Keine Hilfe von Geschwistern

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  • Liebe Leser des Forums,

    ich lese hier immer wieder mal mit, vor allem, wenn ich selbst gerade tief drin stecke im Pflegealltag. Oft ist es sehr hilfreich zu sehen, wie andere reflektiert etwas bewältigen und angehen. Ich schaff das gerade nicht mehr so ganz, aus verschiedenen Gründen. Was aber immer wieder kommt, ist die Frage nach der ausbleibenden Hilfe meiner Geschwister. Unsere Mutter sitzt seit Jahren im Rollstuhl. Sehr lange Zeit hat die Pflege durch meinen Vater gut geklappt - jetzt nicht mehr, auch durch zunehmende demente Phasen. Darum bin auch ich immer mehr involviert. Es gibt zum Glück Menschen, die uns helfen, bezahlt, oder unbezahlt, ich habe gute Freunde zum Reden usw. Dennoch komme ich immer wieder mal, an harten Tagen, an den Punkt, dass ich das einfach nicht akzeptieren kann, dass die Geschwister sich komplett aus der Pflege rausziehen. Wobei, nein, das habe ich inzwischen akzeptiert, die Pflege muss niemand leisten, der nicht will. Aber sie ziehen sich auch aus der Organisation der Pflege, aus der seelischen Begleitung, aus der Anteilnahme raus, negieren im Prinzip komplett diese ganze Problematik. Es gibt nur ein paar Pflichtbesuche pro Jahr und sporadische Anrufe. Es handelt sich um die Ältesten (Bruder und Schwester) in der Familie, die beide offenbar eine sehr schwere Kindheit hatten, und dies auch schon als Entschuldigung vorgebracht haben, warum sie nun nichts täten. Mir blieb und bleibt weiterhin nichts anders übrig als zu akzeptieren, dass es so ist, und dabei irgendwie gleichzeitig auf meine eigenen Bedürfnisse zu achten. Meine Strategie, damit umzugehen, ist tatsächlich ein fast kompletter Bruch mit den beiden - ich schaffe es nicht mehr, sie zu informieren oder einzubeziehen, weil es mich verletzt, dass sie mir/der Mutter partout gar nicht helfen möchten, und weil auch niemals, auf frühere Bitten hin, etwas geändert wurde. Den Entschluss habe ich gar nicht bewusst gefasst, aber ich habe gemerkt, wenn ich verdränge, dass eigentlich noch jemand helfen KÖNNTE, ist es nicht so schlimm. Reiner Selbstschutz vermutlich? Begünstigt wird dies auch durch den großen Altersunterschied zwischen uns und eine generelle Distanz, die schon vorher da war, sowohl was unsere Leben als auch unsere Wohnorte betrifft.


    Doch je länger diese Zeit dauert und je stärker sich die gesundheitliche Situation der Eltern verschlechtert, um so mehr befürchte ich, dass es falsch ist, weil sie ja dadurch noch weniger von der (Pflege-)-Realität mitbekommen. Ich habe nach ähnlichen Themen gesucht hier im Forum, bin aber auf eher intakte Geschwisterkonstellationsbeschreibungen gestoßen (Neid!). Wenn man aber z.B. in den Medien sucht, erscheinen häufig Infos, dass Pflege die Geschwisterbeziehungen auf die Probe stellt, oder dass sich z.B. nur einer kümmert usw. Ich würde mich darum über Antworten zu dieser Problematik freuen, zum Beispiel ob noch jemand mit solchen Gedanken geplagt ist und wie ihr damit umgeht. Vielen vielen Dank und einen schönen Abend.

  • Liebe Hanne, danke für deine Worte! Ja, an Einzelkinderschicksale denke ich auch manchmal. Da bleibt ja dann wirklich eine große Last auf einem hängen, wenn die Eltern alt werden. Es ist wirklich eine enorme Leistung, die du und viele andere da auf euch nehmt.

    Bei mir ist es nichtmal so, dass ich ganz alleine bin, trotz der zwei unwilligen Geschwister, eine weitere Schwester, die ich oben gar nicht erwähnt hatte, hilft nämlich mit bei Pflege, kommt oft zu Besuch und hilft vor allem bei der Organisation. Das ist eine große Entlastung.

    Durch den großen Altersunterschied war meine Kindheit in gewisser Weise auch Einzelkindartig. Doch zugleich waren meine Schwestern auch eine Art Mutterergänzung. Also, ich habe sehr zu denen aufgeschaut, das Verhältnis war in der Kindheit sehr positiv. Und vielleicht ist das auch ein Hauptgrund für meine Enttäuschung, dass sich die andere Schwester nun so völlig rauszieht. Wobei, sie hat ein paar Mal signalisiert, dass sie mir zuhören würde, wenn ich Rat bräuchte (wie du ihn von deiner Cousine erbeten hast). Aber mir ist das halt irgendwie zu wenig - besseren Rat geben in diesem Fall meist Fachleute. Was nötig wäre, wären zumindest regelmäßige Besuche, um die emotionale Last ein wenig besser zu verteilen. (Okay, das könnte ich ihr dann auch einfach mal wieder mitteilen, oder? - ich merke, wie dieses Forum und die Menschen darin zum Denken anstoßen) Ist meine Empfindung. Naja, ich könnte jetzt noch weiter in die Details gehen. Wenn man sich die ansieht in unserer Familie, dann kann man schon verstehen, warum jeder so handelt wie er handelt. Den Gedanken mit Spreu und Weizen kann ich aber auch wieder gut verstehen - trotz aller psychologischen Ursachen, es ist doch meiner Meinung auch ganz viel Bequemlichkeit dabei. Nur will ich eigentlich auch nicht so eine pessimistische Einstellung bekommen, als sei von vielen Menschen ohnehin nicht viel zu erwarten. (Okay, ich geb's zu, ich hab ihn schon! Immer wieder mal). Mir fällt es schwer zu sagen, okay, inwiefern machst du gerade einen Entwicklungsprozess durch, oder inwiefern ist das vielleicht schon krankhaft und ungesund, so einen Groll immer wieder mal oder vielleicht auch ständig zu hegen? Eine Freundin schrieb mir heute (original bairisch): "Wenn es dir wurscht ist, dass ihr nicht mehr miteinander redet, ist es ok. Es darf dich nicht beschäftigen. Freuds Unterbewusstsein is a Krippl." Tja, und damit hat sie wohl sehr recht. Es beschäftigt mich eben doch.

    Liebe Grüße

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Hanseline,

    Sie haben ja bereits umfangreiche Reaktionen auf Ihre Thematik bekommen.

    Sie werden wohl das Verhalten der älteren Geschwister nicht mehr ändern können. Und die Aufarbeitung der Vorgeschichte scheint mir auch nicht in greifbarer Nähe, obwohl sie sicher unter dem Aspekt der Geschwisterbeziehung hilfreich wäre.

    Gäbe es denn eine pragmatische Lösung, indem sich die älteren Geschwister finanziell an der Versorgung beteiligen? Auch dies könnte ja eine Entlastung für Sie darstellen.

    Ich erlebe immer wieder, dass die Pflege der Eltern häufig an einer Tochter "hängenbleibt"; erstaunlicherweise oft an der, die von den Eltern am schlechtestens behandelt wurde. Das muss in Ihrem Fall nicht zutreffen, es soll nur ein Hinweis darauf sein, dass manchmal sehr komplexe Familienkonstellationen bestimmen, wie die Pflegesituation der Eltern gestaltet wird.

    Es ist gut, dass Sie die Verantwortung für die Pflege der Mutter übernehmen, allerdings haben Sie auch jedes Recht, die damit einhergehende Belastung soweit wie möglich zu reduzieren. Eine Möglichkeit dazu wäre die stärkere Einbindung von Pflege-Profis, an deren Bezahlung sich die Geschwister beteiligen.

    Soweit meine Gedanken dazu.

    Alles Gute wünscht

    Klaus-W. Pawletko

  • Hallo Hanseline,


    bei mir war es so, dass sich das andere Kind meiner Mutter sehr wohl wegen der Erkrankung engagiert hat. Meine Mutter wohnte damals im gleichen Haus und ich war 350km entfernt. Mein Geschwister kümmerte sich hingebungsvoll um die gut gefüllten Bankkonten und den Grundbesitz meiner Mutter. Außerdem wurde peinlich darauf geachtet, dass kein böser Arzt ihre Demenz diagnostizierte.

    Um meine Mutter selbst wurde sich leider nicht gekümmert. So lag sie dann nach einem Sturz unterkühlt, hilflos und halb verdurstet lange Zeit in ihrer Wohnung. Wie lange, konnten wir nicht ermitteln. Erst beim darauf folgenden Krankenhausaufenthalt wurde die Demenz diagnostiziert und ein gerichtlicher Betreuer eingesetzt, der das noch teilweise vorhandene Vermögen schützen konnte.

    Die letzten 10 Jahre ihres Lebens verbrachte sie in einem Pflegeheim in meiner Nähe, wo sie vor 2 Jahren auch gestorben ist. Obwohl sie ein Testament gemacht hatte, gab es trotzdem einen Erbstreit, da bei ihrem Tod alle Vollmachten, die sie meinem Geschwister gegeben hatte, ihre Gültigkeit wieder erlangten. Da wurde dann eben mal ein Konto aufgelöst und auf das eigene überwiesen.

    Mittlerweile ist das Erbe auseinandergesetzt, aber es dauerte 2 Jahre und machte die Einschaltung eines Rechtsanwaltes und die Androhung einer Strafanzeige nötig.

    Nun ist seit einiger Zeit auch meine Schwiegermutter von einer Demenz betroffen. Mein Mann ist Einzelkind und wir jedenfalls sind da sehr froh drüber. So kann es also auch laufen :!::!::!:

  • Vielen Dank für die weiteren Reaktionen.


    @Herr Pawletko, es ist tatsächlich nicht so, dass ich am "schlechtesten" behandelt wurde - das Attribut würde sicherlich die inaktive Schwester in Anspruch nehmen. Wurde mir auch schon öfters vermittelt, ich sei ja ohnehin bevorzugt worden und hätte es "besser" gehabt. Sicherlich habe ich zu meiner Mutter das engste Verhältnis. Das liegt zum einen daran, dass ich die Jüngste bin, und daher einfach auch Kindheit und Jugend noch präsenter habe und der Abstand geringer ist. Zum anderen ist zwischen mir und meinen älteren Geschwistern ein größerer Altersabstand da - daher hab ich ganz logischerweise mehr Aufmerksamkeit erhalten als die drei, die nahe beisammen aufgewachsen sind. Was die Familienkonstellation betrifft, ist es wirklich ganz logisch, dass diese eine Schwester und der Bruder so agieren. Das Problem ist aber einfach das Ausmaß - in sieben Jahren Krankheit meiner Mutter ist ihr ohnehin schon spärliches Engagement quasi auf Null gesunken.


    Lulu, de Finanzstreit klingt furchtbar. Vom Finanziellen möchte ich eigentlich gar nicht anfangen. Meine Mutter erhält zum Glück genug Pflegegeld und sonstige Hilfen, darum können wir das verteilen und private Hilfe organisieren. Erbe des (ziemlich finanzstarken) Familienunternehmens ist allerdings der Bruder, der überhaupt keinen Finger rührt (offenbar aus pathologischen Gründen nicht dazu in der Lage ist). Das ist natürlich eine extreme Ungerechtigkeit, die allerdings nicht meine Mutter zu verantworten hat, sondern mein Vater. In dunklen Phasen würde ich eigentlich gerne vor Gericht ziehen oder so. Aber eigentlich nur ganz selten, weil ich denke, das würde mich total zermürben. Zudem geht es mir selbst finanziell nicht schlecht, ich kann es mir leisten, auch Zeit in die Pflege zu finanzieren. Meinen Geschwistern aber halt auch ganz und gar nicht - es ist einfach der Wille, der fehlt.

  • Auch wenn seit dem letzten Post schon längere Zeit vergangen ist, möchte ich mich doch einschalten und zwar aus der Perspektive der Schwester, die sich (in unserem Fall) deutlich weniger einbringt.

    Meine ältere Schwester lebt zwar noch deutlich weiter von der Mutter entfernt als ich (bei uns sind es ca. 350km), aber sie fährt mehrmals im Jahr für mehrere Tage oder auch Wochen zu ihr und kümmert sich um sie.

    Sie kann das allerdings zeitlich leisten, weil sie seit dem Tod ihres Mannes alleinstehend ist.


    Ich habe bis Corona alle zwei bis drei Monate einen Besuch für einige Stunden gemacht, seitdem ging es aus verschiedenen Gründen nicht mehr.

    Drei davon sind in Krankheiten von Kindern, bzw. einem Schwiegerkind begründet, was wiederum auch Betreuungen und Hilfen bei Enkelkindern nach sich zieht - alles mindestens so belastend, wie die Betreuung der Mutter.


    Es ist aber durch diese Umstände Fakt, dass ich seit letztem August (dem 95. Geburtstag der Mutter nicht mehr bei ihr war).

    Das könnte meiner Schwester auch aufstoßen. Allerdings ist es so, dass sie sich zwar in einiges mehr reinhängt, aber ich dennoch auch mal einen Papierkram übernehme, den ich "nebenher" leisten kann. Die Hauptarbeit hat aber auch sie damit.


    Wir beide haben kein besonders liebevolles Verhältnis zur Mutter, aber die Mutter selbst ist überzeugt, dass wir uns mit ihr sehr innig nahestehen. Diesen Glauben können wir ihr gar nicht nehmen, das ließ ihr Weltbild noch nie zu, selbst in Phasen, in denen wir nicht sehr nett zu ihr waren.

    Mich kostet es aber wahnsinnige Überwindung, in den Räumen der Mutter auch nur ein Glas Wasser zu trinken, da ist eine große Abneigung bis körperlicher Ekel in mir, meine Schwester kann das (inzwischen) bei sich ignorieren.


    Allerdings, Unterschied zu hanseline: wir leben beide entfernt von der Mutter, sie lebt immer noch allein im eigenen Haus, es ist "nur" ein großes Netz an Helfern täglich bei ihr (ihr Kommentar: "Dauernd hupfen da fremde Leute um mich herum, dabei könnte ich alles auch selber") und wir Töchter sind dadurch natürlich von täglicher und ständiger Betreuung frei.


    Wozu ich allerdings auch wirklich nicht bereit (und durch eigene körperliche Schädigungen auch nicht mehr in der Lage) wäre.

    Das hat auch eine Vorgeschichte, die ich hier aber jetzt nicht ausbreiten möchte.

    Wenn hanselines Geschwister ihre Probleme aus Kindheit und Jugend noch mit den Eltern haben, vielleicht eine Aufarbeitung gar nicht möglich war, dann kann ich aber nachfühlen, wenn sie sich auch weiterhin abgrenzen wollen, wer weiß, was da an Verletzungen passiert ist - und nicht alle lassen sich dann heilen, indem man sich den dementen Eltern annähert.

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