Erfahrungen mit Betreuerinnen aus Polen

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  • Hallo an alle Interessierten, ich schreibe jetzt mal die Sachen, die mir als erstes in den Sinn kommen, für die, die sich auch damit beschäftigen oder neugierig sind. Es gibt zu dem Thema sehr viel zu sagen, vor allem aber haben sich bei uns die Ereignisse ständig extrem überschlagen.


    Wir sind vier Geschwister in einer Familie, die sehr gut zusammenhängt, aber alle mit eigenen Familien gebunden an anderen Wohnorte als den unserer Mutter. Die ist 87 und hat zwar seit dem Tod unseres Dads gerne allein gelebt, aber seit gut drei Jahren mit deutlichen Anzeichen von Demenz und zudem starke Gehbehinderungen entwickelt. Wir haben das mit immer häufigerer Präsenz, notwendigen technischen Sicherungen in der Wohnung und einem Netzwerk von Nachbarn und ambulanten Helfern lange ganz gut hinbekommen – das sind alles Geschichten für sich – dann ging es aber nicht mehr, sie konnte sich um kein Essen mehr kümmern, ist von alleine kaum noch aufgestanden, hat Ärzte und Pfleger brüsk weggeschickt, keine Medikamente mehr genommen. Weil ihre eigene Wohnung so lange ihr Lebensmittelpunkt gewesen ist, wollten wir im vergangenen Herbst den Versuch machen, eine Betreuerin bei ihr einzuquartieren. Unsere Mutter ist zwar stur, aber meist guter Laune und hätte sich ja vielleicht an so ein Zusammenleben gewöhnen können. Das Werbeschlagwort „24-Stunden-Pflege“ ist natürlich Quatsch dafür, dass dann eine einzelne weitgehend ungelernte Kraft kommt – es ist extrem viel Zeit und Arbeit notwendig, um die Betreuerin angemessen zu entlasten und alles abzudecken, was gemacht werden muss, aber zumindest würde jemand täglich um Essen, Wäsche und Medikamente kümmern und für sonstige Zwischenfälle einfach vor Ort sein.


    OK, vorab, es hat nicht lange geklappt mit diesem Versuch, und das lag am wenigsten an den Betreuerinnen persönlich. Unter anderen Umständen würden die, die wir kennengelernt haben, das wirklich wie gedacht hinbekommen haben, und sie haben auch mit viel Freundlichkeit alles Zumutbare versucht. Wie schon an anderer Stelle erzählt, hat unsere Mutter aber angesichts der ersten angereisten Betreuerin erstmal jegliche Akzeptanz ausgeschlossen, und als sie sich am nächsten Tag beruhigt und alles vergessen hatte, war die schon weitervermittelt worden. Eine Woche später haben wir mit ratgebender Unterstützung aus dem Forum hier einen „Besuch“ einer „Bekannten“ angekündigt, und der Einzug in die Wohnung hat geklappt. Kochen usw. ging auch gut, aber nun blieb unsere Mutter dauerhaft auf Distanz und hat sich auch nach Wochen in vielen Dingen, insbesondere der Körperflege, nicht mal im Ansatz helfen lassen. Über Weihnachten und nochmal im Februar bekam die Betreuerin zeitweise Ablösung von uns Geschwistern und einer zusätzlichen Kraft aus Polen. Mit dem Tagesablauf hat es da zwischendurch immer mal ganz gut geklappt, wohl auch wegen der nun wieder regelmäßigen Medikamentengabe, aber Ausfälle und Widerstände wurden punktuell immer schlimmer, und die Hoffnung schwand, dass sich noch ein tägliches Miteinander mit der Betreuerin aufbauen könnte, bei dem z. B. für das Mindeste an körperlicher Hygiene und Bewegungssicherheit gesorgt sein würde.


    Jetzt muss man sich das alles noch vorstellen vor dem Hintergrund, dass dieses Betreuungsangebot nur möglich ist durch einen bewusst so gehaltenen grauen Markt – unter professionellen Gesichtspunkten und nach normalem Arbeitsrecht ist eine ungelernte Betreuungskraft viel zu wenig, schon um die Einsatzzeiten abzudecken. Das heißt, man hat es mit polnischen Agenturen zu tun, die nominell als Arbeitgeber fungieren (so geht das legale Konstrukt, das der Gesetzgeber wohl duldet, damit überhaupt was geht), aber die sich z. B. nicht darum kümmern, dass die Betreuerinnen wirklich mit FFP2-Make im Bus anreisen. Es gibt eine deutsche Vermittlungsagentur, die mit mehr oder weniger Mühe passende Betreuerinnen findet, aber nichts gegen immer gleiche Belastungen für alle Beteiligten tut. Die Betreuerinnen sind keine Profis, die abends nach Hause gehen und sonst immer nach Plan funktionieren, sondern Leute, die von zu Hause weg sind, sehr abhängig vom Goodwill ihrer Auftraggeber und Agenturen, mit vielerlei unberechenbaren Bedürfnissen, Marotten und Unsicherheiten. Man ist Woche für Woche auch damit beschäftigt, das aufzufangen, aber es liegt an dem ungeregelten Konstrukt des Ganzen. Ein anderes wäre niemals privat bezahlbar, und auch so muss man 3000 Euro oder mehr im Monat einplanen, was bei uns nur durch eine hohe Beamtenwitwenpension möglich war.


    Ausgegangen ist diese ganze Ära für uns noch sehr viel dramatischer, als sie angefangen hatte. Meine Mutter ist vor drei Wochen in der Wohnung schwer gestürzt, als die genannte Ersatzbetreuerin gerade den zweiten Tag vor Ort war, konnte nicht mehr aufstehen, hat sich aber massiv gegen jede Hilfe gewehrt. Die Polizei musste kommen, damit Notarzt und Krankenpfleger sie ins Krankenhaus mitnehmen konnten. Sie wurde nach einigen Tagen in ein gutes Demenzkrankenhaus verlegt und hat sich da wieder ein wenig beruhigt. Sie bekam allerdings tatsächlich auch Beruhigungsmittel, zuvor hat sie Pflegekräfte mit Zähnen und Fingernägeln angegriffen, um nicht gewaschen zu werden. Das geht nicht mehr mit halbprofessionellen Kräften in der eigenen Wohnung. Zum Glück kam wieder Hilfe aus unserer Familie. Da wurde ein passender Heimplatz frei, wieder relativ weit weg von uns Geschwistern, aber in direkter Nähe enger Verwandter, die uns helfen und als ständiger Kontakt da sind, und viele Reisen sind wir ja gewohnt. Was für unsere Mutter gut ist und was wir für sie tun können, hat sich jetzt natürlich ziemlich verschoben. Zuletzt hat sie von ihrer Wohnung gar nicht mehr gesprochen und heute den Umzug ins Heim mit meiner Schwester in guter Stimmung absolviert. Es ist schon traurig, dass alles, was ein Mensch immer wollte und aufgebaut hat, jetzt eigentlich nur noch für uns Nachkommen eine bröckelnde Bedeutung hat, aber unsere Begegnungen mit unserer Mutter sind unter diesen Vorzeichen immer noch schön und das Drumherum bleibt, kann man nur hoffen, erstmal erträglich. Wir haben bei allem, auch im Hinblick auf die Erfahrungen vieler anderer hier, noch sehr viel Glück.


    Viele Grüße an euch alle!

  • Vielen Dank für deinen Bericht, Grünes Licht.


    Das war eine Achterbahnfahrt über einen längeren Zeitraum, bis es jetzt doch zu einer stimmigen Lösung gekommen ist.

    Danke auch für das, was du über die Pflegekräfte geschrieben hast. Ich denke mir auch, das eine Demenz immer eine sehr individuelle Herausforderung ist. Und es geht mit Sicherheit nicht alles glatt, siehe Körperpflege. Das erinnert mich auch an meine Schwiegermama. :)

    Es freut mich aber zu lesen, wie gut deine Mama den Umzug ins Heim aufgenommen hat und das ihr jetzt alle doch mehr entlastet seit.


    Liebe Grüße an Dich

    • Offizieller Beitrag

    Hallo grüneslicht,

    vielen Dank, dass Sie hier Ihre Erfahrung mitteilen. Das deckt sich durchaus in Teilen mit den Erfahrungen, die ich von anderen Angehörigen geschildert bekam. Diese sind in meinem Bereich oft zwiespältig gewesen. Deutlich wird die weit verbreitete Fehlannahme, dass das eine "leichte", einfache Lösung für alle Beteiligten ist. Kann durchaus, muss aber bei weitem nicht. Ausserdem glauben Dritte oft, dies sei eine billige lösung für private Haushalte, um Kosten zu sparen. Auch das ist in der Summe häufig nicht der Fall gewesen, bei dem was ich so dazu weiß und erfahren habe.

    Es grüßt Sie

    Jochen Gust

  • Ich bedanke mich ebenfalls für den Erfahrungsbericht! Immer wieder überlege ich auch, ob wir wirklich dem Wunsch meiner Mutter nachhause mit ausl.Pflegekraft nachgeben sollten, doch ich weiß, dass sie auch sehr schwierig werden kann ,wenn sie wieder überzeugt ist, alles allein zu können, dabei macht sie wirklich nichts mehr aus sich heraus.

    Auch kenne ich von Freunden Erfahrungen, dass mehrere pflegekräfte Alkoholprobleme hatten, nicht mit der Entfernung von der Familie zurecht kamen etc. Meine Mutter ist meist noch sehr gesprächig und wenn die Pflegekraft nicht so gut Deutsch könnte oder nicht deutsch kochen würde, gäbe es Probleme und ich bin dafür dann zu weit weg. Zu der finanziell günstigeren Variante mit ungeklärter Versicherungslage könnte ich erst recht nicht stehen. Manchmal denke ich allerdings, dann hätte meine Mutter jemand nur für sich, die schnell greifbar wäre....

    Aktuell ist es wohl wieder so, dass siesich nachhause sehnt, sobald es langweilig wird und sie kann sich mit nichts mehr beschäftigen.


    Also lassen wir es am besten wie es ist, zumal ich ja durchgehend ein gutes Gefühl bei dem Pflegeheim habe.

    Liebe Grüße

    Rose60

  • Hallo in die Runde,

    gestern Abend gab es in der ARD - eine Polin für Oma. Es war ein älterer Herr (87) , noch Geistig voll fit, der hatte sehr nette Betreuerinnen. Denen ging es bei dem alten Herren auch gut. Und dann gab es Beispiele wo es so gar nicht lief. Ich denke für unsere Angehörigen, die an Demenz leiden, ist dass nicht die richtige Versorgung. Einerseits Sprachprobleme, Probleme beim Wechsel der Damen+ Coronaeinreiseverbote, andererseits die Spezialitäten der Demenz. Das sind normale Frauen, vielleicht Vorerfahrungen mit Pflege, aber die können gar nicht das leisten was notwendig ist. Mir haben die Damen manchmal schon leid getan.

    Es gibt sicher keine optimale Lösung, aber demente Menschen können eine Herausforderung für Angehörige und Pflegende sein. Und mir ist da eine geschulte Fachkraft vor Ort schon lieber. Außerdem kostet der Spaß bis zu 3000 € und wer kann das bezahlen. Es wurde dann wieder auf das System geschimpft, aber eine ausländische Hilfskraft ist nun mal kein Pflegedienst.

    Den Beitrag gibt es bestimmt in der ARD Mediathek.

    Liebe Grüße

  • Ich denke es kommt individuell auf den Pflegebedürftigen an und auf die Pflegekraft die kommt, ich für mich persönlich denke nicht, dass mein Vater, mit einer Pflegekraft die 24/7 bei ihm ist klarkommen würde. Danke für deinen Bericht, ich hatte nämlich auch kurz überlegt, aber glaube ich lasse es lieber sein

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