Eigentlich gibt es nicht wirklich Neues bei uns. Dennoch fühle ich mich derzeit verunsichert, seelisch angegriffen nach jedem Telefonat mit meiner Mutter, bin sehr dünnhäutig.
Kurz zur Erinnerung: sie ist 96 Jahre alt, blind, lebt weiterhin allein im Haus mehrere 100km von uns entfernt und wir telefonieren nahezu täglich. Immer dieselbe Schleife, sie fragt nach meinen Kindern und Enkeln, nach den Katzen, nach dem Wetter, nach dem Essen. Stellt dann regelmäßig fest, dass sie nicht weiß, ob sie "heute" schon was gegessen hat und was, dass sie nicht weiß, ob sie überhaupt etwas zu essen im Haus hat, dass sie den ganzen Tag im Nachthemd oder Hausmantel verbracht hat...
Es kommen täglich Helfer zu ihr, einer davon überprüft immer ihre Vorräte, mistet vergammeltes Essen aus, sorgt für Nachschub. Sie hat also immer die Dinge, die sie mag auch zu Hause.
Damit kann ich umgehen, oft können wir sogar recht fröhlich miteinander blödeln, sie lässt sich auch mal von mir korrigieren oder fragt mich, was sie nicht mehr weiß.
Aber seit einigen Tagen beschuldigt sie eine Schwester K. ihrer Sozialstation, die als Vertretung für die Stammschwester da war, sie bestohlen zu haben. Es handelt sich um ein 50 Jahre altes Wasserglas und einen blauen Zahnputzbecher aus Plastik als angebliches Diebesgut! Angeblich hat ihre jetzige betreuende Schwester ihr nun schon gesagt, dass Schwester K. aus dem Verkehr gezogen worden sei, weil sie das bei anderen auch gemacht hat. Mein Einwand, dass sie ihr das gar nicht hätte sagen dürfen, machte sie nachdenklich und es kam: naja, ich hab das halt aus ihren Antworten schließen können. Ähnlich läuft das jetzt auch schon einige Tage in immer der selben Schleife.
Gestern kamen dann noch Überlegungen dazu, was die Schwester K. wohl ihren Kindern sagt, woher sie die gestohlenen Sachen hat! Und dann die Bemerkung: es belastet sie schon sehr, in ihrem eigenen Zuhause bestohlen worden zu sein, zumal sie zuvor noch nie bestohlen worden ist.
Nun hatten wir aber von Anfang 2021 bis Sommer das Theater, dass sie meiner Schwiegertochter unterstellt hatte, ihre Gitarre überfallartig gestohlen zu haben, damit deren Tochter (die längst den Kontakt zu ihrer Mutter abgebrochen hatte, weil die borderline-erkrankte Frau sie so sehr geschädigt hatte), sie für die Ausbildung haben könnte. Allerdings hatte meine Mutter schon 2009 der Enkelin die Gitarre geschenkt. Jedenfalls war das letztes Jahr ein großes Trara, dass sie in ihrem eigenen Zuhause bestohlen worden sei.
Das scheint nun in ihrem Gedächtnis völlig gelöscht zu sein - aber in mir triggert sie mit den Anschuldigungen gegen diese Schwester K. all das wieder hoch und ich fühle mich nach jedem Gespräch extrem belastet mit Angst, was da wohl noch alles kommen kann. Während des Gesprächs geht das schon, aber hinterher zittere ich. Da ich ja auch noch durch andere besondere Belastungen mit Kranken in der Familie etwas angespannt bin, ist das nicht gut.
Eigentlich habe ich gar keine echte Frage, will das nur mit Menschen teilen, die mit dementen Angehörigen auch Erfahrungen haben. Vielleicht, wenn jemand ähnliche Gefühle kennt, wäre das zu wissen für mich hilfreich. Aber ansonsten einfach Danke fürs Lesen.