Wie schützt man den Patienten (und sich) vor Betrügern?

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  • Mein Vater war ein Leben lang ein ganz geschickter Geschäftsmann, hatte eigentlich keine Hobbies ausser im Büro zu sitzen und sich um Zahlen/Finanzen zu kümmern. Seit einigen Jahren baut er schwer ab -- was wir natürlich lange nicht bemerkt haben, aber mittlerweile habe ich ihm Banksachen weggenommen, Rechnungen kommen (soweit das halt klappt) an meine Adresse. Gleichwohl sitzt er den ganzen Tag in seinem Büro, und manchmal komme ich zu Besuch und er hat einen Steuerordner von 1994 offen und sagt, da käme ja sicher noch ein Nachprüfung, er bereite das schon mal vor.


    Ich würde ihm das alles gerne wegnehmen, weil er halt immer mal wieder Mist macht (z.B. irgendwelche Rechnungen von vor 3 Jahren aus einem Ordner nimmt, sie am nächsten Tag auf dem Schreibtisch entdeckt und sie dann zur Bank geht, um sie zu überweisen). Aber meine Mutter hat ihn den ganzen Tag am Hals, um 10:30 geht es los --was gibt es denn zum Mittagessen, wann essen wir denn, ich schenk schon mal Wein ein-- und entsprechend verstehe ich, dass sie einfach froh ist, ihn mal ein Paar Stunden in sein Büro schicken zu können.


    Problematisch sind jedoch alle möglichen Betrüger, die anrufen, emailen, oder faxen. Hallo, ich bin der Herr soundso, verklagen Sie doch Daimler wegen des Dieselskandals, verklagen Sie doch Ihre Krankenkasse, kaufen Sie Gold. Solche Leute begrüßt er ganz freundlich, bildet sich ein, dass er sie von früher kennt, sagt alles zu, bittet um Informationen per email oder Briefe. Letztlich kam mal meine Mutter in sein Büro, weil sie dachte, mit wem spricht er denn so lange? Er sagt, der Mehmet ist dran, der möchte mal wieder zum Kaffeetrinken kommen. Meine Mutter denkt, ich kenne doch gar keinen Mehmet, lässt sich den Hörer geben -- es stellt sich raus, es ist irgendeiner, der meinen Eltern vor 20 Jahren mal einen Teppich in der Türkei verkauft hat. Auch bei angeblich soliden Firmen wie der Telekom ist man vor Problemen nicht gefeit. Er hatte einen ganz tollen Vertrag für sein Handy, das er seit 5 Jahren nicht mehr nutzt, €19,95 pro Monat für 30 Gesprächsminuten und keine Daten, kündbar alle 2 Jahre. Habe im September endlich mal gekündigt -- natürlich rufen die auf dem Festnetz an und er sagt, was, Sie spinnen wohl, ich hab doch nicht gekündigt, ich brauch doch mein Handy! Ändert natürlich die Adresse, so dass ich davon nichts mitkriege, und jetzt haben wir das Handy nochmal 2 Jahre an der Backe.


    Meine Frage also, wie kann man ihn (und sich selbst) schützen?


    Helfen würde natürlich, ihm Computer/Fax ganz wegzunehmen und alle Post an mich schicken zu lassen, aber das will meine Mutter nicht. Aber selbst das wäre keine Lösung für Telefonanrufe. Ich habe gegoogelt und rausgefunden, dass man bestimmte Telefonnummern sperren kann, aber dafür muss man sie natürlich erst kennen. Genauso bei emails, ich lasse HalloAnwalt und sowas gleich in den Spam-Ordner verschieben. Bei uns wäre allerdings eher eine "Whitelist" Lösung nötig, wo also nur freigeschaltete Nummern durchkommen.


    Weiterhin ist die Frage, ob man solchen Betrügern antworten soll, um zu bitten, dass man nicht mehr kontaktiert wird, oder ob es eine Möglichkeit gibt, Werbe-anrufe/mails/post ganz abzubestellen. Kann mir aber auch vorstellen, dass es erst richtig losgeht, wenn man denen sagt, hier wohnt ein Demenzler, leichtes Opfer!


    Wir wollen die Dinge so normal wie möglich halten, weil mein Vater eigentlich ganz happy ist, wenn man ihn machen lässt, aber fürchterlich wütend wird, wenn man andeutet, das was nicht ganz passt. Insofern also möglichst ohne Ärzte, Medikamente, Entmündigen, usw.


    Würde mich über Tips freuen!

  • Hallo OiOcha,


    das ist sicherlich eine schwierige Situation, mein Mitgefühl.

    Die Intention keine Ärtze mit ins Boot zu holen ist sicherlich gut gemeint, ob das allerdings wirklich sinnvoll ist sollte man vielleicht überdenken.


    Vielleicht bekommst du deinen Vater über das Geschäft zum Doktor. z.b. aus versicherungstechnischen Gründen einen komplett Check up? Vielleicht würde er hierauf reagieren weil es ein Notwendigkeit für seine "Arbeit" ist.


    Bzlg. den emails. Vielleicht ist es möglich den Emailverkehr über Google (gmail) laufen zu lassen. Die dortigen Spamfilter sind sehr umfangreich und sortieren recht rigoros aus.


    Beim Telefon wäre es vielleicht eine Lösung eingehende Anrufe komplett zu sperren.

    Ich weiß nicht wie ihr technisch ausgestattet seit. Wenn alles über eine Telefonanlage (VoIP) läuft kann mann über diese meist für jedes Endgerät einstellen ob es klingeln soll oder nicht. Da könnte man z.b. einstellen das es im Büro deines Papas nicht klingelt, dafür aber z.b. im Wohnzimmer bei deiner Mutter. Will dein Papa übers Büro "raus telefonieren" würde alles normal funktionieren.

  • Hallo Sohn83! Vielen Dank für die Antwort!


    Ich habe gestern beim Stöbern schon viele deiner Beiträge gelesen. Wir sind in mancher Hinsicht in einer recht ähnlichen Situation (wobei die Krankheit bei Deinem Vater schon viel weiter fortgeschritten ist), z.B. hatten wir auch die Diskussion um den prall gefüllten Geldbeutel, und würden ihn, den "Mann ohne Hobbies" liebend gerne auch irgendwie beschäftigen, aber Tagespflege lehnt er ab.


    Ärzte sind immer ein riesen Drama. Wir haben ein top Uniklinikum quasi vor der Haustür, und die hätten sogar an ihm Interesse, weil er noch recht jung ist. Unmöglich, ihn da hin zu bringen. Wir haben ihn zweimal ausgetrickst und unter Vorwand zum Neurologen bzw. Hausarzt gebracht. Hat sich fürchterlich aufgeführt und über den Depperltest geschimpft, den er da machen musste. Wenige Stunden danach nichts mehr davon gewusst. MMSE Score von 21 im Frühjahr, jetzt sicherlich nochmal schlechter. Sonst bei allem top, Blutwerte, EKG, usw -- keinerlei Probleme. Er sollte dann erstmal Vitamin D und B12 nehmen -- jeden Morgen ein Kampf, will nicht, weigert sich. Nachdem er wenn man ihn in Ruhe lässt eigentlich ganz liebenswert ist denke ich halt, Arzt/Pflegestufe/etc ist den Stress nicht wert.


    Gleiches gilt für eine 24 Stunden Betreuung. Er hasst die Putzfrau, die ein Mal die Woche kommt, die klaut usw. Wie sollte das gehen, wenn jetzt plötzlich ein Fremder da wohnt? Zumal die ihn ja wahrscheinlich eh nicht davon abhalten würde, ans Telefon zu gehen und mit Betrügern nette Gespräche zu führen.


    Dein Tipp mit dem Telefon ist gut, aber solche Sachen habe ich schon versucht, und das checkt er noch, dass es bei ihm nicht klingelt aber im Rest des Hauses schon. Da werde erst ich genervt, und wenn ich es nicht richten kann, dann bestellt er Handwerker.


    Bei Email nutzt er T-Online mit einer Desktop-Version von MS Outlook. Dachte mir natürlich, ha, da logge ich mich doch zwei Mal am Tag einfach online ein und lösche die Dinger, aber leider hat er alle (!) wichtigen Dokumente aus dem Safe genommen und irgendwo versteckt -- also habe ich kein Passwort. Könnte ein neues bestellen, aber das kriegt natürlich er geschickt, dann ist es gleich wieder weg. Ich mache es jetzt also so, dass ich unerwünschte Absender auf die Spam Liste setze. (Geht natürlich nur, wenn man sie schon kennt, und klingt leichter als es ist, weil ich natürlich nur an seinen Computer komme, wenn meine Mutter ihn mal ein Paar Stunden ausser Haus lockt). Es gibt eine Auswahlmöglichkeit, wo man alle eingehenden Emails als Spam löschen lassen kann. Das könnte ich ausprobieren, aber es ist möglich, dass er sich dann wundert, warum keine Emails mehr kommen (wobei er sich ja nicht wundert, dass er seit fast einem Jahr praktisch keine Rechnungen mehr per Post bekommen hat).


    Naja, nochmal vielen Dank für die Antwort und eine schöne Woche!

  • Hallo OiOcha,


    bei Vitamin D und B12 könntest du es z.b. in Orangensaft am Morgen versuchen. Also als Pulver anstatt Tabletten. Einfach mal in deiner Apotheke fragen, die kennen sich da aus, wenn nicht mal eine andere Apotheke versuchen. Bei den ganzen Vitasprint (u.ä.) Sachen ist es ja auch nur ein Pulver das in eine Lösung gedrückt wird.


    Es gibt auch spezielle Säfte z.b. von Rotbäckchen und noch eine Marke die mir gerade nicht einfällft, die speziell angereichert sind. Da ist die Dosierung zwar niedriger aber besser als nichts. Bei uns führen das Apotheke oder z.b. hat unser lokaler Edeka da ein recht große Auswahl in dem Bereich mit allen möglichen "Zusätzen".


    Die Säfte schmecken ganz normal. Bei meinem Papa habe ich gute Erfahrungen mit Orthomental gemacht, das sind aber morgens 3 Kapseln sowie ein Pulver und hat noch viele weitere Stoffe.


    Weiterhin viel Kraft.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo OiOcha, gut, dass Ihr Vater Sie hat!

    Ich möchte nicht wissen wie viele demenzkranke Millionäre durch Betrüger vom Amt abhängig wurden - einige habe ich kennengelernt und niemand weiß wo das Geld geblieben ist.


    Gut ist auch, wie sehr Sie mit allem was Sie tun die Würde und die Selbstbestimmung Ihres Vaters im Blick haben und unnötige Konflikte und Eskalationen vermeiden. Sie ermöglichen Ihrem Vater ein sinnvoll erlebtes Tätigkeitsfeld und können ihn weitgehend vor folgenschweren Fehlern schützen, ohne seine Geschäftsfähigkeit in Frage zu stellen.


    Als ich Ihren Dialog mit Ihnen, Sohn83 las kamen mir mehre Gedanken:


    Zum ersten Mal haben wir in diesem Forum das Sohn-Vater-Demenz-Konflikt-Thema und ich freue mich darauf, wenn wir uns hier mit den besonderen Fragen und Herausforderungen beschäftigen. Ich habe diese Stichworte eben gegoogelt, da gibt es einige Beiträge, die sich vielleicht lohnen. Offensichtlich ist es ein neues Thema und passt genau in dieses Forum!

    Ich bin gespannt wie viele Söhne mitlesen und sich irgendwann einbringen.


    Mein zweiter Gedanke war: Vielleicht hilft es, die vielen Herausforderungen vom Schluss her zu denken. Dies betrifft zum einen rechtliche Fragen der Geschäftsfähigkeit, damit Verträge wieder unwirksam werden. Anregungen geben die Beiträge von Bärbel Schönhof hier im Blog.


    Ihr Vater hat eine beginnende Demenz, dies zeigt der Wert von 21 Punkten im Mini Mental State. Gleichzeitig beobachten Sie einen schnellen Abbau. Dies ist bei einer frühen Demenz häufiger. Sicher haben Sie sich informiert, dass es immer noch keine wirklich wirksame medizinische Behandlung gibt und die Neurologen und Psychiater letztlich oft nur einen Beitrag leisten können, den Leidensdruck zu lindern - und natürlich demenzverstärkenden Krankheiten zu behandeln. Vitamine, (Bewegung?) und eine gesunde Ernährung - da sind Sie offensichtlich am Ball.


    Ich habe einige körperlich fitte demenzkranke Chefs in Heimen erlebt, die in ihrer subjektiven Welt leben durften, auch wenn Sie manchmal in die Personalsteuerung eingriffen und den Chefsessel im Dienstzimmer beanspruchten. Die Mischung aus validierendem Respekt, Gelassenheit, Schutz vor Gefährdung und Ablenkung ist eine hohe professionelle Anforderung an ein Team. Dies gelingt selten, aber ist möglich. Hier werbe ich ja immer für den PlanB - je besser Sie die Angebote der Umgebung kennen, umso sicherer können Sie im Notfall entscheiden. Derzeit liegt natürlich der Blick auf der aktuellen Situation.Dazu mein dritter Gedanke: Bisher geht es sehr um den Schutzaspekt und damit die Einschränkung und Begrenzung in einer sinnvoll erlebten Tätigkeit. Dies kann zu Konflikten führen.Das Hobby Ihres Vaters ist sein Beruf. Es kann sein, dass irgendwann frühere kindliche Hobbys durch die Demenz aufleben, aber so weit ist es noch lange nicht. Wo und wie können Sie die sinnvollerlebte Tätigkeit Ihres Vaters am Computer ab- oder umlenken? Gibt es Newsletter, in denen er interessiert und ohne störende Cookies und Werbung stöbern kann? Was stärkt sein Selbstbild als Chef ohne Schaden? Gibt es Verwandte, Freunde, Ehrenamtliche oder Betreuungskräfte, die er ihn in seinem Geschäftszeiten anrufen können? Finden Sie vielleicht sogar demenzgeeignte Computerspiele? Ich höre immer wieder, dass sich Studenten damit beschäftigen und Startups gründen wollen. Es wäre ein reales Wunder, wenn Sie jemanden finden, der oder die gerade an diesem Thema forscht und gut daran täte, Ihren Vater in die Entwicklung einzubeziehen.Viel Erfolg, Ihr Martin Hamborg

  • Hallo Sohn83 -- vielen Dank für die Empfehlung!

    Hallo OiOcha,


    bei Vitamin D und B12 könntest du es z.b. in Orangensaft am Morgen versuchen. Also als Pulver anstatt Tabletten. Einfach mal in deiner Apotheke fragen, die kennen sich da aus, wenn nicht mal eine andere Apotheke versuchen. Bei den ganzen Vitasprint (u.ä.) Sachen ist es ja auch nur ein Pulver das in eine Lösung gedrückt wird.

    Mein Vater trinkt nichts ausser einer Kanne Tee früh morgens, tröpfchenweise Wasser, und Unmengen Wein. Insofern ist untermischen schwierig. Er nimmt seit Jahrzehnten zur Vorsorge "für's Herz" morgens eine ASS 100. Das wäre quasi unser Joker, wenn es deutlich schlimmer würde und man ihm was unterjubeln müsste. Aber ich denke nur für B12 u.ä. ist der Grad noch nicht erreicht, wo das angebracht wäre. Meine Mutter hat ihn zwei Wochen lang gezwungen, und die Diskussionen waren dermaßen aufreibend, ich verstehe, dass sie das nicht jeden Tag packt.

  • Hallo martinhamborg! Vielen Dank für die nette und ausführliche Nachricht!


    Zum Thema Sohn-Vater-Demenz Konflikt werde ich Ihre Google Suche nächstes Wochenende mal nachvollziehen. In dem ganzen Gebiet gibt es sicher tolle Forschungsmöglichkeiten (gilt ja ganz allgemein z.B. wenn es plötzlich darum geht, wer einen alten Menschen versorgt, wer Entscheidungen trifft, etc. -- da brechen ja oft in den Heimen jahrzehntealte Familienkonflikte auf). Bei uns ist es jetzt in Sachen Konflikt zum Glück eher so, dass sich seine Persönlichkeit eigentlich zum Guten geändert hat -- das Herrische, Aufbrausende ist zum großen Teil weg (klopf auf Holz, dass es so bleibt!), wobei natürlich z.B. schon immer jemand Anderes dran schuld ist, wenn jetzt ständig was verloren ist.


    Insofern ist bei uns zur Zeit nicht Konflikt das große Thema, sondern die ethische und praktische Frage, wie weit man ihn schützt oder Mist machen lässt. Ich habe z.B. letztes Jahr etliche Wochenenden damit verbracht, Kontoauszüge zu durchforsten, fehlende Rechnungen nachzubestellen, Abrechnungen zu machen, Doppel/Dreifachzahlungen zurückzufordern, nicht erfolgte Zahlungen auszugleichen, usw usf. Das sind alles Sachen, die er gerne machen würde (oder vielmehr: er denkt, er macht sie noch), aber einfach nicht mehr kann. Insofern lasse ich jetzt all diese Rechnungen an mich schicken, weil es anders einfach nicht mehr geht. Hierbei finde ich es psychisch schwierig, dass man ihn ständig hintergehen muss. Im Gegensatz zu den großen Rechnungen und Banksachen (die ich ihm wie gesagt weggenommen habe), lasse ich ihn an vielen kleinen Dingen einfach rumwurschteln, weil es ihn beschäftigt und ihm Spass macht -- auch wenn es oft schief geht und ausgebügelt werden muss oder Geld kostet. Zum Beispiel bestellt er z.Zt. ständig Heizöl; das lasse ich ihn machen, auch wenn es natürlich relativ teurer ist, nur wenige hundert Liter abzunehmen. Bei den Betrügern, um die es in meinem ersten Beitrag ja in erster Linie ging, ist es anders, weil es ganz klar ist, er würde nicht betrogen werden wollen. Insofern überwiegt hier ganz eindeutig der Schutz.


    Trotz des relativ guten MMSE Scores kann mein Vater eigentlich die einfachsten Dinge nicht mehr erledigen. Beim Zeitung lesen weiss er nach wenigen Zeilen nicht mehr, worum es ging, und am Computer sitzt er nur und durchforstet Dateien und druckt dann oft Belege ehemaliger Heldentaten aus. Briefe schreiben kann er eigentlich nicht mehr; hat letztlich mal versucht, einen Brief im Email-Programm zu schreiben, weil er sich an Word nicht mehr erinnert hat. Komplexere Sachen gehen gar nicht mehr; ich hatte im Frühjahr versucht, ihn in die Steuererklärung einzubinden, aber da saßen wir eine halbe Stunde über dem Mantelbogen, und kaum war man am Seitenende angekommen sagte er, halt, jetzt wollen wir nochmal die Steuernummer und Kontonummer prüfen. Vielleicht ein halbes Dutzend Mal, dann habe ich ihn abgelenkt und das Zeug eingepackt, weil es keinen Sinn macht. Insofern werden wir weiter nach sinnvollen Betätigungen suchen müssen, aber ich befürchte, das wird nicht im Gebiet seiner ehemaligen Kompetenzen liegen, oder wenn, dann nur als "Spiel." Nach Aussen hin wird sein Abbau nämlich kaum bemerkt, und Freunde/Verwandte fragen ihn um Rat zu rechtlichen und geschäftlichen Fragen. Hier hat er mittlerweile einige Male sehr schlechten Rat gegeben, und deshalb fühle ich auch eine gewisse Verpflichtung, Freunde/Verwandte zu schützen.


    Abschliessend auch noch vielen Dank für den Verweis auf die Beiträge zu Geschäftsfähigkeit -- werde ich mir auch nächstes Wochenende anschauen.

  • Jetzt geht's bei mir auch schon los; ich bilde mir ein, dass gestern Abend hier noch ein sehr hilfreicher Beitrag von sonnenblümchen stand, der jetzt verschwunden zu sein scheint. Vielleicht will mir die Forums-Software sagen, dass ich mein Pensum an Antworten für heute überschritten habe? Ich bin mir zu 99% sicher, dass der Beitrag hier war und an mich gerichtet, mit einer Reihe von Tips zum Thema Banken und Vollmachen. Falls dem so ist, sonnenblümchen, vielen Dank! Ich antworte noch, falls der Beitrag wieder auftaucht. Ansonsten erstmal allen eine schöne Woche!

  • Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Es ist hier Usus das immer mal wieder Beiträge von den Autoren selbst gelöscht werden. Das mag anfänglich irritierend wirken weil man das in anderen Foren/Chats so nicht gewohnt ist. Tatsächlich habe ich diese Funktion selbst schon öfter genutzt weil man bei so einem emotionalen Thema sicht vielleicht doch mal mitreißen lässt und zu persönliches preisgibt.

  • Vielen Dank für die Erklärung, Sohn83, und die Bestätigung, dass ich noch keine Wahnvorstellungen habe, sonnenblümchen!


    Du hattest gestern gute Tips zum Thema Banken/Vollmachten gegeben, und ich wollte hierauf nochmal eingehen, weil es zum Thema Schutz vor Betrügern passt.


    Ich habe eine notarielle Generalvollmacht und natürlich auch Konto-Vollmachten. Bin einige Male überrascht gewesen, wie wenig man mit letzterer machen darf. Klar, Geld abheben oder überweisen geht, aber für mich sehr wichtige Dinge wie z.B. die Versandaddresse für Kontoauszüge auf mich ändern erforderte es, mit dem Original der notariellen Generallvollmacht bei der Bankfilliale vorbeizugehen. Habe ich dieses Jahr schon drei Mal gemacht; jedes Mal, wenn man was kritisches unterschreibt machen die wieder eine Kopie von der Vollmacht.


    Generell habe ich Banken als wenig hilfreich erlebt. Wenige Berater wussten überhaupt, was für Sicherungsmechanismen möglich sind, und einige Male habe ich eher den Eindruck gehabt, man will sich das Risiko eines Kunden mit Demenz eigentlich gar nicht ans Bein binden. Vielleicht interessant für Andere, die in einem ähnlichen Szenario sind, ich habe jetzt folgende Lösung:


    1. Ein laufendes Konto für beide Eltern bei der ortsansässigen Bank. Darauf nur genug Geld, um Ausgaben für wenige Wochen zu bestreiten. Überweisungen mache ich online. Die Filliale, zu der mein Vater laufen kann, hat derzeit (angeblich wg. Corona) nur Mo und Fr einige Stunden offen. Der Berater weiss, dass mein Vater Demenz hat, und hat zugesagt, mich anzurufen, wenn es was gibt. Leider arbeiten hier immer mal wieder Springer, so dass trotz aller Vorsicht letztlich eine von meinem Vater ausgefüllte Überweisung einer Rechnung aus dem Jahr 2016 ausgeführt wurde. Er hatte einen Überweisungsträger manuell ausgefüllt (und zwar mit falscher Kontonummer) und and an einem Tag, wo die Bank geschlossen war durch einen Schlitz in der Glasscheibe zum Kassenraum geworfen. War sehr überrascht, dass das durchging, und habe nochmal mit der Bank gesprochen. Weil nicht viel auf dem Konto ist, ist der maximale Schaden hier auf einige hundert Euro beschränkt, und in diesem Fall konnte ich es mit einem freundlichen Anruf vom Zahlungsempfänger zurückholen.


    2. Bei einer anderen Bank in der nahen Grosstadt gibt es Depots für meine Mutter und Vater mit jeweiligem Verrechnungskonto. Mein Vater hat hier einen online-Zugang, bei dem man allerdings nur schauen kann, es sind keine Verfügungen möglich. (Seit einigen Monaten schaut er nicht mehr, hat es wohl vergessen, und ich habe ihm das TAN Gerät weggenommen). Selbst wenn beim Depot etwas verkauft würde, dann ginge das Geld aufs Verrechnungskonto. Von diesem gibt es eine Überweisungs-Sperre; man kann nicht direkt an einen etwaigen Betrüger überweisen, sondern nur auf ein festgelegtes Auszahlungskonto bei einer dritten Bank.


    Ich habe über dieser Lösung lange gebrütet, und denke, es ist so relativ sicher. Aber wie es so schön heisst, "nothing is foolproof to a talented fool." Theoretisch könnte mein Vater zur Filliale gehen, das Auszahlungskonto ändern, und alles zu einem Prinzen nach Nigeria schicken. 100% Sicherheit gibt es eben leider nicht, ganz besonders mit Demenzkranken. Ich denke, wenn man den ganzen Tag lang rumsitzt und vor sich hinwurschtelt, kann man doch einiges schaffen, von dem dann die Angehörigen überrascht sind (z.B. hat er schon bei zwei Firmen die auf mich geänderte Rechnungsaddresse wieder auf sich umgestellt). Wenn es sich weiter verschlechtert und er irgendwann das Interesse an Banksachen und Geschäften verliert, dann werde ich zu einer ganz anderen Bank wechseln, wo er noch nie Kunde war.


    Zum Thema ungewollte Post: habe mit einem Schulfreund gesprochen, dessen Oma fast 100.000€ an einen Betrüger verloren hat. Es kamen ständig Briefe von Wahrsagern u.ä. ("ich sehe einen Lotteriegewinn in Ihrer Zukunft, schicken Sie 100€ und ich sende Ihnen einen Glücksbringer"). Offenbar verkaufen diese Firmen sich die Addressen, so dass man da ganz schnell unheimliche Mengen von Briefen bekommt, wenn man mal in der Leichtgläubigen-Datei ist. Die Oma war sehr selbständig, hatte keine Demenz, und die Familie hat es ewig nicht mitgekriegt. Der Freund hat mir gesagt man könne sich auf die Robinson-Liste setzen lassen; dort schauen honorige Unternehen nach bevor sie Werbung schicken; bei Betrügern bringt das sicher nichts.

  • ich habe noch einen sehr wichtigen Tipp: nach Möglichkeit alle wichtigen Unterlagen und Dokumente sichern, bzw Kopien anfertigen und außerhalb der Wohnung des Angehörigen aufbewahren....bei mir kam nämlich mein Vater ohne Ankündigung auf die Idee sämtliche (!!!) Aktenordner und Unterlagen zu entsorgen und zwar unwiderbringlich....das war schon heftig.


    Vielen Dank für den Tip, liebe hanne63! Wenn ich das nur vor einem Jahr schon gewusst hätte! Wir haben einen Wandsafe im Keller, und den hat er tatsächlich ausgeräumt. Es ist alles weg, von meinem Abiturzeugnis über Fahrzeugbriefe und Schlüssel bis hin zu Versicherungsdokumenten. Wir haben tagelang gesucht, aber nichts gefunden. Das Haus ist leider riesig, und ich hoffe, dass alles noch auftaucht -- ich denke eigentlich, er hat irgendwo ein Versteck, wo die ganzen Unterlagen (und die ganzen "gestohlenen" Schlüssel und Ausweise) liegen.


    Ich hatte zum Glück die notarielle Generalvollmacht meines Vaters bei mir in der Wohnung, aber die Vollmacht meiner Mutter sowie meine eigene für meine Eltern waren weg. Kann man zum Glück relativ leicht beim Notar nachbestellen. Der Rest ist ein Riesen-Aufwand. Um Schlüssel nachzumachen braucht man eine Schlüsselkarte; für die musste ich mit meiner Generalvollmacht zum Amtsgericht, um einen Grundbuchauszug zu besorgen. Danach mit Generalvollmacht und Grundbuchauszug über den Schlüsseldienst Duplikat bestellen, Kosten insgesamt knapp 300€. Den Rest habe ich noch nicht nachbestellt, bzw. ich weiss gar nicht, was alles fehlt.

  • Hallo OiOcha,


    du machst das alles sehr gut. Dafür kann man dir nur ein Kompliment aussprechen, leider gehört es zur Pflege auch dazu einzusehen das man weder an alles denken noch alles absichern kann.

    Bzgl. der Vollmachten hast du vollkommen recht, ohne die kommt man nicht weiter. Ich kann mich noch eine eine Situation erinnern als meine Schwester (damals noch ohne Vollmacht) nicht mal den Aufnahmebogen beim einem neuen Facharzt ausfüllen durfte. Zum Glück darf ich selbst Untervollmachten ausstellen weil sobald die Demenz festgestellt ist eine neue Vollmacht praktisch immer anfechtbar ist. Gerade bei zeitkritischen Entscheidungen darfst du nämlich im zweifelsfalls gar nichts.

    Als Tipp dazu.

    Ich habe mir angewöhnt eine Kopie der Vollmacht immer im Auto mitzuführen. Außerdem habe ich die eingescannt mit weiteren Daten (Medikamentenplan, letzte Blutwerte etc) auf dem Handy. Meine Schwester hält es genau so. Beides hat sich bereits bewährt.

  • Hallo OiOcha,


    mir hat die Bank meiner Eltern einen guten Rat gegeben: Nur soviel auf dem laufendem Girokonto lassen, wie zur Begleichung der regelmäßig anfallenden Rechnungen und laufenden Kosten anfällt und evtl noch einen gewissen Betrag darüber....alles andere an Geld auf ein Sparkonto mit 3-monatiger Kündigungsfrist (wohl wissend, dass es keine Zinsen derzeit dafür gibt, aber halt das Geld dann erst mal für 3 Monate nicht abgerufen werden kann und insoweit geschützt ist) ..oder eben feste Anlagen der Gelder......der Bankmitarbeiter wollte mich auch anrufen, sobald ihm etwas merkwürdig vorkäme....und letztlich wurde auch alles genauso gemacht (zusätzlich zu einer rechtlichen Betreuung, weil die Eltern ja dennoch an ihre Bankkonten konnten).


    Hallo hanne63! Das sind gute Empfehlungen, vielen Dank! Mir wurden hiervon Varianten empfohlen, z.B. kann man das Geld in einem Bausparvertrag parken oder eine Lebensversicherung abschliessen. Bei ersterem kann man wohl sogar eventuelle Negativzinsen umschiffen, und letzterer ist ein Erbschaftssteuer-Sparmodell. Habe mich jeweils dagegen entschlossen, weil wir damals in einer "mein Geld wurde gestohlen" Phase waren, wo ich jederzeit wollte, dass ich aktuelle Kontoauszüge zeigen kann, so dass er das Geld "sehen" kann. Diese komplizierteren Konstrukte wären ihm nicht zu erklären gewesen. Das von Dir empfohlene Sparbuch ist aber eine gute Idee!


    Zu Vollmachten fällt mir übrigens noch was wichtiges ein: Man muss etwaige Vollmachten, die man selbst dem Patienten gewährt hat, löschen. Mir wird ganz anders, wenn ich dran denke, dass er vor einem guten Jahr noch volle Verfügungsgewalt nicht nur über sein eigenes Geld hatte, sondern auch über das meiner Mutter und von mir.


    Hallo OiOcha,


    du machst das alles sehr gut. Dafür kann man dir nur ein Kompliment aussprechen, leider gehört es zur Pflege auch dazu einzusehen das man weder an alles denken noch alles absichern kann.

    Bzgl. der Vollmachten hast du vollkommen recht, ohne die kommt man nicht weiter. Ich kann mich noch eine eine Situation erinnern als meine Schwester (damals noch ohne Vollmacht) nicht mal den Aufnahmebogen beim einem neuen Facharzt ausfüllen durfte. Zum Glück darf ich selbst Untervollmachten ausstellen weil sobald die Demenz festgestellt ist eine neue Vollmacht praktisch immer anfechtbar ist. Gerade bei zeitkritischen Entscheidungen darfst du nämlich im zweifelsfalls gar nichts.

    Als Tipp dazu.

    Ich habe mir angewöhnt eine Kopie der Vollmacht immer im Auto mitzuführen. Außerdem habe ich die eingescannt mit weiteren Daten (Medikamentenplan, letzte Blutwerte etc) auf dem Handy. Meine Schwester hält es genau so. Beides hat sich bereits bewährt.


    Hallo Sohn83 -- auch vielen Dank für den Zuspruch und die Tips! Ich habe auch wichtige Daten auf dem Handy eingescannt, inklusive der notariellen Vollmacht. Fand es übrigens überraschend, dass bei vielen Behörden Kopien akzeptiert wurden (z.B. Finanzamt, Stadt, Amtsgericht), aber ich bei der Bank drei Mal das Original vorlegen musste, obwohl sie ja schon vorher Kopien gemacht hatten. Ich weiss natürlich, dass man ohne die Vollmacht völlig aufgeschmissen wäre, und nehme deshalb ungern das Original mit. Und zum Schluss muss ich noch sagen, ich bin echt froh, dass mein Vater vor 20 Jahren angeleiert hat, dass wir uns gegenseitig notarielle Generalvollmachten ausstellen -- ich denke, das haben viele nicht, und da wäre man völlig aufgeschmissen.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo in die Runde, danke für den interessanten Fachaustausch. Wir dürfen aus guten Gründe hier in dem Forum keine rechtlichen Beratungen vornehmen, aber ein Erfahrungsaustausch und konkrete Anregungen sind sicher für die eigenen Entscheidungen hilfreich. Ich habe wieder einiges gelernt, wo ich in diesen Fragen genau hinsehen sollte, dank Ihnen und wunderschöne Feiertage, Ihr Martin Hamborg

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