Ich bin ja immer noch dem Wesen der Demenz auf der Spur.
Was mir bei meiner Mutter extrem auffällt, ist, daß in ihr Dr. Jekyll und Mr. Hyde zu schlummern scheinen. Sie hat so etwas wie zwei Persönlichkeiten entwickelt, die manchmal binnen Minuten wechseln können. Gesichtsausdruck und Stimme, ja sogar die Physiognomie ändern sich, sie wird böse, schnippisch, abweisend und ist kaum ansprechbar. Sie ist völlig unzugänglich, als ob sie in einer Blase stecken würde. Irgendwann löst sich das auf, es ist, als ob sie erwachen und wieder ihre (im Rahmen der Demenz) normale Natur annehmen würde. Das ist für uns als Bezugspersonen sehr irritierend, weil wir dann völlig grundlos und wie aus heiterem Himmel von ihr angegangen werden.
Ich habe ja Demenz vornehmlich mit Gedächtnisstörungen und schwindenden kognitiven Fähigkeiten assoziiert, aber kann so etwas auch ein Ausdruck davon sein, oder steckt evtl. noch etwas anderes dahinter? Sie nimmt seit Jahren, fast solange ich denken kann, Benzos. Die Psychiaterin des Seniorenhauses, in das sie vor Kurzem gezogen ist, meint, daß eine jahrelange Einnahme von Benzos die Persönlichkeit verändert. Bei deren Besuch war sie im Übrigen sehr aufgeräumt und wirkte relativ klar, so daß die Psychiaterin ziemlich erstaunt war, als ich von meinen Erfahrungen mit meiner Mutter berichtete. Da kommt in mir unweigerlich die Frage hoch, ob sie evtl. auch ab und zu Spielchen mit mir spielt, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen.
Diese „Spaltung“ der Persönlichkeit belastet mich sehr und treibt mich um.