Vater krebskrank, Mutter dement

  • Die Diagnose Demenz bei meiner Mutter steht seit einer Woche, überrascht ist niemand. Mein Vater hat Krebs, ist aber recht stabil.
    Das könnte alles einigermaßen funktionieren, denn die Situation ist _noch_ händelbar.


    Problem ist, dass meine Eltern sich nicht einig sind, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Meine Mutter will unbedingt im Haus bleiben und so viel wie möglich im Garten arbeiten, mein Vater würde gerne noch Unternehmungen planen, so lange es geht. Er hasst den Garten glaub ich mittlerweile.
    Die beiden streiten oft und schlimm und jammern mir über den jeweils anderen die Ohren voll.

    Bei meiner Mutter passt es ins Krankheitsbild, bei meinem Vater vermute ich zusätzlich zum Krebs eine Depression. Ich hab wirklich Angst davor, dass die Lage irgendwann komplett eskaliert.
    Meine Mutter will ihre Krankheit nicht wahr haben und beschimpft meinem Vater, der wiederum flippt regelmäßig aus, wenn sie alles fünfmal sagt und kompensiert mit sehr ungesundem Lebensstil, der nicht mit seiner Krankheit harmoniert.


    Aber ich weiß nicht, wie ich irgendwas besser machen kann, 1,5 Autostunden entfernt und komplett allein und überfordert mit dieser Frage.


    Sie wollen im Prinzip keine Einmischung, meine Mutter versucht auch alles zu vertuschen, aber ich kann doch nicht einfach zuschauen, wie sie sich das Leben zur Hölle machen?

  • Hallo clawood! Wahrscheinlich wird Dir nichts anderes übrigbleiben, als jetzt erst Mal zuzusehen, denn Eingriffsmöglichkeiten gibt es (noch) nicht. Zumindest die Demenz-Diagnose ist ja, auch wenn nicht überraschend, doch noch sehr frisch. Die Eltern werden Zeit brauchen, damit klar zu kommen.


    Außerdem ist es ja wirklich für die Eltern sehr schwer, diese Diagnosen zu akzeptieren, gerade das viele Selbstmachen-Wollen zeigt sehr deutlich, dass sie sich möglicherweise selbst beweisen wollen, was sie alles noch können.

    Dass sie keine Einmischung wollen, zeigt ja deutlich, dass sie die Situation im Moment noch selbst händeln wollen - und es vielleicht für sich gefühlt einigermaßen hinbringen, auch wenn es für Dich, für Außenstehende schon nach Katastrophe aussieht.


    Was für Dich im Moment hilfreich sein könnte, wären evtl. Beratungsgespräche in Einrichtungen für Angehörige z.B. bei Diakonie, Caritas etc. Schau doch mal, ob es da was bei Euch in der Gegend gibt.


    Ansonsten war es sicherlich auch eine gute Idee, Dich hier anzumelden, da wirst Du mit Sicherheit noch mehr - vielleicht sogar hilfreichere - Antworten bekommen, als nur von mir.

  • Hallo clawood! Herzlich Willkommen! Gut, dass Du dieses Forum gefunden hast; man bekommt viele nützliche Ratschläge, und oftmals hilft es schon, sich Dinge von der Seele schreiben zu können.


    Dass Deine Eltern keine Hilfe wollen ist eigentlich ganz normal, es wird vertuscht und gesagt, es geht schon. Gleichzeitig ist auch das Klagen (über den jeweils anderen) ganz normal, Ehehölle auch recht häufig. Wenn Du 1 1/2 Stunden weg wohnst, dann wirst Du vieles auch gar nicht mitkriegen, bzw. kannst Dich nicht um jede Kleinigkeit kümmern. Ich denke, am Anfang ist sicherlich der Impuls groß, alles geregelt zu bekommen, bzw. den nicht dementen Elternteil zu schützen. Aber wenn beide nicht wollen, dann ist das schwierig. Was ich auf jeden Fall dringend raten würde ist notarielle General/Vorsorgevollmachten erstellen, ohne die bist Du nämlich irgendwann mal aufgeschmissen. Und wie ecia25 sagt, Beratungsstellen u.ä. in der Nähe der Eltern befragen, Optionen für Hilfe zusammentragen. Freunde une Verwandte einweihen. Und schliesslich sich auch selbst überlegen, was man bereit ist, zu machen; ich wohnte z.B. can 15 Flugstunden entfernt und hatte von der Dimension der Probleme gar keine Ahnung -- hätte immer noch keine, wenn ich nicht zu Beginn von Covid in Deutschland gestrandet wäre und 6 Wochen bei meinen Eltern gewohnt hätte.

  • Danke euch. Notarielle Patientenverfügungen und Patientenvollmachten gibt es schon seit einigen Jahren. Eine Sorge weniger. Aber vll. müsste man die updaten...

    Ein Telefonat mit einer Beratungsstelle und dem Hausarzt ist für morgen geplant.
    Den frag ich, wie das mit Pflegestufe ist - das wäre mir noch wichtig, um agieren zu können, wenn es nötig ist.

    Und dann - da habt ihr sicher recht, muss ich einfach hinnehmen, dass ich wenig bis nichts tun kann...

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Clawood, zunächst willkommen im Club - hier in unserem Froum!

    So wie ecia25 und OiOcha schreiben, gibt es diese Situation wohl viel häufiger als wir denken. Beide haben schon wichtige Anregungen gegeben.

    Wir Kinder können in solchen Situationen wenig machen, aber dieses "wenig" ist bei Ihren Beschreibungen schon sehr viel. Darf ich Ihnen einige Schritte in die richtige Richtung zusammenfassen und kommentieren?

    • Ihre Mutter hat nun die Diagnose Demenz und damit bekommen Sie Hinweise, wie das Verhalten eingeordnet werden kann und was in der familiären Konfliktdynamik hilft und schadet. In den Streits geht es vermutlich nur vordergründig um das Recht-Haben, dahinter steht oft der verzweifelte Versuch die eigene Autonomie mit den schwindenden kognitiven Kräften zu erhalten.
    • Für einen Pflegegrad kann der Hausarzt nur mittelbar unterstützen, weil Diagnosen und ärztliche Einschätzungen keine direkte Rolle mehr spielen. Ambulante Dienste bieten da ganz gute Hilfestellungen an. Sie finden die "Begutachtungsrichtlinie" beim MD-Bund, Essen auch im Netz und können sich einen Eindruck verschaffen, worauf es ankommt. Um bei einer beginnenden Demenz einen Pflegegrad 2 zu erreichen, ist es erforderlich, die Einschränkungen in der sozialen Teilhabe (Modul 6) und die Verhaltensweisen und Problemlagen (Modul 3) sorgfältig und unverblümt zu beschreiben. Erst mit dem Pflegegrad 2 haben Sie die Möglichkeit Ihre Mutter "zur Erholung" zeitweise in einer Kurzzeitpflege unterzubringen.
    • So wie Sie schreiben, braucht Ihr Vater vermutlich von Ihnen die größte Unterstützung: Er muss mit seiner Krankheit zurechtkommen und nur er kann die Konfliktdynamik herunterschrauben. Er kann lernen, seine Frau vergisst immer mehr und Streit oder Stress verstärkt dies noch. Ist er in der Lage, eine geduldig fürsorgliche Perspektive für seine Ehefrau einzunehmen? Können Sie ihn in seinen Sorgen um den Krebs trösten, auch ohne viel Worte?

    Ihnen viel Kraft und Erfolg bei einer Beratungsstelle und den Einrichtungen, die Sie jetzt für den Notfall kennenlernen! Ihr Martin Hamborg

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