Wie geht es Euch? Thread IV

Datenschutzhinweis: Bitte achten Sie darauf, dass Sie im Forum keine persönlichen Daten von sich selbst oder von Dritten posten. Auch sollten Ihre Angaben keine Rückschlüsse auf Ihre Person zulassen.
  • Schön von Euch zu hören. :)


    Wie ich lese hat jeder eine schwere Zeit im Moment.


    sohn,


    die Kraft die Du aufwendest ist groß. Mehrmals nachts rausmüssen und den ganzen Tag kümmern, das ist viel. Ich würde mir einfach mehr Unterstützung für Dich wünschen, aber es ist immer die Frage, wie soll das gehen.

    Dass der Vater soviel abgeholt hat, solches kenne ich auch. Bei jeder Erkrankung wurde es immer ein Stück weniger Gewicht und der Stand von vorher wurde im fortgeschrittenen Stadium nicht mehr erreicht, aber gute Erholungen waren eine zeitlang noch möglich. Ich hoffe, dass mit der Tagespflege, dann wieder mehr Entlastung für dich möglich ist.

    Es kann nur lahm klingen, was ich dazu sagen kann, weil ich einfach denke, dass du schon über dem Limit liegst . . .


    Rose,


    genau, das ist es. Das, was man zusätzlich noch zu bewältigen hat, neben dem an Demenz erkrankten Menschen, das würde schon völlig ausreichen.


    Umso mehr freut es mich zu hören, dass die Mama gut versorgt ist und sie sogar Humor entwickelt.


    @Schwarzer Kater


    Was du schreibst, das klingt für mich, wie von einem anderen Stern. Wenn ich das hier lese, dann staune ich nur noch:


    In dem kleinen Pflegeheim gibt man sich Mühe mit ihren Besonderheiten. Da sie morgens nicht geduscht werden will (laut Pflegern regiert sie da "aggro"), verlagert man die Prozedur auf den Abend. Trotzdem bin ich noch für vieles verantwortlich und muss dies und das besorgen. (Man schaut da im Heim auf alles: Hat sie eine schöne dicke Strickjacke und Kuschelsocken für den Abend? Wie viel Schokolade darf sie essen? Braucht sie Trockenfrüchte für die verdauung? - Ich finde das sehr liebevoll.)


    Das klingt wie die Perle, unter den kaum vorhandenen Perlen. Wenn es solches überall geben würde, dann würde ich mir um die Zukunft weniger Sorgen machen.

    Mich überrascht auch, das freundliche Hinauskomplimentieren der Mama, wo doch Demenzkranke gerne vertraute Verwandte um sich haben.


    Aber trotz all dieser guten Umstände, gibt es da auch die eigenen offenen Fragen und den innerlich gefühlten Lebensverlust, den man immer wieder mit der Demenzerkrankung erleben muss.


    Du hast das gut auf den Punkt gebracht, was sicher die meisten hier genauso empfinden.


    Nach wie vor war es die richtige Entscheidung, sie in dieses Pflegeheim zu bringen ... wir haben ja lange, lange durchgehalten (auf Kosten unserer eigenen Gesundheit, die ziemlich brach liegt). Trotzdem kommt es mir immer noch vor wie ein Albtraum, dass meine Mutter solch einen Weg gehen muss ... und wir mit ihr. Es ist schon eine Tragödie, das muss man begreifen und annehmen. Aber es ist eben Teil unseres Lebens.



    @Ecia,


    einerseits schön, dass die Mama sich wieder gefangen hat und die Telefonanrufe wieder entspannter sind. Das hat sich anscheinend schnell wieder gewandelt.

    Es muss aber auch sehr belastend sein, was in Deinem Umfeld passiert. Manchmal frage ich mich, ob du oder andere, die hier geschrieben haben, überhaupt noch Zeit zum Luft holen haben. Ich kann mich da auch an Situationen erinnern, wo ich gedacht habe: Hauptsache funktionieren und abends einige Minuten für mich, sonst gehe ich unter.


    Ich wünsche Euch allen ganz viel Kraft und hoffentlich auch Lichtblicke und wenn möglich Entlastung, wenn es gar nicht mehr geht


    Liebe Grüße an Euch alle und auch an die, die nur mitlesen :)

  • Guten Abend in die Runde,

    mich gibt es noch und ab und zu lese ich auch noch mit...ich habe aber für mich beschlossen, mich etwas zurückzuziehen...ich möchte etwas zur Ruhe kommen und habe ziemlich viel um die Ohren derzeit...ich möchte aber nicht sang- und klanglos verschwinden..also sage ich hiermit Bescheid.

    viele Grüße

  • Hallo, Hanne,


    ich kann gut verstehen, dass du Dich etwas zurückziehen willst. Du hattest dies schon einmal gemacht.

    Leider hast auch Du viel um die Ohren.


    Ich wünsche Dir, dass Du die Ruhe findest, die Du brauchst. :)

    Wenn die guten Wünsche alle in Erfüllung gehen würden, die wir uns zusenden, dann wäre das eine feine Sache.


    Ich selbst bin schon froh, wenn irgendwann der Frühling wieder da ist und meine Mama weiterhin Zuhause zurecht kommt. Es schwankt bei ihr alles, leider auch schon mal extrem.


    Liebe Grüße

  • Teuteburger, vielen Dank der Nachfrage! Ich habe diese Seite immer in einem Browserfenster offen und freue mich, wenn der rote Punkt aufleuchtet und es neue Nachrichten gibt. Dank auch an alle, die Updates gegeben haben. Es hilft, zu lesen, wie es Anderen geht!


    Sohn83, die Erfahrung mit Covid klingt echt schlimm! In meinem Freundeskreis gibt es eine Vielzahl von Fällen, und ich befürchte, dass es uns auch irgendwann erwischen wird. Mein Vater checkt die Masken/Hygieneregeln nicht, und ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis er es sich einfängt. Und als pflegender Angehöriger kann man dann wohl nicht vermeiden, es auch zu kriegen.


    Bei uns war die zweite und dritte Januarwoche gefüllt mit "Aktivtagen," wie meine Mutter das nennt. Er setzt sich irgendwas in den Kopf, und es gibt kein anderes Thema mehr. Manchmal muss sie das hauptsächlich ertragen, weil sie ja mit ihm zusammen wohnt (verlorene Sachen suchen usw). Manchmal ist es ein Thema, wo sie ihn an mich verweist, und dann gibt es Telefonterror. Ich habe ja schon mal beschrieben, er hat eigentlich kein Hobby und sitzt den ganzen Tag vor dem Computer und schaut sich ehemalige Heldentaten an. In den letzten Monaten ist das weniger geworden, und ich hatte gehofft, es sei vorbei. Nein, leider nicht vorbei. Irgendwie gelang es ihm, alte Konto- und Depotaufstellungen auszudrucken, Dutzende, teilweise uralt. Dann schrieb er neben die alten Aktienkurse die aktuellen -- das Problem hierbei, dass er viele dieser Aktien nicht mehr hat, die sind längst verkauft und andere gekauft. Es flogen auf jeden Fall Dutzende von Papieren rum, wo er sein Vermögen berechnet hat (natürlich auch noch mit Rechenfehlern und Zahlendrehern), überall natürlich andere Aktien und Kontostände. Zum Teil hatte er sich um hunderttausende Euro reicher gerechnet, die jetzt "fehlen." Na ja, totales Chaos, ich habe dann ständig diese Zettel weggenommen und Dateien gelöscht, aber bei ihm blieb hängen: ich wurde betrogen/beklaut. Mein Telefon klingelte ohne Unterlass, Beschuldigungen, er wollte Termine machen mit Banken, wo er seit 10 Jahren kein Kunde mehr ist, usw.


    Und nach 10 Tagen (letzten Sonntag) war das Thema vergessen (klopfe hier mal ganz stark auf Holz, dass es so bleibt). An dem Tag kam er mir schon ein bisschen komisch vor, konnte den Computer überhaupt nicht mehr bedienen, schimpfte aber nicht rum wie üblich (kaputt, brauche einen neuen), sondern gab einfach auf und legte sich ein bisschen hin (macht er sonst nie). Am Montag fütterte er früh die Vögel, eigentlich das einzige normale Hobby, das ihn so halbwegs interessiert. Ich bestelle alle paar Wochen 20 Kilo Futter und er hat ein ganz ausgeklügeltes System von Vogelhäuschen usw. Eigentlich. Irgendwann am Montag Vormittag geht meine Mutter aus dem Haus und stellt fest, dass er das Vogelfutter überall auf Wegen und Treppen und dem Garagenvorplatz verstreut hat, wie wenn jemand Rollsplit gegen Schnee und Eis verteilt. Am Dienstag hatte dann er vormittags einen Termin beim Friseur. Es war tolles Wetter und er sollte hinlaufen. Kam zurück, Haare nicht geschnitten, hatte den Weg nicht gefunden. 10 Minuten, ist er tausendmal gelaufen, direkt neben der Post und dem Supermarkt. Ich weiss nicht, ob es sich da um einen "Schub" handelt, oder es sich wieder einpendelt. Donnerstag war ich dann mit den Eltern wandern, und er war recht normal. Schauen wir mal, wie's weitergeht.


    Gute Nachrichten gab es auch ... zum Glück gibt es bei uns vor Ort eine Stiftung, die sich um Demenzler kümmert. Meine Mutter war am Freitag mal wieder bei einer Angehörigengruppe (hat ihr gutgetan) und hat danach mit der Leiterin gesprochen. Die kommt im Februar mal zum Kaffeetrinken vorbei und schaut sich meinen Vater an. Sie hat eine Freiwillige, die viele Jahre Erfahrung hat, und einen neuen Schützling sucht. Wenn die meinen Vater hin-und-wieder mal 2-3 Stunden beschäftigen würde, dann wäre das schon eine Entlastung. Und würde vielleicht irgendwann in Richtung Tagespflege o.ä. den Weg ebnen. Und schliesslich überlegt sich meine Mutter, ob sie einen Angehörigen-Kurs mitmacht, wo man Kommunikation usw lernt.

  • OiOcha, ja, das ist immer wieder die Schwierigkeit zu erkennen, ob es ein neuer Schub ist, der sich verfestigt oder eine Phase, die wieder vorbei geht. Und die Konfrontation mit so plötzlich verändertem Verhalten ist ja auch regelmäßig eine neue Herausforderung...

    sitzt den ganzen Tag vor dem Computer und schaut sich ehemalige Heldentaten an. In den letzten Monaten ist das weniger geworden, und ich hatte gehofft, es sei vorbei. Nein, leider nicht vorbei. Irgendwie gelang es ihm, alte Konto- und Depotaufstellungen auszudrucken,

    Ähnliches erlebe ich bei meinem kranken Sohn, der dann allerdings seine Heldentaten stundenlang und ausführlich erzählt, egal ob es passt oder nicht, und natürlich war er überall der Beste und Leistungsfähigste (obwohl er wirklich trotz seiner Krankheit leistungsstark war, übertreibt er halt inzwischen maßlos) und die anderen alle Nichtse. So hat er es sich inzwischen mit vielen, die ihn früher hochgeschätzt haben, verdorben und hätte beinahe auch schon Verleumdungsklagen am Hals gehabt.


    Dein letzter Absatz macht aber für Euch wirklich Hoffnung, da wünsche ich, dass diese Erleichterung für Euch möglich wird und überhaupt für alle hier drück ich die Daumen für Erleichterungen, wo immer es geht.

    Einmal editiert, zuletzt von ecia25 ()

    • Offizieller Beitrag

    Hallo in die Runde und Danke für die vielen wertvollen Beiträge und so viel Anteilnahme füreinander. Und Danke an alle für das was Rose60 auf den Punkt gebacht hat: Es tut sehr gut, sich hier mitteilen zu dürfen, ohne bewertet zu werden!


    Ich habe lange darüber nachgedacht, was ich dazu schreiben möchte, wenn ich unser Demenzthema aufgreife:

    Tatsächlich erleben wir häufiger kleine Wunder, wie bei Ihrer Mutter, wo durch den schützend, vertrauensvollen und geborgenheitsstiftenden Rahmen der Einrichtung plötzlich wieder ein alter oder sogar unbekannter Humor wiederkommt. Das ist ein Grund dafür, wenn der innere Druck und die belastendenden Verhaltensmuster abnehmen.


    Oft ist dies verknüpft mit dem weiteren Gehirnabbau, dies kann wie ein "Schub" sein - z.B. bei einer vaskulären Demenz: kleine begrenzte Schlaganfälle verändern oder löschen Fähigkeiten oder unangenehme Eigenheiten. Auch bei Infektionen sind solche "Schübe" möglich und nach meiner Einschätzung muss das Coronavirus im Gehirn Ihres Vaters, Sohn83, nicht direkt Schaden anrichten. Verantwortlich ist vielleicht eher der Einfluss des geschwächten Systems. Ich habe viel zumeist vorübergehenden Einschränkungen miterlebt.


    Eine solche Phase ist immer eine große Chance, anstelle der belastenden Verhaltensmuster etwas Neues aufzubauen und eben nicht mehr die alten Muster anzutriggern. Ich bin begeistert, wie viele von Ihnen diese Theorie so ganz selbstverständlich umsetzen, Ihre Beispiele, Ecia könnten ein Schulbuch für Pflegekräfte bereichern!


    Eine Idee habe ich in diesem Zusammenhang für Ihren Vater, Sohn83: Gibt es auf dem Betriebsgelände eine ungefährliche Ecke, die zum Lieblingsplatz Ihres Vaters werden könnte? Am besten ist, wenn ein Ritual entsteht - mit möglichst wenigen Nebenwirkungen.


    Dies ist auch eine Frage, die ich bei Ihrem Vater, OiOcha stellen würde: Jetzt wo es Schwierigkeiten mit dem Computer gibt, kann sich Ihr Vater vielleicht mit übersichtlichen Aufträgen ablenken. Manchmal hilft darauf hinzuweisen, dass er manchmal abstürzt, das kann einen wirklich ärgern.


    Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie Kraft für die vielen anderen schweren familiären Herausforderungen behalten und dass sich die zarte Pflanze der Verbesserung und Entlastung ausbreitet. Zum Glück bestätigt sich immer mehr die Prognose, dass mit der letzten Coronawelle wieder Aussicht auf eine andere Normalität besteht, mit vielen echten Begegnungen und zwanglosen Festen. Hoffentlich werden dabei nicht die Menschen mit Demenz ausgeschlossen!

    Ihr Martin Hamborg

  • Hallo OiOcha,


    schön von Dir zu hören. Dein Vater ist anscheinend sehr umtriebig zu sein. Einerseits ist das schön, aber wenn es um finanzielle Auseinandersetzungen geht, wie fehlendes Geld, dann kann das schon mal anstrengend sein.

    Anscheinend macht der Vater verschiedene Phasen der Demenz durch, wo das Interesse an den Dingen schwankt.


    Umso mehr freut es mich, dass die Mutter bald eine Entlastung bekommen kann. Ich habe gute Erfahrungen mit Seniorenbetreuern gemacht, auch wenn nicht jede sofort akzeptiert worden ist. Wenn die Grundchemie stimmt, dann braucht es manchmal eine Zeit bis sich der Demenzkranke an die Person gewöhnt hat. Und selbst wenn mal Verdächtigungen ausgeprochen werden, wie Stehlen, kommt nur wegen dem Geld usw. , dann kann man dem den Wind aus den Segeln nehmen, bis dann die Vorteile im Vordergrund stehen und auch angenommen werden. So war zumindest meine Erfahrung.

    Es kam auch schon mal vor, dass die Chemie gar nicht gestimmt hat, nicht, weil die Seniorenbetreuerin komisch gewesen ist, aber Demenzkranke haben feine Antennen, zu erkennen, wer gut zu ihnen passt, selbst dann wenn hinterher gemault worden ist. Aber an dem Austausch, der Lebendigkeit des Gespräches und der gegenseitigen Akzeptanz, konnte ich dann festmachen - das passt einfach gut.


    Liebe Grüße an Dich

  • Hallo SchwarzerKater,


    danke, für Deine nähere Beschreibung des Heimes. Ich wünschte, es würde in unserer Nähe liegen.

    Und auch das, was Du über Deine Mutter schreibst. Die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Demenzkranken und was letztendlich von der alten Persönlichkeit noch geblieben ist, dass ist so extrem unterschiedlich.

    Meine liebe Schwiegermama hat ihren Grundcharakter bis zum Schluss behalten. Das war oftmals wunderbar und schön, aber ihre tiefen Verlustgefühle, das war eher sehr schwer für sie und für uns. Von daher denke ich, wie so oft, es hat alles zwei Seiten.


    Liebe Grüße

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Schwarzerkater, auch ich freue mich immer, wenn ich von solchen Einrichtungen höre. Eigentlich müsste es auch ein gezieltes Betreuungsangebot geben, zumindest im stationären Bereich, denn dafür ist Personal vorgesehen. Es muss nachweisen, was für jeden und jede individuell und bedürfnisbezogen gemacht wird, sonst gibt es Ärger bei den Kontrollen des Medizinischen Dienstes (MDK oder jetzt MD).


    Im Betreuten Wohnen können Beschäftigungsangebote ambulant gebucht werden, als Einzelleistung, "gepoolt" mit anderen (alle legen Ihre Leistungskomplexe zusammen) oder als "Betreuungsgruppe". Derzeit werden Qualitätsanforderungen und offizielle Prüfungkataloge für "Neue Wohnformen", also auch Betreutes Wohnen diskutiert. Es wird sich also in den nächsten Jahren einiges ändern.


    Nun zu Ihrer Frage: Ihren Eindruck, dass Ihre Mutter NICHTS macht und sich dabei offensichtlich gut fühlt kann ich bestätigen - von all dem was Sie bisher geschrieben haben. Ich erlebe dies häufiger bei sehr aktiven und geschäftigen Menschen, die nun endlich die innere Ruhe nach einem lebenslangen Hamsterrad gefunden haben. Manchmal habe ich das Gefühl, sie sind wie in einer tiefen Meditation. (Ich kläre vorher möglichst zwei andere Ursachen ab: Depression und Schmerz bis hin zur Apathie und Regungslosigkeit).


    Als Sie von Ihrer Mutter geschrieben haben, dass die Bindung in einer so verbundenen Familie nicht mehr sichtbar ist, hatte ich den Gedanken, dass Ihre Mutter nun Ihre tiefe familiäre Bindung auf das neue Heim übertragen hat. Vielleicht war dies nur möglich, weil ihre Bindung zur Familie nie in Frage stand und sie nun in einer subjektiven Welt vor der Familie lebt.

    Ihnen allen alles Gute, Ihr Martin Hamborg

  • Hallo ihr Lieben,


    ich möchte wieder mal ein kleines Update geben. Ich sehe aktuell mal wieder überdeutlich wie wichtig und richtig die Tagespflege für meinen Papa ist. Am Montag noch war sein (mentaler) Zustand bedenklich. Hinzu sehr verstärkt seit der Corona Quarantäne massive depressive Verstimmungen.


    Nach vier Tagen Tagespflege ist schon ein großer Unterschied feststellbar. Er ist sehr viel fröhlicher, aktiver und geistig geordneter. Die häusliche Orientierung klappt unter der Woche plötzlich wieder und er weiß wieder das er zu Hause ist. Leider sackt das im Laufe des Wochenendes wieder etwas ab.


    Heute habe ich die Ergebnisse der Blutuntersuchung bekommen, viele Werte vorallem auch die Nierenwerte haben sich (komplett entgegen meiner Erwartung) verbessert. Vielleicht schlagen hier die chinesischen Kräuter sowie Akupunktur ja doch an.

    Akupunktur hatten wir auch wieder und die tut ihm sichtlich gut.


    Ein wenig Sorgen machen mir die depressiven Verstimmungen die während der Quarantäne so stark hoch gekocht sind. Diese tauchen immer wieder auf und bringen alles bei ihm durcheinander. Ich habe das auch mit ihm besprochen, es sind immer die gleichen Ängste die hochkommen und ihn in einen Panikmodus versetzen: Verlassen werden, Angst allein zu sein, Angst ausgegrenzt zu werden, Angst abgelehnt zu werden.


    Ich werde das beim nächsten Arztbesuch ansprechen und wohl auch beim Neurologen deswegen vorstellig werden.

  • Hallo, Sohn,


    es freut mich sehr, dass die Tagespflege dem Vater doch so gut hilft. Und wenn das am Wochenende wieder einknickt, dass ist für Dich ja auch nicht schön.


    Er braucht anscheinenden einen festen Rhythmus und er braucht wohl Input von außen.


    Die Ängste, die der Vater hat, sind in seiner Situation verständlich. Ich glaube, das hat auch weniger mit der Wirklichkeit an sich zu tun, denn du bist ja für ihn da, sondern es ist eher der Umstand, dass er in totaler Abhängigkeit von anderen leben muss. Er hat innerlich wahrscheinlich gefühlt keine eigenes Leben und er braucht die Gewissheit, dass andere für ihn da sind. Ich kenne das auch von den Demenzkranken, aus meiner Familie. Diese Ängste waren auch hier stehts präsent, genauso wie du sie beschrieben hast. Sie sind dann weggewesen, wenn eine freundliche zugewandte Gesellschaft dagewesen ist, meist von mehreren Personen. Und sie ist dann wieder stark aufgetaucht, wenn man mit der Person alleine in der eigenen Wohnung gewesen ist und wenn demjenigen bewusst geworden ist, wie sein Leben jetzt aussieht. Das mit dem Bewusst sein mag bei Demenz merkwürdig klingen, aber die Bedürfnisse und die Gefühle bleiben ja lange erhalten.


    Ich hoffe, dass man Dich hier etwas unterstützen kann. (Neurologe ect.)

  • Hallo Teuteburger,


    vielen Dank für deine Antwort. Darüber und deine Einschätzung freue ich mich immer sehr. Es ist genau so wie du es beschreibst z.B. diesen Sonntag war der Auslöser wohl das ich nachmittags ca 1 Stunde in meine Wohnung gegangen bin. Das hat gereicht um ihn wieder völlig aus der Bahn zu bringen. Sonntag ist immer der schwierigste Tag der Woche.

    Es hatte allerdings auch seine positiven Seiten. Ich konnte ein recht inniges und beidseitiges Gespräch mit ihm führen in dem er sich einmal richtig geöffnet und seine Ängste benannt hat. So ein Gespräche wäre im "guten" Zustand wohl nicht möglich.
    Für mich ist das jetzt weniger diffus und ich habe gefühlt hier einen Ansatzpunkt gewonnen.


    Das Wetter macht hier sein übriges und drückt auf die Stimmung. Ich freue ich echt auf den Frühling.

  • Hallo Sohn,


    Es hatte allerdings auch seine positiven Seiten. Ich konnte ein recht inniges und beidseitiges Gespräch mit ihm führen in dem er sich einmal richtig geöffnet und seine Ängste benannt hat. So ein Gespräche wäre im "guten" Zustand wohl nicht möglich.


    Hier kann ich mich auch wiederfinden. Auch bei uns ist manchmal, wenn nichts mehr vor und zurückgegangen ist, ein solches Gespräch möglich gewesen. Das kann manchmal langfristig helfen, ein andermal aber auch nicht. Aber zumindest hilft es beim besseren Verstehen.

    Die Chefin einer Seniorenbetreuung hat auch hin und wieder ein solches Gespräch mit einem Schützling geführt. Dabei ist es sogar schon vorgekommen, das der Demenzkranke sich das Gehörte behalten hat, weil er emotional so stark eingebunden gewesen ist, dass danach auch mehr Hilfe zugelassen worden ist.


    Ja, das Wetter. Bei uns war gestern strahlender Sonnenschein und jetzt versinkt wieder alles grau in grau.

  • Bei uns war gestern eine sehr nette Dame von der Angehörigenberatung. Meine Mutter und ich hatten uns schon einige Male mit ihr getroffen, und jetzt wollte sie mal meinen Vater kennenlernen.


    Meine Mutter hat Tage vorher schon nicht schlafen können -- wie sagen wir's ihm, wie wird er reagieren, usw. Mir war klar, dass er es ablehnen würde, und man eigentlich am Besten dran ist, je weniger Zeit man ihm gibt, Ausflüchte zu suchen. Zum Glück konnte ich mich bei meiner Mutter durchsetzen, und wir haben ihm erst beim Mittagessen erzählt, dass jemand um 14:30 zum Kaffeetrinken kommt. Er war natürlich sehr ablehnend uns misstrauisch, was habt ihr denn mit mir vor usw. Wir haben gesagt, meiner Mutter wird der Haushalt zuviel, und wir wollen uns über mögliche Hilfen für sie informieren. Da hat er gesagt, da braucht ihr mich ja nicht, aber wir haben ihn dann überzeugt, zu bleiben.


    Die Dame hat ihn dann am Anfang ein bisschen freundlich ausgefragt, und er wusste sehr wenig, als es z.B. darum ging, was er beruflich gemacht hat. "Ich war bei Firma XYZ und in anderen Positionen in der Wirtschaft." (Er war eigentlich sein Leben lang bei Firma XYZ und hätte früher stundenlang erzählt, wenn jemand blöd genug gewesen wäre, zu fragen). Ansonsten hat er ganz großes Geschütz aufgefahren, ihm ginge es blendend, keinerlei gesundheitlichen Probleme, der Arzt hätte ihm gesagt, solche guten Leberwerte hätte er noch nie gesehen bei einem Patienten aus Bayern, er macht seine Börsengeschäfte online, telefoniert ständig mit Geschäftspartnern usw. Habe gerade mit der Dame telefoniert, und sie sagt, er hat eine unheimlich gute Fassade. (Halt typischer Narzisst -- hat mit seinen Geschichten vor einem dreiviertel Jahr eine erfahrene Fachärztin für Geriatrie so überzeugt, dass sie ihm Börsengeschäfte und Geschäftspartner voll geglaubt hat, obwohl bei dem Termin einen MMSE Score von 21 eingefahren hatte und weder Ort, Stockwerk, Jahr, noch Jahreszeit benennen konnte). Na ja, die Dame, die jetzt da war hat es schon durchschaut (auch weil sie ja schon intensiven Kontakt mit meiner Mutter und mir hatte), aber ich denke, wenn ich da einen Prüfer für Pflegestufe bestellen würde, dann würden die eher meine Geisteskräfte hinterfragen.


    Mein Vater war dann während des Gesprächs eher ablehnend, aber wir haben eben immer wieder mit Hifle für meine Mutter argumentiert, und da meinte er, er würde doch eigentlich alles machen (will unheimlich gelobt werden), aber er hätte nichts dagegen, will nur das Beste für seine Frau. Nach einer dreiviertel Stunde hat man gemerkt, dass er abschaltet, und die Dame hat sich verabschiedet. Wird in den nächsten 2 Wochen wiederkommen und wir werden einen Plan machen.


    Direkt nach dem Besuch ist er zur Apotheke gelaufen um etwas abzuholen, und als er 20 Minuten später zurückkam, wusste er nichts mehr, also keine Diskussionen, Streitereien, usw. Ich bin echt gespannt, wie das läuft, wenn die Dame wiederkommt -- es wird ja wahrscheinlich jedes Mal wieder von vorne losgehen, wer ist das, warum kommt die, was habt ihr vor? Aber gut, man muss es probieren...

  • Hallo OiOcha,


    schön von Dir zu hören.


    Ich kann mir Eure Unruhe gut vorstellen vor dem Gespräch. Aber letztendlich ist es anscheinend einigermaßen gut gelaufen. Die Flunkerei, was man alles noch kann, dass haben viele Demenzkranke. Dein Vater scheint hier ein Experte zu sein. ;)


    So wie Du es beschrieben hast, könnte man die leichte Hoffnung hegen, dass es auch zukünftig funktionieren wird. Am besten ist es, wenn es irgendwann zur Selbstverständlichkeit wird, wenn mal jemand zum Kaffee kommt oder wenn jemand im Haushalt mithilft oder vielleicht den Vater unterstützt und begleitet, damit die Mutter entlastet ist.


    Gute Wünsche deshalb von mir für weitere Aktionen

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Sohn83, es ist hilfreich, wenn wir erkennen, woher eine Unruhe bei einem Menschen mit Demenz ausgelöst und verstärkt wird. Mal ist es die Pflichterfüllung, mal die Überforderung - bei Ihrem Vater steht Angst im Vordergrund. In der Tagespflege ist immer jemand da, er ist Teil einer Gruppe und kann sich in seinen Möglichkeiten entfalten. So kann er Geborgenheit und keine Angst erleben.

    Am Wochenende hängt alles an Ihnen und es ist sicher nicht einfach, jede Minute diese Geborgenheit ohne zu viel und zu wenig Kontakt, Ruhe, Angebot oder Aktivierung zu finden.


    Im Gespräch über die (alten) Ängste können Sie Ihren Vater neu kennenlernen, aber eigentlich geht es darum, an diese Stellen mit Ritualen Vertrauen und Geborgenheit zu setzen. Wie oft braucht er die Gewissheit: "Wir haben alles geregelt, mein Sohn ist für mich da, hier sind wir sicher? ... " Solche Sätze wirken wie ein Medikament, wenn sie oft genug gesagt werden und so zum Ritual werden. Wichtig ist, dass sie positiv formuliert sind: Du brauchst keine Angst zu haben ... lenkt das Erleben auf Angst und nicht auch Gelassenheit!


    So wie Sie Ihren Vater beschreiben, wird er sich schnell in eine WG oder ein gutes Heim einleben und vielleicht sogar nachhaltig aufblühen. Ich schreibe dies für den Fall, wenn Sie irgendwann das gut eingespielte Vater-Sohn-Zusammenleben aufgeben wollen oder müssen.

    Ihr Martin Hamborg

    • Offizieller Beitrag

    Hallo OiOcha, es freut mich, dass der Kontakt mit der Betreuungskraft so gut gelaufen ist. Ihr Vater läuft zur Hochform auf und ist dann irgendwann rechtschaffen müde und hoffentlich nicht unruhig überfordert. Insofern spricht aus meiner Sicht viel dafür, dass die Besuche nach diesem Schema ablaufen und ganz langsam eine Beziehung wächst. Die Betreuungskraft weiß, wie wichtig die "Fassade" in der Demenz ist und sollte damit gut arbeiten können.

    Viel Erfolg, Ihr Martin Hamborg

  • Vielen Dank für die netten Worte, Teuteburger und martinhamborg!


    Die zweite Baustelle, an der ich zur Zeit arbeite ist, meine Mutter zu überzeugen, einen Angehörigenkurs mitzumachen. Ich denke nämlich, dass viele der Konflikte zwischen meinen Eltern vermieden werden könnten, wenn sie etwas vorsichtiger kommunizieren würde. Mir fällt es irgendwie leichter, mich zu verstellen, aber sie fährt ihm oft über den Mund, "was erzählst Du denn da wieder für einen Mist" usw.


    Der Kurs heisst Edukation Demenz (Prof Dr Sabine Engel). Es sind 10 Sitzungen a 2 Stunden, leider immer 17-19 Uhr (wo ich arbeite und meinen Vater nicht bewachen kann). Meine Mutter ist eigentlich ganz aufgeschlossen, aber meint, 10 Sitzungen wären doch zuviel, vielleicht drei oder vier. Ich sage ihr immer wieder, schau's dir doch mal an, vielleicht lernst du was nützliches und lernst auch andere Leute kennen, kannst ja aufhören hinzugenen, wenn du nicht mehr willst.


    Hat jemand von diesem Kurs gehört? Wie würdet ihr abwägen zwischen dem Wert des Gelernten und etwaigen Problemen, die durch das Alleinlassen meines Vaters entstehen, der zwischen 17 und 19 Uhr ja Abend essen will und dann Richtung Fernseher/Bett geht?

  • Da es meinem Papa während der Corona Quarantäne ja nicht so toll ging brachte unser (toller) Hausarzt letzte Woche für meinen Papa ein wunderbares Beispiel. Er meinte.


    "

    Wir fahren unser ganzes Leben auf einer Straße, wenn wir jung sind ist die Straße breit und meist in einem guten Zustand. Kommt ein Hindernis muss man es Umfahren, weil die Straße aber so schön breit ist, ist das kein großes Problem.


    Werden wir älter und kommen Krankheiten dazu wird die Straße immer schmäler. Beim geradeaus fahren gibt es keine großen Probleme, kommt aber dann ein Hindernis z.b. ein Erkrankung, kommt das Auto leicht von der Fahrbahn ab und muss seinen Weg in die Spur erst wieder finden.

    "



    Am Montag hatte mein Papa einen kieferchirugischen Eingriff weil an seinem Implantat eine Entzündung saß. Ich habe deswegen lange mit dem Kieferchirugen und Zahnartz gesprochen, eigentlich wäre wegen Knochenschwund am Implantat angesagt dieses zu entfernen. Da dies aber eine größere und vorallem längere Geschichte über viele Wochen wäre, haben wir uns für eine einfachere Variante entschieden die noch 2-3 Jahre sicher hält.


    Er hat es gut überstanden aber ich habe deutlich gesehen wie gut das Beispiel des Hausarztes passt. Die 90 Minuten Behandlung waren wirklich das absolute Maximum was mein Papa verkraften kann. Der Eingriff erfolgte Ambulant aber nach den insgesamt 90 Minuten (mit Wartezeiten dazwischen) war er kaum mehr geistig ansprechbar. Einfache Aufforderungen wie dort jetzt hinsetzen, oder dort hinstellen wegen dem Röntgen waren für ihn wohl schon unbegreiflich.

    Der Rest des Tages war dann zwar ein wenig besser aber er war sehr unruhig und verlief sich im Haus ohne zu wissen wie er von einem Raum in den nächsten gekommen war. Mehr als 2 Minuten allein lassen unmöglich, dann fing er an zu wandern. Später wippte er dann stundenlang im Sessel hin und her. Zum Glück war der Spuck bereits am nächsten Tag wieder vorbei als wäre nie etwas gewesen und bei ihm ist jede Erinnerung an den Tag weg.

  • Hallo Sohn,


    ich lese gerne mit, wenn jemand hier schreibt, da man immer für sich auch etwas da raus mitnehmen kann.


    Eine Zahnarztbehandlung ist eine Herausforderung. Darf ich fragen, wie die Lösung für die kommenden Jahre ausgesehen hat, wenn das Implantatumfeld sich entzündet hat?


    Behandlungen sind für Demenzkranke meist anstrengend. Aber auch für die Betreuenden. Tagsüber geht das noch. Aber wie sind die Nächte mit dem Vater? Findest du noch genügend Schlaf? Ich fand es immer wichtig, dass ich irgendwo zumindest einige Stunden Ruhe finden konnte.


    Liebe Grüße

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!