Seit 4 Monaten lebt meine Mutter in einem Seniorenhaus, das ein großes Maß an Eigenständigkeit bietet, daneben aber sind im Preis inbegriffen das Mittagessen und viele Angebote (Singen, Gedächtnistraining, Gymnastik, Gesprächskreise u.v.m.). Das war auch der Grund, warum ich einen Umzug meiner Mutter von einer Seniorenresidenz in das Haus, da zudem nur 5 Minuten Fußweg von mir liegt, angeregt hatte.
Da sie sehr große Anpassungsstörungen hatte, war es uns gelungen, für sie einen Platz in einer gerontopsychiatrischen Tagesklinik zu bekommen. Diagnose: mittelschwere Demenz, wohl Mischung Alzheimer/vaskulär. Dem Abschlußbericht, der mir vorliegt, ist zu entnehmen, daß sie sich über meinen Mann und mich sehr abfällig geäußert hat. Das schmerzt schon sehr, zumal wir uns wirklich intensivst um sie kümmern. So einen Schwiegersohn wie meinen Mann kann man sich nur wünschen, er besucht sie oft, kauft für sie ein, klagt nicht darüber, daß wir sie jedes Wochenende bei uns haben. Ich als Tochter werde von ihr für ihre Situation verantwortlich gemacht, dabei ziehe ich alle Fäden und sorge dafür, daß es ihr an nichts mangelt.
Von der Tagesklinik wurde geraten, sie zu Aktivitäten zu animieren, weil sie keine Eigeninitiative mehr besitzt. Das sollte aber möglichst durch „neutrale“ Personen geschehen, weil mein Mann und ich in dieser Hinsicht bei ihr schon „verbrannt“ sind. Bei uns schaltet sie auf stur wie ein störrischer Esel, und wir erreichen nur das Gegenteil. Daher habe ich die Bewohnerbetreuung in ihrem Haus gebeten, sie zum Essen abzuholen und auch zu der einen oder anderen Aktivität. Den lieben langen Tag allein in ihrem Appartement zu sitzen, stereotyp Sachen von einem auf das andere Ende zu räumen und darauf zu warten, daß ich nach der Arbeit vorbeikomme, tut ihr einfach nicht gut. Leider verweigert sie die Angebote mittlerweile komplett. Sie beklagt sich über jeden Mitarbeiter (ein männlicher Betreuer wolle angeblich etwas von ihr, sie zieht über ausländische Kräfte her und behauptet, sie würden an ihre Schränke gehen). Da sie sich weigert, zum Mittagessen in die Cafeteria zu gehen, hat man ihr das Essen sogar ins Appartement gebracht. Nun wurde ich von der Bewohnerbetreuung kontaktiert, daß man alle sozialen Dienste ihr gegenüber einstellt, weil sie alles ablehnt und man nicht gegen ihren Willen handeln darf. Sieht also aus, als habe man dort schon kapituliert.
Es ist ja nicht so, daß sie gerne allein ist. Sie liegt mir ständig in den Ohren damit, daß nichts los ist und ist pikiert, wenn ich während meiner Arbeit keine Zeit für sie habe. Sie hat an allen etwas auszusetzen (sind ja alle alt, dabei gehört sie selbst schon zu den Älteren).
Ich bin ratlos und weiß nicht, was man da noch machen kann. Es ist ja nicht so, daß sie z.B. das Essen grundsätzlich verweigert; wenn wir mit ihr essen gehen, ißt sie normal und mit Appetit. Daß mein Mann und ich nicht an sie herankommen, war mir schon klar, aber es funktioniert bei Dritten ja auch nicht. Oder soll man ihr ihren Willen lassen, auch wenn es nicht zu ihrem Besten ist, nach dem Motto, des Menschen Wille ist sein Himmelreich?
Mir tut das alles sehr weh, und ich muß zugeben, daß das Verhalten meiner Mutter dazu führt, daß ich mich innerlich von ihr distanziere. Ich will das eigentlich nicht, aber sie setzt uns so zu, daß das nicht spurlos an uns vorübergeht, auch wenn man sich immer wieder sagen muß, daß es ja nicht sie, sondern die Krankheit ist, die sie so agieren läßt.
Mich würde somit sehr interessieren, wie die „Community“ das sieht.