Als sie dann unterwegs ins KH war und ich wieder in die TG kam, sprach mich ein mir unbekannter Nachbar von ihr an. Der wusste, welcher TG-Platz meiner Mutter gehört und schloss daraus, dass ich wohl etwas mit ihr zu tun habe.
Naja es stellte sich heraus, dass sie im ganzen Haus verbreitet, dass sie völlig alleine ist, dass ihre beiden Töchter sich nicht kümmern und sie bestehlen und so weiter.
Obwohl ich das schon vermutet hatte, traf mich das echt hart.Habe dem Herrn versichert, dass das nicht der Wahrheit entspricht und ich mich sehr wohl um sie kümmere - sofern sie es zulässt.
Ihre direkte Nachbarin, die weiß, dass ich oft da bin, hatte das wohl schon so kommuniziert, aber der Dame haben sie wohl auch nicht so recht geglaubt.
Und ja: Ihren Bekannten gegenüber ist sie zuckersüß und wickelt jeden um den Finger. Die würden niemals glauben, dass meine Mutter so bösartig sein kann.
Das tut mir leid, dass Ihr das durchmachen müsst! Als ob der ganze Demenz-Mist nicht schon schlimm genug ist, wenn die Eltern auch noch solche Unwarheiten über einen verbreiten, dann ist das nochmal extra bitter.
Ich erinnere mich an meinen Grossvater vor einigen Jahren, der wohnte hier bei uns im Heim und erzählte der 300km entfernt wohnenden Verwandtschaft, wir würden ihn völlig alleine lassen, er sei richtig verwahrlost. (Stimmte alles nicht, wir haben ihn täglich besucht, sind mit ihm spazieren gegangen, einkaufen usw). Er machte das so überzeugend, gelegentlich riefen Verwandte an, weil sie besorgt waren.
Was mich interessieren würde, was gibt es denn für Strategien, die man anwenden kann, damit Aussenstehende mitkriegen, wie es um den Erkrankten bestellt ist? Bei meinem Vater ist es so, er hält eine ganz tolle Fassade aufrecht, und erzählt allen, wie toll es ihm geht, was er alles macht, usw. Er gibt zu jedem Thema seinen Senf, oft ist es totaler Schwachsinn -- die ganzen ukrainischen Autos, die man hier sieht, die arbeiten alle auf dem Bau, die chinesischen Impfstoffe seien alle gar nicht schlechter, sondern vielmehr sei es am Besten, wenn man von jedem Impfstoff einmal was bekommt, usw. Zu Themen wie Putin, Masken, Klimawandel kann es oft passieren, dass er heute etwas sagt, und morgen das genaue Gegenteil. Aber er spricht so bestimmt, und baut Floskeln ein wie, "das habe ich letzte Woche erst in der SZ gelesen," und es hat noch NIE jemand gesagt, "das ist doch völliger Blödsinn," oder "gestern hast du das genaue Gegenteil erzählt."
Blöderweise wollte es meine Mutter bis jetzt eher verstecken, dass er Demenz hat, und hat erst langsam angefangen, es Freunden zu erzählen. Ich denke, es wäre schon gut, wenn die Leute es selbst mitkriegen würden, aber ich will ihn natürlich auch nicht vor Freunden oder Verwandten demütigen.