fortschreitende Demenz - Umgang mit schwierigen Themen

  • Hallo zusammen,
    heute würde ich gerne an dieser Stelle um Rat fragen.
    Meine Mutter (89) ist seit 8 Mon. in meinem Nachbarort in einem guten Pflegeheim, 150km weg von ihrem Zuhause, wo zuvor meine Schwester sehr lange bis zur kompl. Erschöpfung die Pflege und Betreuung plus Pflegedienst etc. übernommen hatte. Durch mehrere Stürze etc.in kurzer Zeit haben wir meine Mutter samt Gipsarm hier ins Pflegeheim verbracht, zur Kurzzeitpflege erstmal, mit ihrem Einverständnis. Die ersten Demenzzeichen waren schon länger vorhanden und wir haben den Aufenthalt dann immer weiter hinausgezogen, weil es zuhause einfach nicht mehr machbar war für meine Schwester wie für meine Mutter. Dann kam Corona und erst recht keine Aussicht, wie man es "zuhause" organisieren sollte, ausländ.Pflegekräfte war auchkeine Option mehr und meine Mutter fühlte sich zunehmend wohl im Heim, über das ich nur lobendes sagen kann.


    Nun ist es so, dass meine Mutter im Gespräch meist sehr präsent wirkt und nichts wirklich unsinniges erzählt, aber aktuell z.B. morgens die Medik.erhält, sich kurz drauf nicht mehr dran erinnert und alle möglichen Leute anspricht, sie bekomme dort keine Tabletten. Abends wenn man ihr beim Umziehen helfen will, schickt sie die Pfleger weg, es sei zu früh, um kurz danach sich zu beschweren, warum ihr denn keiner helfe.. Emotional bedeutsame Besuche von Enkeln werden teils komplett vergessen.
    Auch Aktionen während Corona wie Straßenkonzert o.ä., die mit Foto in unserer Zeitung standen, kann sie nicht erinnern und sie schiebt ihre Gedächtnisprobleme auf das Einerlei im Heim, wobei sie zuhause wesentlich weniger Anregung und Gesprächspartner hätte.
    Nun fällt meiner Mutter selbst das nachlassende Gedächtnis bewusst auf und sie schiebt es auf das Heim, sie müsse wieder nachhause, selbst kochen (hat vor 1 Jahr schon stundenlang den Herd vergessen auszumachen). Sie schläft auch ganz viel einfach auf dem Stuhl ein, hat keinerlei Interessen mehr.


    Es fällt mir momentan wieder unendlich schwer, dies auszuhalten, fast bei jedem Besuch lasse ich mich verunsichern, wenn sie meint, sie gehöre doch dort gar nicht hin, das habe Frau XY auch gesagt.
    Ich vermeide Diskussionen, zeige Verständnis, dass es schwer ist, von zuhause weg zu sein, besuche sie regelmäßig 1mal/Wo. Mehr schaffe ich aus versch. Gründen nicht, auch meine erw. Kinder besuchen sie alle paar Wochen, wenn sie hier sind.


    Ich weiß gerade einfach nicht, wie ich noch etwas optimieren kann. Vor allem tut es mir zwischendurch auch so leid für meine Mutter, die ein schweres Leben mit meinem gewalttätigen Vater hatte, der ebenfalls dement war und seit 2,5 J. verstorben. Sie spricht nun nie mehr von ihm, mehr über ihre Eltern und Großeltern, immer weiter zurück von den Themen her.
    Ich hatte ihr so sehr ein zufriedenes Leben im Alter gewünscht. Doch als sie noch zuhause war, war sie meist mehr allein als nun. In ihrer Phantasie scheint es anders...


    Es wäre schön, wenn mir jemand etwas dazu schreiben könnte.


    Mit herzlichen Grüßen und Dank fürs Lesen,
    Rose60

  • Hallo Rose,
    auch ich habe das alles jahrelang mitgemacht. Bei meiner Mutter kam noch eine ausgeprägte Hinlauftendenz dazu. Sie wollte immer "nach Hause" zu ihrer Mutter.
    Jetzt musste ich sie in einem Heim unterbringen nachdem sie bettlägerig geworden war und jede Nahrung ablehnte. Die Prognose ist lt der Ärzte sehr schlecht und es ist mit einem baldigen Ableben zu rechnen.
    Mein Rat wäre zu versuchen Abstand zu gewinnen. Die Persönlichkeitsveräderung durch Demenz ist gravierend und für die betreuende Person nicht nachvollziehbar. Man muss sich immer klarmachen, dass man alles mögliche getan hat und dass man nur noch versuchen kann für die Mutter da zu sein und sie unterstützt soweit das geht.
    Jeder hier im Forum wird ihnen raten auch an sich selbst zu denken.
    Wenn es ihnen gelingt loszulassen und sich vergegenwärtigen was sie bereits alles für ihre Mutter getan haben wird es etwas leichter. Vertrauen Sie den Mitarbeitern im Heim.
    Ich drücke Ihnen die Daumen.

  • Hallo andydreas,
    Vielen Dank für Ihre Antwort!
    Das hilft mir tatsächlich schon weiter, denn vllt ist "zuhause" vor allem auch ein Gefühl, der Wunsch nach einem Ort, an dem man sich wieder besser auskennt.
    Und der wäre in der zurückgelassenen Heimat sicher nicht mehr so, wie ihn meine Mutter sich vorstellt.
    Die Gesprächsthemen, in denen meine Mutter sich sicher fühlt, reichen immer weiter zurück, momentan bei ihren Großeltern. Wenn ich dies nun beim schreiben hier so von außen betrachte, spricht ja alles für eine fortschreitende Demenz, doch ich lasse mich immer wieder mal von meiner Mutter blenden, weil sie meist noch so präsent und orientiert wirkt. Lt. Pflegern hat sie ohne Aktivierung und Erinnerungen keine tagesstruktur mehr. Nur war ihr Wunsch eigentlich lange eine ausl.Pflegekraft, doch auch dann müsste ja möglichst ein Angehöriger vorort greifbar sein und das kann aus verschiedenen Gründen weder meine Schwester noch ich leisten.
    Zu coronazeiten wäre mir das auch zu unsicher und ich stehe nicht hinter den bezahlbaren Systemen der ausl. Pflegerinnen.


    Mit herzlichen Grüßen und allen guten Wünschen für die Begleitung Ihrer Mutter,
    Rose60

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