Wie geht es Euch? Thread IV

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  • Hallo TonTon, ich wollte genau das schreiben, was Alfjonski schon vor mir geschrieben hat. Das Stichwort ist "Abgrenzung" ... nicht absolut, aber da, wo wir NICHTS ändern können. Demenz ist eine tragische und schreckliche Krankheit und meistens führt sie dazu, dass auch wir nahen Angehörigen vergessen werden. Ich sage dann aber immer, dass man von den Bedürfnissen der Dementen her denken soll. Leider ist es so, dass sie meistens nur noch die impulsgesteuerten Bedürfnisse äußern können (z.B. ich bin so allein, ich will bei dir wohnen). Aber deine Mutter muss gepflegt werden, was nur ein gutes Pflegeheim (i.d.R.) ausreichend leisten kann. Deine Mutter scheint in keinem guten Pflegeheim zu sein. Ich würde da echt über einen Umzug nachdenken, egal wie stressig das ist. Die Zustände, die du beschreibst, sind gruselig.


    Unser Pflegeheim ist auch nicht megaunterhaltsam ... es ist halt wie "zu Hause". Da ist auch nicht immer was los, aber es entspricht den Bedürfnissen meiner Mutter. Wichtig ist, dass sie gut umsorgt wird. Darauf achte ich möglichst. Die Gelassenheit der Pflegerinnen entspricht dem, was ich mir vorstelle und dem, was meiner Mutter (in weit fortgeschrittener Demenz) gut tut. Das Zimmer ist hübsch hergerichtet (obwohl meine Mutter inzwischen "alles Mögliche" tut), sie wird geholt, gebracht usw.


    Also auf jeden Fall brauchst du wieder DEIN eigenes Leben. Sicher wird ein Teil davon von der Sorge um deine Mutter absorbiert --- das ist leider nicht zu vermeiden. Aber vielleicht fängst du an, mal nicht jeden Tag hinzugehen. Ich hab das anfangs auch gemacht, aber man gewöhnt sich daran, dies zu ändern.


    Liebe Grüße und alles Liebe

  • Liebe TonTon, ich brauchte auch SOFORT Hilfe weil sonst Angst hatte, durchzudrehen.


    Habe dann aus eigener Tasche eine online-Therapeutin bezahlt, die auf Demenz & Narzissmus spezialisiert ist: sie hat mich so schnell wieder „auf die Spur“ gebracht dass ich echt erstaunt war. Und dieses Forum hilft mir sehr sehr sehr, auch wenn ich oft denke „weiha das war jetzt wieder viel zu persönlich autsch“.


    Also ich bin ja noch relative Anfängerin mit meiner dementen Mutter aber ich habe kapiert, dass wir die Demenz nicht aufhalten können. Und dass unsere dementen Eltern in einem Demenzelfenturm gefangen sind, aus dem wir sie nicht retten können. Wir können uns nur selbst retten.

    Wenn sie weint, wird sie auch in ihrem Zimmer weinen: der Elfenturm ist ein undurchdringliches Betonrohr.

    Vieleicht stresst Du nicht nur Dich mit Deiner ständigen Präsenz im Heim?


    Diesen Impuls kenne ich sehr gut: so wenn ich jetzt hingehe/ anrufe usw. wird sie es mir danken und es wird besser: vergiss es.


    Was habe ich gemacht (und mich total schlecht dabei gefühlt?) Du glaubst es nicht: die Nummer meiner Mutter gesperrt: sie rief immer wegen irgendwelcher Drohungen an: sie bringt sich um, ruft die Polizei an, ich bin böse, ungeeignet… ich hatte bis dato nie einen hohen Blutdruck und wurde vergesslicher als zur Babyzeit unserer Drillinge.


    Ich fahre nun 1x wöchentlich hin.


    Lebe und ersticke nicht an Deinem selbstgewählten Märtyrum.


    Demenz der Mütter und schlechtes Gewissen der Töchter sind eine teuflische Symbiose. Du bist da echt nicht die einzige.❤️

    Lg Alfi

  • Hallo Alfi, hallo schwarzerkater,

    ich danke Euch für Eure Meinungen. Und die haben mir schon geholfen. Für mich ist es neu, mich mit Menschen auszutauschen, denen es genau so geht wie mir....und das hilft wirklich ungemein, einmal die Augen geöffnet zu bekommen... Ja, kann sein dass sich mein Stress auf meine Mutter überträgt. Ganz bestimmt sogar. Sie soll ruhig wissen, was ich alles für sie tue ;-)...bei dem Gedanken ertappe ich mich oft selbst....ja, und vielleicht nehme ich die Idee einer Demenz WG noch einmal auf...da hatte ich schon öfter drüber nachgedacht....LG Heidi

  • Hallo Tonton,


    das klingt sehr belastend und ich kann Einiges davon aus Erfahrung nachvollziehen. Auch ich war täglich im Heim. Dies wurde mittelgut geführt, aber es gab auch einige Szenen wie du sie beschrieben hast und Pflegefehler fast täglich.


    Ich würde tatsächlich ein anderes Pflegeheim in Betracht ziehen, auch auf die Gefahr hin eine Erstverschlechterung zu erleben. Da würde ich meine Energie reinstecken. Die Grundversorgung und eine gewisse Grundunterhaltung oder wie Schwarzer Kater dies beschreibt, das sollte einfach gegeben sein, damit man selbst auch mal einige Tage guten Gewissens nicht hingehen muss.


    Viele Geschwister, wo man sich einiges teilen kann, das kann hilfreich sein, muss aber nicht zwingend so sein. Es kommt ganz auf das eigene Lebensverständnis an.


    Ich habe einige Geschwister und doch habe ich dadurch zur Zeit mehr Probleme, als würde ich es alleine machen, bis auf eine Schwester, die wirklich etwas helfen kann.


    Liebe Grüße

  • Hallo Tonton,

    Ich finde die von dir geschilderten Zustände im Pflegeheim deiner Mutter auch nicht so, dass ich sie beruhigt da lassen könnte.. dass nicht immer alles 1a ist, ist ja klar bei dem Personalschlüssel, aber ein liebevoller Umgangston und regelmäßige Versorgung sollten schon "normal" sein.

    Die Nummer mit dem schlechten Gewissen kennen wir hier ALLE. Viele zuständige Erw.Kinder von Demenzkranken scheinen da nochmal "endlich" die ein Leben lang erhoffte Anerkennung der Eltern finden zu wollen und machen und tun bis buchstäblich "der Arzt kommt" - und dann gibt's stattdessen nur Beschwerden, oft Beschimpfungen... Also wir hier können dir versichern, dass man trainieren kann sich abzugrenzen, auch ich durch eine Psychotherapeutin. Es geht nicht von heute auf morgen, aber es geht.

    Das für heute.

    Liebe Grüße

    Rose 60

  • Liebe TonTon -


    ich schließe mich den anderen an: bitte grenz Dich mehr ab. Das ist schwer - weiß ich aus eigener Erfahrung. Meine Mutter hat mich monatelang 60x angerufen, manchmal fing das um kurz nach 3 Uhr morgens an. Es war ein langer Weg, bis ich das Handy nachts ausstellte und ein weiterer Weg, bis ich sie blockiert habe. Aber mir ging es danach wieder etwas besser. Irgendwann klappen wir auch zusammen.

    In Deinem Fall hört sich das Pflegeheim nicht gut für Deine Mutter an. Vielleicht wäre ein Umzug trotz des ganzen Stresses am Ende weniger aufreibend?

  • Hallo TonTon, auch ich sehe es wie meine Vorschreiberinnen, dass vielleicht die nochmalige Unruhe eines Umzugs im Endeffekt dann doch mehr Ruhe und Entlastung bringen kann, als den jetzigen Zustand lange weiter auszuhalten.


    Ach ja, Telefonterror kann meine Mutter auch, aber mein Mann hatte glücklicherweise keinen so langen Atem wie ich ihn gehabt hätte und sorgte für nächtliche Ruhe bei unserem Telefon. Tagsüber ist es meist nicht so heftig, da kann ich es einfach ignorieren.


    Und stimmt, eine Therapeutin, die mich begleitet, hat mir sehr geholfen, die Kraft zur Abgrenzung zu finden, obwohl ich gar kein so inniges Verhältnis zur Mutter habe und hatte. Das schlechte Gewissen hatte ich eher gegenüber meiner Schwester, die es mehrmals im Jahr schafft, eine Woche bei Mutter zu verbringen, für mich ist das höchste, was mir möglich ist, alle paar Monate mal ein Nachmittag - dafür die täglichen Telefonate, die durchaus eine Stunde und mehr dauern können mit Endlosschleifen an Wiederholungen. Die bekommt meine Schwester nicht ab und auch nicht den Telefonterror.

    Es trägt einfach jede*r sein Päckchen und niemand muss ein schlechtes Gewissen haben, weil er/sie meint, das eigene Päckchen sei zu klein - kleine Päckchen können manchmal schwerer sein als riesige Pakete!

    • Offizieller Beitrag

    Hallo in die Runde, zunächst möchte ich allen ein friedliches, gesundes, kraftvolles, kreatives, mutiges ... neues Jahr wünschen mit viel innerer Klarheit, gutem Gewissen und Abgrenzung ...

    Ich freue mich sehr, in der so treuen, fürsorglichen, wertschätzenden und engagierten Runde für ein weiteres Jahr dabei zu sein.


    Hallo TonTon, willkommen in der Runde! Schön, dass die Unterstützung angekommen ist und Sie schon etwas Klarheit gefunden haben. Von meiner Seite nur noch zwei Gedanken:


    Für Ihre Mutter sind Sie besonders dann hilfreich, wenn Sie mit einem besten Gefühl und innerer Stärke zu Besuch kommen und die Zeit gemeinsam genießen können. Bitte tun Sie sich so viel Gutes, dass dies möglich ist.


    Dazu gehört auch, dass Sie Vertrauen in das Heim Ihrer Mutter haben, je mehr dort schiefläuft, umso schwieriger ist es aus dem Teufelskreis von Kontrolle, Misstrauen und schlechtem Gewissen herauszukommen.

    Deshalb schließe ich mich der Empfehlung an, dass Sie nach Alternativen suchen. Eine Demenz-WG könnte für Sie das richtige sein, da WG`s um so besser funktionieren, je mehr sich Angehörige positiv einbringen können.


    Aus meiner Erfahrung verlieren sich irgendwann die bedrückenden Tränen um die verstorbenen Eltern von Menschen mit Demenz. Wichtig ist es eine Idee für die Ursache zu bekommen:


    - Ist es ein psychotisches wahnhaftes Erleben, in der der Mensch vielleicht von alten traumatischen Erlebnissen überschwemmt wird, können Neuroleptika für eine innere Entlastung sorgen

    - Steht eine Depression im Vordergrund können Antidepressiva unterstützen, aber viel wichtige ist der Ausweg aus dem depressiven Muster: Kurzer echter Trost und dann Ablenkung, Anregung und Beschäftigung

    - Ist es eine Phase in der Demenz hilft die Validation nach dem Motto "bei einer so guten Mutter darf man wirklich traurig sein, sie war immer für Dich da ... weißt Du noch, wie ... (Beispiel für eine positive tröstende Familienanekdote)

    Ihr Martin Hamborg

  • Hallo alle, ich danke Euch sehr für Eure Beiträge. Ich habe mich gestern Abend and den Rechner gesetzt und nach Heim Alternativen für meine Mutter gesucht. Das Ganze wird wahrscheinlich auch an den Kosten scheitern. Das jetzige Heim ist schon teuer. Für Demenzwohngruppen ist der Eigenanteil noch höher. Hinzu käme die mehrmonatige Doppelbelastung. Es ist gerade so, dass ich schon jetzt jeden Monat ca. 250,00 EUR für nicht rezeptpflichtige Medikamente, Fußpflege, Friseur, Kosmetik, usw. aus eigener Tasche zuzahlen muss. Im letzten Monat benötigte meine Mutter ein neues Gebiss. Das Alte war im Krankenhaus verloren gegangen. Den Eigenanteil werde ich übernehmen. Vorletzten Monat brauchte meine Mutter mal wieder eine neue Brille, die alte war verschwunden, das kommt auch immer wieder vor. Solche Dinge zahle ich. Dieses Thema ist ja noch ein zusätzlicher Stressfaktor, wie einige von Euch bestimmt bestätigen können. Ich habe trotzdem bei zwei Wohngruppen nach einem freien Platz angefragt. Mal schaun. Meine Mutter ist 95 Jahre alt und die Wartelisten sind lang. Ich werde gleich ins Pflegeheim fahren, gestern war ich nicht dort. Mal sehen was mich erwartet. Ach so, ich wollte noch ergänzen, dass ich sehr an meiner Mutter hänge, immer ein gutes Verhältnis zu ihr hatte und das wahrscheinlich auch mein Tun und Handeln erklärt. Euch allen schon mal ein schönes Wochenende, LG TonTon

  • Hallo TonTon, schön, dass du ein gutes Verhältnis zu deiner Mutter hast/hattest. Das macht vieles leichter, aber auch nicht alles. Leider müssen wir "Kinder" unsere Mütter meist zu unseren Lebzeiten loslassen und bei Demenz geschieht das auf besonders schwierige Weise, denn die (geliebte) Person stirbt ratenweise. In unserer Kultur gibt es dafür keine Muster (so denke ich). So tut man sich schwer damit. Es kann auch sein, dass meine Mutter mich bald vergisst (vielleicht ist es sogar schon der Fall), aber das ist nicht schlimm. Hauptsache, es geht IHR den Umständen entsprechend gut.


    Einen besonderen und vernünftigen Abstand musste ich auch lernen, denn nur so sehe ich, was meine Mutter WIRKLICH braucht. (Früher war ich die Spezialistin für das Aufspüren und Heilen von Krankheiten in der ganzen Familie. Nur dieses Problem kann ich nicht mehr lösen. Leider!)


    Meine Mutter hat noch zu Hause ihr Haus nicht mehr erkannt (lebte da seit 40 Jahren und hatte es selbst gebaut). Aus dem Pflegeheim wollte sie zuerst wieder nach Hause. Jedoch klang dieser Wunsch nicht dramatisch, weil sie sich (so sagten die Pflegerinnen) dort eigentlich wohl fühlt.


    Wenn deine Mutter so vehement nach Hause möchte, spricht das unter Umständen auch dafür, dass sie dort nicht genügend liebevoll umsorgt wird.


    Übrigens ist unser Pflegeheim gar nicht mal teuer. Es ist ein nettes kleines "betreutes Wohnen" mit integrierter Pflege. Die Zimmer sind hell und freundlich. Meine Mutter hat sogar ein Appartment, das sie eigentlich nicht nötig braucht. Aber es war die schönste "Wohnung" und wir wollten es ihr so schön wie möglich machen (hilft übrigens auch gegen eigenes schlechtes Gewissen).


    Vor diesen Zuzahlungen bleiben wir allerdings auch nicht verschont. Zum Glück verfügt meine Mutter noch über Ersparnisse, die wir dafür aufwenden können. Aber im Heim arbeitet man insgesamt auch ziemlich kostensparend.


    Ich wünsche dir also sehr, dass du einen schönen Platz für deine Mutter findest. Schau doch auch mal nach solch unkonventionellen Einrichtungen. Das tut am Ende beiden gut. Liebe Grüße

  • Hallo in die Runde,


    ich habe mich jetzt mal ein paar Tage etwas zurückgenommen und schon kommt man vor lauter neuen Beiträgen kaum mehr nach. An alle "neuen" nochmal ein herzliches Willkommen.


    Wie gehts mir.

    Mein "Urlaub" neigt sich dem Ende zu und mein Papa ist jetzt einen Monat im Heim. Ehrlich gesagt hätte ich zu Anfang nicht geglaubt das dass möglich wäre.

    Ich versuche mich beschäftigt zu halten und langsam wieder zu mir selbst zu finden. Aber ganz ehrlich vor mir hat sich ein großes emotionales Loch aufgetan das erstmal "versorgt" werden muss. Ich habe noch gar nicht die innere Kraft mich groß in ein "neues" Leben zu stürzen. Ich bin da die letzten Jahre wirklich in die Falle getappt und habe ausschließlich für meinen Papa und dessen Bedürftnisse gelebt. Positiv (hoffentlich) bald habe ich meinen ersten Termin bei Psychotherapeuten.
    Diese Woche hatte ich meine Angehörigengruppe vor Ort da berichtete eine Frau (Anfang 50) auch davon das sie jetzt ihren Teilzeit Job aufgeben will um ihren dementen Mann (Ende 60) zu betreuen weil sie keine Fremdhilfe zulassen will. Da schreit es bei mir innerlich, aber es ist leider (noch) kein durchkommen.


    Wie gehts Papa im Heim.

    Die Schwankungen sind weiterhin absolut brutal. Wir hatten diese Woche zwei Tage wo er fröhlich, mitteilsam, offen und geistig aktiv war. Darauf folgt ein geistiger und körperlicher Totalabsturz. Die letzten zwei Tage waren echt nicht schön. Er konnte sich trotz Schmerzpflaster kaum mehr bewegen und brabbelte vor sich hin. Ich bin gespannt was mich heute erwartet.

    Mein erster Gedanke als ich das Heim verlassen habe war aber tatsächlich "Gott sei Dank habe ich ihn so nicht Zuhause".
    Pflegerisch hat sich alles einigermaßen eingespielt und ich bin zufrieden.
    Ich fange gerade damit an sein Zimmer gemütlicher einzurichten und werde nachher im Möbelhaus eine Sitzbank und ein Siteboard kaufen.

    Leider bin ich da wieder der einzige der sich drum kümmert ...

  • Ich versuche mich beschäftigt zu halten und langsam wieder zu mir selbst zu finden. Aber ganz ehrlich vor mir hat sich ein großes emotionales Loch aufgetan das erstmal "versorgt" werden muss.

    Ach, das kenne ich nur allzu gut und erlebe es auch immer wieder.

    Zuerst lebte ich mit fast all meinen erwachsenen Kindern im selben bzw. einem Nachbar-Ort, die Enkel kamen täglich zu mir, es herrschte immer Trubel, meine Problemkinder kamen auch nahezu täglich (wenn sie nicht in Kliniken waren) und meine Mutter rief auch damals schon täglich oft für eine Stunde an (da konnte man nur noch vernünftig mit ihr reden, zumindest schien es so, auch wenn immer wieder Überraschungen von ihrer Seite hineinfunkten) und Arbeit, Haushalt, Ehrenamt, Musik kamen ja auch dazu. Da hatte ich in dem Sinn kaum Luft für mich, aber fühlte mich zufrieden ausgefüllt.

    Als wir dann bei endgültigem Renteneintritt die Dienstwohnung räumen mussten (etwas unerwartet, weil die Umstände so waren, dass wir glaubten, bis zum Abriss des Gebäudes drin bleiben zu können), fanden wir nur was bezahlbares in etwa 3/4 Stunden Entfernung mit dem Auto. Allerdings muss und will ich wegen Enkelbetreuung trotzdem mehrmals die Woche hinfahren.

    Übrig bleiben die Tage, an denen ich zu Hause bleiben kann, kein Besuch von Kindern oder Enkeln mehr kommt (eben wegen der Entferung und völlig sinnbefreiter öffentlicher Verbindungen) und in den Ferien sind das dann auch noch mehr Tage: da passierte es mir öfter, dass ich etwas ratlos dasaß und ich musste erst sehr systematisch aufbauen, dass ich in diesen Zeiten dann endlich lesen kann, schreiben kann, Bastelarbeiten machen kann, Instrumente üben kann - und dann das so weit in mein Bewusstsein bringen, dass ich nicht nur weiß, ich kann das jetzt sondern die Übertragung schaffe: ich tue das jetzt!

    Immer wieder, wenn dann eine turbulentere Phase erledigt oder auch nur ruhiger ist, muss ich wieder sehr überlegt diese Schritte gehen und mir dann auch sagen: ich darf das, ich muss kein schlechtes Gewissen haben, weil ich jetzt nicht "nützlich für andere" bin.

    Vermutlich ist das eine ähnliche Falle, ein ähnliches Loch, wie es viele Menschen nach Beginn ihres Ruhestands erleben. Da klappt es plötzlich gar nicht, sich mit Begeisterung auf all das zu stürzen, von dem man immer geträumt hat: wenn ich dann in Rente bin, mache ich..., sondern erstmal packt nur die Leere, vielleicht sogar Sinnlosigkeit zu.

    Da Du Dir aber Deiner Situation sehr bewusst bist, glaube ich, Du wirst es gut lernen, damit umzugehen und bald zu Dir finden. Viel Erfolg dabei!

  • Diese Woche hatte ich meine Angehörigengruppe vor Ort da berichtete eine Frau (Anfang 50) auch davon das sie jetzt ihren Teilzeit Job aufgeben will um ihren dementen Mann (Ende 60) zu betreuen weil sie keine Fremdhilfe zulassen will. Da schreit es bei mir innerlich, aber es ist leider (noch) kein durchkommen.

    Hallo Sohn,

    deine Schilderung der Pflegesituation macht Mut.

    Die Ablehnung von "Fremdhilfe" kennen wir auch aus eigener Erfahrung. Originalton Schwiegermutter: „Das ist MEIN Mann!“ (heißt: Lasst mich mal ran! Ich kenne ihn besser, ich pflege ihn besser - aber sie weiß nicht einmal welche Medikamente er täglich benötigt und wann seine Windeln zu wechseln sind). Gelernte Altenpfleger haben eine dreijährige Fachausbildung, aber sind „Fremde“? ÄrztInnen haben rundgerechnet eine zehnjährige Ausbildung, aber sind „Fremde“? "Fremde" sind unerfahren? "Fremde" sind weniger fähig? Von wegen! Ohne tägliche professionelle Hilfe könnten meine Frau und ich keine zwei Demenzkranken versorgen.

    Ich denke, die Ablehnung von „Fremdhilfe“ hat einerseits mit Selbstüberschätzung und mit Unterschätzung der Krankheit Demenz zu tun und ist deshalb ein hohes Risiko für die Patienten wie für die pflegenden Angehörigen.


    LG Buchenberg

    3 Mal editiert, zuletzt von Buchenberg ()

  • Mein erster Gedanke als ich das Heim verlassen habe war aber tatsächlich "Gott sei Dank habe ich ihn so nicht Zuhause".

    Lieber Sohn83, zuerst einmal: Gut, dass alles noch einen solchen Verlauf nehmen konnte. Du hast es so gut geregelt ...


    Und diesen Satz habe ich zitiert, weil es mir ganz genauso ging. Meine Mutter in einem ähnlichen Zustand zu sehen, gab mir die Gewissheit, dass ich es alleine nicht hätte schaffen können .... und war somit ein Mittel gegen das schlechte Gewissen.


    Auch die Leere kenne ich ...., nachdem meine Mutter nicht mehr hier war, gemischt mit Euphorie und Erleichterung ... Am besten hilft jetzt, dass du dir Beratung suchst und liebe Menschen hast, mit denen du wieder Lebensfreude schöpfen kannst. Such am besten gezielt danach, auch wenn dir nicht danach zumute ist. Das hilft!!!! Alles Liebe und ein schönes Wochenende.

  • Immer wieder, wenn dann eine turbulentere Phase erledigt oder auch nur ruhiger ist, muss ich wieder sehr überlegt diese Schritte gehen und mir dann auch sagen: ich darf das, ich muss kein schlechtes Gewissen haben, weil ich jetzt nicht "nützlich für andere" bin.

    Liebe ecia, ich kenne das so gut. Und ich kann nur jedem raten, es genauso wie du zu tun: Es ist erst mal direkt "Arbeit", sich selbst Schönes zu verordnen, aber es lohnt sich. Meine Tochter (die ja auch ein schlimmes Schicksal hat) ist da viel weiter und reißt mich ab und zu direkt mit. Gegen alle Widerstände ....


    Auch dir ein schönes Wochenende!

  • Die Ablehnung von "Fremdhilfe" kennen wir auch aus eigener Erfahrung.

    Hallo Buchenberg, beinahe genauso war es bei meiner Mutter - der verinnerlichte Glaubenssatz, auf den die ganze Familie eingeschworen war: "Egal, was kommt, wir packen es alleine." Bereits Haushaltshilfe oder Putzhilfe war tabu! Und das klappte bis zu dem Zeitpunkt, wo es wirklich gar nicht mehr ging. Daraus kann ich nur insofern lernen, dass ich bereits heute mich an fremde Hilfe gewöhne. Aber das ist gar nicht so leicht, wenn man gelernt hat, dass man alles selbst machen kann/muss . ;)

  • Ein herzliches Hallo in die Runde, die so viel teilt und hilft!

    Danke für alles, was Ihr mir vor ein paar Tagen geschrieben habt.

    Mein Update: Die Trauerfeier für meinen Vater hat meine Mutter fürchterlich weinend und während der schönen Rede des Pfarrers, in der er sie direkt angesprochen hat, ihn beschimpfend, "jetzt hast Du mich hier hocken lassen!!" in einem schrecklich aufgelösten Zustand hinter sich gebracht. Alle, die sie gesehen haben, waren bestürzt.

    Im Café dann anschließend die bekannte Verwandlung in ihre Außenfassade, eine heitere, mit allen plaudernde Frau, die alle zu sich nach Hause zum Essen eingeladen hat und von der niemand gedacht hätte, dass sie die Witwe sein könnte.

    Am nächsten Tag schon konnte sie sich bei meinem Besuch an nichts mehr erinnern, an keine Beerdigung, an keine Gäste. Mal weiß sie, dass er gestorben ist, mal nicht. Sie bohrt aber dann so lange, wo er sei, bis ich ihr bis zu zweimal in der Stunde sagen muss, aber er ist doch gestorben und dann wird es grausam. Ich möchte ihr nicht jedes Mal das Messer ins Herz rammen und noch mal umdrehen. Aber wenn ich versuche, irgendetwas anderes zu sagen, mich herauszureden, was auch immer, mir fällt einfach nichts mehr ein, fragt sie so massiv jedes Mal nach, weil sie schon noch spürt, dass da irgendetwas nicht stimmt. Dann wieder komme ich hin und sie sitzt schon tränenüberströmt da und weiß, dass er tot ist. Während ich da bin, weint sie ununterbrochen und will nur noch sterben.

    Die Pflegerinnen sagen, beim Essen würde sie ihn immer suchen, mehr haben sie nicht dazu gesagt.


    Meine Schwester wollte, dass wir ihr wieder die Möglichkeit zu telefonieren einrichten, weil sie sich soooo alleine fühlt, wenn sie niemanden erreichen kann, und auch Angst hat allein. Mit dem Ergebnis, dass ich heute einen Horrortag hatte, sie hat 13x auf meine Voicebox gesprochen, von freundlich säuselnd, "ich wollte nur hören, wie es Euch geht"

    (sie fragt einen nie, wie es geht) über weinend, "wo ist der Papa, ich kann ihn nirgends finden?" über aggressiv wie mit der Zunge meines Vates sprechend, was sehr gruselig ist, "ich will sofort nach Hause, hier macht eh niemand etwas mit mir, was soll das alles, Du brauchst Dich um nichts zu kümmern, hol mich ab, ich will nie wieder irgendwohin fahren, wenn ich zu Hause bin, gehe ich nie mehr vor die Tür!". Als ich sie wider besseres Wissen zurückrief, wurde sie patzig und legte auf - um Minuten später wieder anzurufen. Ich habe dann die Pflegerin angerufen, sie soll nach ihr gucken und dann ist alles wieder eitel Sonnenschein. Auch sie sagte mir, das alles, was ich beschreibe, das würden sie nicht kennen.

    Allerdings verweigert sie jede Ablenkung, will nur in ihrem Zimmer sitzen und weinen. Nächste Woche bekommt sie eine neue Mitbewohnerin, was sie nicht möchte, weil sie ja sowieso über jede/n etwas lästern hat und allen mißtraut. Auf der anderen Seite fürchtet sie sich besonders abends und nachts alleine. Es ist zum Durchdrehen. Die Pflegerin ist auch skeptisch, es sei noch zu früh für eine neue Mitbewohnerin. Ich weiß es nicht.

    Der Tag heute hat mich wirklich fast wahnsinnig gemacht, es sollte nach drei Wochen Hamsterrad endlich mein Ruhetag sein.

    Ich werde auf jeden Fall die Besuche wieder herunterschrauben, ich war jetzt fast jeden Tag da, seit dem Tod meines Vaters vor drei Wochen. Mein weiches Herz wollte sie trösten, aber das ist unmöglich. Ich kann einfach nicht mehr. Immer dieses Elend, und dabei so manipulativ, so egozentrisch, trotz aller kognitiven Einschränkungen. Die wahre Persönlichkeit scheint doch noch länger durchzukommen.

    Danke für Euer Ohr bzw. Auge und all' mein Mitgefühl für Eure ähnlichen Situationen! JA, es ist wirklich nicht einfach, herunterzukommen und sich gut zu tun ...


    Liebe Grüße

    Nelly

  • Hallo Nelly,

    Ich würde auch wieder auf mehr Abstand gehen, du kannst es eh nicht recht machen gerade und du kannst deiner Mutter auch nicht die Trauer abnehmen.

    Es ist ja schon ohne Demenz so, dass man nach dem Partnerverlust erst mal auf nichts Lust hat und sich die Phasen von gefühlter Normalität und Trauer abwechseln, wenn der Verlust wieder stärker ins Bewusstsein kommt - wie ich aus Erfahrung so kenne..

    Ich denke, es wird sich über die Zeit ändern und die Pfleger werden damit umgehen können. Wenn deine Mutter nun viel weinen muss, befreit das und du kannst vllt die Nummer blockieren.

    Du brauchst deine Nerven auch für dich, schließlich hast du deinen Vater verloren. Für deine Mutter wird das Vergessen zwischendurch auch ein Segen sein.

    Alles liebe für dich!

  • Am nächsten Tag schon konnte sie sich bei meinem Besuch an nichts mehr erinnern, an keine Beerdigung, an keine Gäste. Mal weiß sie, dass er gestorben ist, mal nicht. Sie bohrt aber dann so lange, wo er sei, bis ich ihr bis zu zweimal in der Stunde sagen muss, aber er ist doch gestorben und dann wird es grausam. Ich möchte ihr nicht jedes Mal das Messer ins Herz rammen und noch mal umdrehen. Aber wenn ich versuche, irgendetwas anderes zu sagen, mich herauszureden, was auch immer, mir fällt einfach nichts mehr ein, fragt sie so massiv jedes Mal nach, weil sie schon noch spürt, dass da irgendetwas nicht stimmt. Dann wieder komme ich hin und sie sitzt schon tränenüberströmt da und weiß, dass er tot ist. Während ich da bin, weint sie ununterbrochen und will nur noch sterben.

    Liebe Nelly,

    deine Mutter steckt in einer Gefühlsachterbahn. Jedesmal, wenn du sie besuchst oder mit ihr telefonierst, begleitest du sie und fährst bei ihrer Gefühlsreise mit. Du kannst aber ihre emotionale Achterbahnfahrt weder verlangsamen noch stoppen. Ganz im Gegenteil. Du wirst von ihrem Auf und Ab mitgerissen und durchgeschüttelt. Ich glaube, das tut euch beiden nicht gut.

    Liebe Grüße!
    Buchenberg

  • Der Tag heute hat mich wirklich fast wahnsinnig gemacht, es sollte nach drei Wochen Hamsterrad endlich mein Ruhetag sein.

    Liebe Nelly, ich wollte dir eigentlich genau dasselbe antworten, was ich auch Rose60 schon in einem anderen "Faden" schrieb. Vielleicht findest du den Beitrag.


    Das Schlimme an der Demenz ist eben auch, dass sie die Betroffenen von den erworbenen und gelernten Bewältigungsstrategien für echten Verlustschmerz abschneidet. In ihrer echten seelischen Not greifen sie nach jedem Strohhalm und reißen uns mit in die Tiefe (So verhalten sich auch manchmal Nichtdemente, aber bei Demenz ist es noch viel schlimmer).


    Wichtig sind jetzt Pflegerinnen oder Pfleger, die deine Mutter in den Arm nehmen und sie trösten, ihr etwas Liebes tun und die ihr einfach Halt geben. Kannst du das vielleicht arrangieren?


    Auf jeden Fall wird diese Phase vorbeigehen und deine Mutter wird auch ihren verstorbenen Ehemann vergessen und dich sicher auch. Sie wird diese ganzen Konstrukte "Ehemann", "Tochter" völlig vergessen .... es bleiben nur Fragmente stehen. Aber der Weg dahin ist natürlich schmerzhaft.


    13x Anrufen ist zu viel für dich. Du kannst vielleicht die Dosis selber bestimmen. Ich würde mir Sätze des Mitfühlens und Mittrauerns zurecht legen, die natürlich echt sein müssen und die ihr immer Recht geben. Wenn sie z.B. verzweifelt klagt, würde ich sagen, dass es wirklich schlimm ist, dass du dir selbst wünschtest, etwas ändern zu können, aber es nicht kannst. Wir hatten einen alten Orthopäden, der glasklar gesagt hat, dass er an meinen orthopädischen Problemen nicht viel ändern kann. Der fragte immer: "Kann ich Ihnen trotzdem etwas Gutes tun?" Das fand ich immer sehr rührend.


    So könntest du auch fragen. Und sollte sie dann sagen "Ich will nur nach Hause." könntest du sagen: "Das darf ich leider nicht entscheiden. Aber wir warten mal ab, wie es gesundheitlich mit dir weiter geht. Aber ich könnte dir .... [Schokolade mitbringen, mit dir einen Kaffee trinken, ....]


    Wichtig ist, authentisch zu sein. So habe ich es auch gemacht und es hat geholfen. Hingehen würde ich nicht jeden Tag. Zeit hat für deine Mutter nicht dieselbe Bedeutung wie für uns Nichtdemente.


    Ich hoffe, dass es bald besser wird ... für deine Mama und für dich. Alles Liebe!

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