Demenz und Alkohol

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  • Hallo Barfuss,

    Auch deine Geschichte berührt mich sehr. Vllt passt entsprechend etwas von meinem vorherigen Beitrag.

    Wir haben es einfach nicht alles in der Hand. Manches laufen lassen und im entsprechenden Moment "Zugriff"/Reaktion..

    Liebe Grüße auch an dich

  • Ich würde an deiner Stelle viele Situationen genau aufschreiben, mich an den sozialpsychiatr. Dienst wenden, dafür sorgen über Hausarzt, PSychiater o.ä.dass dein Vater eine Einweisung in die gerontoPsychiatrie bekommt - dort war meiner auch und es brachte die Wende.

    Die Erfahrung konnte ich in anderer Sache auch machen, dass solche aktuell und zeitnah festgehaltenen Notizen äußerst hilfreich sein können, weil dann auch Erinnerung nicht allzu viel verfälschen kann und alles als glaubwürdiger gilt.

  • Liebe Rose60 und ecia25, vielen Dank für die einfühlsamen Worte!


    Ich persönlich komme eigentlich mit meinem Vater jetzt besser zurecht als in der Vergangenheit -- man kann ihn dank der Vergesslichkeit relativ leicht beeinflussen, und wenn man sich nicht mit ihm anlegt, dann ist er unheimlich zahm. Er ist ja abgesehen vom Alkoholismus und den aus Streits resultierenden Aggressionen einer von den ängstlichen/anhänglichen Demenzlern, klebt immer an meiner Mutter und gerät in Panik, wenn sie mal eine Stunde zum Einkaufen geht. Insofern würde ich es ihm natürlich lieber nicht antun, in einem Heim oder der Psychiatrie zu leben. Aber ich denke, da überwiegt jetzt dann doch irgendwann das Wohlbefinden und die Sicherheit meiner Mutter.


    Ehestreitigkeiten gab's bei meinen Eltern immer schon, aber Gewalt hat mein Vater nie angewandt. Eher stetiger Psychoterror. Insofern habe ich die Klagen meiner Mutter (wahrscheinlich zu) lange als Teil dieser Ehehölle abgetan.


    Meine Mutter fährt jetzt im Oktober mal 5 Tage mit einer Freundin in ein Wellnesshotel am Bodensee. Da muss ich natürlich bei meinen Eltern übernachten und auf meinen Vater achtgeben. Worauf ich mich natürlich nicht so wahnsinnig freue, aber sie braucht mal Ruhe.


    Zum Thema Dokumentieren: meine Mutter hat vor einigen Wochen ein "Protokoll" angefertigt, als mein Vater mal geklagt hat, er sei so wirr im Kopf, und es ihn unterschreiben lassen. Das habe ich dann verschiedenen Ärztinnen gezeigt, mit sehr verhaltener Reaktion. Bei seiner Explosion vor einigen Tagen habe ich natürlich auch danach gedacht, hätte man das nur gefilmt! Werde künftig versuchen, daran zu denken. Und meine Mutter werde ich bitten, Tagebuch zu führen, in die sie die schlimmsten Sachen einträgt.

  • Hallo Oiocha und Bafuss, alle anderen Forumsmitglieder haben schon alles Wichtige geschrieben. Was mich jedoch erstaunt, sind Ärztinnen/Ärzte o.ä. Personen, die sich mit Demenz auskennen und sich tatsächlich so etwas wie "Verträge" (Abmachungen) mit den betroffenen Personen ausdenken. Gerade das scheint mir eins der Hauptschwierigkeiten mit Dementen zu sein: Jegliche Abmachung ist völlig umsonst und führt lediglich zu Frust auf allen Seiten.

    Meiner Mutter habe ich einmal ins Pflegeheim eine Flasche Eierlikör und einen großen Kasten Pralinen mitgebracht und ihr leider selbst übergeben. Sie hat erst in der Demenz ihre Liebe für Eierlikör entdeckt. Ergebnis: Sie hat alles (!!!!!) auf einmal verputzt und danach ging es ihr hundeelend. Mit den Pflegerinnen ist nun ausgemacht, dass all die netten Dinge zugeteilt werden. Sie selbst hat darüber keinerlei Kontrolle mehr.

    Auch noch zu Hause kannte sie da kein Maß mehr ... ich musste mit Tricks arbeiten. Diese Tricks müssen immer der jeweiligen Person und Situation angemessen sein, aber sicher wisst ihr selbst besser, was da helfen könnte. Verträge und Abmachungen helfen aber sicher nichts.

  • Hallo Oiocha und Bafuss, alle anderen Forumsmitglieder haben schon alles Wichtige geschrieben. Was mich jedoch erstaunt, sind Ärztinnen/Ärzte o.ä. Personen, die sich mit Demenz auskennen und sich tatsächlich so etwas wie "Verträge" (Abmachungen) mit den betroffenen Personen ausdenken. Gerade das scheint mir eins der Hauptschwierigkeiten mit Dementen zu sein: Jegliche Abmachung ist völlig umsonst und führt lediglich zu Frust auf allen Seiten.

    Ich muss ehrlich sagen, dass ich von der Kompetenz und Hilfsbereitschaft der vier Ärztinnen, mit denen wir in den letzten zweieinhalb Jahren zu tun hatten, schwer enttäsucht bin. Obwohl sie alle von der Demenz-Beratung empfohlen waren. Einen Vetrag machen, auf Einsicht und Verhaltensänderung hoffen, die müssten doch wissen, dass das NIE klappen kann, und man eigentlich nur Konflikte (und zwar in diesem Fall ständig wiederkehrende) mit den Angehörigen provoziert.

  • Und das würde ich an die Demenz-Beratung unbedingt weitergeben. Schließlich verdienen die Fachärzte an uns/euch. Handwerker werden für Pfusch auch kritisiert. Also wirklich...

  • Und das würde ich an die Demenz-Beratung unbedingt weitergeben. Schließlich verdienen die Fachärzte an uns/euch. Handwerker werden für Pfusch auch kritisiert.

    Ja, das würde ich auch ganz dringend weitermelden.

  • So ist es, ich würde es auch an die empfehlende Stelle weitermelden. Wir hatten allerdings auch eine Neurologin, die die offensichtliche Demenz meiner Mutter kommentierte mit "Was wollen Sie denn, darf ihre Mutter nicht auch mal was vergessen ...?" Das war vor 2 Jahren. Jetzt merkt sich meine Mutter nichts mehr, was mehr als 3 Minuten zurückliegt. ... Diese Neurologin verschrieb meiner Mutter auch ein Medikament, das psychotische Schübe auslöste. Zum Glück hat es die Hausärztin gleich wieder ausgeschlichen ....

    Ich finde es höchst gefährlich, solche Experten (wie hier beschrieben) auf die Menschheit loszulassen. Man kann sie auf gewissen Internetplattformen bewerten (sollte man zumindest tun), aber nichtsdestotrotz richten sie weiter Schaden an.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo OiOcha,

    Ihre Schilderungen klingen so, dass ich mir gut vorstellen kann, dass Sie darüber nachdenken, die "Reißleine zu ziehen".

    Es geht Ihnen ja darum, die Mutter so gut wie möglich zu schützen und dem Vater die Qual eines Zwangsentzugs zu ersparen.

    Ein Argument, das für einen Entzug spricht, ist die Möglichkeit, dass Ihr Vater hinterher "vergessen" hat, dass er Alkoholiker ist. Dieses Phänomen ist mir zumindest schon bei einigen Korsakow-Demenzkranken begegnet.

    Was ich nicht beurteilen kann, ist die Frage, ob die Beziehungsprobleme mit den latenten Gewaltphantasien Ihres Vaters damit behoben wären. In diesem Falle wäre Ihrer Mutter ja nicht geholfen. Das können Sie und Ihre Mutter wahrscheinlich am besten beurteilen.


    Als "Plan B" sehe ich bei Ihrer Geschichte dann nur noch die Unterbringung in einer speziellen Wohnform, die kontrolliertes Trinken ermöglicht. Ob es so eine Einrichtung in Ihrer Nähe gibt, weiß ich leider nicht. In Berlin gibt es zumindest ein Heim, in dem kontrolliertes Trinken Teil des Konzepts ist.

    Auch gibt es zumindest eine Wohngemeinschaft für Korsakow-Patienten, in der kontrolliertes Trinken erlaubt ist.


    Beide Alternativen bedürfen der Einigkeit zwischen Ihnen und Ihrer Mutter und der Begleitung durch den sozialpsychiatrischen Dienst. Ich denke, dass sich beide Varianten für Sie nicht gut anfühlen - auf Dauer wird aber der Status Quo bei Ihren Eltern nicht aufrecht zu erhalten sein.


    Denken Sie daran, dass auch Ihre Kräfte und Nerven endlich sind und das es immer besser mit mit maximal kühlem Kopf solche Entscheidungen zu treffen.

    Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute dabei!


    Klaus Pawletko

  • Hallo ihr Lieben! Habe gerade 58 Stunden Betreuung meines Vaters hinter mir, noch knapp 24 Stunden vor mir. Ja, ich zähle Stunden. Innerlich natürlich sogar eher Sekunden.


    Es ist unglaublich, was meine Mutter mit ihm aushalten muss!


    Gedächtnis ist null. Ich habe sicherlich 500 Mal beantwortet, wo meine Mutter ist (Erholungsurlaub mit Freundin, am Bodensee, kommt Freitag Abend wieder, nein, sie ruft nicht an, nein, wir rufen sie auch nicht an). Das war das Hauptthema, aber es hieß sicherlich auch je 200 Mal, was haben wir denn heute für Pläne, wann gehst du wieder heim, wo wohnst du? Man beantwortet die Frage und manchmal kommt sie während man noch redet schon wieder, oder spätestens eine Minute später.


    Die Unruhe ist kaum auszuhalten. Nach dem Frühstück will er los, drängelt ständig. Wurde ärgerlich, weil ich noch auf die Toilette wollte. Man hat die Wahl, entweder um 9.30 ins Auto zu springen (und zwar am Liebsten gleich zum Mittagessen) oder sonst wurschtelt er rum. Wenn man Glück hat, zieht er irgendwelche Ordner raus und schaut sich Kontoauszüge von anno Dazumal an, aber seine eigentliche Beschäftigung ist: Schlüssel verstecken. Oh Mann, was haben wir für Schlüssel gesucht! Er legt sie zumeist an die gleichen 5-6 Orte, hat aber natürlich keine Ahnung, dass er einen Schlüssel gerade in der Hand hatte. Einmal haben wir einen Schlüssel gesucht, den es gar nicht gibt. Wird ärgerlich und aggressiv, beschuldigt meine Mutter (die ja gar nicht da war), die versteckt seine Schlüssel! Wenn man unterwegs ist, fasst er sich alle 5-10 Minuten an die Hosentasche und sagt panisch, meine Schlüssel sind weg.


    Bei Ausflügen will er immer wieder nach Hause. Essen gehen schon, beim Spazierengehen läuft er widerwillig mit und klagt, aber ständig heißt es: jetzt reicht es. Wenn man ihn dann mit allen möglichen Tricks bis 14:30 beschäftigt hat und wieder zuhause ist, heißt es, und was machen wir jetzt?


    Er hat einen unheimlichen Hass auf meine Mutter. Wie oben beschrieben ist sie Schuld, dass seine Schlüssel weg sind (auch, wenn sie gar nicht da ist). Im Radio kam irgendwas über den Nobelpreis in Physik, da meinte er, er wollte ja Physiker oder Chemiker werden, aber mit so einer Frau ging das nicht, er musste ja Geld ranschaffen. Einmal fuhren wir irgendwo an Gartenarbeiten vorbei, da meinte er, oh schau, die schneiden Hecken. Eine Minute später gab es dann eine Tirade gegen meine Mutter, wie blöd man sein könne, jetzt Hecken schneiden zu lassen. Das Frühstück (das wir am Vortag nach seiner Wahl selbst gekauft haben) sei ja unmöglich, eine Unverschämtheit, dass die uns sowas hinstellt! Usw usf.


    Trotzdem ist er unheimlich anhänglich und ängstlich. Hat meine Mutter, obwohl ich ja da war, einige Male im Haus gesucht. Gestern Abend habe ich ihn ins Bett gebracht, und keine 5 Minuten später habe ich ihn wieder durchs Haus schleichen hören. Dann ging er ans Telefon und telefonierte mit irgendjemandem. Ich bin hin, und er war überrascht, mich zu sehen. Hatte keine Ahnung mehr, dass ich schon 2 Tage mit ihm verbracht hatte (und mich nur Minuten vorher verabschiedet hatte), war ärgerlich, und meinte, unverschämt, dass wir ihn so verarschen. Heute hat er mal wieder meine Mutter gesucht, und war völlig erschrocken, als ich ihm dann hinterher bin und ihn angesprochen habe. In "hellen" Momenten hat er mir aber X-Mal gesagt, wie froh er sei, dass ich da bin.


    Er ist völlig hilflos. Null örtliche Orientierung. Setzt sich morgens an den Frühstückstisch und wartet, bis jemand kommt, der ihm etwas zubereitet. Man muss ihm Kleidung rauslegen und ihn zum Duschen schicken.


    Alkohol ist ja laut meiner Mutter ein großes Problem, aber ich muss sagen, das habe ich nicht beobachtet. Mittags ein Weißbier, abends 2-3 mittlere Gläser Wein (vielleicht 400ml). Klar, mehr als empfohlen, aber nicht Mega-Alkoholiker Level. Weiß nicht, ob er sich bei mir zurücknimmt, oder meine Mutter das übertreibt.


    Wahnvorstellungen sind ein großes Problem. Wir hatten etliche Male "Leute," die doch gerade da waren, wo sind die jetzt hin, die fahren wohl nicht mit uns nach Hause. Einige Male war es extrem -- heute Mittag, z.B. wähnte er sich in seiner Heimat ("hier hat's ja früher soviel Schnee gegeben, das waren lausige Dörfer, usw") und dann hieß es ständig, wann holen wir denn seine Mutter ab. Total blöd, das immer wieder zu korrigieren, die ist 1999 gestorben, und nach einer Minute fragt er dann wieder. Dann wollte er noch einige Male bei seiner (300km entfernt lebenden Schwester) vorbeifahren. Manchmal war er nach solchen Episoden einige Male ganz niedergeschlagen und hat um Hilfe gebeten. Ärzte, Pillen, er würde alles schlucken, wenn es nur hilft. Halt einfach blöd, dass er dann bei den Ärzten den Helden spielt, dem nichts fehlt.


    Muss echt sagen, ich weiß nicht weiter. Ich möchte nicht, dass meine Mutter so leben muss. Sie selbst will es ja auch nicht. Muss zugeben, ich habe mir etliche Male gedacht, der muss in die Psychiatrie oder ein Heim, aber in den Momenten, in denen er ganz offensichtlich selbst leidet, tut er mir auch leid. Ach, wenn wir nur einen halbwegs fähigen und bemühten Arzt hätten!

  • Liebe OiOcha, leider kann ich Dir auch keinen sinnvollen Rat geben, das liegt wohl in der Natur des Problems und meinen konkret fehlenden Erfahrungen. Dennoch will ich Dich wissen lassen, dass ich Deinen traurigen Beitrag gelesen habe und mitfühlen kann - wer weiß, was auch auf mich noch alles zukommt, derzeit schaut es auch nicht Hoffnung machend aus.

    Eine Chance auf einen anderen Arzt habt Ihr nicht, der helfen könnte?

    Sorry, falls ich da schon was überlesen hab oder vergessen hab. Aber das ist letztlich mein einziger Gedanke, dass man da evtl. was ändern könnte.


    Du hast jedenfalls unglaubliche Kraft gezeigt (selbst falls Du Dich eher schwach fühlst), indem Du so lange bei Deinem Vater bist und das aushältst.

    Ich weiß nicht, ob ich das könnte.

    Erhole Dich danach gut und sei gut zu Dir.

  • Hallo Oiocha, ich schließe mich ecia25 an.


    Und: Es ist einfach eine elende Krankheit und das psychische Leid ist meist für die demente Person, aber auch für die nahen Angehörigen unerträglich. Ohne (gute!!!!) Hilfe kommt man da nicht durch.


    Ich würde schauen, was sich medikamentös machen lässt. Die allgemeine Stimmung muss besser werden. Falls es keine Widerstände gegen Homöopathie und Heilkunde gibt, würde ich auch diesen Weg probieren. Das schadet zumindest nicht. Meine Mutter habe ich auf diese Weise versorgt und es hatte (ich konnte es kaum fassen) Wirkung. Sogar besser als die Antidementiva, von denen meine Mutter letztlich psychotisch wurde.


    Vielleicht schaust du mal aufmerksam, ob es hier Möglichkeiten gibt.


    Ich kenne übrigens auch den Wechsel der eigenen Gefühle: Und am schlimmsten fand ich am Ende die Phasen bei mir, wo mir meine Mutter unendlich leid tat/tut. Ich bin momentan gerade wieder nahe an so einer Phase. Aber dann braucht man Menschen, die es mit einem gut meinen und die dann immer wieder den Blick darauf lenken, dass es niemandem nützt (auch nicht den Dementen), wenn man sich vor Mitleid verzehrt.


    Hier hilft es mir, konstruktiv-aktiv zu bleiben (rationale Überlegung: Was hilft wirklich?)

    Viel Kraft, OiOcha und v.a. gute Ideen, wie dem Vater so geholfen werden kann, dass es für alle erträglich ist. Vielleicht auch Strategien entwickeln, wie man den Vater in der eigenen Welt "abholen" kann. Meiner Mutter habe ich ab einem gewissen Zeitpunkt nie mehr widersprochen, nie etwas richtig gestellt. Man gewöhnt sich daran und es wird tatsächlich leichter.

    Alles Gute!

  • Hallo OiOchia,

    Das klingt wahrlich nach einem bemitleidenswerten Zustand- sowohl für deinen Vater (und Mutter, wenn sie zuhause ist) wie auch dich.

    Eigentlich wäre es ja eine perfekte Zeit für eine kurzzeitpflege gewesen, dort kann der Betroffene Demente dann oft auch bleiben, wenn man das möchte. (Geht natürlich nicht, wenn dein Vater es total ablehnt, solange er niemanden gefährdet)

    Ich bin gerade seit gestern wieder sehr froh über die Vorteile des Heimes bei meiner Mutter. Sie wurde dort geimpft, nachdem ich zugestimmt habe als Bevollmächtigte und bekommt neuerdings auch ein Medikament gegen Unruhe und Halluzinationen, was durch den wöchentlichen Besuch des Neurologen auf der Station veranlasst werden kann, ohne dass meine Mutter länger auf einen Termin warten muss und vermutlich auch nichts mehr davon mitbekommt. Das nur mal um die entlastenden Anteile darzustellen.

    Wenn es so heftig bleibt, fällt mir noch die Einweisung in die gerontopsychiatrie ein, dort könnte unter Beobachtung eine gründliche Diagnostik erfolgen und vllt durch Medikamente eine Stabilisierung. Also in meiner Umgebung gibt es eine viel gelobte Station in angenehmer Aufmachung.

    Vermutlich ist dein Vater natürlich besonders verwirrt, weil die Stabilität deiner Mutter fehlt, doch schafft deine Mutter es überhaupt noch, will sie das?

    Ich frage mich, ob man eine Einweisung per Rettungsdienst/Notruf erwirken könnte, wenn du seine komplette Verwirrung deutlich machst und dass du es nicht leisten kannst...


    Das sind meine Gedanken dazu. Es sollte wirklich für ALLE Betroffenen machbar sein und nicht du oder deine Mutter vorher daran zugrunde gehen.

    Liebe Grüße

  • Hallo in die Runde, liebe/r Oioicha,


    heute möchte ich mich auch mal wieder "einklinken". Ich lese zwar immer mit, meist gibt es aber schon so viele gute und kluge Kommentare, das ich eigentlich nichts mehr ergänzen kann. Und auch zu deinem Riesen-Problem, Oioicha, kann ich eigentlich keinen guten Rat abgeben. Aber vielleicht ein Stück Hoffnung machen, dass es irgendwann besser wird! Bei mir war die Situation ganz ähnlich, nur mit dem Unterschied, dass meine Mutter die Demenz und das Problem mit dem Alkohol hatte und mein Vater der Leidtragende war. Lange wussten wir nicht, dass meine Mutter Demenz hat, wir dachten damals, dass es "nur" am Alkohol liegt. Meine Mutter hatte und hat extreme Wahnvorstellungen und dabei meinen Vater, der die ganze Last tragen musste, tyrannisiert. Er hat alles, aber auch wirklich alles, für sie getan und sie hat ihn rund um die Uhr böse beschimpft, teilweise artete das dann auch in körperliche Gewalt aus. Mein Vater war völlig verzweifelt, wurde immer weniger und ist vor sechs Jahren gestorben. Wir hatten damals (vor seinem Tod) endlose Gespräche, er hat sich auch immer mal eine Auszeit genommen und ist für ein paar Tage zu mir gekommen. Aber letztlich ist er an der Situation zerbrochen. Deshalb mein Rat, deine Mutter sollte versuchen, so viel Entlastung wie möglich zu finden! Ich denke, das Wellnesshotel ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Und die nächste Auszeit solltet ihr dann, wie Rose schon vorgeschlagen hat, vielleicht in Verbindung mit einer Kurzzeitpflege planen?!


    Nach dem Tod meines Vaters war ich dann diejenige, die alles abbekommen hat, dafür dass ich mich um alles kümmern musste, wurde ich beschimpft und könnte jetzt fast das Gleiche schreiben, wie du, die Beschimpfungen, die Schlüssel, Einbrecher im Haus, Geschichten aus der Vergangenheit, kein Bezug mehr zur Gegenwart......

    Irgendwann gab es dann mal einen Sturz, einen Krankenhausaufenthalt und da es dort völlig aus dem Ruder lief, die Überweisung in die Psychiatrie. Nach acht Wochen wurde meine Mutter dann mit der Diagnose vask. Demenz und Korsakow-Syndrom entlassen. Dazu kam die Stellungnahme der Ärzte, dass sie nicht mehr in der Lage sei, alleine zu leben. Ich habe es dann erst mal mit einer 24 h-Pflege versucht, die hat aber nach 6 Wochen die weiße Flagge gehisst. Da meine Mutter tagsüber schlief, dann die Nacht zum Tag machte und der Pflegerin immer wieder aggressiv gegenübertrat, war die Frau völlig am Ende. Ja, und dann kam die Kurzzeitpflege und von da der Wechsel in das Pflegeheim. Meine Mutter ist dort zwar unzufrieden (die anderen sind alle uralt und blöd), aber sie ist sehr viel ruhiger geworden und mir gegenüber macht sie überhaupt keinen Stress mehr. Sie freut sich, wenn ich sie besuche (früher undenkbar), bedankt sich, dass ich da war und ist nach Aussage des Pflegepersonals dort gut angekommen und in ihrer eigenen Welt unterwegs.


    Das alles wäre vor drei Jahren für mich völlig unvorstellbar gewesen, aber irgendwann entwickelte sich dann eine ganz eigene Dynamik.

    Also bitte, die Hoffnung nicht aufgeben und ganz wichtig, Entlastung für deine Mutter und für dich suchen!


    VG, auch an alle Mitleser, euch allen weiter viel Kraft

  • Hallo ihr Lieben! Vielen Dank für all die netten Worte und guten Ratschläge!


    Ich berichte zunächst mal, wie es am Freitag dann noch war. Ihr kennt es ja alle, jeder Tag bringt neue Verrücktheiten.


    Meine Aussage vom Donnerstag muss ich revidieren:

    Alkohol ist ja laut meiner Mutter ein großes Problem, aber ich muss sagen, das habe ich nicht beobachtet. Mittags ein Weißbier, abends 2-3 mittlere Gläser Wein (vielleicht 400ml). Klar, mehr als empfohlen, aber nicht Mega-Alkoholiker Level. Weiß nicht, ob er sich bei mir zurücknimmt, oder meine Mutter das übertreibt.

    Freitag begann er schon sehr früh rumzuwurschteln. Gegen 7 Uhr hörte man 30 Sekunden lang Wasser laufen, danach schon Türen schlagen. Ich habe mich dann ganz schnell fertig gemacht und bin runter (es ist ein riesengroßes Haus). Da saß er dann ganz unglücklich und sagte, er hätte Schmerzen am Knie/im Bein/am Hintern/im Rücken. Er sei doch gestern bei der Wanderung gestürzt. Ich dachte erst, er hat es sich eingebildet, aber bein Aufstehen hatte er sichtlich große Schmerzen und dann kam er kaum die Treppe runter. Dann sind wir in sein Zimmer, weil ich ihn mit Voltaren eincremen wollte. Dort sagt er mir, die Putzfrau sei so blöd, die würde die Trennwand immer falsch aufschieben, das muss man ihr mal sagen. Ich schaue es mir an, die Trennwand ist total schief, der dahinter liegende Fernsehtisch und Teppich ca. 30 cm vorgeschoben. Da ist er nachts dagegengeknallt. Dann schaue ich mir sein Bett an, er hat es abgezogen und die Laken/Decken an der Seite drapiert. Das hätte meine Mutter abends einfach so aufs Bett getan, es sei direkt aus der Waschmaschine gekommen und pitschnass gewesen. Totaler Schwachsinn. Dann schaue ich in seine Küche, dort steht eine leere Cognacflasche und zwei Weinflaschen.


    Es scheint also so zu sein, dass meine Mutter mit dem zuviel trinken sehr wohl Recht hat, und er mir gegenüber einfach schauspielert -- die berühmte Fassade, die er ja auch bei Ärzten usw hat.


    Bin dann mit ihm zum Orthopäden. Ich musste ihn anziehen, er kam kaum ins/aus dem Auto, konnte kaum laufen, und als dann der Artzt da war ging es los: "Also, Schmerzen würde ich es gar nicht nennen, mir fehlt eigentlich nichts!" Wurde dann abgetastet -- ""tuts hier weh" -- "Au! Nein, tut nicht weh, gar nicht schlimm." Nichts gebrochen, aber das ist ja jetzt schon das dritte Mal, dass sowas passiert ist. (Vor einigen Monaten: 2 Rippen angebrochen).


    Hatten dann noch einen fürchterlichen Tag (weil man ja nichts unternehmen konnte) in dem er alle 2-3 Minuten gefragt hat, wann denn meine Mutter wieder kommt, ob wir sie denn mal anrufen sollen, usw. Gegen 19 Uhr kam sie dann, und wir haben ihn schnell ins Bett gesteckt und konnten uns dann einige Stunden allein unterhalten, was sehr gut war:


    Ich habe ihr meine Erfahrungen berichtet und ihr gesagt, wie Leid es mir tut, diesen Wahnsinn so lange ignoriert zu haben. Wir haben uns dann lang besprochen, und beschlossen, alles daran zu setzen, dass er so bald wie möglich in die Psychiatrie kommt. Danach kann man schauen, ob die Unruhe/Anspannung/Aggressionen medikamentös gelöst werden können, aber wenn er so bleibt wie jetzt, dann kommt er ins Heim. Ich weiss schon, einige von Euch kümmern sich ja ganz rührend um Eltern/Partner, bei denen es genauso oder sogar schlimmer ist, aber wir packen das einfach nicht. Ich habe die letzten 4 Tage kaum geschlafen -- war abends völlig fertig und habe mich um 9 ins Bett gelegt, konnte aber stundenlang nicht einschlafen, und dann um halb 5 wieder wach. Habe mich nicht getraut, die Toilette zu spülen, weil er dann wieder gewandert kommt. Habe in einer der wenigen ruhigen Minuten mal Blutdruck gemessen, 154:102 (bin Anfang 40, hatte noch nie mehr als 120:80). Einmal bin ich kurz zu Edeka und habe ihn im Auto gelassen, wie ein Zombie durch den Markt gelaufen, und an der Kasse kamen mir die Tränen. Wenn ich das hätte weiter machen müssen, ich wäre in 2 Wochen in der Psychiatrie. Deshalb: Es geht einfach nicht mehr!


    Vielen Dank für Eure Ratschläge, gerade never20 und Rose bestärken mich, den Weg Richtung Psychiatrie und ggf. Heim zu gehen. Mein Großvater (mütterlicherseits) war fast 5 Jahre mit Demenz in einem Heim -- wir haben also ein gutes an der Hand, und haben auch mit ihm dort gute Erfahrungen gemacht. Wir sind eigentlich alle 2 Tage mal hin, mit ihm spaziert oder Eis gegessen, hatten all die schönen Sachen (und haben jetzt deshalb gute Erinnerungen an ihn), aber der ganze Schwachsinn, den kriegt man nicht so mit.


    Danke fürs Zuhören!

  • Liebe OiOcha, das was Du beschreibst, klingt einfach nur grausam, egal wie man es betrachtet.

    Mein Verständnis hast Du dafür, wenn Du die Kraft zur Betreuung nicht aufbringst und weißt Du was: ich finde, es ist auch ganz wichtig, das selbst zu erkennen, sich selbst einzugestehen, denn sonst kann man durchaus nur das Unheil vergrößeren, wenn man sich falsch einschätzt.


    Manchen ist es gegeben, das über Jahre leisten zu können, andere - wie Du und auch ich - haben eben andere Stärken, die genauso wichtig sind und es gibt ja die Einrichtungen, in denen die Erkrankten dann eben besser aufgehoben sind, als bei Angehörigen am Ende aller Kräfte und vielleicht auch allen Wissens und Könnens.

    Das sind einfach sehr individuelle Entscheidungen, bei denen niemand das Recht hat, zu urteilen ob "die anderen" das richtig oder falsch machen.


    Für Dich freut es mich, dass Du nun einen, wenn auch schmerzlichen, aber doch deutlichen Weg klarer erkennen kannst, das ist auch schon eine Erleichterung!


    Ein gutes Wochenende allen hier!

    • Offizieller Beitrag

    Hallo in die Runde, Ihr Beispiel, never20 kann den so wichtigen Mut stärken, auch aus meiner Erfahrung ist es fast immer irgendwann besser geworden.


    Ihre Erfahrungen Oiocha sind wirklich schockierend und zeigen eindeutig den großen Hilfe- und Sicherheitsbedarf für Ihren Vater vielleicht eher im Sinne einer Demenz-Milieuttherapie, der in den eingespielten häuslichen Mustern nicht möglich ist. Für einige Aspekte möchte ich gern eine andere Erklärung anbieten:

    • Anders als Ihre Mutter sind sie vollständig und in jedem Moment auf Ihren Vater eingegangen und haben so seine extreme "psychomotorische" Unruhe, den fast unstillbaren Wunsch nach Betätigung und sicherheitsstiftenden Nähe wahrgenommen und diese so gut es ging befriedigt. Das kann Ihre Mutter nicht leisten, dazu sind die Verhaltensmuster viel zu sehr eingespielt - auch mit dem "Entlastungsalkoholismus". Vielleicht ist der sedierend wirkende Alkohol eine Art Selbstbehandlung.
    • Es kann gut sein, dass in einer solchen 1:1 Betreuung der Alkoholkonsum "vergessen" werden kann und eine notwendende medikamentöse Behandlung möglich wird.
    • Sie haben aus meiner Sicht das erlebt, was Ihr Vater braucht und nicht das was Ihre Mutter durchmacht, denn sie hat aus guten Grund den Abstand gewählt - leider mit der Nebenwirkung, dass Ihr Vater die Unruhe, Angst oder Unsicherheit mit Alkohol "behandelt"
    • Sie haben zusätzlich demenztypische Verzerrungen (Warten auf die Mutter) und "richtige" Wahnsymptome beobachtet. In diesen Fällen haben sich Neuroleptika sehr bewährt.

    Welche Schlussfolgerungen haben Sie aus dieser Extrem-Erfahrung gezogen?

    Wäre es möglich, dass Sie Ihren Vater in einer solchen Situation in eine Gerontopsychiatrie bringen können?

    Können Sie sich von den Ärzten*innen dort vorab beraten lassen?


    So wie Sie schreiben, liegt es nahe, dass das krankmachende, sich selbstverstärkende Verhaltensmuster unterbrochen und verändert werden muss, am besten in der Klinik mit einem Entzug. Wenn Ihre Mutter in der Lage ist, den danach etwas ruhigeren Mann geduldig zu begleiten, kann ich mir eine harmonische Ehe mit einem schwer demenzkranken Mann vorstellen - aber es wäre eine eheliche 1:1-Betreuung mit einer extremen dauerhaften Herausforderung an die Geduld und Liebe. Die Alternative ist ein Heim, in dem er Mitbewohner*innen findet, für die seine Anhänglichkeit hilfreich wäre.

    Ihnen viel Klarheit, Ihr Martin Hamborg

    • Offizieller Beitrag

    Nochmal Hallo in die Runde,

    Zu der Psychiaterschelte muss ich doch noch etwas sagen:

    Natürlich gibt es gute und nicht so hilfreiche Ärzte für diese sehr schwer zu behandelnden Menschen und das "richtige" und wirksame Medikament muss oft als Heilversuch erprobt werden.

    Deshalb ist der exakte Bericht des Verhaltens und der Stimmungslage so wichtig.

    Auch ich würde in einer solchen Beratung auch einen Vertrag vorschlagen. Wird er erinnert, ist tatsächlich eine kleine Veränderung möglich. Wird er vergessen, bietet er zumindest den Pflegenden das Gefühl richtig und überzeugt im Sinne einer Patientenverfügung zu handeln.

    Ihr Martin Hamborg

  • Hallo OiOchia,

    Ich kann total verstehen, wie dich diese Tage fertig machen und du brauchst dich vor niemandem rechtfertigen, wenn nun neue Behandlungsmethoden notwendig werden, in einer anderen Umgebung mit geschulten Fachleuten, die eben nicht nonstop , sondern im Wechseldienst mit professionellem Abstand damit umgehen können, deinen Vater beobachten, dokumentieren etc.

    Ich habe es mehrfach miterlebt, wie sich bei alten dementen Menschen eine Situation zugespitzt hat, die dann zunächst furchtbar empfunden wurde, in der Folge aber zu einer für alle verbesserten Situation geführt hat. Es geht ja nicht darum jemanden von euch für irgendwas anzuklagen und ich habe selbst in manchen Situationen eine klare Ansage von außen gebraucht, welche Möglichkeiten offen sind. Oft muss man dafür zunächst Leidensdruck verspüren um Veränderung einzuleiten.

    Es ist ja nicht wie bei manchen anderen Krankheiten eine vorübergehende Leidenszeit von einigen Monaten, Demenz kann sich über viele Jahre ziehen. Von daher chapeau, was du leistest! Du willst niemanden zum Schafott bringen, sondern für Abhilfe und Besserung sorgen ;)

    Und Psychiatrie, besonders GerontoPsychiatrie, die eben genau für solche Fälle konzipiert sind, ist heutzutage wie ein Krankenhaus, teils mit anderen zunächst nicht erkennbaren Verschlussmöglichkeiten, nicht mehr wie man es aus älteren Filmen kennt.


    Ich drücke euch die Daumen, dass ihr bald die richtige Eingebung habt! Kannst du in einer entsprechenden Klinik anrufen, wie das Verfahren ist oder wenn eine Situation bald eskaliert, den RTW rufen?


    Liebe Grüße

    Rose 60

  • Liebe OiOcha -


    Deine Schilderung liest sich wirklich schlimm. Ich bewundere Dich, dass Du es tagelang ausgehalten hast. Und kann vollkommen nachvollziehen, dass Du froh bist, dass es vorüber ist - und fertig bist. Ich hätte das wahrscheinlich nicht durchgehalten. Ich wünsche Dir, dass Du in den nächsten Tagen etwas Erholung findest.

    Liebe Grüße

    Tanja

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