Corona - Erfahrungen mit Pflegeheim

  • Hallo,
    leider muss ich besonders in der derzeitigen Situation wieder schlechte Erfahrungen mit dem Heim erleben. Da Besuchsverbot besteht, sind meine Mutter und ich nur noch telefonisch im Kontakt. Da man ihr zuvor das Handy nicht mal ins Bett gelegt hat, hatte ich die Heimaufsicht eingeschaltet. Seitdem liegt es zumindest neben ihr. Nun hat sie aufgrund Bettlägerigkeit und dadurch schwachem Kreislauf oft Probleme, mich anzurufen, und ich hatte schon mehrfach darum gebeten, ihr doch ein paar Mal die Woche z. B. nach dem Essen das Handy zu reichen und einen Knopf mit meiner eingespeicherten Nr. zu drücken, was ich nicht als “Pflegeaufwand” sehe, sondern nach einem Jahr bekannt und ohnehin menschlich sein sollte. So bat ich auch heute beim Telefonat eine Pflegerin abermals um die Handreichung, sonst müsste ich mich wieder nach außen wenden. Zur Antwort bekam ich: “Ja, machen Sie das doch, das war ja sowas von affig.” - Die Haltung des Heimes mir als Bevollmächtigter gegenüber scheint, auch das ich die PDL nicht mehr sprechen kann, sowie die Heimleitung offenbar kein Interesse an einer Kooperation zeigt, deutlich

  • Vielen Dank für die Antworten und Gedanken. Der Perspektivwechsel im Gespräch ist eine gute Idee.


    Ich hatte nun extra eher den Weg über die Heimaufsicht gewählt, um den Heimleiter bei seinen Vorgesetzten nicht zu diskreditieren und im Heim etwas zu provozieren. Der Mitarbeiter der Aufsicht war eigentlich ganz nett und sprach noch positiv über den Heimleiter. Also so schlimm kann es nicht gewesen sein. Offenbar ist es aber so wie Hanne sagt, die Aufsicht ist eben auch kein guter Ansatz. Da dies nicht die einzige Klage ist, habe ich mich anschließend an den Betreuerverein gewandt, der mich auch auf die Aufsicht verwies. Leider wird einem von vielen Stellen Hilfe versprochen, und letztlich kommt kaum was dabei raus oder es geht nach hinten los.


    Somit scheint der Weg über die Medien der einzig sinnvolle zu sein. Eine Anzeige beim Anwalt oder der Pflegekasse dauert viel zu lange. Diese könnte man aber zumindest über die Zustände informieren, ohne eine Erwartung. Der MDK fällt derzeit aus, was den ohnehin rechtsfreien Raum im Heim noch ausbaut. Nicht auszudenken, was in diesen Tagen ohne Kontrolle und Dokumentationspflicht allg. in den Heimen möglich sein kann. Der Arzt wäre der Einzige, der sich noch einen Einblick verschaffen kann, doch der scheint auch der Meinung zu sein, dass man sie liegen lassen kann, sie stirbt ja eh bald. Leider entzieht der sich auch einem telefonischen Gespräch.


    Dann die Überlegung, dass es eine Sache ist, welch Zeugnis eine Pflegerin um die 30 über ihren Charakter ablegt, bringt sie auch durch das Verhalten von PDL und Arzt, die Haltung des Teams damit zum Ausdruck bzw. steht sogar der Heimleiter hinter ihr?


    Noch letzte Woche bekamen alle Angehörigen ein Rundschreiben von der Verwaltung (die ihren Sitz in einer anderen Stadt hat, also nicht von der Heimleitung), dass man “gerne auch telefonischen Kontakt herstellen” würde.


    Ich habe einen kffm. Beruf und würde nie wagen, mich einem Kunden gegenüber derart zu äußern, bzw. den Hörer einfach aufzulegen.


    Gruß
    River

    • Offizieller Beitrag

    Hallo River, das Verhalten der Mitarbeiterin ist nicht o.k. - auch nicht in Zeichen von Corona. Gern möchte ich einige Aspekte kommentieren:


    1. Der MDK prüft weiterhin, aber nur anlassbezogen. Die Einschränkung der Menschenwürde und der Boykott von Angehörigen können telefonisch gemeldet werden. Wenn es da Probleme gibt, schreiben Sie es bitte, ich würde es an die Verantwortlichen weiterleiten.


    2. Die Aufhebung der Regelprüfungen und der Dokumentationspflicht soll Zeitreserven für die Hygiene, Pflege und Betreuung schaffen. Aber Sie dürfen selbstverständlich dokumentieren, ob das Heim den Betreuungsverpflichtungen nachkommt oder nicht. Das sind - so wie Sie schreiben - besonders die Telefonate mit Ihnen. Der Brief der Verwaltung zeigt, dass die Leitung genau dies will. Die Leitung, der MDK oder die Heimaufsicht werden mit "Ihrer" Dokumentation anlassbezogen handeln (müssen).


    3. Leider gibt es in der Pflege unprofessionelles Verhalten, deshalb gilt zunächst das interne Beschwerdemanagement. So wie in allen Dienstleistungsbereichen ist es in der Pflege ein Instrument der Qualitätssicherung. Jede Altenpflegeeinrichtung wird weiterhin jährlich kontrolliert, ob dieser interne Qualitätsverbesserungsprozess funktioniert. Aber eine (gute) Leitung ist auf die Rückmeldung durch Angehörige angewiesen. Wenn die Leitung nicht handelt und kein Interesse an der kontinuerlichen Rückmeldung hat, haben wir ein anderes Problem. (Nochmal) die Qualitätssicherung ist nicht durch die Lockerung der Dokumentationspflichten aufgehoben, es wäre fatal bei einer solchen Krise! Und wenn Träger oder Leitungen versagen, ist der Handlungsbedarf um so wichtiger!


    4. Die Heimaufsicht hat den Heimleiter als eine konstruktive Leitungkraft beschrieben, er wird sich sicher freuen, wenn er diese Rückmeldung von Ihnen bekommt. Und er wird alles tun, dass die Einrichtung in der Außenwirkung nicht so wahrgenommen wird, als würde sie vom Kopf her stinken...


    5. Das Besuchsverbot ist eine verbindliche Vorsichtsmaßnahme, aber erst im Infektionsfall gibt es ganz strenge Regeln. Die Unterstützung von Pflegebedürftigen wurde (eigentlich) von den Kontaktverboten bislang ausgenommen. Wenn ein Heim in seiner Fürsorgepflicht bettlägrigen Menschen gegenüber überfordert ist, besprechen Sie dies bitte mit der Heimaufsicht - sie hat den direkten Draht in das Gesundheitsamt als entscheidende Ordnungsbehörde. Ich kann mir gut vorstellen, dass es klare Ausnahmeregeln für Menschen geben kann, die immobil sind und für die, die strenge Kontaktsperren im Heim nicht verstehen, ignorieren oder sich daraufhin aggressiv verhalten. Aber das ist ein anderes Thema.


    Sie merken, ich werbe sehr darum jetzt nicht das Vertrauen in die Ordnungsbehörden zu verlieren und zu resignieren. Ich erlebe gerade eine hohe Senibilität in der Einschränkung der Freiheitsrechte auf allen Ebenen der Politik und Verwaltung.
    Also bitte bleiben Sie dran!
    Ihr Martin Hamborg

  • Hallo Herr Hamborg,
    danke für Ihre Informationen, bes. auch, dass die Aufsichtsfunktion nicht gänzlich weggefallen ist.
    Nun bekam ich vorgestern die schlechte Nachricht, dass es mit meiner Mutter wohl bald zu Ende geht. Ausnahmsweise hat mich sogar ihr Hausarzt direkt nach der Visite angerufen und mir einen Zeitraum von ca. 4 Wochen mitgeteilt, wobei er in den nächsten 10 Tagen noch nicht damit rechnet. Sie hätte noch mehr abgenommen, wäre aber sonst ganz ruhig. Anschließend telefonierte ich mit dem Heimleiter, zwecks Besuch. In der letzten Phase könne ich natürlich kommen, und wir haben Anfang April angedacht. Weiterhin ging es um das leidige Thema “Handreichung des Handys”. Vereinbart ist aktuell, dass ich beim Nachmittagskaffee angerufen werde. Vorgestern wurde es umgesetzt, weil der Leiter persönlich zu ihr gegangen ist und nun auch den “Arbeitsaufwand” abschätzen kann, er wollte es an die Pfleger weitergeben.
    Auch die unpassende Reaktion der Pflegerin war Thema. Es könne manchmal ein Ausrutscher passieren, war seine Reaktion, womit ich mich nicht zufrieden gab und meinte, dass ich so etwas nicht noch mal hören möchte, zumal man für unser Geld wohl mehr Empathie erwarten dürfe. Ich weiß nicht, ob er mit ihr gesprochen hat.


    Am frühen Abend klingelte ich wie üblich bei meiner Mutter an, und sie rief kurz darauf zurück - alleine. Sie kann nicht mehr sprechen, aber ich höre, wie sie den Becher abstellt, und hört mir sicher zu, hört meine Stimme und hat wenigstens etwas geistige Anregung - bei 24 h im Bett. Als das Gespräch unterbrochen wurde, vermutlich ist sie auf einen Knopf gekommen, rief sie wieder selbständig zurück. Gestern passierte dann aber gar nichts. Kann sein, dass sie den ganzen Tag nicht ansprechbar war. Da nun keine Zeit bleibt, werde ich meine Forderung auf den ganzen Tag ausweiten, so dass ich jederzeit, wenn sie möchte und kann, angerufen werden möchte. Sollte ein Pfleger damit Probleme haben, weil ich zuletzt doch noch intervenierte (Heimaufsicht, Beschwerde über die Aussage “affig”), würde ich vorschlagen, dass er meine Mutter nicht mehr betreut. Denn ich weiß nicht, wie sie behandelt wird und äußern kann sie sich nicht mehr.
    Ich danke Ihnen, dass sie die Sache ggf an den MDK weiterleiten wollen.
    Viele Grüße
    River

  • Hallo,
    Danke Sonnenblümchen!


    Da sich auch heute nichts tat habe ich eben wieder den Leiter gesprochen - der wusste nichts von ihrem Zustand! Noch wäre es ja nicht soweit. Ich bin zumindest davon ausgegangen, dass man ihn informiert hat, als ich am Montag anrief. Ich schlug dann 5 kooperative Pfleger vor. Mal sehen, ob es jetzt klappt. Er war dann wieder bei ihr, sie wäre heute viel wacher als Montag, hätte das Handy auf dem Bauch, würde aber nur irgendwelche Tasten drücken (ich hatte probehalber angerufen). Ob man ihr dann aktiv helfen und anrufen solle. - Das ist zumindest für das Team schon lange ersichtlich! Das kann man nicht nur als Kommunikationsproblem bezeichnen. Traurige Zustände.
    Gruß
    River

    • Offizieller Beitrag

    Hallo River, einiges habe ich ja schon an anderer Stelle geschrieben und es freut mich dass der Heimleiter die Sache ernst genommen hat. Bitte argumentieren Sie nicht zu oft mit den Heimkosten: Es ist ganz viel Geld, aber die neuen Personalbemessungsinstrumente zeigen eindeutig, dass die Pflege eindeutig unterfinanziert ist - die Kosten werden steigen, auch weil Pflegefachkräfte besser bezahlt werden müssen.


    An den MDK auf übergeordneter Ebene kann ich ein Problem nur weitergeben, wenn Sie vor Ort nicht weiterkommen oder nicht ernst genommen werden.
    Also noch einmal, viel Kraft und Geduld, Ihr Martin Hamborg

  • Hallo Sonnenblümchen, Hallo Herr Hamborg,


    danke für Dein Interesse, Sonnenblümchen. Meine Mutter ist leider am 29. verstorben. Zum Glück vermittelte am Freitag, 27.04., eine Pflegekraft die Handreichung mit dem Handy, die ich nach dem Telefonat mit meiner Mutter noch mal sprechen konnte und die mir dann mitteilte, dass es meine Mutter nicht mehr lange schaffen würde. Meine Mutter konnte die letzten beiden Telefonate nicht mehr sprechen, bekam aber alles bis zum Schluss mit. Ob mich andere rechtzeitig informiert hätten? Tags zuvor schlug ich noch vor, dass man ihr auch vormittags das Handy geben könnte und bekam zur Antwort, dass das Team das nicht so gerne machen würde!
    Ich mietete also am 27. schnell einen Wagen und war dann spät abends bei ihr, so dass ich sie noch bis Sonntag früh begleiten konnte. Sie hatte wohl auf mich gewartet. Es erleichtert etwas, dass sie nicht leiden musste, keine Schmerzen hatte und dass sie in diesen Coronazeiten nicht mehr einsam im Zimmer sitzen muss.


    Das es anders gehen kann, zeigt mir die Eigeninitiative einer Pflegehilfskraft, die die Niveadose entdeckte und ohne das irgendjemand was sagte, meine Mutter damit eincremte, so wie sie es selbst auch immer getan hat. Ein großes Lob und Dank dafür war selbstverständlich. In Bezug darauf, hilflose Personen mit geringen Handreichungen zu unterstützen, kann ich das Argument der Pflegeüberlastung ehrlich gesagt nicht mehr hören. Wo war denn das Problem eine Handytaste zu drücken und es ihr auf die Schulter zu legen.
    Beim Ausräumen des Zimmers fehlten zudem zwei Kleidungsstücke, die sie sich bei einer Modeausstellung im Haus gekauft hatte, Wert ca. 100 €.


    Zu meinem finanziellen Argument: Vor Monaten regte ich im Team an, sich doch mit den Angehörigen zusammen zu tun und z. B. Unterschriftenlisten auszulegen, die man kontinuierlich ins Rathaus liefert - dürfte wohl auch kein großer Aufwand sein, zumal die Lage der Pflegekräfte dadurch auch allg. bekannter würde. Es ging mir um die Solidarität mit den Angehörigen zugunsten der Betreuten.


    Nach dem unkooperativem bis frechem Verhalten jedoch wechselte ich meine Meinung, und denke, da braucht es mehr Druck, damit sich auch die Pflegekräfte bewegen. Schon länger gibt es den Vorschlag zur Bildung einer Gewerkschaft. Zu Lasten der Pflegebedürftigen kann es jedenfalls nicht gehen.


    Gruß
    River

    • Offizieller Beitrag

    Hallo River, danke, dass Sie uns informiert haben, tatsächlich erleben wir oft, wie Sterbende darauf offensichtlich warten, von den wichtigsten Menschen im Leben Abschied zu nehmen. Es ist ein kleines Wunder, dass dies auch bei einer schweren Demenz immer wieder zu beobachten ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie mit Ihren Erfahrungen anderen Mut machen, mit Beharrlichkeit und Diplomatie am Ball zu bleiben.
    Ihnen Alles Gute, Ihr Martin Hamborg

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!