Hallo Hanne, über Ihre Erfahrungen habe ich länger nachgedacht und möchte zu den einzelnen Aspekten etwas schreiben:
1. Die Coronabesuchsregeln werden sich mit der vierten Welle bestimmt wieder einspielen und die Einrichtungen werden die Vorgaben des Landes umsezten müssen. Ich finde ein pragmatisches Vorgehen sinnvoll, denn müssen Mitarbeiter*innen Angehörige kontrollieren, wenn sie wissen und dokumentiert haben, wer geimpft ist? Die kümmernden Angehörigen sind ja nach der schweren gemeinsamen Zeit bekannt.
2. Je mehr die Demenz zunimmt, desto eher wird ein langer Besuch zur Überforderung. Vielleicht ist es eine Möglichkeit, wenn Sie Ihre Eltern an einem Tag zweimal kürzer besuchen. Ich bin gespannt, ob der zweite Besuch dann anders ist. Diesen "Trick" empfehle ich übrigens auch Mitarbeiter*innen, wenn Angst oder Schmerzen hinter einer Abwehr der Versorgung stehen. Den zweiten Aspekt hat Ihr Vater auf den Punkt gebracht: Welche Erwartungen haben Sie selbst bei den Besuchen. Oft empfehle ich Angehörigen gemeinsam etwas Schönes zu tun, Musik zu hören, etwas vorlesen und nicht die Kraft in Anforderungen, tiefe Gespräch, Gedächtnistraining oder Ausfragen zu legen. Es kann zu sehr innigen gegenseitigen Erleben kommen, wenn Sie einfach nur zusammen sind.
3. Bei Ihrem Vater suchen Sie nach Verständnis und Teuteberger hat schon das geschrieben, an das ich auch dachte. Wenn unklare oder provozierende Formulierungen zum Thema Tod und Sterben kommen, verstehe ich sie oft als "Nebelkerze" nach dem Motto: Ist meine Tochter bereit, mit mir über das Thema zu sprechen oder meine Gedanken dazu auszuhalten? Ich würde dann eher allgemein fragen, ob er häufiger an das Sterben denken würde.
4. Bei Ihrer Mutter ist alles durch die Halluzinationen und mögliches diffuses Wahnerleben bestimmt. Psychotisches Erleben ist bei der Demenz häufig, aber aus meiner Erfahrungen gibt es oft auslösende oder verstärkende Faktoren, besonders oft bei einer Schilddrüsen oder Parkinsonmedikation.
Ich suche dann nach der "Symbolsprache der Verwirrtheit" und versuche das "verrückte" aber als echt wahrgenommene innere Erleben zu verstehen, ohne es zu bestätigen. Ich lege die Worte sozusagen anders auf die "Goldwage", suche nach der geheimen Botschaft , den versteckten Bedürfnissen und weniger nach der Beziehungsaussage. Können Sie dem folgen und bekommen Sie eine Idee, wie Sie Ihrer Mutter begegnen können?
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, wenn Sie Ihre Eltern jetzt neu kennenlernen, Ihr Martin Hamborg