Hallo,
ich bin neu in diesem Forum und möchte kurz meine Situation schildern. Achtung etwas längerer Text.
Mein Vater (81) war bereits die letzten Jahre leicht dement, wir hatten das aber gut im Griff. Wir wohnen im gleichen Haus, die Wohnungen sind über ein in den Wohnungen liegendes Treppenhaus miteinander verbunden.
Mein Vater hatte zwar Einschränkungen fand sich aber in seinem Umfeld, dörflichen Umgebung, immer sehr gut zurecht. Neben der Demenz ist er auch Diabetiker (Tabletten, keine Spritze) und hat eine Niereninsuffienz
In den letzten Wochen hatte er zwar etwas abgebaut aber regelmäßige Artzbesuche ergaben kein Probem. Ich habe für ihn das essen Gemacht, Medikamente zusammengestellt, geputzt. Persönliche Hygiene, anziehen etc machte er selbstständig.
Vor etwa 5 Wochen hatte er dann praktisch aus dem nichts Samstag abens starke Herzrythmusstörungen. Ist im Wohnzimmer umgekippt, komplett durchgeschwitzt als käme er frisch aus der Dusche. Also Rettungswagen gerufen und da begann das Martyrium.
Wegen Corona-Beschränkungen durfte niemand zu ihm ins Krankenhaus. Ich saß am gleichen Abend noch 4 Stunden in der Notaufnahme bis ich wenigstens die Information bekam das er lebt und jetzt auf Station liegt. Der Kontakt mit der Station war leider sehr unerfreulich und hat uns jedes mal aus der Bahn geworfen, mein Vater fällt im Krankenhaus sehr schnell in ein Delir und aus einem eigentlich sehr freundlichen, ruhigen und ausgeglichenem Mann der nie jemanden etwas zu leide tun würde wird urplötzlich ein sehr agressiver und auch gewalttätiger Mensch.
Am Wochenende werden in unserer Klinik hier Patienten nur beobachtet aber nicht wirklich behandelt, die Auskunft war immer am Montag geht es weiter. Sonntag Vormittag bekam ich bereits wieder einen Anruf aus der Klinik ist muss ihn abholen. Sie können ihn in diesem Zustand nicht behalten. Er verweigert Nahrung, Wasser, reißt sich Infusionen raus und ist aggressiv. Nachts wäre er bereits (ohne Einwilligung) festgebunden worden.
Also bin ich ins Krankenhaus und durfe mit Sondererlaubnis der Stationsärztin (die dafür richtig Ärger bekommen hat) auf Station. Dort habe ich die Entlassungspapiere unterzeichnet und wollte ihn mitnehmen. Nach wenigen Schritten kam der nächste Herzanfall und er brach zusammen. Also Kommando zurück, zurück ins Stationszimmer ist musste sofort gehen und mich dabei noch von den Stationsschwestern anschnautzen lassen weil mein so schwieriger Vater jetzt doch bleibt.
Der Tag und die darauf folgende Nacht war natürlich für uns alle der Horror, wenn ich mich nach seinem Zustand erkundigt habe wurden wir angeschrieen und einfach aufgelegt. Die zustänidge Krankenpflegerin schrie dann irgendwann nur noch der Typ gehört in die Psychatrie und legte auf. Am nächsten Tag Mittag kam schon wieder ein Anruf von einem anderen Arzt, er könne in diesem Zustand nicht bleiben ich muss ihn holen. Aber nicht sofort sondern erst um 15 Uhr dann sind alle Papiere fertig gemacht. Ich dürfte nicht auf Station kommen - Corona ....
Mit meiner Schwester bin ich dann frühzeitig losgefahren um ihm heimzuholen. Kaum im Auto kommt der Anruf vom Doktor, sie hätten ihn schon früher zum Ausgang gebracht und er wäre jetzt abgehauen. Die Polizei wäre informiert. Die Polizei hatten meinen Vater als wir am Krankenhaus ankamen (10 Minuten später) bereits gefunden. Im Schlafanzug, ungeschwaschen ohne Socken bei 4 Grad Außentemperatur ist er mit schwachen Herzen noch etwas 800meter einen sehr steilen Berg mit Straße raufgegangen und wollte sich am Ende seiner Kräfte (nach eigener Aussage) zum sterben nur noch ins Straßengebüsch legen.
Wir haben ihn dann nach Hause mitgenommen wo er auch recht schnell wieder zu sich gefunden hat. Allerdings sind uns bereits da enorme Erinnungslücken und das komplette Fehlen der Orientierung aufgefallen.
Über den Hausarzt haben wir dann zwei Tage später ein Langszeit EKG von einem Kardiologen bekommen. In den Tagen als er zu Hause war hatte er immer wieder kleinere Anfälle mit verdrehten Augen und kurzfristigen aussetzern. Als wir dann am Freitag einen Termin beim Kardiologen hatten und dieser das Langzeit EKG auswertete kam in der Praxis schon der nächste Anfall. Auf dem Langzeit EKG zeigten sich Herzaussetzer von bis zu 35 Sekunden (im Schlaf). Also sofort mit dem Rettungswagen vom Kardiologen zurück ins das gleiche Krankenhaus, das nächste geeignete Krankenhaus wäre von uns über 70km entfernt gewesen und das konnte der Kardiologe nicht veranworten.
So kam er wieder ins Krankenhaus, Notoperation Herzschrittmacher, das war gegen 13 Uhr. Gegen 16 Uhr kam schon wieder der Anruf ich muss ihn aus dem Krankenhaus holen, er könnte in diesem Zustand nicht bleiben. Er war rasent vor Wut, lies niemanden an sich ran und drohte sich und andere umzubringen.
Also habe ich Ihn frisch operiert wieder heim gehohlt. Auch dort hat er sich relativ schnell wieder beruhigt. Hinzu kommt das er seit dem Krankenhaus nicht mehr richtig laufen kann (nur wenige Schritte) weil eine beidseitige Hüftathrose probleme macht (aktivierte Athrose). Das alles ist jetzt 5 Wochen her, meinem Vater geht es soweit gut aber das ganze hat einen enormen Schub bei der Demenz gebracht.
Die Orientierung in der eigenen Wohnung (seit 50 Jahren) ist tagsüber phasenweise vorhanden abends aber grundsätzlich nicht. Die letzten 20 Jahre sind Erinnerungsmäßig würde ich schätzen zu 70-80% weg, auch bei älteren Sachen klaffen Lücken. Das Kurzzeitgedächtnis ist ein Sieb, anders kann ich es nicht beschreiben. Mich erkennt er meist recht gut, verwechselt mich aber manchmal mit anderen Personen. Bei meiner Schwester (wohnt etwas entfernt und ist nicht täglich hier) ist es ähnlich.
Ich habe an dieser neuen Situation wirklich schwer zu knappern. Ich bin alleinstehend, 38 Jahre, selbstständig und um ehrlich zu sein psychisch schon vorher nicht das blühende Leben. Meinen Betrieb habe ich direkt neben dem Wohnhaus und werde dort eigentlich auch dringend gebraucht. Unter der Woche nehme ich meinen Vater mit rüber in den Betrieb (das war auch vorher schon so) wo er ganz einfache Sachen mitarbeitet. Das ist Routine die ihm eine Aufgabe gibt und auch gut tut. Aber für mich ist es ein ganz schöner Drahtseilakt bei dem mein Vater, meine Arbeit und auch ich zu kurz kommen. Mein eigenes Leben ist eigentlich nicht mehr existent.
Die Hüften machen immernoch Probleme, so fallen aktivitäten wie Spazierengehen(machte er früher täglich) komplett aus. Nach einem CT wissen wir er bräuchte eigentlich zwei neue Hüften, bei seinem Zustand im Krankenhaus ein Ding der Unmöglichkeit.
Mein größtes Problem ist das aber das er nicht mehr gut allein bleiben kann. Er sucht dauernt Leute oder meint es würden noch weitere Personen im Haus wohnen (nicht der Fall). Mein Zeithorizont in dem ich ihn allein lassen kann liegt bei etwa 40 Minuten spätestens dann muss man sich mit ihm beschäftigen. Das fordert er auch aktiv ein. Schlimm sind die Wochenenden hier dürfte ich den ganzen Tag Entertainer spielen.
Allerding wird es auch immer deutlicher das ich ihm nicht genug bin, etwas das sich auch wegen Corona nicht so leicht ändern lässt. Meine Schwester tut ihr mögliches wohnt aber nicht im Haus sondern 20km entfernt und hat selbst zwei Kinder und gesundheitlich schon einiges durch. Sprich es bleibt einfach das meiste an mir hängen.
Ich habe auch ein schlechtes Gewissen wenn ich ihn allein lasse.
Facharzt Termine zu bekommen ist eine Kathastrophe nach Anruf bei allen Orthopäden in der Nähe habe ich dort einen Termin in 5 Wochen. Neurologe 7 Wochen.
Mein bisschen privatleben spielt sich da zwischenn 22 und 23 Uhr ab. Gegen 22 Uhr will er schlafen gehen (mit täglich gleicher Diskussion wo er denn schlafen soll weil er sich abends nicht erinnert ein Schlafzimmer zu haben) Gegen 23 Uhr falle ich dann selber todmüde ins Bett weil das ganze Spiel unter umständen bereits am Nächsten Tag um 6 Uhr von vorne los geht.
Ich bin im Moment wirklich mit meinen Kräften am Ende und habe keinen blassen Schimmer wie ich das auf unbestimmte Zeit weiter aushalten soll. Ich komme mir selbst vor wie im Gefängnis. Dazu kommen natürlich auch immer wieder unschöne Gedanken (wäre er gestorben) die kaum tauchen sie im Kopf sofort Schuldgefühle verursachen.