Wie geht es euch - Kapitel V

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  • Es ist eigentlich glasklar, dass ich die Frequenz der Besuche zurückfahren muss, doch außer mir kommt quasi niemand dorthin außer alle drei Monate meine Schwester, die vorher über Jahrzehnte täglich mit meiner Mutter zusammengegluckt hat.


    Im Heim wird es wohl kaum jemand verstehen, da meine Mutter einen Sympathiebonus hat

    Liebe Rose, schön von dir zu lesen, auch schön, dass dir die Reha gut tut.


    Ich bin mir ziemlich sicher, dass es für deine Mutter keinen Unterschied macht, wenn du sie seltener besuchst als jetzt. Sie ist doch bereits auch innerlich in einem ganz anderen Zuhause angekommen und scheint sich da auch wohlzufühlen.

    Meinst du, das Heim erwartet Besuche in einer gewissen Häufigkeit?


    Wenn ich mal von mir berichten darf: Bei uns ist es definitiv so, dass meine Mutter inzwischen gar nichts mehr mit mir anfangen kann. Es würde ihr nicht auffallen, wenn ich nicht mehr käme.

    Beim Heim hab aber auch ich das Gefühl, dass sich alle freuen, wenn wir kommen. Außerdem gibt es für uns oftmals viele Dinge zu erledigen. Aber wenn wir sagen, dass wir etwas vorhaben und daher ein Besuch ausfällt, ist es auch okay.

    Was bleibt, ist so eine Art "schlechtes Gewissen", das eigentlich niemandem hilft, im Gegenteil.

    Vielleicht kannst du es dort in der Reha mal ansprechen und eventuell hier mal den einen oder anderen Tipp für den Umgang damit nennen.


    Ich tröste mich immer damit, dass wir zusammen mit der dementen Person halt eine Ausnahmesituation durchmachen und es daher ziemlich normal ist, dass man auch psychisch an seine Grenzen gerät.


    Aber - wie gesagt - für die demente Person selbst ist es nicht mehr so wichtig, wie häufig Besuch kommt. Die zeitliche Orientierung schwindet fast zuerst, selbst wenn verbal etwas anderes geäußert wird, z.B. Du warst aber lange nicht da ... Das hat meine Mutter vor einiger Zeit (als sie noch sprach) auch dann gesagt, wenn ich zwei Stunden vorher bei ihr gesessen hatte.


    Ich wünsche dir sehr, dass du ruhiger wirst und Strategien lernst, wie du mit der Situation weiter umgehen kannst.

  • Liebe Rose -


    schön zu lesen, dass Dir die Auszeit gut tut. Mehr davon - erhole Dich, atme tief durch. Du hast es Dir sowas von verdient. Und mach weiter damit. Du tust so viel für Deine Mutter. Ich sehe es ähnlich wie schwarzerkater: Eine demente Person merkt das nicht. Eine der Pflegerinnen im Heim meiner Mutter hat mir mal gesagt, dass bei vielen Dementen das Zeitgefühl als erstes "geht" - bei meiner Mutter war es auch so. Sie hat jedem erzählt, dass ich sie monatelang nicht nicht besucht hätte, auch wenn es erst 2 Wochen, 2 Tage oder 1 Monat her war. Ich werde jetzt selbst das machen, was ihr mir im Forum geraten habt: Die Zeit zwischen den Besuchen verlängern. Für meine Mutter ist Zeit etwas fließendes, das nicht an Tage oder Wochen oder Uhrzeiten gebunden ist.

  • Ich werde jetzt selbst das machen, was ihr mir im Forum geraten habt: Die Zeit zwischen den Besuchen verlängern. Für meine Mutter ist Zeit etwas fließendes, das nicht an Tage oder Wochen oder Uhrzeiten gebunden ist.

    Sehr schön gesagt, liebe Tanja :!:

  • Liebe Rose,

    es scheint als wolltest du die Verantwortung für jeden einzelnen in deiner Familie und für die Ratsuchenden hier im Forum, wenn nicht für die ganze Welt auf deinen Schultern tragen.
    Es wäre schon viel gewonnen, wenn du dir sagst: Nicht alles auf einmal! Jetzt erstmal das tiefe Luftholen, dann die Gedanken ordnen: Was zuerst, was später?
    Liebe Grüße von Buchenberg und Frau

    Lieber Buchenberg,

    Ganz so krass ist es zum Glück nicht, aber mein Verantwortungsgefühl springt sicher schneller an als bei manch anderem. Ich bin dabei zu bearbeiten, woher das rührt und wie ich damit umgehen kann. Das ist bei entsprechender Konditionierung nicht so einfach über den Kopf zu regeln. Aber daher war ja mein Bauchgefühl so richtig und wichtig den Aufenthalt zu erkämpfen, bevor ich in der Regelpsychiatrie lande.

    Ihr hier seid selbstverantwortlich und auch meinen Kindern gegenüber bin ich keine Glucke, nur bzgl.meiner Herkunftsfamilie besteht noch das Problem relativ intensiv.

    LG

  • Liebe Rose,

    jetzt da du Zeit hast, um an dich zu denken, solltest du vielleicht gar nicht in das Forum schauen.

    Ich wünsche dir inneren Abstand zu allen Problemen und damit Erholung!

  • Liebe Rose60


    wie schön zu lesen, dass Dir der Aufenthalt in der Klinik gut tut, auch wenn dabei durch Gespräche ganz vieles an die Oberfläche kommt ...

    Die letzten Tage merke ich zunehmende Entspannung, mir wird aber auch bewusst, wie mich der Abstand zu den Altenheimbesuchen entspannt, wie sehr mich der Kontakt mit meiner Mutter besonders seit dem Tod meines Bruders im Frühjahr belastet hat, weil in dem ganzen Zusammenhang alte Bilder getriggert werden, welche Schuld meine Mutter auch auf sich genommen hat... Ich weiß nicht, ob das jemand versteht hier, aber irgendwie muss ich es mal loswerden.

    Als ich Deine Zeilen gelesen habe, habe ich gedacht, dass es da wohl noch vieles im Zusammenhang mit Deiner Mutter gibt, das Du für Dich sortieren und einorden musst. Das ist ein schwieriger und schmerzhafter Prozess, aber ich glaube, es ist gut, dass Du Dich auf den Weg gemacht hast ... Wenn wir heute für diejenigen sorgen (müssen), die nicht für uns gesorgt haben, als wir schutzbedürftig waren, dann ist das eine Erfahrung, die emotional sehr belastend ist.

    Ich wünsche Dir, dass Dir die Gespräche in der Kur helfen und dass Du dort wieder Kraft findest.

    Alles Liebe und gute Gedanken, SunnyBee

  • "Wenn wir heute für diejenigen sorgen (müssen), die nicht für uns gesorgt haben, als wir schutzbedürftig waren, dann ist das eine Erfahrung, die emotional sehr belastend ist."

    Liebe Sunnybee,

    Das hast du sehr gut auf den Punkt gebracht und hilft mir. Vielen Dank!!

    Irgendwie ist es nicht so einfach zu entspannen, wenn man in solch einer Klinik ja schließlich vorwiegend mit problembeladenen Leuten zu tun hat und in den Wunden kramt - aber dafür bin ich (auch) hier und der Abstand hilft für die Außenansicht.

    Liebe Grüße

  • Liebe alle,


    den Geburtstag meiner Mutter gestern haben wir mehr oder weniger unbeschadet überstanden. Es war sehr traurig. Sie hat sich gefreut, dass wir mit 4 Personen zum Kaffee trinken da waren - und - weil ich da war - hat sie nur über zu Hause geredet. Also in Theorie müsste sie jetzt - heute - Montag in ihrer Wohnung sein. - Wir haben gestern mit ein paar Freunden telefoniert , die ihr

    gratuliert haben und nach einer Stunde hatte sie das vergessen. Und sie möchte auch ihr Telefon zurückhaben.


    Ich konnte fühlen, das auch die Freundinnen meiner Mutter sich schwer getan haben. - Sie hat nicht aufgehört davon zu reden nach Hause zu kommen.

    Dann hat sie auch geweint. Das hat mir das Herz gebrochen. - Es kam dann noch eine Mitbewohnerin ,die wir auch zum Kuchen eingeladen haben - und auch die wurde weinerlich. - Als wir irgendwann raus waren , hat die Freundin meiner Mutter gemeint, das diese Weinerlichkeit ein Mittel ist um Aufmerksamkeit zu bekommen. - Ist dies typisch für Demenz ? - Meine Mutter hat nie in ihrem Leben geweint - außer in 1985 als mein Vater starb. Hört das vielleicht auch irgendwann wieder auf ? Als die Mitbewohnerin anfing zu weinen, waren wir uns alle auf sie fokussiert und prompt - das Weinen hörte auf.


    Was um Himmels Willen passiert bei einer dementen Person im Kopf ???

    Ob ich diese Woche sie besuche, kann ich noch nicht sagen. Die 2 Stunden gestern haben mich schon wieder umgehauen.


    So fu....ing sad !

    Elbe

  • Dann hat sie auch geweint. Das hat mir das Herz gebrochen. - Es kam dann noch eine Mitbewohnerin ,die wir auch zum Kuchen eingeladen haben - und auch die wurde weinerlich. - Als wir irgendwann raus waren , hat die Freundin meiner Mutter gemeint, das diese Weinerlichkeit ein Mittel ist um Aufmerksamkeit zu bekommen. - Ist dies typisch für Demenz ? - Meine Mutter hat nie in ihrem Leben geweint - außer in 1985 als mein Vater starb. Hört das vielleicht auch irgendwann wieder auf ? Als die Mitbewohnerin anfing zu weinen, waren wir uns alle auf sie fokussiert und prompt - das Weinen hörte auf.


    Was um Himmels Willen passiert bei einer dementen Person im Kopf ???

    Liebe Elbe, dein Beitrag passt gut auf meine heutige Situation: Über Wochen und Monate hinweg hat meine Mutter uns fast nicht mehr erkannt, kaum ein Wort gesprochen, schien aber ganz zufrieden zu sein.


    Heute wollten wir sie - wie schon oft - aus ihrem Zimmer zum Kaffeetisch holen. Da schien sie plötzlich viel orientierter und "heller", stapelte gerade ihre Zeitschriften. Dann sagte sie sehr deutlich und klar und seeehr traurig: "Ach ... es ist schlimm!"

    Auch meine Mutter hat in ihrem Leben kaum einmal geweint, kaum Schwäche gezeigt. Und da haut einen das natürlich um, plötzlich die Person so traurig-hilflos zu sehen. Mit ihrer Aggressivität konnte ich da viel besser umgehen ...


    Ich kann also gut verstehen, dass dich die Traurigkeit deiner Mutter belastet. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass es ihr (nur) um Aufmerksamkeit geht. Die Demenz zerstört zwar nach und nach viele Hirnareale, aber wenn man in Ansätzen weiß, wie das Gehirn funktioniert (das Thema ist ein Teil meines beruflichen Lebens), dann kann man sich vorstellen, dass ab und zu wiederum neuronale Verbindungen geschaltet werden, die Verlorengegangenes in anderen Zusammenhängen wieder auftauchen lassen, weil wir eben auch verschiedene Speicherorte für alles (Sprache z.B.) haben. Allerdings bedeuten die Äußerungen/Handlungen nicht immer dasselbe wie bei "Gesunden".

    Das zu wissen macht es (mir) aber nicht einfacher.


    Ich glaube, WIR Angehörige müssen ebenfalls lernen, den durch die Krankheit verursachten Verfall und die damit verbundene Traurigkeit auszuhalten. Das ist echt schwer, aber es ist normal, dass das schwer ist. Wir müssen leider zulassen und mitansehen, dass unsere Angehörigen, wenn sie ihren Verfall einmal bemerken, traurig sind. Wer geht schon gern SO von dieser Welt ...


    Ich sage mir dann immer, wenn die Traurigkeit mich überwältigt: Was hätte ich denn anders und besser machen können? Habe ich die Kraft/die Möglichkeit, den Verfall aufzuhalten? Und dann ist die Antwort "Nein, leider nicht!" und dann hilft es mir, einfach auch mal darüber zu weinen ...


    Ich hab an anderer Stelle geschrieben, dass ich lernen musste, die Traurigkeit in mein Leben zu integrieren (denn ich habe auch noch andere schreckliche familiäre Themen).


    Ich denke, grundsätzlich ist es ganz gut, nicht sooo oft zu Besuch zu den Angehörigen zu gehen. Es tut den Angehörigen vielleicht nicht einmal gut, weil wir sie so jedesmal an ihren Verlust erinnern und sie auf einer Ebene festhalten, die sie schon (zu ihren Gunsten) verlassen haben.

    Zu deiner Beruhigung kannst du die Pflegerinnen fragen, ob deine Mutter sonst auch viel weint. Ich denke nicht, dass es so ist.

    Wenn ich komme, erzählen mir die Pflegerinnen nur Liebes und Nettes über meine Mutter ... und daran kann ich mich festhalten. Alles Liebe für dich.

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo Elbe, wir haben hier oft darüber geschrieben, dass Menschen mit Demenz alles Recht der Welt haben, traurig zu sein: So viele Verluste, so viele Abschiede.


    Manchmal wird beim Weinen schon der Grund dafür vergessen und allein der Wunsch nach Trost steht im Vordergrund. Wie gut können Sie Ihre Mutter trösten?


    Die vielen möglichen Gründe für die Trauer müssen wir nicht benennen, wenn wir trösten. Oft reicht das allgemeine Verständnis und die Botschaft "Es ist gut, dass ich jetzt da bin und Dir beistehe". Oft sage ich: "Ich habe keine Angst vor Ihren Tränen", allein das entspannt sichtlich.

    Ganz wichtig ist dies bei Menschen die nach einem Schlaganfall besonders "nah am Wasser gebaut sind" und denen das Weinen oft peinlich ist. Auch die Demenz führt dazu, dass Gefühle viel intensiver erlebt werden!


    Bei vielen älteren Menschen ist die tröstende Ablenkung wichtig, auch dann wenn eine Depression dahinter steckt. In diesen Fällen hilft es gar nicht, alle Details der schlimmen Dinge zu verstehen und zu vertiefen, denn das "Grübeln" ist ein fataler sich selbst verstärkender Teufelskreis und kein "loslassen" oder "loswerden".


    Ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie die starken Gefühle Ihrer Mutter aushalten lernen und erleben, wie sehr Sie im Moment trösten können.

    Ihr Martin Hamborg

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