Wechselnde Zustände der Erkrankung, auf und ab.

Datenschutzhinweis: Bitte achten Sie darauf, dass Sie im Forum keine persönlichen Daten von sich selbst oder von Dritten posten. Auch sollten Ihre Angaben keine Rückschlüsse auf Ihre Person zulassen.
  • Wenn ich hier im Forum lese, habe ich immer wieder den Eindruck, dass die Demenz meiner Mutter (Pflegegrad 2) noch nicht sehr dramatisch ausgeprägt ist.


    Aber was bei meiner Schwester und mir und weiteren betreuenden Freundinnen in letzter Zeit öfter Thema ist, ist die Frage: wie heftig ist es eigentlich wirklich? Wann spielt sie uns was vor, was ist echt?


    Bei unserer Mutter kommt dazu, dass sie durch Makuladegeneration seit Jahren schon fast blind ist - aber auch da stellen sich ähnliche Fragen.

    Manchmal stellt sie dar, dass sie so gut wie nichts mehr sieht, braucht Hilfe beim kleinsten Schritt und dann wieder, wenn ihr etwas wichtig ist, kann sie dieselbe fremde Strecke, die sie kurz zuvor nur mit stützender Begleitung mühsam und sichtbar für alle unter Aufbietung aller Energie bewältigt hat, plötzlich flott nocheinmal so schnell zum begehrten Ziel gehen, dass die stützende Begleitung von zuvor kaum mehr mitkommt. Das nur ein Beispiel aus vielen Möglichkeiten.


    Und so ist es auch mit ihren alltäglichen Fertigkeiten: was sie zuerst gar nicht mehr zu schaffen scheint, vorgibt, geht plötzlich ohne Hilfe und sie ist fast beleidigt, dass ihr jemand helfen wollte.

    Sie fragt hundertmal dasselbe (kennen ja alle hier) und plötzlich ist sie beleidigt, wenn sie den Eindruck hat, das Gegenüber will ihr was erzählen, was sie doch sowieso weiß.


    Es ist für uns so undurchsichtig, wann sie etwas wirklich nicht mehr kann, weiß, sieht etc. und wann sie wohl doch mehr nach Aufmerksamkeit heischt, indem sie Nichtvermögen vorspielt. Wir wissen letztlich nicht, woran wir bei ihr sind und mir stellt sich auch immer mehr die Frage: weiß sie es vielleicht auch nicht?

    In mir sträubt sich alles, mit den andren anzunehmen, dass es bei ihr mehr Hinterlist ist, ich glaube eher an ein echtes Auf und Ab der Funktionen in ihrem Hirn.


    Daher schließlich auf die einfache Frage gebracht: Was ist wahrscheinlicher - das Auf und Ab oder listige Absicht ihrerseits?

    Hier haben doch viele Erfahrung und auch Fachwissen, ich hoffe auf Eure Ideen. Danke.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo ecia25, so wie Sie mich kennen antworte ich erstmal mit weiteren Fragen für die nächste Diskussionsrunde im Kreis der Betreuenden.


    - Gibt es gesundheitliche Gründe, die die Schwankungen der Hirnleistung erklären lassen? Die Klassiker sind zu wenig oder zu dickes Blut im Gehirn - als Folge einer Austrocknung oder anderer prädeliranter Faktoren, depressive Verstimmung und Schmerzen

    - Welches Bedürfnis oder welche Bedürfigkeit könnten hinter einer "Hinterlist" stehen?

    - Gibt es Auslöser oder Gründe für eine mögliche "Regression", d.h. der "Rückfall" in ältere, kindliche Bewältigungsmuster weil die Krise derzeit besonders stark ist?

    - Was würde passieren, wenn Sie Ihre Mutter damit konfrontieren? (z.B. "gestern bist Du gelaufen, wie ein eine Vierzigjährige und heute geht gar nichts, das verstehe ich nicht ... oder ... spielst Du mir was vor?")

    - Kann der Augeninnendruck manchmal stärker sein, und damit die Sehfähigkeit schwanken, was könnte neben dem Blutdruck dabei eine Rolle spielen?

    - Ist es schlimm, wenn Ihre Mutter Ihre Fürsorge genießt?


    Das spekulative Gespräch im Kreis der Betreuenden ist sehr wertvoll, besonders wenn die Ursachen ergründet und Sichweisen ausgetauscht werden - Ziel ist eine aktuelle "Verstehenshypothese" zum Verhalten. Ich bin gespannt auf weitere Gedanken und Erkenntnisse von Ihnen und hier im Forum, Ihr Martin Hamborg

  • Liebe ecia25 -

    Es ist für uns so undurchsichtig, wann sie etwas wirklich nicht mehr kann, weiß, sieht etc. und wann sie wohl doch mehr nach Aufmerksamkeit heischt, indem sie Nichtvermögen vorspielt. Wir wissen letztlich nicht, woran wir bei ihr sind und mir stellt sich auch immer mehr die Frage: weiß sie es vielleicht auch nicht?

    In mir sträubt sich alles, mit den andren anzunehmen, dass es bei ihr mehr Hinterlist ist, ich glaube eher an ein echtes Auf und Ab der Funktionen in ihrem Hirn

    Wahrscheinlich ist es beides - ich erlebe es ähnlich mit meiner Mutter. Da kommt dann ein "das weiß ich doch, glaubst Du ich bin dämlich?" bei Sachen, die sie wenige Minuten vorher mehrfach nachgefragt hat. Es wird mit der Zeit aber immer offensichtlicher, was sie nicht mehr kann / weiß und was zumindest ein wenig gespielt ist, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Meine Mutter hat definitiv Probleme mit Uhrzeiten, Tagen usw. Das ist nicht gespielt, besonders wenn ein Termin ansteht, gibt es kaum ein anderes Thema. Bei anderen Dingen ist sie an manchen Tagen fit, an anderen weniger. Da habe ich mittlerweile das Gefühl, es interessiert sie nicht so stark. Das kann ich jetzt nur als Beispiel geben, aber vielleicht hilft es ein wenig.

  • Ganz kurz ein herzliches Dankeschön an alle, die geantwortet haben. Vermutlich wird es ein paar Tage dauern, bis ich ausführlicher drauf eingehen kann. Aber es ist mir schon eine Hilfe.

  • Gibt es gesundheitliche Gründe, die die Schwankungen der Hirnleistung erklären lassen? Die Klassiker sind zu wenig oder zu dickes Blut im Gehirn - als Folge einer Austrocknung oder anderer prädeliranter Faktoren, depressive Verstimmung und Schmerzen

    Da sie meist, wenn niemand gezielt drauf hinweist, zu wenig trinkt, kann das ein sehr guter Faktor sein, der gewisse Abs erklärt.



    Kann der Augeninnendruck manchmal stärker sein, und damit die Sehfähigkeit schwanken, was könnte neben dem Blutdruck dabei eine Rolle spielen?

    - Ist es schlimm, wenn Ihre Mutter Ihre Fürsorge genießt?

    Beim Sehen sind es wohl durchaus "normale" Schwankungen, bzw. kennen wir alle es ja von schwerhörigen oder schlecht sehenden, dass sie das, "was sie nicht mitbekommen sollen", dann doch wahrnehmen und ich vermute, bei ihr ist es auch sehr abhängig davon, wie groß ihr Interesse an etwas ist. Dann ist sie auch bereit mehr Mühe und Konzentration einzubringen.


    Fürsorge genießen ist so eine Sache: sie will, dass sich alles um sie dreht, sie im Mittelpunkt steht (sie stand von Kindesbeinen an immer irgendwo im Abseits, seit ihr Vater, dessen Engel sie war, gestorben war). Aber sie will vordergründig und ausgedrückt keine Fürsorge, denn das würde ja in ihrer Sicht bedeuten, dass sie hilfebedürftig ist und das will sie auf keinen Fall sein.


    Jedenfalls sind mir hier meine Fragen schon gut beantwortet worden, bzw. haben sinnvolle Überlegungen angeregt.

    Ich habe jetzt den Weg gefunden, mit meiner Schwester und unserer schwesterlichen Freundin zu reden und auch ihre Sichtweise wieder in positivere Bahnen zu lenken.

    Danke für die Denkanstöße, Herr Hamborg.


    Danke auch an schwarzerkater und TanjaS, Eure Antworten haben mir auch sehr geholfen, mir letztlich Sicherheit gegeben in meiner Betrachtung und somit eben auch im Umgang mit anderen Betrachtungsweisen.

    Es ist einfach immer wieder gut, sich hier mit den Demenz-Erfahrenen austauschen zu können.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Ecia25, danke für die Rückmeldung. Ich kann mir gut vorstellen, dass der frühe Tod des Vaters Ihre Mutter sehr geprägt hat und jetzt in der Demenz die alte Wunde aufbricht. Sie hat ja nicht nur Ihren Vater verloren, sondern auch das Engel-erleben. Wenn es so ist, kann ich mir zwei starke Bedürfnisse vorstellen, das nach Trost in Unterstützung der Trauer und das nach Glorifizierung und der unbedingten Anerkennung ihres Da-Seins.

    Alles Gute in die Runde, Ihr Martin Hamborg

  • Liebe ecia25 -


    schön, dass Dir die Antworten geholfen haben. Halt die Ohren steif und alles Gute für Dich!

    Einen erholsamen Sonntag

    TanjaS

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!