein tragfähiges soziales Netz aufgebaut hat, weswegen sie nun mutterseelenallein in ihrem eigenen Haus dahintrauert und permanent abbaut, derweil sie alle Versuche Ihrerseits, eine tragfähige Versorgung dieses Elternteils mittels dafür geeigneter Personen zu etablieren, torpediert. Das einzig Akzeptierte ist Ihre Anwesenheit und Ihr telefonisches Sich-Kümmern; Fremde werden fast ausnahmslos abgelehnt.


    Sie wissen genau: so kann und wird es nicht weitergehen; wer sich selbst nicht mehr adäquat versogen kann, kann erst recht nicht mehr für ein ganzes Haus mit Garten etc. sorgen. Die finanziellen und bürokratischen Dinge regeln ohnehin Sie schon längst, aber irgendwer muß natürlich den Alltag mit der dementen Person meistern, nur wiegelt diese alles von Ihnen Unternommene seit eh und je massiv ab und hat auch schon mehrere 24h-Kräfte, die auf Ihr Betreiben vorstellig wurden, in die Flucht geschlagen bzw. erst gar nicht ins Haus gelassen.


    Nun sind Sie hin- und hergerissen zwischen Ihrer (nur gefühlten?) Verantwortung für diesen dementen Elternteil und Ihrem Wunsch, endlich einmal Ihr eigenes Leben zumindeest ansatzweise nach Ihren eigenen Bedürfnissen und Wünschen zu gestalten.


    Die Anforderungen, die Ihr dementer Elternteil an Sie stellt, sind exakt das Gegenteil dessen, was Sie selbst anstreben, alleine schon deswegen, weil Sie dazu immer am Wohnort der Eltern sein müßten, wo Sie aber freiwillig gar nicht mehr hin wollen, sondern hinaus in die Welt.


    Was würden Sie tun?

  • Guten Tag hanne63,


    danke für Ihren Freispruch :) !


    Worauf ich aber eher hinaus will ist eine Abwägung zwischen "welche Rechte habe ich für mich und mein Leben" und "welche Pflichten habe ich meinen Eltern gegenüber".


    ICH habe über Jahrzehnte meine Zielsetzung verfolgt und bin meinen Weg bis zum jetzigen Punkt gegangen, wo ich endlich die Früchte ernten kann (oder könnte, wenn meine Mutter nicht wäre).
    MEINE ELTERN hingegen haben einfach nur passiv ihr Älterwerden gelebt ohne jede Vorbereitung und ohne jede Weichenstellung, so wie wohl die allermeisten. Nicht nur von sich aus nichts in die Wege geleitet, sondern auch noch aktiv gegen meine Versuche einer RECHTZEITIGEN Maßnahmenergreifung rebelliert. Aber ICH war und bin natürlich derjenige, der dann hinterher die Probleme beseitigen darf, was sie selber nicht mehr schaff(t)en.


    Da frage ich mich, inwieweit ich "moralisch" dazu verpflichtet bin, jetzt auf mein Leben zu verzichten, nur weil meine Mutter sich erlaubt hat, entgegen jeder Vernunft alles Notwendige zu unterlassen (mein Vater ist ja schon tot; ihn habe ich also bereits bis auf den Friedhof begleitet). Statt jede Hilfe/Änderung etc. kategorisch abzulehnen hätte sie ja auch in Abstimmung mit mir eine Lösung finden können, wo sie untergebracht und versorgt wäre und nicht alles an mir hängen würde. Das wäre meiner Meinung nach eine FAIRE und verantwortungsvolle Einstellung.


    Die Frage lautet also: bin ethisch/moralisch dazu verpflichtet, durch Verzicht auf mein eigenes Leben die Unterlassungen meiner Mutter zu kompensieren? Es liegt schließlich nur an ihrer Sturheit und Uneinsichtigkeit, nicht an fehlendem Geld, in welcher Situation sie sich befindet. Ihre (und dadurch natürlich auch meine) Lebensqualität könnte wesentlich höher sein, wenn sie nicht alles abgelehnt hätte und noch immer ablehnen würde.


    Dazu hätte ich gerne mal andere Meinungen gewußt. Schließlich geht es vielen ja genauso, daß sie kein eigenes Leben führen können, weil sie für ihre Angehörigen darauf verzichten.

  • Hallo Sohn,
    ich würde ganz klar mit "nein" antworten. Sie haben keine Verpflichtung, die irgendwie moralisch oder ethisch zu begründen wäre. Ihre Eltern haben sich entschieden, ein Kind zu haben. Damit ist die Fürsorge und Verantwortung für dieses Kind verbunden. Sie wurden nicht dazu gefragt, konnten sich nicht entscheiden, dass Sie geboren werden wollten. Also kann es keine Verpflichtung geben, die für Sie gegenüber Ihrer Mutter erwächst. Außer der, die der Staat Ihnen aufbürdet, aber das ist ein anderes Blatt. Ganz generell ist die Fürsorge für die Menschen, die sich selbst nicht helfen können (Behinderte, Kinder, Alte...), in meinen Augen ein gesellschaftliches Anliegen und sollte dort breit verankert werden. Da erwachsen manche Aufgaben für die Politik. Wenn man sich entscheidet, sich um die Eltern zu kümmern, dann nicht aus Pflichtgefühl sondern aus Freiheit, weil die Beziehung gelungen ist. Nicht jeder kann so handeln. Viele fühlen sich aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, gegen ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu handeln. Sie schreiben ja, dass es am Geld nicht scheitert. Das ist eine komfortable Lage, die nicht jeder hat.
    Ein ganz anderes Problem ist in meinen Augen, dass man sich - egal wie das Verhältnis war - von den Eltern nicht lossagen kann. Egal, wie sie waren, sie bleiben Eltern. Und sie spielen immer eine Rolle im Leben ihrer Kinder. Sei es nur das Gewissen, das sich ab und zu meldet. Deshalb sollte man versuchen, in guten Zeiten die Ansprüche und Erwartungen, die man in einer Familie gegeneinader zu haben glaubt , auszusprechen und sich darüber klar werden, was man vom anderen erwarten kann. Dazu ist Ihre Mutter aufgrund der Demenz schon lange nicht mehr in der Lage. Und war es vielleicht nie. Daraus kann Ihnen gegenüber keine Pflicht erwachsen.
    Meine Eltern sind beide langsam gestorben, also konnte ich beide sehr lange begleiten. Auch ich hatte viele Jahre kein selbstbestimmtes Leben (hat man das überhaupt je wirklich?). Mir hat geholfen, dass ich es als eine Aufgabe gesehen habe, die mir das Schicksal stellt und dass es dafür irgeneinen Grund geben muss, auch wenn ich ihn nicht sofort erkennen kann. Ich habe unglaublich viel über mich gelernt in der Zeit und bin meinen Eltern auf einer ganz anderen Ebene sehr nahe gekommen. Ich habe Dinge getan, die ich nie für möglich gehalten hätte und konnte sie auch. Ich habe Lösungen gefunden für Unmögliches und viele Bälle gleichzeitig in der Luft gehalten. Wenn ich heute zurückblicke, war es eine Zeit, die ich nicht missen möchte. Sie hat mich endgültig erwachsen werden lassen und mir gezeigt, wie stark ich bin und mir viele Ängste genommen.
    Alles Gute!

  • Danke, Jutta60, für Ihre Antwort!
    Rational sehe ich das auch so, wie Sie, aber emotional bin ich total in der Zwickmühle. Ich würde mich ja gerne mehr kümmern wollen, aber durch die permanente Verweigerungshaltung meiner Mutter habe ich so eine Antipathie gegen jeden Kontakt, jedes Telefonat und jeden Besuch bei/mit ihr, daß ich mich zusätzlich schuldig fühle für Unterlassenes. Aus der Nummer komme ich auch nicht raus.
    Ihr Vorschlag, in guten Zeiten alles zu besprechen, wäre bei uns nie umsetzbar gewesen. Und Ihre recht positiven Zeilen am Schluß kann ich für mich überhaupt nicht bestätigen. Ich sehe nichts Positives an dem ganzen Kampf und Krampf über Jahrzehnte; ich ziehe keine Kraft daraus und die Bestätigung, daß ich hoffentlich das Bestmögliche herausgeholt habe, bringt mir auch nichts. Es laugt mich nur aus und verdirbt das zwischenmenschliche Verhältnis. Nicht umsonst blühe ich (in Anführungszeichen) auf, seit mein Vater tot ist. Da ist nichts von "nahe kommen" wie bei Ihnen. Wenn ich Trauer empfinde, dann nur darüber, daß wir nie ein gutes Verhältnis hatten, aber nicht darüber, daß er jetzt weg ist. Im Gegensatz zu Ihnen könnte ich hervorragend auf die Zeit verzichten.



    Was hanne 63 geschrieben hat über das Engagement ihrer Eltern deren Eltern gegenüber ist etwas, worüber ich in Bezug auf das Verhältnis zwischen meinen Eltern und deren Eltern auch schon nachgedacht habe und wo ich zu demselben Ergebnis gekommen bin. Ich glaube kaum, daß sich mein Vater gekümmert hat (allerdings war ich damals noch nicht einmal im Kindergarten (Großvaters Tod) bzw. in der Grundschule (Großmutters Tod), so daß ich aus eigener Erinnerung dazu nichts mehr weiß. Meine Mutter hat zwar nach dem Tod ihres Vaters ihre Mutter bei sich aufgenommen, aber so manche Jahre zuvor würde ich aus heutiger, erwachsener Sicht behaupten, ist auch da nicht das Notwendige in die Wege geleitet und umgesetzt worden. Also, hanne63, mir scheint, daß Sie ebenfalls keine wirkliche Alternative haben zu der von Ihnen herbeigeführten Situation.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Sohn, Sie beschreiben sehr deutlich, wie Sie in Ihrer Zwickmühle stecken, hin und her zwischen dem moralischen Druck, dem Wunsch das richtige zu machen, ausgebremst zu werden, den Gedanken nach drastischen "schnellen" Lösungen oder der Trauer so die eigene Mutter erleben zu müssen.
    Vielleicht müssen Sie irgendwann für Ihre Mutter entscheiden, aber allein sind Sie damit (eigentlich) nicht. Meine Hoffnung ist, dass Sie irgendwann wieder Vertrauen in das professionelle Netz finden und die Unterstützung durch den sozialpsychiatrischen Dienst oder ein Krankenhaus finden und innerhalb der notwendigen eigenen Grenzen das tun, was leistbar ist. Dafür ist eine Psychotherapie eher nicht gedacht, aber es gibt irgendwo in Ihrer Region bestimmt eine Demenzberatungsstelle für Angehörige, ein Demenzservicezentrum, der Alzheimer Gesellschaft oder eine andere Anlaufstelle, wo Sie keine Therapie sondern eine Beratung durch Experten finden, mit denen Sie alles durchgehen und innerlich ordnen können.


    Hier in diesem Forum ist mir durch Ihre Beiträge schon vieles sehr viel deutlicher geworden. Aber ich habe noch etliche unbeantwortete Aspekte allein aus den Randbemerkungen wahrgenommen, so dass ich Ihnen eine Vertrauensperson sehr wünschen würde. Das kann natürlich auch ein Freund sein, aber wir haben durch die Pflegeversicherung neutrale Angebote, in denen es möglich ist, auch über die Gedanken zu sprechen, mit denen man keinen Freund belasten möchte.


    Ich habe es hier im Forum schon oft geschrieben: Die Not der pflegenden Angehörigen war dem Gesetzgeber sehr bekannt und die Deutsche Alzheimergesellschaft hat auch ihren Beitrag dazu geleistet, dass das Hilfenetz unterstützend und nicht reglementierend gestrickt wird. Zur Entlastung der pflegenden Angehörigen gehört auch die psychologische Unterstützung damit diese Menschen nicht innerlich zerreißen, psychisch krank werden oder ein burnout erleiden. Dafür kann die Verantwortung auf viele Schultern verteilt werden, gerade wenn der Mensch mit Demenz andere Hilfe ablehnt.
    Ihr Martin Hamborg

  • Hallo Herr Hamborg,


    nicht erst irgendwann, sondern schon eine ganze Weile treffe ich Entscheidungen für meine Mutter und das zu ihrem umd meinem Vorteil (wie zu Lebzeiten meines Vaters ja auch). Schwierig ist es nur da, wo sie sich verweigert (und die "Hilfe" der schädlichen Nachbarn angenommen hat, die an ihr Geld wollten, mir die notarielle Vollmacht entziehen lassen wollten und vermutlich dahinter steckten, daß meine Mutter mich bei der Polizei angezeit hat).


    Einen "sozialpsychiatrischen Dienst", wie Sie schreiben, habe ich noch nicht hinzugezogen, weiß auch gar nicht, wo und was das ist. Aber die Hausärztin meiner Mutter ist auch Psychiaterin und mit der stehe ich in Kontakt (sie ist auch schon restlos gescheitert an meiner Mutter); desweiteren habe ich zig fachbezogene Anlaufstellen und Personen zu Rate gezogen und involviert, praktisch ohne Ergebnis. Die einzige zur Verfügung stehende Person, mit der meine Mutter sich wohl fühlt, ist eine Dame vom Pflegedienst, die aber nur zwei mal die Woche kurz für sie Zeit hat, und das reicht vorne und hinten nicht.
    Letztendlich sagen mir alle, die sich der Thematik angenommen haben und daran gescheitert sind, ich könne nur abwarten, bis etwas passiert, und dann würde sich alles automatisch ergeben. So nach dem Motto: erst Unfall, dann Krankenhaus, danach Seniorenheim.


    Irgendwann bin ich zur Erkenntnis gelangt, daß die Probleme, die ich (und die Umwelt) mit meiner Mutter habe(/hat), nicht demenzbedingt sind, sondern durch ihre Persönlichkeit verursacht. Daher habe ich hier einmal die Rundfrage gestartet " Was tun bei sozialer Inkompetenz?", denn das Problem meiner Mutter ist nach meinem Erkenntnisstand ihr Unvermögen, sich auf andere Menschen einzulassen und tragfähige Beziehungen aufzubauen.
    Im Grund müßte ICH für sie ein soziales Netzwerk schaffen, werde aber immer wieder dabei behindert, weil ihr dies und jenes und sonstiges nicht paßt.


    Heute hatten wir wieder ein schönes Beispiel dafür: wir waren mittags bei ihr, meine Lebensgefährtin hat mit ihr zusammen gekocht, während ich mich um Mängelbeseitigung am Haus gekümmert habe. Dann kamen für uns überraschend nachmittags alte Bekannte meiner Mutter zu Besuch, die sich auch vorher angekündigt und einen Termin mit ihr abgesprochen hatten. Das hatte Mutter sogar in ihrem Terminkalender- und Zettelwust notiert, nur natürlich an falscher Stelle, weil sie eben keine Ahnung mehr hat, welcher Wochentag ist und auch die Eintragungen nicht mehr an den richtigen Stellen vornimmt. Nur hat sie den Leuten kein Wort davon gesagt; die waren ziemlich erstaunt, als ich ihnen eröffnet habe, wie es wirklich um Mutter bestellt ist. Und Mangels Vorbereitung hatten die Gäste jeweils ein Glas Wasser und ein paar Knabbereien vorgesetzt bekommen; das ist ehr nicht das, was man erwarten darf, wenn man nachmittags eingeladen/verabredet ist. So etwas trägt natürlich nicht zum Erhalt der Sozialkontakte bei und da Muttter mir bisher keine Möglichkeit gegeben hat, bei ihr jemanden zu installieren, die/der ihr bei der Terminierung etc. hilft, geht das meiste daneben. Dann finden sich im Terminkalender Einträge an der falschen Stelle und der handschriftliche Vermerk von ihr: "waren verabredet, sind aber nicht erschienen" oder "habe vergeblich gewartet".


    Ein anderes Beispiel: Mutter hat früher immer alles für ihre Geburtstage selber gemacht: eingeladen, gekocht/gebacken, Tisch gedeckt, hinterher abgeräumt, gespült und weggeräumt. Viel Arbeit, aber sie zog ihre Befriedigung daraus und was zufrieden, also ok für mich. Da sie das alles selber nicht mehr hinbekommt, hatte sie vorletztes Jahr auch nicht mehr eingeladen, so nach dem Motto "wer an mich denkt, kommt auch so vorbei". Pustekuchen! Natürlich kam niemand, und schon gar nicht zeitgleich, also war sie frustriert. Für's nächste Jahr habe ich dann die Organisation einer ihr zu dem Zeitpunkt wohlgesonnen Dame übertrage und die hat eingeladen, vor- und nachbereitet. Es waren viele da, ein nettes Beisammensein, und alle zufrieden. Nur, daß ich dafür hundert Euro ausgegeben hatte, fand meine Mutter unerhört; das verdarb ihr im Nachhinein die Freude daran und ich bekam zu hören, daß sie das dann doch lieber wieder selber in die Hand nimmt in Zukunft. Mit besagter ihr zu dem Zeitpunkt noch wohlgesonnen Dame hat sie sich längst überworfen; dieser ursprünglich sehr erbauliche Kontakt besteht nun auch nicht mehr.


    Mich zerreißt das eher nicht, wie Sie schreiben, auch glaube ich nicht nicht, daß ich deswegen psychisch kank werde oder ausbrenne. Dafür halte ich mich weit genug raus und achte zunehmend auf mein eigenes Wohl - aber frustrieren tut es mich enorm, weil es so einfach sein könnte, wenn sie es sich nicht selber alles kaputt machen würde.


    Die Verteilung der Verantwortung auf mehrere Schultern, wie Sie sie empfehlen, funktioniert einfach nicht. Es ist wie in vielen Bereichen des Lebens immer dasselbe: wo ich mich nicht darum kümmere und dafür sorge, daß Dinge zu einem guten Ergebnis geführt werden, bleibt dies aus. So auch bei meiner Mutter : was wir heute gemeinsam gemacht haben, war schön und gut; aber wenn ich nicht schalte und walte, tut sich auch nichts. Das gilt leider auch für meine eigenen Baustellen: selbst wo ich Leute beauftrage und bezahle bzw. einen Angestellten beschäftige, muß ich doch immer die Unzulänglichkeiten und Fehler anderer ausgleichen. Vor allem das Denken bekomme ich nicht delegiert, deswegen bleiben auch keine richtigen Auszeiten zum Abschalten. Irgendwas ist halt immer. So hatte ich mir das weder vorgestellt noch gewünscht, aber ich arbeite daran, dies für mich zu verbessern.

  • Also, auch der sozialpsychiatrische Dienst hat kein Geheimrezept auf Lager, was uns weiterhelfen würde. Ganz im Gegenteil fand die Dame sehr deutliche Worte und sagte nach meiner Schilderung, daß man eben manche Menschen nur auflaufen lassen kann, so schlimm es auch für alle Beteiligten ist.


    Allerdings hat auch diese Dame mir wieder zu einer Betreuung geraten und auf meine gezielten Fragen zugegeben, daß die damit verbundenen äußerst negativen Folgen tatsächlich eintreten: man ist nämlich ab diesem Moment dem Gericht gegenüber rechenschaftspflichtig, und damit ist finanzielle Gestaltungsfreiheit dahin.


    Deshalb WARNE ich an dieser Stelle erneut alle, die noch keine oder wenig Erfahrungen mit Behörden haben: die bürokratischen Hürden werden immer höher und schlimmer; allmählich bereiten sie nicht nur den Bürgern große Schwierigkeiten, sondern die Behörden bereiten sich selber Probleme, die sie nicht mehr bewältigt bekommen. Ich habe dies jüngst mit zwei Finanzämtern, zwei Gerichten, einer Stadtverwaltung und zwei Straßenverkehrsämtern in verschiedenen Bundesländern erlebt.


    Wer sich für eine Betreuung entscheidet, läßt sich quasi enteignen (jedenfalls, wenn man nicht praktisch mittellos ist) und schikanieren!

  • Danke, hanne63,


    aber die Diskussion Betreuung ja oder nein führt am Thema vorbei. Auch eine Betreuungsperson (ob ich oder jemand anders) kann nur gegen den Willen meiner Mutter handeln und damit wäre ich nicht weiter als jetzt auch. Wenn ich skrupellos genug wäre, könnte ich auch jetzt Maßnahmen durchsetzen, die sie fürchterlich fände. Aber das will ich nicht; noch nicht. Da sie sich immer noch irgendwie durchwurschtelt. Und im Moment ist sie auch wieder friedlich; sie nervt nicht mehr täglich wegen Ec-Karte und Kontoauszügen und Geld, rennt nicht mehr ständig zur Bank und zur Stadtverwaltung wegen ihrer Rente usw.. Das heißt, mein Leidensdruck der letzten Wochen, als sie in permanentem Alarmzustand war, hat erheblich nachgelassen.


    Was wir bräuchten, wäre jemand, der/die sich an Mutter anpassen kann und ihr nützlich zur Hand geht UND der/die von Mutter akzeptiert wird. Haben wir aber nicht; soeben erhielt ich eine Nachricht von einer Person, die ich dafür vorgesehen hatte, daß der von mir erstellte Aufgabenkatalog nicht zu ihrem Aufgabengebiet gehört und daß sie deshalb davon absieht, aktiv zu werden. Jetzt sind wir also schon so weit, daß sich die Alten und Kranken nach dem Angebot der zu ihrer Unterstützung einzusetzenden Kräfte zu richten haben und nicht umgekehrt! Und das bei einer Person, die mir vom Amt für Senioren der Stadtverwaltung empfohlen wurde. Verkehrte Welt.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Sohn, es freut mich, dass sich die Situation etwas entspannt hat. Viele Teilnehmer*innen dieses Forums haben lange den Spagat zwischen Aushalten und Eingreifen (müssen) ausgehalten.


    Häufig erlebe ich es, dass sich eine Situation mit einem ablehnenden demenzkranken Elternteil entspannt, wenn der "Plan B" steht. Sie haben die Vor- und Nachteile einer rechtlichen Betreuung für sich geklärt. Sie haben die fachliche Einschätzung vom sozialpsychiatrischen Dienst, dass sie und Sie (leider) noch nichts tun können außer abwarten und aber dann schnell, kompetent und konsequent bei einem Krankenhausaufenthalt entscheiden. (Viel häufiger als erwartet lösen sich dann übrigens alle Probleme in Luft auf, weil der oder die Angehörige im Heim plötzlich heimisch wird und interessante Kontakte findet).


    Vermutlich haben Sie sich auch schon Heime oder WG`s angesehen und eine Prioritätenliste für den Notfall erstellt.


    Aber Ihre Erwartungshaltung gegenüber anderen im Hilfesystem erstaunt mich immer wieder neu.
    Sie haben doch umfangreich beschrieben, wie schwierig und ausweglos das Verhalten Ihrer Mutter ist. Was erwarten Sie von einer Behörde oder einer Betreuungskraft? Haben Sie Ihr Aufgabenprofil mit dem verglichen, was dieser Mensch mitbringt. Bei jeder Dienstleistung ist es so, dass Erwartungen und Angebot miteinander abgestimmt werden. Dies gilt auch bei sozialen Dienstleistungen und zum Glück leben wir in einer Zeit, in der sich immer mehr Menschen bewusst für eine Aufgabe entscheiden können und nicht alles annehmen.


    Gerade bei Aufträgen gegen den Willen eines Beteiligten ist absolutes Fingerspitzengefühl und intensive Kooperation auf Augenhöhe zwischen allen Beteiligten nötig.
    Diese Kompetenzen wünschen wir uns bei Topmanagern genauso wie im Billiglohnbereich der Pflege und Betreuung. Deshalb entfachen Sie bitte keinen neuen Sturm zu diesem Thema. Ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie eine Betreuungskraft finden, die 100% zu Ihnen und Ihrer Mutter passt. Das wäre aber ein Glücksfall und kein Anspruch.


    Und natürlich wünsche ich ganz viele der beschriebenen kleinen glücklichen Momente mit Ihrer Mutter. Diese haben eine große Kraft für eine Veränderung.
    Dass sich unsere Handlungssicherheit positiv auswirkt habe ich ja schon geschrieben.


    Aber Menschen mit Demenz haben bis zum Schluss ein sehr feines Gespür für die Atmosphäre, die Erwartungen und die Beziehungsdefinition Ihrer Gegenüber.


    Es macht dabei einen großen Unterschied, ob Sie eine ablehnende Haltung ausstrahlen („Meine Mutter sollte Suizid machen, weil Ihr Leben hat keinen Sinn und eine Belastung ist“) oder ob Sie eine positive Ausstrahlung zeigen, die übrigens moderne Manager als kleines 1x1 in therapeutischen Selbsterfahrungstrainings lernen („Ich achte und teile die kleinen Glücksmomente mit Dir, ich meine es gut mit Dir und will Dir nichts Böses, auch wenn ich Entscheidungen gegen Deine jetzigen Wünsche und Vorstellungen treffen muss usw.)
    Ihr Martin Hamborg

  • Guten Morgen Herr Hamborg,
    danke für Ihre erneuten Worte!


    Meine von Ihnen erwähnte Erwartungshaltung empfinde ich selber gar nicht so hoch; jedenfalls erwarte ich hoffentlich nicht mehr, als ich selber zu geben imstande und gewillt bin.


    Konkret auf die sich verweigernde Hilfsperson für meine Mutter bezogen: diese Person war letztens "einfach so" mit meiner Mutter spazieren gegangen, was nicht so gut ankam, da in dem Moment etwas anderes angesagter gewesen wäre. Es fehlte das Fingerspitzengefühl für eine in der Situation angebrachte Beschäftigung.


    Deshalb habe ich mir Gedanken gemacht und eine Liste erstellt, was erstens gut ankommen müßte und zweitens die Defizite meiner Mutter kompensiert. Weil das erstens meiner Mutter helfen würde und zweitens bei eintsprechendem Erfolg natürlich auch die Tätigkeit der Hilfsperson erleichtern und der Hilfsperson ein gutes Gefühl geben würde, was wiederum hoffentlich zu einer längerfristigen Verbindung führen würde.


    Punkt 1 meiner Liste war gemeinsames Einkaufen und Kochen (und Essen, wenn die Dame gewollt hätte).
    Punkt 2: meiner Mutter mit ihrem Terminkalender helfen und der Koordination des Anstehenden.
    Punkt 3: ein wenig im Haushalt den Überblick behalten und schon mal dies oder das ausmisten etc.. Eine Aufgabenliste, um die nächste Wochen langsam gemeinsame Aufgaben zu haben und ein Zueinanderfinden zu ermöglichen, da meine Mutter ihr ganzes Leben viel gearbeitet hat und deswegen die einfachste Methode, ihr nahe zu kommen, die gemeinsame Arbeit in ihrem Haus und Garten ist. Daran hat Mutter Freude und sinnvoll ist es obendrein, ihre Defizite dadurch ausgeglichen zu bekommen.


    Ist das zu viel von einer Frau verlangt, die sich um Alte und Kranke kümmern will, um denen zu helfen?? Ich meine, nein.


    Jedenfalls fahren wir gleich wieder zu Mutter hin, damit sie etwas Gesellschaft hat.

  • Hallo,
    auch ich stecke in einer ähnlichen Situation wie Sohn. Ich glaube das tun die meisten von uns.
    Ich habe mich bereits vor vielen Jahren (Tod des Vaters) entschlossen mit meiner Mutter zusammenzuleben. Meine persönliche Lebenssituation hat dies zugelassen, da ich beziehungs- und kinderlos war und bin.
    Anfangs war es für mich Hotel Mama. Es begann 2005. Es gab zwar bereits früh Anzeichen einer beginnenden Demenz, aber die hat man ignoriert. Mama wird eben tüttelig. Sie ist ja auch schon fast 80 gewesen.
    Heute weiß ich so ziemlich welche Fehler ich gemacht habe, denn es bestand sehr wohl von Seiten meiner Mutter die Bereitschaft ein eigenständiges Leben zu führen, bzw. mir meine Freiheiten zu lassen. Nun ist die Demenz wohl sehr weit fortgeschritten und es tauchen täglich neue Probleme auf, die mich immer wieder an meine Grenzen führen. Aber das größte Problem ist auch bei mir die fehlende Bereitschaft, bzw. strikte Ablehnung Hilfe von Außen anzunehmen. Ich habe schon eine Menge versucht. Es begann von ca 5 Jahren mit dem Versuch einen Pflegedienst zu installieren, was die hygienische und medizinische Versorgung sicherstellen sollte. Schließlich bin ich ja auch noch berufstätig. Die Damen betraten hoffnungsfroh und hilfsbereit unsere Wohnung und erlebten ihr blaues Wunder. Das Ergebnis war, dass wir ohne Pflegedienst auskommen müssen. Ein 2. Versuch vor ca. 1 Jahr scheiterte ebenfalls auf die gleiche Weise.
    Nun habe ich bereits 2 Versuche mit Seniorenbegleiterinnen hinter mir. Auch hier die gleiche Reaktion.
    Ich habe seit ca 3 Jahren meine Arbeitszeit auf Halbtags umgestellt um ab Mittag anwesend zu sein. Es klappt auch irgendwie, aber es gibt einen finanziellen Verlust von 600 - 800 Euro monatlich. Leider gehört meine Mutter zu den Menschen, die große Probleme mit ihrer Vergangenheitsbewältigung hat. Ständig fragt sich mich nach Ehemann, Mama, Papa und Oma. Alle längst verstorben. Anfänglich versuchte ich ihr zu erklären, dass diese Personen nicht mehr da seien, aber das hat zu heftigen Gefühlsausbrüchen geführt. Ich habe den Rat bekommen in diesen Fällen zu versuchen meine Mutter von diesem Thema abzulenken. Krieg ich aber selten hin. Das Problem ist ,dass sie seit einiger Zeit angefangen hat nach ihren Angehörigen zu suchen indem sie die Wohnung verlässt und sich auf den Weg macht. Ich habe ihren Schlüsselbund mit einem GPS-Tracker ausgestattet, der wirklich hilfreich ist, aber es fordert unheimlich viel Energie sie jedesmal wieder "einzufangen". Ist auch bestimmt nicht ungefährlich.
    Man fragt sich immer wieder warum mache ich das.
    Ich bin der festen Überzeugung, dass es meiner Mutter in einem guten Pflegeheim objektiv besser gehen würde. Aber da ich sie sehr genau kenne, weiß ich auch, dass sie dort nicht klarkommen würde. Sie ist nicht in der Lage irgendwelche Kontakte neu zu knüpfen und zu pflegen. Ich kann mir nicht vorstellen, das es den in einem Heim beschäftigten Pflegern gelingen würde sie aus ihrer Isolation zu holen.
    Zum Glück gibt es in den vergangenen Wochen erste Tendenzen, die zeigen dass ich ev. zumindest eine Haushaltshilfe oder vielleicht sogar eine Seniorenbegleiterin installieren kann. Aber da ändert sich z. Z. die Meinung noch täglich.
    Ich habe morgen einen Arzttermin bei einem Neurologen vereinbart. Da würde sie freiwillig nie hingehen, aber ich habe ich weisgemacht, dass es sich um einen Termin für mich handelt und versuche sie so zu überlisten.
    Zu der gestellten Frage, warum ich das alles für meine Mutter machen möchte ich anmerken, dass ich fest davon überzeugt bin , dass sie es verdient hat, dass sich jemand kümmert. Es wäre natürlich leichter, wenn wir noch andere Familienmitglieder hätten, die mich bei der Betreuung zumindest etwas unterstützen könnten, aber das ist nicht der Fall.
    Im Kollegenkreis werde ich natürlich nicht verstanden. Man wünscht mir süffisant einen "schönen Feierabend" wenn ich mittags gehe. Ich habe auch schon gehört. "Der soll die Alte doch ins Heim stecken" oder ähnliches und auf das Thema angesprochen erzählt mir so ziemlich jeder, dass er meine Situation auch schon erlebt hat und sie es damals auch nicht leicht hatten, aber es letztendlich doch geschafft haben, dass Mutti oder Vati in Heim konnte.
    Natürlich habe ich Verständnis für Menschen, die Ihre Angehörigen nicht betreuen können, weil sie eine eigene Familie gegründet haben und deshalb eine umfassende Betreuung der alten Menschen nicht möglich zu sein erscheint. Aber man kann auch nicht alles auf die Gesellschaft abwälzen. Wenn man in der Lage ist, sollte man auch dementsprechend handeln.
    Ich habe keine Ahnung ob und wie lange ich das alles noch hinkriege. Hilfe werde ich sehr bald in jedem Fall brauchen, aber ich habe mir vorgenommen so lange es irgendwie geht gebe ich nicht auf.


    Viel zu lesen, aber das musste mal von der Seele.


    Ich wünsche allen Forumsmitgliedern viel Kraft.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Sohn, danke für die Rückmeldung. Ihre Liste ist auch aus meiner Sicht völlig plausibel und nachvollziehbar, da bleibt die Frage, was wirklich hinter der Absage steckt.


    In Konflikten sind z.B. viel seltener die Inhalte, d.h. was gesagt oder geschrieben wird von Bedeutung, als das was ankommt, was der andere von mir denkt. Dabei ist die Beziehungsbotschaft viel stärker vom Empfänger abhängig, als vom Sender. Oder ganz einfach, wenn die Chemie für die andere Seite nicht stimmt, können Sie machen was Sie wollen, es kommt zumeist schräg an. Aber auch die Chemie lässt sich bekanntlich beeinflussen. In den Klärungsprozess üben wir deshalb die Rückmeldungen zu dem was ankommt und nicht zu dem was gesagt wurde. Das ist manchmal mühsam, aber so entsteht aus zwei sehr unterschiedlichen Wahr-nehmungen manchmal eine gemeinsame Wahrheit.


    Mitarbeiter*innen sind manchmal ganz beeindruckt, wie sie so auch private Konflikte besser lösen können.
    Besonders gut kommt (mein Lieblings-) Engel Meta an, kennen Sie sie? Meta ist bei Konflikten immer im Raum und flüstern den Streitenden ins Ohr „Wie redet Ihr eigentlich miteinander?“ Da Meta allen unbekannt ist, die nicht das Standardwert zur Kommunikation gelesen haben … (Miteinander reden 1, Friedemann Schulz von Tuhn) …, hört sie natürlich keiner, sie hat Psychologie studiert und meterweise Bücher zur Metakommunikation geschrieben.


    Dahinter steckt die einfache Erkenntnis: Es ist sehr hilfreich, eine Streitpause einzulegen und die Form des Gesprächs zu ergründen – oft sind die unterschiedliche Wahrnehmung und die unterschiedlichen Beziehungsdefinitionen Auslöser…


    Bei Menschen mit Demenz funktioniert diese Reflexion oft nicht mehr, weil der Erkrankte einen anderen inneren Bezugsrahmen hat und somit die aktuelle Situation umso schwieriger einordnen kann, je mehr die eigene Wahrheit in Zweifel gestellt wird. Ein einfacher Selbstschutz, der in der Demenz immer wichtiger wird, deshalb sind Diskussionen richtig falsch und eskalieren immer schneller in Rückzug oder verbaler/tätlicher Gewalt.


    Das ist der Grund, Herr Andrydreas, warum Ablenkung bei Ihrer Mutter viel besser ist, als die Diskussion um Wahrheit oder Realität. In Pflegekursen können Sie die Validation lernen. In dieser Technik geht es darum, den Menschen in seiner eigenen Welt ganz ernst zu nehmen, seine oder ihre Gefühle und Antriebe zu verstehen und über die Vergangenheit zu reden ohne mitzuspielen.


    Sie haben eine ganz wichtige Erkenntnis in Ihren Bericht eingestreut: Den Termin beim Neurologen machen Sie für sich und es ist wichtig, dass Ihre Mutter sie begleitet. Wenn Sie innerlich in die Metakommunikationsebene gehen, kann es sein, dass Ihre Mutter ganz stark die Beziehungsdefinition „fürsorgendes Mamahotel“ hat – und dafür braucht sie keine umsorgende Betreuungskraft. Aber vielleicht kann sie akzeptieren, dass Sie die Unterstützung brauchen und das ist ja auch nicht gelogen, denn so kann das gemeinsame Leben besser gelingen.
    Dabei viel Erfolg, Ihr Martin Hamborg

  • Hallo,
    es sich in der Tat als hilfreich erwiesen meiner Mutter weiszumachen, das ich die Unterstützung/Hilfe brauche und nicht sie. Inzwischen trifft das auch immer mehr zu. Sie kann sich auch inzwischen vorstellen Hilfe von einer außenstehenden Person in Anspruch zu nehmen, was mir in Kürze sogar die Einstellung einer Haushaltshilfe ermöglichen kann. Leider war mein Besuch bei der Neurologin nicht sehr erfolgreich, was ich an einer anderen Stelle diese Forums bereits berichtet habe.
    Interessieren würde mich noch die von Ihnen angesprochene Validation. Wo kann ich da mehr erfahren und wer bietet solche Kurse ggf. an ?

  • Hallo Herr Hamborg,


    Ihr Hinweis auf das beim Empfänger Angekommene und vom Absender Abweichende ist sicherlich in der Praxis häufig anzutreffen. Durchaus möglich, daß es auch in meinem/unserem Fall ein Grund für die Absage der Hilfskraft war, weil sie vielleicht mit dem vielen, was ich aufgeschrieben habe, überfordert war. Wie dem auch sei, ich werde (und will) es nicht herausfinden. Entweder es ergibt sich etwas Gescheites oder eben nicht.


    Von Friedemann Schulz von Thun habe ich irgendwann mal was gelesen, das ist aber nichts für mich. Zu viel Theorie, zu viel Geisteswissenschaft. Ich bin stark praxisorientiert veranlagt und daher für solche Literatur nicht zu gebrauchen (wie zu Schulzeiten; da habe ich mich ebenfalls mit vielem plagen müssen, was mir nicht zugesagt hat :) ).


    Irgendwo hatten Sie übrigens geschrieben, ich hätte bestimmt schon einen "Plan B" vorbereitet, z. B. ein Heim auserkoren, wo meine Mutter zu gegebener Zeit untergebracht werden könnte. Nein, das habe ich in der Tat nicht, da meine Mutter bis zu ihrem Tod gerne in ihrem Haus verweilen möchte und das - ganz banal - auch für
    mich, zumindest derzeit und bis auf weiteres, praktikabler wäre. Meistens kommt es eh anders als man denkt bzw, plant. Ich habe für genügende finanzielle Ressourcen gesorgt und den Rest müssen wir (muß ich!) dann eben regeln, wenn es soweit ist.



    Andydreas: Respekt, daß Sie sich so für Ihre Mutter einsetzen! Für mich ist und wäre das nichts, auch wenn ich es als Ideal ansehe, daß man generationenübergreifend für einander da ist. Theoretisch finde ich eine gut funktionierende Großfamilie toll; dazu braucht es aber die richtigen Mitglieder und die fehlen mir. Außerdem müssen die Beteiligten mitspielen und das tut meine Mutter - wie umfangreich von mir geschildert - nicht.


    Ihnen wünsche ich (wie allen anderen hier) Erfolg mit Ihrer Vorgehensweise und daß Sie selber nicht auf der Strecke bleiben dabei.

  • Hallo Andydreas,
    ich habe ganz aufmerksam Ihren Bericht gelesen. Sagen Sie den Kollegen doch mal beim Gehen "ich mache jetzt die 2. Schicht".
    Wenn Sie an andere Familienmitglieder denken, die Sie nicht haben: das ist immer nur eine Möglichkeit, keine Gewissheit. Oft ist es so, dass sich doch nur einer wirklich kümmert, manchmal gibt es sogar noch Vorwürfe (zu teuer usw.). Es hat auch Vorteile, wenn man selbst/allein alles entscheiden kann.
    Bei der Betreuung meiner demenzkranken Mutter bin ich irgendwann an meine Grenzen gestoßen. Als die Bettlägrigkeit begann, war das von einer Person allein nicht mehr zu schaffen, selbst wenn der beste Wille da war. Zu dem Zeitpunkt hatte meine Mutter ihr Haus längst vergessen, aus dem sie nie wegwollte. Ich wünsche Ihnen, dass Sie es noch lange schaffen. Im Endstadium ist es fast unmöglich aus meiner Erfahrung.
    Wenn Sie Ihre Verwandten nicht jeden Tag neu sterben lassen wollen, dann versuchen Sie, das "Ausleiten" und "Validieren" zu lernen. Bestimmt gibt es irgendwo Kurse. Bei mir hat das der Arbeitgeber veranlasst, das hat mir sehr geholfen. In meiner (großen) Firma sind viele betroffen, so konnte ein Kurs organisiert werden.
    Die Kosten für ein Heim sind bereits jetzt sehr hoch. Da ist die Gesellschaft unbedingt gefragt. Wir mussten über 2700€ Zuzahlung jeden Monat aufbringen, was nur ging, weil ich gut verdiene. Und gute Pflege muss für jeden bezahlbar sein. Manchmal höre ich in der Bahn, wie hoch sich die Leute die Heimkosten vorstellen und denke "Mensch, da ist aber noch viel Luft nach oben so informationsmäßig. Leute, kümmert euch rechtzeitig!"
    Alles Gute für Sie und für Ihre Mutter, Sie schaffen das!

  • Hallo Jutta60,
    das ist genau die Reaktion, die von mir folgt, wenn mi rsüffisant ein"schöner Feierabend" gewünscht wird.
    Ich mache das ja nicht alles um Anerkennung, Lob oder ähnliches zu erlangen. Aber Respekt wäre schon nicht schlecht.Wenn man in einigen Gesprächen tiefer auf das Thema eingeht kommt man schnell zu dem Ergebnis,dass inzwischen jeder in ähnlichen Situationen steckt oder gesteckt hat. Ich habe einfach in der Vergangenheit Fehler gemacht und muss da jetzt durch. Und ich gebe nicht so schnell auf. Validation habe ich auf dem Zettel und werde mich kümmern. Mein Arbeitgeber bietet auch Telearbeit an, Da bin ich auch dran.
    Neuerdings schläft sie fast den ganzen Tag und will einfach nicht mehr aufstehen.Nachts wandert sie dann in der Wohnung herum und weckt mich desöfteren auf.
    Ich habe jetzt endlich angefangen mir aktiv Hilfe zu suchen, weil ich es alleine einfach nicht mehr schaffe.Ich habe bereits Kontakt zu einer Seniorenbetreuerin und einer Haushaltshilfe aufgenommen und warte auf Rückruf.
    Da muss jetzt was passieren.
    Ich merke jeden Tag wie wichtig Familie in solchen Fällen ist
    An Sohn: Ich habe auch niemanden weit und Breit. Sogenannte "Freunde" haben ganz schnell das Weite gesucht als es schwierig wurde. Aber ich habe ja sch viele Beiträge in diesen Foren von Ihnen gelesen. Der Aufwand, den Sie offenbar betreiben steht meinen Bemühungen in nichts nach.


    Es geht immer weiter

  • Kurze Frage an Jutta,
    Sie schreiben von Heimkosten über 2700 Euro Zuzahlung. Wenn ich bei den hiesigen Heimen den Heimkostenrechner benutze kommt da immer (unabhängig vom Pflegegrad) ein Betrag um 1650 Euro raus. Ist hier auch bei allen Einrichtungen in etwa gleich. Habe ich da was übersehen ?

  • Hallo Andydreas,


    so wie ich das sehe, haben Sie den weitaus härteren Mutterjob von uns beiden. Ich kümmere mich vor allem organisatorisch aus dem Hintergrund, während Sie an der Front im täglichen Einsatz sind. Das würde ich nicht aushalten, noch nicht mal kurzzeitig.


    Zu Ihrer Frag bzgl. Heimkostenzuzahlung: hängt das nicht auch vom Pflegegrad und dementsprechend von der Höhe des Pflegegeldes ab? Bei meinem Vater belief sich die Heimrechnung von 2015 bis 2018 auf ca. 3.700 bis 3.800 € pro Monat, wovon "wir" grob 2.000 € dazugezahlt haben. Der größte Teil davon war aber die Rente, so daß fast nichts aus Ersparnissen/Vermögen/sonstigen Einkünften floß. Super komfortabel, was die heutige Seniorengeneration noch für staatliche Unterstützung genießt! Davon können wir nur träumen.
    "Taschengeld" für Hygienerartikel, Medikamentenzuzahlungen, Haare und Nägel schneiden etc. darf man aber auch nicht vergessen; so ca. 4.000 € im Monat sind schnell weg.

  • Hallo Andydreas,
    ich habe noch einmal nachgesehen auf der aktuellen Homepage des Pflegeheims, in dem meine Mutter war. 2623,96 € beträgt die Zuzahlung pro Monat und sie ist unabhängig vom Pflegegrad. Dazu kommt noch ein Zuschlag, wenn man ein Einzelzimmer wünscht und die Kosten für Friseur und Fußpflege. Weitere Kosten hatte ich nicht, also z.B. für Hygieneartikel. Die Investitionszulage ist der zweithöchste Anteil nach den Pflegekosten. Das Heim ist in kirchlicher Trägerschaft und befindet sich in NRW, Nähe Großstädte. Meine Freundin hatte ihren Vater in Ba-Wü auf dem platten Land untergebracht und kam rund 900 € preiswerter weg. Meine Mutter hatte eine Rente von ca 1000€, dazu kam eine Witwenrente von etwa 600€. Auch da war sie in einer sehr guten Lage. Frauen ihrer Generation, noch dazu vom Land, haben nur selten eine selbst erworbene Rente. "Sohn" hat das sehr treffend kommentiert. Ich sehe da große Aufgaben auf die Politik zukommen und auf die Gesellschaft.
    Alles Gute für alle hier!

  • Ich habe mir hier mal die Kosten für eine Pflegeeinrichtung des DRK rausgesucht. Einzelzimmer
    Pflegeleistungen: 1349,81 €
    Unterkunft/Verpfl. 591,97 €
    Investitionszulage 473,94 €


    Gesamtkosten 2415,72 €


    Zuschuss Pflegevers. bei Pflegegrad 2 = 770,00 €


    verbleibt ein Eigenanteil von 1645,72 €
    Ich habe auch bei anderen Einrichtungen in der Nähe nachgeschaut, aber die Kosen sind eigentlich immer ähnlich. Wir sind hier in Niedersachsen in einer Kleinstadt.
    Das könnte meine Mutter wuppen. Es bliebe noch ein kleiner Restbetrag für das tägliche Leben übrig.
    Aber noch habe ich nichts in dieser Richtung unternommen. Vorher werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft um sie zu Hause zu behalten.
    Ich suche nach einer geeigneten Haushaltshilfe und habe bei Betreut.de einige Damen angefragt. Leider bisher keine Antwort. Wo kann ich denn noch suchen. Mein Plan wäre eine Haushaltshilfe einzustellen, die auch für die Betreuung von Demenzkranken Personen ausgebildet ist. Quasi in Doppelfunktion. Meine Mutter steht dem noch etwas ablehnend gegenüber (je nach Tagesform), aber das muss jetzt sein.
    Außerdem habe ich bei der Pflegekasse die Höherstufung auf Pflegegrad 3 beantragt. Kann mir da jemand Tipps geben ? Sie wird wieder so tun, als ob sie alles selber kann. Dabei kommt da nix mehr.


    Vielen Dank

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