Demenz und Nierenversagen

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  • Liebes Forum, ich habe hier jetzt schon viele Beiträge gelesen und viel gelernt. Die gegenseitige Unterstützung hier und das Lesen erlebe ich als wirklich hilfreich... trotzdem passt nichts so ganz auf meinen Vater (78 Jahre), so dass ich euch hier gerne einmal seine/unsere Situation schildern möchte.


    Mein Vater hatte bis vor sechs Wochen eine mittelschwere Demenz (Alzheimer, Pflegestufe 2, eine Höherstufung ist aktuell beantragt), wohnte aber noch mit meiner Mutter Zuhause. Obwohl die Demenz sich im letzten Jahr deutlich verschlimmert hat, konnte er z.B. immer noch Zeitung lesen und morgens zum Bäcker laufen. Auch war es möglich ihn für begrenzte Zeiträume alleine zu lassen.


    Nach einer von mehreren Ärzten als wirklich dringlich eingestuften Hüft-OP vor ca. sechs Wochen befindet er sich nun in einer Abwärtsspirale, die wir in dieser Form und Geschwindigkeit nie erwartet hätten und die uns (neben meiner Mutter gibt es noch mich und meinen Bruder als allernächste Familienmitglieder) mindestens teilweise überfordert. Nach der OP ging es damit los, dass mein Vater extrem verwirrt war und sich alles was an Drainagen, Verbänden, Schläuchen an seinem Körper befand, immer wieder abriss. Auch entwickelte er eine extreme Unruhe und Lauftendenz bei zunehmender räumlicher Desorientierung. Nicht nur, aber insbesondere nachts. Meine Mutter, die zum Glück in der Woche nach der OP mit ihm als Begleitperson im Krankenhaus sein konnte, hat bereits in dieser Krankenhauswoche kaum ein Auge zutun können.


    Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ist mein Vater in eine Tages-Reha gekommen und war die restliche Zeit über wieder Zuhause. Das täglich spürbare weitere Fortschreiten der Verwirrung/Demenz und die große nächtliche Unruhe mit Lauftendenz bei gleichzeitig großer räumlicher Desorientierung und Sturzgefährdung (und mehreren realen Stürzen, die mitunter mit viel Blut und Notarzteinsatz verbunden waren) haben uns, vor allem aber meine Mutter, seither stark belastet und es zeichnete sich bereits ab, dass diese Situation als Dauerzustand Zuhause kaum zu bewältigen ist.


    Wie wir erst zum Ende der Reha klar kommuniziert bekommen haben, sind die Nierenwerte meines Vaters bereits seit seiner Zeit im Krankenhaus extrem schlecht und im Bereich des Nierenversagens. Sie sind wohl auch mit ursächlich für das schnelle Fortschreiten der Demenz. Ihn medikamentös einzustellen ist schwierig, weil er zugleich Wassereinlagerungen hat, die behandelt werden müssen. Die medikamentöse Einstellung ist dann wohl eine Gradwanderung. Von einer Dialyse wurde uns aufgrund seiner fortgeschrittenen Demenz und seines Alters und Allgemeinzustandes abgeraten, so dass nur eine konservative Therapie infrage kommt - das ist für uns auch völlig in Ordnung, da wir glauben, dass er bei einer Dialyse sehr leiden würde.


    Nachdem sich die verlängerte Reha dem Ende zuneigte, wurde mein Vater stationär auf eine geriatrische Station des Krankenhauses, in dem auch die Tages-Reha war, aufgenommen - mit dem Ziel dort medikamentös sowohl hinsichtlich der Niere als auch in Bezug auf seinen gestörten Tag-Nacht-Rhytmus, eingestellt zu werden. Zuerst hieß es, dass das durchaus 3-4 Wochen dauern könne, nun soll er plötzlich nächste Woche entlassen werden, obwohl in den wenigen Tagen auf der Station noch vieles oben drauf gekommen ist: Herzrasen und Atemnot, aggressives Verhalten und weiterhin große Unruhe, Schluckbeschwerden, Harnwegsentzündung. Er sieht sehr schlecht aus. Die Demenz hat sich so stark verschlimmert, dass mein Vater meine Mutter nun erstmals nicht mehr erkannt hat, das schwankt aber, heute hat er sie wieder erkannt.


    Parallel hat meine Mutter inzwischen begonnen nach einem Platz in einem Pflegeheim Ausschau zu halten, was sich sehr schwierig gestaltet, da die Wartelisten in den als gut geltenden Heimen bei uns im Umkreis sehr lang sind und wir dort in den nächsten Monaten keinen Platz erwarten können. Beratungstermine beim Sozialdienst des Krankenhauses und beim örtlichen Pflegestützpunkt stehen diese Woche noch an. Auch wissen wir um die Möglichkeit der Kurzzeitpflege, aber auch da stellt sich die Frage, ob seine große Unruhe und Lauftendenz und auch die Aggressivität, die kurzfristige Suche nach einem Platz erschweren...wir wissen nicht mehr so richtig weiter, auch weil ständig irgendwas Neues passiert und uns bislang niemand klar sagen konnte, was für eine Entwicklung wir erwarten können und was dies für die Organisation der Pflege bedeutet... wir haben uns z.B. gefragt, ob eine Palliativstation oder ein Hospiz bereits der angemessene Ort für meinen Vater wären, aber da wurde uns gesagt, dass dies im Moment noch zu früh sei. Zugleich liegt seine Lebenserwartung bei maximal 6-12 Monaten. Wie können wir mit diesen Ungewissenheiten, zumal in der dringlichen Situation gerade möglichst schnell einen Platz für ihn finden zu müssen, umgehen...? Und wie finden wir überhaupt den richtigen Ort für seine spezielle Situation? Finden das wirklich sehr schwierig.


    So, das war viel, ich hoffe es hat jemand bis hierher gelesen. Fällt wem was ein zu unserer Situation und/oder hat eine Idee, was wir noch machen könnten? Wir sind dankbar für jeden Tipp! <3


    Herzliche Grüße in die Forenwelt von Leiselaut

  • Hallo Leiselaut,

    Das ist wirklich eine schwierige Situation.. Palliativstation gehört ja zum Krankenhaus für akut Schwerstkranke und Hospiz mit max.einem halben Jahr Lebenserwartung (nach meinem Kenntnisstand) , darüber müsste aber der Sozialdienst des KKH Bescheid wissen, da würde ich die Gespräche abwarten, nachfragen kann man im Hospiz natürlich, ich weiß nicht wie das mit Demenz dort machbar ist, eher für Krebskranke U.ä.

    Am besten wäre ja Kurzzeitpflegeplatz, die oft in Dauerpflege übergeht.. es klingt ja für deine Mutter über einen längeren Zeitraum offensichtlich nicht gut machbar, daher hilft es oft, wenn die Überleitung direkt vom KKH aus geschieht, klingt doch schon nach Notfall.

    Wenn nun dieses schwierige Verhalten dazukommt, was deiner Mutter nicht zumutbar ist mit Aggressivität, nicht erkennen - das kann ja gefährlich werden - fällt mir noch die Möglichkeit der GerontoPsychiatrie ein, wo medikamentös Einstellung geschehen könnte und von dort aus nach Pflegeplatz, das wären nochmal ein paar Wochen Aufschub. Deine Mutter sollte klar sagen, dass sie die Versorgung keinesfalls übernehmen kann.

    Ich drücke euch die Daumen!

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Leiselaut,


    das liest sich wie ein (nicht seltener) Verlauf - Delir in Folge / Zusammenhang mit der OP / Ortswechsel etc. . Eine Demenz an und für sich ist bereits risikosteigernd eine Delir zu erleiden, dazu männlich, höheres Lebensalter.... . Weisen Sie das Krankenhaus unbedingt darauf hin, ob aktuell und in diesem Zustand eine häusliche Versorgung durch Sie gewährleistet werden kann. Es ist gut möglich, dass man Ihnen die Entlassung nach Hause in Verbindung mit einem Pflegedienst vorschlagen wird. Bei dem was Sie schildern, will gut überlegt sein ob das so machbar ist. Das Krankenhaus muss auch für eine adäquate Entlassung Sorge tragen.


    Kontinuität ist für Ihren Herrn Vater sicher wichtig, mehrfache Ortswechsel in kurzer Zeit würde ich nach Möglichkeit vermeiden. Sie sollten so viele Kanäle anzapfen wie möglich, neben dem was das Entlassmanagement der Klinik versuchen muss und (hoffentlich) wird. Pflegekasse, regionale Alzheimer Gesellschaft, Beratungsstützpunkte, ggfs. kommunale Beauftragte etc. . Vielleicht bekommen Sie da irgendwo "den rettenden" Tipp. Für die Platzsuche verfügt der Wegweiser auch über eine Adressdatenbank.

    Berichten Sie gerne, was das Gespräch mit dem Sozialdienst ergeben hat.
    Ich hoffe, dass eine gute Lösung vorbereitet ist bzw. dabei herauskommt.


    Es grüßt Sie


    Jochen Gust

  • Auch wenn es mit einigen Tagen Verzögerung kommt... herzlichen Dank für die raschen Antworten, liebe Rose60 und lieber Herr Gust!


    Meine Mutter hat sich letztendlich ziemlich reingehangen in die Suche nach einem Pflegeheimplatz bzw. einer Kurzzeitpflege, da wir doch Sorge hatten, dass die über den Sozialdienst des Krankenhauses und den Pflegestützpunkt notfallmäßig vermittelten Plätze dann genau in einem der Heime mit dem besonders schlechten Ruf gewesen wären. Über den Hinweis einer Bekannten haben wir nun einen Kurzzeitpflegeplatz für 4 Wochen in einem kleinen Pflegeheim bekommen, welches sehr gut sein soll. Da es so klein ist leider mit wenig Hoffnung auf einen dauerhaften Platz... die Suche nach einem Pflegeheimplatz geht also weiter.


    Morgen ist der große Tag des Wechsels vom Krankenhaus in die Kurzzeitpflege, den meine Mutter und ich begleiten werden. Da ist uns sehr mulmig. Mein Vater hatte heute wohl einen ansich sehr guten und klaren Nachmittag als meine Mutter ihn besucht hat. Sie sagt, er hat bitterlich und lange geweint als er am Rande (durch eine unachtsame Ärztin, die sich kommunikativ wie der Elefant im Porzellanladen verhalten hat) erfahren hat, dass er morgen nicht nach Hause, sondern in die Kurzzeitpflege wechselt...und hat zugleich angefangen meine Mutter zu beschimpfen, wie sie ihm das antun könne (er ist der Meinung gesund zu sein und problemlos nach Hause zu können). Wir sind sehr gespannt, wie das morgen mit ihm wird. Aber das ist wohl ein anderes Thema.... und besser unter anderen Beiträgen hier aufgehoben.


    Herzliche Grüße von Leiselaut

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Leiselaut, ich möchte noch mal die Einschätzung von Jochen Gust bestärken: Vieles von dem was Sie schreiben hört sich nach einem behandlungsbedürftigen Delir an, zusätzlich zur bestehenden Demenz und den durchaus häufigen postoperativen kognitiven Verschlechterungen.


    Besprechen Sie bitte mit der Kurzzeitpflege die Delirprävention, die auch als eine Folge der inneren Vergiftung infolge der Nierenerkrankung unverzichtbar ist. Wenn Sie da Argumente oder Ideen brauchen, ist Herr Gust mit seiner großen Erfahrung sicher eine gute Hilfe!


    Ich wünsche Ihnen sehr, dass sich Ihr Vater gut einlebt und im Heim die Rahmenbedingungen, die Krankenbeobachtung und richtige Behandlung bekommt, die er notwendig braucht! Ihr Martin Hamborg

  • Vielen Dank für Ihren zusätzlichen Beitrag, lieber Herr Hamborg!


    Nachdem was ich inzwischen gelesen habe, teile ich Ihre und Herrn Gusts Einschätzung, dass es sich auf jeden Fall auch um ein Delir/dessen Folgen handelt. Tatsächlich wurde vieles, was man meines Wissens zur Behandlung eines Delirs tun kann, auch bereits getan... allerding erst ab der Tagesreha und nicht in der Woche nach der OP durch die chirurgische Abteilung, in der mein Vater nach seiner OP eine Woche lang stationär behandelt wurde. Dort sind mit Sicherheit Fehler passiert, die wirklich nicht hätten sein dürfen. Zum Beispiel durch hochdosiertes Ibuprofen, welches sowohl bei den schlechten Nierenwerten als auch in Sachen Delirprävention nicht hätte gegeben werden dürfen, soviel ich weiß. Und auch die Missachtung und Nicht-Behandlung seiner schlechten Nierenwerte nach der OP überhaupt... in der Tages-Reha hat man sich sehr darüber gewundert, dass mein Vater mit diesen Nierenwerten überhaupt entlassen wurde. Wie auch immer. Wir haben das ja alles leider erst zum Ende der Tages-Reha klar kommuniziert bekommen. Und die OP ist inzwischen 7 Wochen her.


    Mein Vater hat seit gestern einen dauerhaften Platz auf der geschützten Demenzstation eines Pfegeheims, von der wir einen sehr guten Eindruck haben. Wir hoffen, dass nun endlich etwas Ruhe in die ganze Situation einkehren kann... der zusätzliche Wechsel nach den wenigen Tagen Kurzzeitpflege (von der wir entgegen der Empfehlung, die wir erhalten hatten, nämlich letztlich keinen guten Eindruck hatten) in das neue Pflegeheim war für meinen Vater ganz bestimmt eine zusätzliche Belastung. Sein Zustand ist mit Ausnahme von kleineren Momenten der Klarheit seit vielen Wochen gleichbleibend verwirrt und eher schlecht mit starker räumlicher Desorientierung und Lauftendenz. Sein Tag-Nacht-Rhytmus ist aber halbwegs wieder eingestellt.


    Was mich nun interessieren würde ist, was wir als Angehörige nach sieben Wochen Ihrer Einschätzung nach in Sachen Delir überhaupt noch tun können...? Ich habe mich gefragt, ob das Kind da nicht schon zu weit in den Brunnen gefallen ist oder ob es Hoffnung gibt, dass sich da nochmal was bessert? Kann da außer einer guten Betreuung mit liebevollem Sozialkontakt (auch zu uns als Angehörigen) und Anregung, Mobilisation, Gedächtnistraining... (was auch in den vergangenen Wochen auf dem Programm stand) bei nun endlich dauerhaft neuem Umfeld noch etwas getan werden?


    Herzliche Grüße von Leiselaut

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Leiselaut, alles was Sie geschrieben haben, kann helfen, wenn es nicht überfordert sondern Spaß macht. Ziel ist die Entspannung des Systems, die Vermeidung von Stress, ein gelingendes Einleben und die Unterstützung in der Trauerarbeit. Diese Faktoren wirken delir-präventiv und sind aber auch unabhängig von diesem Krankheitsbild wichtig. Vielleicht hat Jochen Gust noch eine Einschätzung dazu.

    Ihr Martin Hamborg

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