Hilfe Diagnosefindung

  • Ich grüße sonnigst in die Runde.


    Folgende Problematik, ähnlich wie in Beiträgen hier auch schon mehrmals beschrieben:


    Meine Ma, 86, erfährt äusserst schnell fortschreitend eine Wesensveränderung. Sie ist seit 7 Jahren verwitwet nach jahrelanger Krankheit ihres zweiten Ehemannes, ich, einzige Tochter und seit 8 Monaten immer noch tief trauernd um meinen urplötzlich verstorbenen Mann. Letzteres scheint bei meiner Ma so etwas wie ein Trauma ausgelöst zu haben.


    Zwar gab es vorher schon Vergesslichkeiten, häufige Wiederholungen etc., aber nun sind noch Wahnvorstellungen und/oder eine schwere Depression hinzugekommen. Sie fühlt sich von all und jedem abgelehnt, alle wollen ihr was Böses, keiner kümmert sich um sie, obwohl sie doch IMMER für alle da war... Ihre Wohnung wird durchwühlt, sobald sie mal im Keller ist oder, was eh nur noch sehr selten vorkommt, das Haus verlässt; Handtücher, Bettwäsche, Geschirr werden gestohlen, Schlüssel werden versteckt oder entwendet, Geld verschwindet (und alles wird dann wiedergefunden bzw wieder "heimlich eingeschmuggelt"). Die Liste ist noch so viel länger....


    Ist sie in diesem Zustand, weint sie bitterlich, sagt, sie "könne nicht mehr" und möchte nicht mehr leben... Dann tut sie mir sooo schrecklich leid! Dann wieder ist sie auch plötzlich wesentlich besser gestellt, psychisch. Überhaupt: Sie pflegt sich, (leidet sehr unter ihrer Inkontinenz), ihre Wohnung ist penibel ordentlich und sauber und sie kocht noch fast jeden Tag (und vergisst hoffentlich nicht den Herd auszuschalten)


    Aber: Sie ruft unseren gesamten Familienclan, meinen Freundes- bzw ihren Bekanntenkreis an und erzählt dort die hanebüchesten Geschichten, die mir furchtbar weh tun, wie z.B., ich habe ein Verhältnis mit IHREM Finanzberater und wir hätten am Tod meines Mannes "was gedreht" (ich habe diesen Menschen überhaupt erst 2x, gemeinsam mit ihr und meinem damals noch lebenden Ehemann, gesehen), wir würden ihr Geld gemeinsam ausgeben etc etc ... (ich habe noch NIE auch nur einen Pfennig von ihren Konten geholt! Was ja auch nachweisbar ist, aber bei ihr nicht eingehend!)


    Wie sehr mich so etwas, die ich immer noch mit meiner tiefen Trauer kämpfe, trifft und belastet, brauche ich hier sicherlich nicht explizit zu erwähnen. Ich selber bin eh schon am Ende meiner Kräfte, da auch noch chronisch schmerzkrank, und nun stehe ich zusätzlich noch vor dieser riesigen Hürde, wie es mit meiner Ma weitergehen soll.


    Etliche aus der Familie beschweren sich bei mir, dass meine Ma sie häufig anruft und dann "so schlimme Dinge" erzählt, und ich" soll da doch was gegen tun und mich kümmern". Dabei kann ich daran nichts ändern, weil ich ihre Telefonate ja nicht unterbinden kann. Schlimm und verfahren das alles.


    Meine Ma ist übrigens ein Kriegskind, dem man seinerzeit eine riesige Verantwortung für 4 Kinder aufbürdete, die zusehen musste, wo sie was zu Essen her bekam (die Erlebnisse und Geschehnisse würden ein dickes Buch füllen!), deren Familie zu den Vertriebenen gehört usw und sofort...., die eine gewaltätige erste Ehe ertragen hat, fast 28 Jahre lang (mit meinem Vater) und Zeit ihres Lebens nach dem Krieg und in ihrern beiden Ehen (die zweite war sehr glücklich) dann sparsam gelebt und sich ein beachtliches Vermögen erwirtschaftet hat. Tja. Und nun bangt sie dermaßen um ihr Vermögen bzw darum, dass ihr jemand all dies nehmen könnte, dass die Angst offenbar wahnhafte Ausmaße angenommen hat. Sie hat sogar die Bank gewechselt, gegen meinen Rat (oder gerade deshalb) und somit habe ich jetzt keine Vollmacht mehr, sollte ihr etwas passieren. Fremden Personen vertraut sie sich aber durchaus an, was ich für äusserst bedenklich halte.


    All dies, Demenz bedingt :/ ? Oder doch eine schwere Depression?


    Ihr Hausarzt, den ich zu Zeiten, als mein Mann noch lebte, bereits wegen ihrer Vergesslichkeit und "alle wollen ihr was" ins Vertrauen gezogen hatte, leugnet eine Demenz-Erkrankung und stellt sich bisher gegen weiterführende, neurologische Untersuchungen. Er redet meine Bedenken und Sorge klein und ist ständig beschwichtiged. Er tippe halt auf eine schwere Depression. Kürzlich hat er ihr sogar "Cortisol" (???) zur Einnahme für 6 Tage verschrieben, dass ihr "entweder total helfen würde, oder man müsste evtl doch über etwas anderes nachdenken" ... hmmmmmm.


    Ich mache mir die größten Sorgen.


    Ich habe jetzt einen Pflegegrad-Antrag angefordert bei ihrer Krankenkasse und hoffe, dass eine entsprechende Einstufung möglich werden wird. Ausserdem versuche ich, sie in einem sehr schönen betreuten Wohnen einzumieten... so sie denn ihre kürzlich geäußerte Bereitschaft zu einer Besichtigung der Anlage nicht wieder zurückzieht.


    Wie gehe ich weiter vor, um eine Diagnose zu erhalten, wenn der Hausarzt weiterhin nicht mit mir an einem Strang zieht? Die geschilderten Erfahrungen hier im Forum stimmen mich nicht gerade zuversichtlich, muss ich gestehen. :huh:


    Ich kann sie doch nicht ohne ihr Einverständnis zu einem anderen Arzt bringen... :/


    Für konstruktive Ratschläge, was ich noch tun könnte, wäre ich sehr dankbar.


    Sunshine <3

    Einmal editiert, zuletzt von Sunshine () aus folgendem Grund: Fehler behoben, noch etwas nachgetragen.

  • Oberlieben Dank, Hanne63. Ein paar Dinge deiner Tipps habe ich schon gemacht. Andere werde ich noch angehen.


    Info: Zum betreuten Wohn-Projekt gehören ebenfalls zwei Vollpflege-Einheiten a 12 Einzelzimmern.


    Die Betreuung in den Wohnungen kann nach und nach aufgestockt werden, je nach bei Bedarf.


    Ich finde das Konzept ziemlich gut. Wie letztendlich die Umsetzung gelingen wird, bleibt abzuwarten, es geht im Juli erst in Betrieb.


    Dir vielen Dank again. :love:<3


    Sunshine

  • Hallo Sunshine,

    da haben wir einiges gemeinsam ;) Als erstes tut es mir sehr leid, dass du - wie ich - bereits deinen Mann verloren hast und dass es dir nach 8 Monaten noch diesbzgl. schlecht geht, ist völlig normal. Kennst du das Forum "verwitwet.de"? Ursprünglich für jüngere Verwitwete (mit anderen Problemen als Ältere) begründet kann man sich dort mit Gleichbetroffenen sehr gut und seriös austauschen, ggf. Kontakte knüpfen etc., also etwas für DICH tun.


    Meine Mutter hatte drei Wochen nach dem Tod meines Mannes einen Herzinfarkt und im gleichen Jahr fing die Demenz meines Vaters nach einem schweren Sturz und nachfolgender Pflegebedürftigkeit an, aggressive Ausbrüche u.v.m. Also vieles zusammen an Belastungen, auch eine chron. Schmerzerkrankung liegt bei mir... Nun bin ich allerdings einige Jahre weiter als du, das Ganze begann 2010.

    Ich kann dir nur empfehlen, wirklich alles Erdenkliche an Unterstützung anzunehmen, wie Hanne schon empfohlen hat z.B. den sozial-psychiatr.Dienst der Stadt zu kontaktieren. Ich selbst habe dann mehrmals einige gute Tipps bei einer HOtline der Dt. Alzheimergesellschaft bekommen.


    So wie du deine Mutter beschreibst, kann es sich durchaus um Depression plus Demenz handeln, wofür die unterschiedlichen Phasen sprechen, WAhnvorstellungen, gleichzeitig kann sie noch für sich sorgen... Auch der Hausarzt meiner Eltern hat mich nicht unterstützt, besonders als die Demenz auch noch bei meiner Mutter begann, ist er mir eher in den Rücken gefallen.

    Natürlich kann man die alten Leute nicht zwingen sich psychiatrisch untersuchen zu lassen, solange nichts passiert und es gerichtlich angeordnet wird.. Das ist schwierig und belastend. Allein wirst du da vermutlich nicht durchkommen. ES ist immer gut, wenn von außen jemand mit eingeschaltet werden kann.

    Wichtig finde ich, Auffälligkeiten bzw. skurille Situationen genau zu dokumentieren, damit man im Laufe der Zeit etwas für einen Arzt in der Hand hat, schriftlich ist immer wichtig. Ich habe dem Hausarzt meiner Eltern auch einiges schriftlich mitgeteilt, damit er nachher nicht sagen konnte, er hat von nichts gewusst.


    Aus meiner ERfahrung kann ich sagen, dass es für mich leichter im Umgang wurde, seitdem die Demenz meiner Mutter auch für einen Arzt - mittlerweile (seit 2019) im Pflegeheim nach diversen Stürzen - deutlich wurde und ich nach einer phasenweise für mich tränenreichen Zeit der Auseinandersetzungen innerlich akzeptiert habe, dass meine Mutter sich nun auch peu a peu aus dieser Welt verabschiedet. Sie erzählt auch alles mögliche Falsche über mich, ich habe ihr gesamtes Geld in meinem Haus, habe sie unter Vortäuschung falscher Tatsachen ins Pflegeheim gelockt etc. Doch solange alles noch so schwammig ist wie nun von dir beschrieben, ist es sehr belastend.


    Zwischendurch muss man sich immer wieder ganz fett das Wort "LOSLASSEN" mantraartig vorsagen, auf rheinisch "et kütt wie et kütt" - es ist eh nicht alles planbar.

    Daher wie gesagt, Pflegeberatung, vllt SEniorenbegleiter , psychol. Begleitung auch für deine Belange bzgl. Trauer, Beratung der Dt.Alzh.gesellschaft vllt... Das fällt mir dazu ein, denn hier schriftlich kann man sich natürlich nie so eingehend austauschen, was individuell vorliegt und zu tun ist.

    Für meinen Vater habe ich 2014 rechtl. Betreuung beantragt wegen aggressiver Auswüchse, er starb 2018 in einem geschlossenen Pflegeheim, meine Mutter ist nach einigen MOnaten großer Reizbarkeit und Unzufriedenheit nun in einer gelösteren Phase der Demenz, in den letzten Monaten ließ das Gedächtnis immer mehr nach, reicht nur noch für den Augenblick, aber sie fühlt sich im Heim wohl.

    Das war nun viel persönliches, vielleicht kannst du etwas Hilfreiches für dich herausziehen. Allein kann man das alles nicht schaffen ohne vor die Hunde zu gehen.


    Alles Liebe für dich,

    Rose60

  • Hallo Sunshine,


    es ist leider so, dass eine Demenz nicht nach den eigenen Kräften fragt. Und da muss man dann gut auf sich selbst schauen, dass man die Balance finden kann.


    Sehr hilfreich finde ich, eine Beratung in einem Demenzzentrum oder von einer anderen Organisation, die sich mit der Materie wirklich auskennt. Man kann da auch mehrmals hingehen, wenn man nicht mehr weiterweiß oder weil sich an der Situation etwas geändert hat.


    Wichtig ist, wie Hanne und Rose bereits gesagt, haben, dass man Hilfe annimmt. Seniorenbetreuerinnen kann man mieten. Eine gute Kollegin von mir hat einen solchen Seniorenservice gehabt. Man kann die Betreuerin auch als gute Bekannte ausgeben, damit sie besser akzeptiert werden. Die Seniorenbetreuerinnen, die ich kennengelernt habe, sind alle sehr liebevoll gewesen. Keiner von ihnen hat die Betreuung nur wegen des Geldes gemacht, sondern weil man einen respektvollen, freundschaftlichen Bezug zu dem älteren Menschen gehabt hat und man gerne für denjenigen da gewesen ist. Und es ist ja auch ein Geben und ein Nehmen und nicht nur ein einseitiges Tun, denn auch Demenzkranke können einem viel zurückgeben, neben dem, was nicht so gut funktioniert.

    Manchmal kommt es aber auch vor, dass die Chemie zwischen der Seniorenbetreuerin und dem Demenzkranken nicht passt. Dann würde ich weitersuchen. Man kann auch eine Annonce in der Zeitung aufgeben und hier suchen.


    Zur Pflegegradbestimmung ist es wichtig, dass man genau auflistet wie der Verlauf in einer Woche ungefähr ist. Da bei deiner Mama im Haushalt noch alles gut funktioniert, ist es wichtig, die Psyche gut zu beschreiben. Das hast du hier schon gemacht und es ist offensichtlich, dass deine Mama hier am meisten Hilfe und Unterstützung braucht.


    Eine Demenz zusammen mit einer Depression ist leider nicht einfach. Die Stimmungen können sehr schwanken. Deine Mama hat viel erlebt und mitgemacht. Manches hat sie sicher auch nicht richtig verarbeiten können, aber eher verdrängen können. Da liegt automatisch schon mehr Misstrauen anderen Personen gegenüber drinnen.

    Meist werden dann eigene Verluste auf andere übertragen. Das Gefühl jetzt auch noch das eigene Leben zu verlieren, ist besonders schwer zu ertragen und die, die einem am nächsten stehen, werden dann automatisch zur Projektionsfläche.


    Ich denke mir, es ist jetzt wieder ein neues Kennenlernen zwischen dir und deiner Mama wichtig. Aber ganz wichtig sind auch Ärzte und andere Helfer, die dich begleiten können. Dann kann das gut funktionieren. Und ein betreutes Wohnen, das auch für Demenzkranke geeignet ist, wäre, wenn das funktionieren würde eine wirklich gute Sache.



    Liebe Grüße und ganz viel Kraft, für dich selbst

    • Offizieller Beitrag

    Sehr geehrte Sunshine,


    in dieser Situation würde ich auf jeden Fall einen Facharzt für Psychiatrie konsultieren oder an einer gerontopsychiatrischen Ambulanz bzw. an einer Gedächtnisambulanz mit Ihrer Grossmutter vorstellig werden. Die von Ihnen genannten Erkrankungen sind in ihrem klinischen Erscheinungsbild oft überlappend und die richtige Diagnose erfordert zunächst eine ausführliche diagnostische Abklärung. Im Idealfall sind auch Teilaspekte des von Ihnen beschriebenen Störungsbildes gut behandelbar, ihre Mutter gewinnt wieder etwas an Stabilität und erfährt folglich auch wieder etwas mehr Lebensqualität.


    Nicht zuletzt finden sie an einer solchen Einrichtung auch ein Beratungs- und Unterstützungsangebot für Angehörige.


    Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute,


    Marc M. Lässer

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!