Langsam wird es bedrohlich

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  • Hallo,
    ich hatte schon mehrfach berichtet. Ich betreue meine Mutter, die eine starke Hinlauftendenz entwickelt hatte. Vor einigen Wochen schwollen die Füsse stark an und sie hatte immer weniger Kraft und konnte nicht mehr so viel weglaufen.
    Inzwischen kann sie ihr Bett kaum noch verlassen. Die vom Hausarzt verschriebenen Wassertabletten haben tatsächlich die Füsse abschwellen lassen. Leider hat die Beinmuskulatur durch das lange Liegen stark gelitten.
    Sie lehnt auch weiterhin jede Hilfe ab. Inzwischen dürfte es auch unmöglich sein einen Pflegedienst zu finden. Ebenso ist es wohl auch weiterhin nicht möglich sie in einer Pflegeeinrichtung für sie zu finden.
    Einen von mir besorgten Rollstuhl lehnt sie natürlich auch.
    Sie isst und trinkt eigentlich ganz ordentlich.
    Meine Pflegetätigkeit beschränkt sich auf das Zubereiten der Mahlzeiten, der Gabe der notwendigen Medikamente sowie das regelmäßig notwendige Wechseln der Bettwäsche und der Unterlagen.
    Jetzt drückt das Gewissen. Was kann ich noch tun, denn ich fürchte, dass sie das so nicht mehr lange durchhält und ich irgendwann vor der Frage stehe, ob ich alles getan habe.
    Vielen Dank.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Andydreas,
    Sie schreiben, dass Ihre Mutter jegliche Hilfe ablehnt.
    Dabei lassen Sie Ihr ja alle erdenkliche Hilfe zuteil werden (Essenszubereitung, Bettwäsche, Leibwäsche, Unterlagen...)
    Welche Art von anderen Hilfen schwebt Ihnen denn vor, die Ihre Mutter noch zusätzlich annehmen sollte?
    Vielleicht ist der jetzige Zustand genau der, der Ihrer Mutter gefällt und gut tut.
    Und was Sie selbst anbelangt: Man kann sich kaum einen Angehörigen vorstellen, der mehr für das Wohlergehen seiner Mutter sorgt.
    Ich kann nur spekulieren, ob Sie vielleicht insgeheim die Hoffnung treibt, dass alles wieder gut - oder zumindest besser - werden wird.
    Das wird aller Voraussicht nicht eintreten. Vielleicht sollten Sie sich mit diesem Gedanken anfreunden - auch wenn es verständlicherweise schmerzlich ist.


    Alles Gute wünscht Ihnen


    Klaus-W. Pawletko

  • Hallo Herr Hamborg,
    nee, mir ist schon klar, dass es nicht besser wird. Ich fühle mich sehr alleine gelassen und bin nach wie vor mit der Situation überfordert.
    Ich betrachte die jetzige Zeit auch bereits als einen Teil der Trauerarbeit.
    Ich möchte nur nicht eingach aufgeben. Außerdem ist mir schon klar, dass wenn sie jeden Tag 22 Stunden im Bett liegt gesundheitliche Probleme auftreten werden, die eigentlich behandelt werden müssten.
    Das kann ich nicht leisten.
    Da ja niemand zu uns kommen will muss ich wohl oder übel entweder zu gegebener Zeit den Notarzt rufen oder auf das Ende warten. Bis dahin spiele ich weiter Pflegedienst und Betreuer.
    Man wächst mit seinen Aufgaben.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Andydreas, es ist eine schwere Zeit, die Sie jetzt mit Ihrer Mutter gehen und dazu gehören auch die Wechselbäder der Gefühle. Das alles ist Teil der Trauerarbeit - das schreiben Sie ja auch. Dazu gehört auch das immer wieder hochkochende schlechte Gewissen. Lesen Sie doch immer wieder die vielen wertvollen Antworten und Beiträge in den Foren - sie sind alle noch gültig!
    Es gehört auch zur Trauerarbeit, immer wieder alles in Zweifel zu ziehen, also seien Sie bitte mit sich gnädig! Wie Herr Pawletko kann ich nur sagen: Mehr geht nicht.


    Nun noch zwei fachliche Anregungen: Wenn sie Ihre Mutter zwei Stunden am Tag mobilisieren, sollte das eigentlich als Prophylaxe für die meisten Pflegerisiken reichen, sprechen Sie bitte mit dem Arzt darüber, denn in der letzten Lebensphase gilt die palliative Betreuung. Ihrer Mutter wehrt sich immer noch sehr stark, können Sie die Botschaft immer häufiger zulassen, dass sie mit Ihrem starken Beistand gehen darf?
    In dieser Phase ist weniger mehr, weniger Aktivität und mehr Beistand, einfach dasein und sich auch, so wie es gerade möglich ist, gegenseitig (in der Hand) halten.


    Bitte lassen Sie sich SAPV verordnen, dann kommt ein spezialisierter ambulanter Dienst, der Sie beide auf dem Weg in der Sterbebegleitung unterstützt. Sie sind dann nicht mehr allein und werden kompetent beraten und unterstützt - und wenn sich Ihre Mutter tief im Inneren "entscheidet" weiterzuleben, dann wird der Dienst seine Leistung einstellen und Sie haben alles gelernt, wie Sie in schwierigen Situationen reagieren können!


    Also, Sie sind nicht allein und ich wünsche Ihnen sehr, dass es in Ihrer Region einen kompetenten SAPV-Dienst gibt. Ihr Martin Hamborg

  • Hallo Andydreas,


    ich möchte keine Ängste schüren, aber bei meiner Mutter hat diese letzte Phase der Demenz 4 Jahre gedauert. 4 Jahre, in denen sie bettlägerig war, mich nicht mehr erkannt, aber sich immer noch tatkräftig mit erstaunlicher Kraft gegen die Pflege gewehrt hat. Eines ihrer letzten Worte war "Arschloch".


    Zum Glück war sie gut betreut in einem Pflegeheim, ich selber hätte das nie geschafft. Trotzdem kostete es viel Kraft, dieses Dahinsiechen mit ansehen und nichts tun zu können. Sie nahm immer noch Essen und Trinken zu sich, das konnte ich ihr anreichen, wenn ich sie abends nach der Arbeit besucht habe. Sonst konnte ich ihr nicht beistehen, die Hand schlug sie weg, wenn ich ihr etwas erzählte oder vorsang, kam eine steile Falte auf der Stirn und sie schlug mit der Hand auf die Bettdecke.


    Haareschneiden und Maniküre/Pediküre waren die Hölle. Die Pflegerinnen kamen damit gar nicht klar, also habe ich es übernommen, jedesmal schweißgebadet und froh, wenn es keine Verletzungen gab.


    Der Versuch, sie in der Gerontopsychiatrie medikamentös einzustellen schlug völlig fehl. Sie wurde dort mit Psychopharmaka derart "abgeschossen", dass ihre Demenz sich dramatisch verschlechterte und sie fast gestorben wäre, da man "vergessen" hatte, ihr zu Trinken zu geben. Zum Glück konnte das Pflegeheim sie hinterher wieder gut aufbauen, aber nach diesem Krankenhausaufenthalt hat sie mich gar nicht mehr erkannt.


    Wie ist sie gestorben? Sie verweigerte plötzlich Essen und Trinken. Wir haben sie gelassen, es immer wieder angeboten, aber nichts erzwungen. Sie starb ganz friedlich.


    Ich wünsche Ihnen viel Kraft!!!!

  • Hallo,
    was ist SAPV und benötige ich die Verordnung durch den Hausarzt ?
    Hallo Lulu,
    danke für die netten
    Worte.
    Ihre Geschichte erinnert mich doch sehr stark an meine derzeitige Lebenssituation. Ich habe jedoch meine Absicht meine Mutter in eine Pflegeeinrichtung zu geben aufgrund der derzeitigen Situation zumindest bis aud Weiters verworfen.
    Ich werde so gut ich kann für sie da sein.
    Ich werde auch beharlich weiter versuchen sie zu einem Ausflug mit dem Rollstuhl zu überreden. Bisher vergeblich.


    Eine Frage noch um Pflegebett. Benötige ich auch hier eine hausärztliiche Verordnung ?


    Danke

  • Hallo Andydreas,
    SAPV ist der ambulante palliative Pflegedienst, der zusätzlich zum normalen Pflegedienst dazu gezogen werden kann und der über die Krankenkasse abgerechnet wird. Es muss aber eine Verordnung vom Hausarzt vorliegen. Den SAPV würde ich an Ihrer Stelle auch auf jeden Fall jetzt schon ansprechen, einfach mal einen Termin machen, die kommen auch nach Hause und beraten und setzen sich, so war es zumindest bei uns, mit dem Hausarzt in Verbindung, wie genau die Verordnung lauten muss. Im Gegensatz zum „normalen Pflegedienst“ sind beim SAPV auch Ärzte (wie auch Seelsorger) mit eingebunden, die über medikamentöse Versorgung im Akutfall entscheiden und das 24/7 – Sie haben dann immer einen Ansprechpartner. Viele Hausärzte sträuben sich da noch bei der Verordnung, lassen Sie sich da bitte nicht abwimmeln, der Hausarzt ist nicht immer erreichbar, der Fahrdienst sowie Krankenhaus sind auch nicht immer die richtigen Ansprechpartner.
    Wünsche Ihnen weiterhin alles Gute .

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Andydreas, der kompetenten Antwort von Hühnchen möchte ich nur noch hinzufügen:
    Das SAPV-Team arbeitet immer mit einem Palliativarzt zusammen, der eine besondere Weiterbildung in der Sterbebegleitung hat. Zudem wird begleitend ein ehrenamtlicher Hospizdienst einbezogen. Wenn Sie Sorgen haben, dass Ihr Hausarzt die Leistungen noch nicht bewilligt, wenden Sie sich doch einfach an die Hospizinitiative vor Ort, diese Menschen sind gut informiert und eine ehrenamtliche Unterstützung ist nicht an die engen Grenzen im Genehmigungsverfahren gebunden. Wir erleben gerade eine hohe Bereitschaft zur Hilfe, selbst wenn es in den schwierigen Zeiten vielleicht erstmal nur telefonisch geht.
    Viel Erfolg, Ihr Martin Hamborg

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