Hallo,
wie vermutlich viele, habe ich mich heute hier angemeldet, weil uns langsam die Situation über den Kopf wächst. Wir, das sind mein 'kleiner' Bruder und ich.
Vor einigen Jahren hat sich bei meiner Mutter (81) Demenz eingeschlichen. Anfangs war sie noch todunglücklich über ihr schwindendes Gedächtnis und ihre Vergesslichkeit, die zeit ihres Lebens starke Frau hat deshalb plötzlich geweint - mittlerweile findet sie alles nur noch lustig ("Ja mei, in unserem Alter darf'ma schon mal was vergessen.").
Gestern hat sie für große Aufregung gesorgt. Vorgestern brach sie sich die Hand, weil sie in der Küche auf einen Hocker stieg und der wegrutschte. Gestern wurde die Hand operiert. Als sie mein Bruder gestern Abend besuchen wollte, war sie nicht im Zimmer.
Ihre Zimmernachbarin sagte, sie wollte ihrem Besuch entgegengehen. An keinem der Eingänge war sie zu finden. Er lief x-Mal durchs Haus und informierte schließlich die Station. Mittlerweile hat auch schon das Personal begonnen, alle Zimmer abzusuchen, vielleicht ist sie ja in ein falsches Zimmer gegangen. Nichts.
Da ich nicht weit vom Krankenhaus wohne, hat auch die Möglichkeit bestanden, dass sie sich in meine Richtung auf den Weg gemacht hat., deshalb waren wir ständig telefonisch in Kontakt. Er lief mehrfach rund ums Krankenhaus, hat sogar in dessen Kirche gesucht und irgendwann hat das KH beschlossen, die Polizei zu informieren.
Zwischenzeitlich bekam ich einen Anruf am Handy von einer unbekannten Nummer. Ein junger Mann meldete sich, er rufe im Auftrag meiner Mutter an, er und seine Freunde (zwei Pärchen) haben sie 'aufgelesen', sie ist gestürzt und habe sich verlaufen. Ich hab ihm unendlich gedankt, ihm kurz die Situation erklärt und ihn gebeten, ob er sie zum Krankenhaus zurückbegleite. Zeitgleich rief mein Bruder an, der auf dem Weg zum Ausgang war, um dort auf die Polizei zu warten. Im Grunde liefen sie meinem Bruder schon in die Arme.
Er hat sie dann zurück ins Zimmer gebracht und mit Hilfe der Krankenschwester wurde sie dann noch medizinisch versorgt und 'bettfertig' gemacht. Nach ihren Angaben war sie beim Versuch in den Bus zu steigen gestürzt (meine Mutter ist seit den 60er-Jahren nicht mehr mit den Öffentlichen gefahren, sie war immer autark und selbst mit dem Auto unterwegs. Die letzten Jahre natürlich nicht mehr.). Entsprechend sah sie auch aus, die Hose war zerrissen und sie war von oben bis unten schmutzig. In dieser Situation haben sie die jungen Leute 'aufgegriffen'. Meinen Bruder hat sie dann noch gefragt, wo sie denn sei und wie sie denn bezahlen solle, so viel Geld habe sie nicht dabei. Als das geklärt war, war sie beruhigt und er fuhr zu sich nach Hause.
Soweit, so gut.
Wie gesagt, die Situation an sich ist uns ja nicht neu, aber bisher wurde von beiden Eltern jede Annahme einer Hilfe, sei's eine Haushaltshilfe, oder den Antrag auf eine Pflegestufe, kategorisch abgelehnt. Pflegestufe schon gar nicht, schließlich ist es ja nicht sie, die krank sei - ihre Meinung.
Seit einigen Jahren nimmt mein Vater sie mit zu seiner Neurologin. Dort wurden bereits in Abständen mehrere Tests gemacht und eine (damals) beginnende Demenz festgestellt. Ob und welche Medikamente sie bekommt, darüber bekommen wir nur sehr schwer Auskunft von meinem Vater. Jedes Wort muss man ihm aus der Nase ziehen.
Unsere Historie ist voll von massiven Ereignissen, wie z.B. meinem Unfall mit 19, an dem sich mein Vater persönlich die Schuld gibt - was natürlich nicht so ist, es war einfach ein Unfall wie er jeden Tag passiert - nur eben mit weitreichenden gesundheitlichen Folgen für mich; oder seinen Blasenkrebs und den Folgemaßnahmen, etliche Chemotherapien, mit denen er sich immer wieder seit über 30 Jahren befassen muss - ganz abgesehen von den permanenten Schmerzen. Das nur ein paar der bestehenden Umstände.
Und jetzt die Situation mit meiner Mutter, die ihn immer mehr überfordert. Auch er wird seit einigen Jahren schon auf seine Depressionen behandelt. Erschwerend kommt hinzu, dass seine Mutter, also unsere Oma, mit 88 ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt hat. Sie hat ihren körperlichen und geistigen Verfall nicht mehr ertragen und wollte niemandem von uns 'zur Last fallen'. Damit hat sie natürlich die 'Hemmschwelle' für meinen ohnehin schon depressiven Vater immens herabgesetzt. Entsprechende Bemerkungen hat er schon mehrfach fallen lassen, versteckt hinter seinem allseits bekannten schwarzen Humor.
Sie wohnen gemeinsam in unserem Elternhaus, das sie in den 70ern gebaut haben. Allerdings lässt die Pflege des Haushalts mittlerweile natürlich auch zu wünschen übrig - was kein Vorwurf sein soll, sondern nur eine Feststellung. Aber, wie schon erwähnt, eine Unterstützung wird wehement abgelehnt "Brauch'ma ned! Kann ich alles selber!".
Zur 'Entlastung' meiner Mutter möchte ich noch anmerken, dass die Situation gestern im Krankenhaus für sie außergewöhnlich war. Sie war erst einmal überhaupt im Krankenhaus und hatte vermutlich noch Reste der Narkose intus. Das alles hat die Stresssituation für sie noch erhöht.
Trotzdem, wir sind langsam am Ende unserer Weisheit.
Wie oder wo können wir Hilfe bekommen, ohne dass wir in 'die Mühlen der Bürokratie' geraten? Welche rechtlichen Voraussetzungen benötigen wir? Eine Patientenverfügung haben wir (mein Bruder und ich) für beide unserer Eltern.
Sorry für den ellenlangen Text, ich hoffe, ich habe ihn halbwegs leicht lesbar verfasst, aber das sind nur die wichtigsten 'Eckdaten' der Situation.
Vielen Dank fürs Lesen und Durchhalten