Hallo in die Runde, heute kann ich mir wieder Zeit dafür nehmen alle Beiträge zu lesen und meine Gedanken bezutragen. Danke Ihnen Rose 6o für den Leitspruch: „Man muss mit allem rechnen auch mit dem Schönen“!
Gerade wenn neben einer Demenz eine Depression beteiligt ist, ist dies der Blickwechsel in das Schöne therapeutisch wertvoll, denn Grübeln, Abwertungen und die vielen Mechanismen der Selbstboykottierung der psychischen Krankheit sind ja so übermächtig. So wie im letzten Jahr schon geschrieben: ich freue mich über die Sprüche die Kraft geben, was für die eine passt, ist vielleicht auch für andere hilfreich oder tröstend.
Zu den Stürzen Ihrer Mutter, Lulu, möchte ich etwas schreiben. Fragen Sie bitte einmal nach, wie der „Expertenstandard“ zum Thema Sturzprophylaxe umgesetzt wird und ob es noch Möglichkeiten und die Bereitschaft gibt, dass Sie sich mit Ihren Ideen beteiligen können.
Damit helfen Sie (auch) der Einrichtung, weil Sie das unterstützen, was mit der neuen MDK-Prüfung erwartet wird. Hoffentlich gelingt es mir, die etwas schwierigen Zusammenhänge deutlich zu machen. Deshalb einige Fakten:
Jeder Sturz mit gravierenden Folgen wird bewertet und gezählt. Je häufige Krankenhausaufenthalte oder Frakturen sind, desto schlechter wird die Bewertung der Einrichtung mit den neuen Qualitätsindikatoren. Diese sollen schon in diesem Jahr an alle Einrichtungen öffentlich vergleichbar werden, das gilt auch für den Anteil der Stürze mit Folgen. Wenn Sie mitdenken und sich als Angehörige einbringen, helfen Sie den engagierten Mitarbeiter*innen in der Einrichtung, dass diese nicht in einem schlechten Licht dargestellt wird. (Der Standard erwartet die Einbeziehung und Beratung von Angehörigen!)
Zudem wird schon lange durch den MDK geprüft, wie der Expertenstandard umgesetzt wird. D.h. jeder Sturz muss ausgewertet werden – auch in Bezug auf die stark sturzfördernde Wirkung von Beruhigungsmitteln wie Benzodiazepinen. Der fachlichen Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und genau da können Sie mithelfen. Ideen und Unterstützungen von Angehörigen sollten wertvoll sein.
Wie gesagt, dieser Pflegeprozess muss immer weiter professionalisiert werden, durch Bewegungs- oder Koordinationsübungen, durch Krafttraining und Gehübungen. Ein wichtiges Ziel ist die Vermeidung von Verletzungen z.B. durch Hüftprotektoren und die Entfernungen von Sturz und Verletzungsquellen im Wohnumfeld.
Eine 100%tige Sicherheit gibt es nicht, denn es soll die Bewegung gefördert werden und jede Form von Fixierung vermieden werden. Auch dieser Indikator wird zweimal im Jahr für alle Bewohner erfasst und verglichen – sobald die Datensätze vorliegen. Eine große Entlastung für engagierte Mitarbeiter*innen ist es, wenn Angehörige keine Vorwürfe bei einem Sturz machen und das Risiko mittragen. Nur wenn fachlich alles Erforderliche unternommen ist, kann sich die Einrichtung vor Regressforderungen schützen. Der Amtsarzt muss die Polizei einschalten, wenn vor dem Tod ein Sturzereignis lag, dass den Tod ausgelöst haben könnte. Die Krankenkassen müssen Regressforderungen prüfen, wenn es zu teuren Behandlungen im Krankenhaus kommt.
Wird deutlich, wie wichtig Ihr Beitrag in diesem Bereich ist? Deshalb betrachte ich gute Ideen von Angehörigen nie als Beschwerde, sondern als Unterstützung.
Danke, Teuteberger für den Hinweis auf den WDR3-Film. Es wird deutlich, wie komplex das System ist und wie in einem Milliarden-Markt kriminelle Energie und pfiffige Gewinnmaximierung entstehen. Die hohen Renditeerwartungen sind ein riesiges Geschäft für Investionsfonds mit sicheren Gewinnerwartungen. Es fehlen mit Einführung der Pflegeversicherung kommunale Steuerungsmöglichkeiten. Wer weiß, welche Pflegereform dieses dicke Brett bohrt und wie stark die Lobby ist, von denen, die mit den Immobilien (und nicht mit dem Heimbetrieb) Gewinn machen.
Wenn sich aber Renditeerwartungen auf die Qualität der Pflege beinflussen, dann gibt es viele scharfe Schwerter: Die Heimaufsicht hat ordnungsrechtliche Kompetenzen und kann – anders als im Beitrag beschrieben – Missstände auch ursächlich angehen. Aber dazu braucht es mutige Menschen, die keine Angst vor hochdotierten Anwälten haben. Vielleicht gibt es noch zu wenige, die ihren Beamtenstatus dazu nutzen und zu wenige, die in der Kommunalpolitik ihre Steuerungsmöglichkeiten erkennen.
Der MDK hat andere sehr wirksame Mittel wie die anlassbezogene Prüfungen auch bei einer anonymen Beschwerde.
Deshalb, Sonnenblümchen, Nachfragen und Beschwerden der Angehörigen sind wichtig. Nicht nur gegen die strukturellen Fehler und das Organisationsversagen, sondern auch, um in Teams die Menschen zu stärken, die kompetent arbeiten – und sich über Pflegefehler und Unverbindlichkeiten von Kolleg*innen mit Recht ärgern.
Deshalb wünsche ich mir, das möglichst wenige hier zu „gebrannten Kindern“ werden, so wie Hanne63 seinerzeit – wir hatten uns ja auch dazu ausgetauscht…
Und natürlich wünsche ich mir, dass die Impfungen in den Einrichtungen konsequent und erfolgreich sind und bald wieder Angehörige und Ehrenamt, Vereine und Kirchengemeinden in den Heimen ein- und ausgehen und sich die ganze aufgestaute Bereitschaft sich zu engagieren wieder konstruktiv ausgelebt werden kann.
Ihr Martin Hamborg