Kommunikationsprobleme

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  • Ich kann mit meiner Mutter (mittelgradig dement) einfach nicht mehr kommunizieren. Es ist, als würde sie mir nicht zuhören und sich ihre eigene Wahrheit konstruieren, um dann später zu behaupten, das überhaupt nicht gesagt zu haben. Ich stehe schließlich als „böser Bube“ da, der ihr etwas unterstellt.


    Ich schicke voraus, daß meine Mutter SEHR GUT hört, daran kann es also nicht liegen.


    Ein Beispiel, das mich heute auf die Palme gebracht hat:


    Meine Mutter ist am Samstag gestürzt und hat sich einen Cut an der Augenbraue zugezogen, der genäht werden mußte. Das Pflaster sah mittlerweile nicht mehr gut aus, und sie hätte es, verständlicherweise, gerne gewechselt. Da ich mich selbst nicht daran traute, habe ich in ihrer Arztpraxis angerufen, und sie haben mir einen kurzfristigen Termin eingeräumt. Als ich meiner Mutter das in ihrem Betreuten Wohnen per Telefon mitteilen wollte, meinte sie, es sei gerade jemand von der Pflege bei ihr gewesen und habe das Pflaster gewechselt. Um so besser, so daß ich den Termin gleich wieder canceln konnte. Als ich nun später wieder mit ihr telefonierte, beklagte sie sich, daß das Pflaster über ihrem Auge so unschön aussehe. Ich meinte, es sei doch gewechselt worden, was sie vehement abstritt. Ich verstand die Welt nicht mehr und fragte sie, warum sie mir denn heute morgen etwas völlig anderes erzählt habe; dann hätten wir den Termin beim Arzt wahrnehmen können. Ich habe doch alles für sie arrangiert. Sie aber behauptete steif und fest, sie habe so etwas nie gesagt, und wurde wütend, als ich sie fragte, ob sie mir überhaupt zuhöre. Und wenn sie Verständnisschwierigkeiten habe, könne sie mich auch ruhig noch einmal fragen. Sie unterstellte mir, daß ich sie ohnehin für dumm halten würde und man mit mir nicht reden könne. Es gab einmal wieder ein Wort das andere. Ein paar Minuten später rief sie an und sagte auf einmal, daß natürlich heute morgen jemand bei ihr gewesen sei und das Pflaster gewechselt habe. Ich entgegnete, sie habe mir doch vor wenigen Worten genau das Gegenteil gesagt, worauf sie wiederum behauptete, ich lege ihr etwas in den Mund, das habe sie nie gesagt.


    Das sind Dialoge aus der Hölle, die mich total zermürben. Ich habe keine Idee, wie ich so mit ihr kommunizieren kann, daß wir auf ein Stück kommen, ohne in ein Wortgefecht zu geraten. Darüber hinaus kann ich keine Information mehr, die ich von ihr bekomme, für bare Münze nehmen. Und am Ende bin ich immer die Böse.


    Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht und/oder kennt eine Kommunikationsstrategie? Ich vermute schon, daß das mit dem mangelnden Kurzzeitgedächtnis zusammenhängt und meine Mutter wütend wird, wenn man das, was sie in ihrem Inneren wahrscheinlich selbst weiß, "aufdeckt".


    Ich möchte sie ja unterstützen, aber sie wirft mir mit ihrer Art und dem mangelnden Vertrauen immer wieder einen Knüppel zwischen die Beine.


    LG Zimt

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Zimt,
    das, was Sie erleben ist sicher schwierig und emotional zermürbend - aber in erster Linie der Krankheit geschuldet.
    Wie klappt die Kommunikation denn in Situationen "face to face", also im direkten Gegenüber, anstatt über das Telefon? Meine Vermutung ist, dass das geringfügig besser funktionieren könnte, weil sie das Visuelle und die Körpersprache als Korrektive einsetzen/nutzen könnten. Wären Sie ihr beispielsweise gegenüber gestanden in dem Moment, indem es um das Pflaster geht, hätten Sie ja selber überprüfen und beurteilen können, ob es bereits gewechselt wurde, oder nicht. Je nach dessen Aussehen hätten Sie also entsprechend reagieren können.


    Oder wäre es möglich, in wichtigen Fällen (also bevor Sie organisatorisch in Aktion treten) telefonisch beim Personal des Betreuten Wohnens nachzufragen, ob sie den Sachverhalt so oder so bestätigen können (also z.B. das Pflaster erneuert zu haben)?


    Das Wichtigste ist: Tief Luft holen, durchatmen (eine kleine Auszeit nehmen/ein Eis essen...), und sich immer wieder sagen: Es ist die Krankheit sie kann nichts dafür. Ich habe Recht, sie HAT das so gesagt, aber sie wird es krankheitsbedingt niemals einsehen und zugeben können. NIEMALS, leider! Es ist also verschwendete Energie und Lebenszeit, wenn Sie Ihrer Mutter beweisen wollen, dass es so und nicht anders war. Und es macht Sie beide unglücklich.


    Wäre es denkbar, Ihrer Mutter mehr nach dem Mund zu reden, ihre Sicht der Dinge also emotional bestätigen, unabhängig davon, ob das von ihr Gesagte "wahr" ist oder nicht? Sie könnten beispielsweise erfreut reagieren, wenn sie erzählt, das sei schon erledigt worden, und bedauernd, verständnisvoll und bestätigend, wenn sie sich darüber beklagt, dass das alte Pflaster schmuddelig aussehe. Sie könnten ihr versichern, dass Sie sich kümmern werden - solch' ein Versprechen ist oft wichtiger als die tatsächliche Intervention.


    Schließlich: Könnten Sie sich Gesprächsthemen vorstellen, bei denen es nicht um richtig oder falsch, wahr oder gelogen geht, sondern um Meinungen, Gefühle, etc.? Gibt es Dinge, die Sie beide toll oder ärgerlich finden, und über die Sie gemeinsam schwärmen bzw. schimpfen könnten? Und vielleicht probieren Sie einmal aus, auf die Warum-Fragen zu verzichten - die sind ein sehr rotes Tuch für Demenz-Betroffene, weil sie sie als vorwurfsvoll empfinden und als Hinweis darauf, dass man sie für verrückt hält. Dann kämen Sie sich emotional vielleicht wieder näher...


    Ich drücke Ihnen die Daumen!
    S. Sachweh

  • Liebe Frau Sachweh, ich habe mir den Beitrag von Zimt durchgelesen und es kam mir sehr vertraut vor, was sie schreibt. Auch ich kenne solche Situationen mit meiner Mutter, inclusive der „sinnlosen“ Diskussionen.
    Nun zu Ihrem Rat: Bei aller Hochachtung vor Ihrem Fachwissen kann ich es in dieser speziellen Problematik nicht als hilfreich ansehen, sich bei allem, was unsere Mütter sagen, von der Richtigkeit dessen zu überzeugen. Es ist schlicht nicht möglich. Zimt war irgendwo unterwegs/daheim/in der Arbeit und wollte den extra frisch eingefädelten Termin beim Arzt zum Pflasterwechsel schlicht der Mutter mitteilen, woraufhin sie die sehr schlüssige Info bekam, das wäre gerade vom Pflegedienst erledigt worden. Nun zum Problem: warum hätte sie diese einfache Info anzweifeln sollen und ggf. hinfahren bzw. das Heim anrufen? Es entstand ja erst gar kein Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussage, weil es einfach logisch klang.


    In solchen Momenten, wo es DANACH zu Misverständnissen/Streit etc. kommen kann, bin ich auch oft und in diesen dann überfordert. Wir schaffen es nicht als Angehörige, alle von den Demenzkranken geäußerten Dinge zu hinterfragen, abgesehen davon würde das ja auch wieder eine Stimmung des permanenten Misstrauens aufbauen. Für beide Seiten.


    Es ist eine Sache, in einem „belanglosen“ Kaffee-Gespräch zu validieren und aber in Dingen des täglichen Lebens, wo wir für die Mütter UND in unserem Alltag funktionieren müssen und Informationen (schnell) kommuniziert werden müssen, Entscheidungen zu treffen. Für letzteres ist Validation m.E. keine Grundlage.
    Im Gegenteil: Da fühlt man sich als (pflegender) Angehöriger noch mehr unter Druck, wenn man quasi immer mit einplanen soll, dass jede Info falsch sein kann und uns das dann gegenüber anderen, in dem Fall dem Arzt o.ä. auf die Füße fällt.


    Nichts für ungut, aber das fiel mir eben beim Lesen auf und ich habe das jetzt vielleicht etwas krass formuliert, aber ich kenne die von Zimt beschriebenen Situationen so gut und kann mir vorstellen, dass sie gerne eine Art Werkzeug/Trick hätte, um in Zukunft sicher und sachlich kommunizieren zu können. Und zwar faktenbasiert, nicht nur auf der Gefühlsebene.
    So einen Trick hätte ich übrigens auch gerne. Falls Sie einen wüssten...


    Liebe Grüße
    Miracula

  • Danke für die interessanten Beiträge.


    Ich versuche es ja auch schon länger nach der Devise "Du hast recht und ich meine Ruhe", weil man wohl eher der Queen widersprechen könnte als meiner Mutter. Ich hatte mir vorgenommen, sie gewähren zu lassen, außer, es ist Gefahr im Verzug oder sie bittet mich um Hilfe, wenn sie allein nicht weiterkommt.


    Es kostet einen aber eine ungeheure Anstrengung, Dinge im Raum stehen zu lassen, die 100% falsch sind. Und Miracula hat recht, man kann nicht jede Aussage verifizieren. Ich denke, die Mitarbeiter im Seniorenhaus würden sich auch bedanken, wenn ich ständig nachfrage, ob ein Sachverhalt so oder so war.


    Ein paar Taktiken versuche ich auch zu beherzigen und werde weiter an mir arbeiten: keine großen Diskussionen am Telefon zulassen. Meine Mutter nutzt dieses Medium natürlich auch, um mich an der Strippe zu halten. vor allem, wenn sie sich beklagt und meckert. Wäre alles OK, würde das Gespräch schnell vorbei sein, aber so verwickelt sie mich in längere Diskussionen. Es stimmt jedenfalls, daß man nicht nach einem "Warum" fragen sollte, sondern die Dinge einfach im Raum stehen lassen sollte, aber dabei das Gefühl vermitteln sollte, daß man für sie da ist.


    Es ist schwer, zu akzeptieren, daß man keine "normale" Konversation auf Augenhöhe mehr führen kann. Ich habe immer das Gefühl, eine Rolle zu spielen. Nur noch selten blitzt meine "alte" Mutter auf, als wir immer viel Spaß hatten und uns gemeinsam amüsiert haben. Das gehört eben zu den Abschieden, die uns die Demenz abverlangt.

  • Hallo an alle,
    puh, da kann ich auch mit einstimmen.. ich finde es auch zunehmend schwierig mit meiner Mutter zu reden. Sie wirkt im Gespräch noch sehr präsent, doch besonders, was wir nachmittags persönlich oder telefonisch besprechen, ist meist am nächsten Tag weg. Nachmittags ist sie oft gereizter und versucht mich in Diskussionen zu verwickeln, momentan wieder sehr oft die gleichen Gespräche, dass sie nachhause will und prima dort zurechtkommt. Dabei schafft sie nicht mal eine zahnpastatube zu öffnen oder jemand im Heim um Hilfe zu bitten. Soll ich ihr denn jedes mal sagen, dass sie dortbleiben muss, weil zuhause keine ausreichende Betreuung möglich ist?
    Ich versuche immer ruhig und liebevoll zu bleiben, dabei bin ich innerlich sehr genervt oft. Anstatt wie gestern unseren Ausflug in eine Eisdiele zu genießen, will meine Mutter diskutieren, was zuhause mit meiner Schwester immer gelang, doch ich bin nicht diskussionsfreudig..


    Im Heim sei sie immer gut gelaunt, bei mir äußert meine Mutter Ängste (gestern vor dem Tod) und Langeweile, dabei lehnt sie die vielfältigen Angebote im Heim meist ab. Es fällt mir schwer, trotzdem in Kontakt zu bleiben und die negativen Gefühle mit auszuhalten, zumal ich hautnah erlebt habe, dass meine Mutter ein schweres Leben hatte.
    Doch letzte Woche hat sie sich bei mir beschwert, dass mein Sohn mit seiner Freundin immer noch kein Kind bekommt (nach 1 jahr )...
    Wie gehe ich mit ihrer Unzufriedenheit um?
    Oft beschwert sie sich über das Essen, äußert aber auch keine Wünsche, was möglich wäre.
    Eigentlich eher ein Luxusproblem, doch mich zieht es alle paar Tage total runter? Wie schafft ihr da Abstand zu bekommen?


    Liebe Grüße
    Rose

  • Ich glaube, unsere Mütter sind Schwestern... Ich finde sie in all Euren Worten wieder. Die Muster sind genau dieselben.


    Essen ist bei meiner Mutter auch so ein Thema. In dem Seniorenhaus, in dem sie wohnt, gibt es ein Mittagessen, das wegen Corona nicht mehr gemeinsam eingenommen wird, sondern in die Appartements gebracht wird. Meine Mutter lehnt das Essen fast vollständig ab, sie kokettiert sogar damit, daß sie überhaupt nichts ißt. Am Anfang habe ich noch insistiert, daß sie sich doch zumindest etwas aussuchen sollte, was sie mag. Da habe ich nur auf Granit gebissen. Mittlerweile habe ich es aufgegeben. Sie hat schon Appetit (wenn wir gemeinsam essen, ißt sie immer recht gut), aber sie verweigert sich dort eben komplett. Wenn sie nichts ißt, ißt sie eben nichts. Ich kann es nicht ändern.


    Kennt Ihr das von Euren Müttern eigentlich auch, daß sie zeitweilig ein Thema haben, das wie eine fixe Idee ist? Bei meiner Mutter kann das z.B. das warme oder kalte Wetter sein, Staub in der Wohnung, Fliegen, die hereinkommen, Stuhlgang... Dann kreisen ihre Gedanken nur um dieses Thema, und sie redet von nichts anderem. Ich erkläre mir das so, daß sie ja nicht mehr viel hat, womit sie sich beschäftigen kann und ihr Gehirn sich somit eine "Ersatzbeschäftigung" sucht.


    Wenn ich so lese, was Ihr berichtet, habe ich den Eindruck, daß es bei Demenz tatsächlich gewisse Muster gibt, die sich bei dem einen oder anderen ausprägen. Und es tut gut, zu wissen, daß man mit seinen Erfahrungen nicht allein ist.

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