Mit Demenz im Krankenhaus

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  • Hallo an alle,

    ich muss nun doch mal ein neues Thema aufmachen, das mich gerade umtreibt. Meine Mutter ist seit zwei Tagen im Krankenhaus, fortgeschritten dement, aber noch interessiert und kommunikativ. Sie hat u.a. Corona, wurde mit Luftnot etc. eingewiesen. Nun geht es ihr schon etwas besser, doch ich bin echt sehr frustriert. Sie liegt in einem ca. 10qm Zimmer isoliert, darin stehen zwei größere Müllständer für die wechselnden Folienumhänge etc. sowie ein Toilettenstuhl. Der Fernseher funktionierte heute überhaupt nicht und aus dem Fenster kann man nicht rausschauen, weil es zu mehr als der Hälfte undurchsichtig (Milchglas o.ä.) ist, ehrlich gesagt wie im Knast. Ohne jegliche Anregung also soll meine Mutter dort 5 Tage isoliert liegen, sie vergisst natürlich, dass sie nicht rausdarf und wird gelegentlich auf dem Flur eingefangen.

    Ist sowas überhaupt zulässig? Ich war heute zu Besuch, habe aber auch Bedenken mich anzustecken, wenn ich täglich hingehe... Sie ist nicht so drauf, dass sie den ganzen Tag dösen würde. Ich bin da echt ratlos und es tut mir total leid. Sie vergisst ja immer, dass es nur vorübergehend ist. Die Schwestern dort wirken relativ genervt, eigentlich ist es die Chirurgie, auf der Inneren war nichts frei...

  • Das ist wirklich übel. Meine Mutter war kürzlich in der geriatrischen Reha auch fast 1,5 Wochen isoliert wegen eines Corona-Ausbruchs und positiv getestet, wenn auch symptomlos. Die Station war sogar gesperrt, so dass ich sie gar nicht besuchen konnte. Sie hätte ebenfalls auf dem Zimmer bleiben müssen, hat das wie Deine Mutter auch nicht verstanden. Förderlich war das Ganze sicher nicht. Meine Mutter hat sich in der Reha angewöhnt, ständig "Hallo" und "Hilfe" zu rufen, für mich ein Indiz, dass sie eigentlich nur Kontakt aufnehmen möchte.


    Das Dumme ist, dass wir als Angehörige in so einer Situation im Grunde gar nichts machen können. Ich drücke die Daumen, dass die Isolation nicht zu lange dauert.


    LG Zimt

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Rose60, Sie erleben gerade die schwierige Folge der Pandemiephase 2, in der "vulnerable", also verletzliche und gefährdete Menschen besonders geschützt werden müssen. Im Krankenhaus und in Pflegeheimen gelten dann quasi die alten Regeln aus dem Infektionsschutzgesetz, - mit den Freiheits- und Kontaktbeschränkungen. Manchmal entstehen daraus die sogenannten "Hospitalismussymptome" also die Folge fehlender menschlicher Kontakte und Zuwendung, die sich z.B. im monotonen Rufen, wie bei der Mutter von Zimt zeigen.


    Wir stecken da in einem echten fachlichen Dilemma.


    Zu Beginn der Pandemie habe ich aus diesem Grund eine gerontopsychiatrische Empfehlung mit vielen konkreten Beispielen geschrieben, und an die BMG, den MD-Bund, unser regionales Gesundheitsamt und andere Verantwortliche geschickt. Sie finden Sie auch in meinem Blog.


    Vielleicht ist das Krankenhaus offen für einige konkrete Anregungen aus meiner Empfehlung, wenn Sie dort der Pflegedienstleitung oder den Ärzt*innen einen Ausdruck mitbringen und auf das ethische Dilemma hinweisen. Mit viel Glück könnte das Problem dann in einer ethischen Konferenz bearbeitet werden, Krankenhäuser sollten dafür ein Verfahren haben.

    Viel Erfolg, Ihr Martin Hamborg

  • Komme gerade aus dem Krankenhaus, heute war meine Mutter nun auffallend verwirrt, sie habe seit Tagen kein Essen bekommen, mein Vater habe ihr alles Geld weggenommen und sei abgehauen.u.v.m. schlimm, habe versucht sie rauszuholen, natürlich nicht länger als zwei Minuten erfolgreich, habe der Schwester gesagt, dass ich ein Delir befürchte, natürlich heute kein Arzt zu sprechen.. hoffe sie wird Montag entlassen, nunja immerhin hatte sie das Gefühl, ich sei nun etliche Stunden da gewesen und hat offensichtlich abgespeichert, dass ich mich regelmäßig kümmere, so oft komme ich sonst nicht hin.

    Wie immer schwer für mich mitanzusehen und morgen habe ich keine Zeit:(

  • Liebe Rose60 -


    das hört sich schlimm an. Meine Mutter war im Krankenhaus aus maximal verwirrt - das hat sich dann im Heim aber wieder gelegt. Ich hoffe, das es bei Deiner Mutter vielleicht ähnlich ist und zu viel zusammenkommt für sie: ungewohnte Umgebung, Corona usw. Das Thema "ich bekomme nichts zu essen" scheint aber viele Demenzkranke umzutreiben. Meine Mutter behauptet das auch - nachdem sie 15 Minuten zuvor zwei Stücke Schwarzwälder Kirsch Torte gegessen hatte (und ich daneben saß). Darüber würde ich mir weniger Sorgen machen, wenn sie nicht nach ihrer Isolation wirklich abgemagert ist. Das Thema Geld wegnehmen hatte meine Mutter ebenfalls - Geld und Essen scheinen zwei Trigger-Themen zu sein, das habe ich auch von Bekannten mit dementen Eltern oder anderen Verwandten gehört.

    Aber es ist natürlich eine schwierige Situation für Dich. Ich drücke die Daumen, dass es Deiner Mutter bald wieder etwas besser geht.

  • Dankeschön, gestern hieß es noch bis Dienstag, habe heute gemeldet, dass die Verwirrung täglich mehr wurde, heute mittag der Anruf, dass sie heute entlassen wird - Halleluja

  • Hallo Rose, gut, dass deine Mutter entlassen wurde. Ich hoffe, dass sie sich gut erholt und es bei dir auch wieder ruhiger wird und du wieder Kraft tanken kannst. Liebe Grüße

  • Danke, liebe AnetteK ,

    Wie ich gestern hörte, ist meine Mutter nun noch verwirrter und in einer früheren Welt als vorher - hoffe es wird nochmal etwas besser, sie will aktuell wieder unbedingt "nachhause", in das Haus ihrer Kindheit, wo auch ihre Mama wohnt..

    Ich ziehe mich gerade etwas zurück von den täglichen Besuchen und bin froh, dass sie im Heim wenigstens die Betreuer kennt .

    Liebe Grüße

  • Liebe Rose,

    das kenne ich sehr gut. Je nachdem in welcher Phase meine Mutter ist, will sie auch in ihr Elternhaus. Das ist für mich fast leichter, als wenn sie zu mir nach Hause will. Gestern hat sie mich beschimpft, dass ich sie abgeschoben hätte und ob dies der Dank sei, dass sie mich "groß gezogen" hat. Das hat mich in dem Moment sehr getroffen, doch nach 10 Minuten hat sie das gar nicht mehr gewusst und sie war wieder ruhiger.

    Ich glaube auch, dass es manchmal besser ist, man nimmt sich mit den Besuchen etwas zurück. Auch wenn ich dann unruhig zu Hause sitze und an sie denke.

    Ich habe gestern mit einer Therapie begonnen, da ich sehr unter allem leide. Meine Therapeutin sagte, dass ich nicht für das Glück meiner Mutter verantwortlich bin.

    Ich denke das ist ein befreiender Satz. Denn du hast erzählt, dass du auch immer für die Sorgen deiner Mutter da sein musstest. Aber das war eigentlich noch nie unsere Aufgabe.

    Wir haben nun beste Fürsorge geleistet und sind trotzdem für unsere Mutter da. Aber es steht nicht in meiner Macht, dass meine Mutter glücklich ist (das war sie leider sowieso sehr selten). Auch, wenn ich das immer noch immer wieder versuche (vergesse).

    Ich wünsche dir eine schöne Woche mit schönen Stunden!

  • Meine Therapeutin sagte, dass ich nicht für das Glück meiner Mutter verantwortlich bin.

    Ich denke das ist ein befreiender Satz. Denn du hast erzählt, dass du auch immer für die Sorgen deiner Mutter da sein musstest. Aber das war eigentlich noch nie unsere Aufgabe.

    Wir haben nun beste Fürsorge geleistet und sind trotzdem für unsere Mutter da. Aber es steht nicht in meiner Macht, dass meine Mutter glücklich ist (das war sie leider sowieso sehr selten). Auch, wenn ich das immer noch immer wieder versuche (vergesse).

    So wahr!

    Und wenn Eltern erwarten, dass man ihnen fürs Großziehen dankbar ist: es war ihre Aufgabe, die Kinder haben nämlich nicht drum gebettelt, auf die Welt kommen zu dürfen, sondern wurden ungefragt geboren (wie auch anders) und es ist grundsätzlich die Aufgabe der Eltern, v.a. der Mütter, das Kind dann auch nach den eigenen besten Möglichkeiten großzuziehen, ins Leben zu begleiten!

  • Liebe Anette K und liebe ecia25 ,

    ja, es ist sehr hilfreich, das nochmal so von euch zu lesen. Zwischendurch vergesse ich es immer und mir hilft manchmal zu überlegen, ob ich selbst den Anspruch an meine Kinder hätte, dass sie mich glücklich machen. Definitiv nicht!! Sie haben alle drei mit ihrem eigenen Leben zu tun und natürlich freue ich mich, wenn wir uns sehen, uns besuchen, aber für meine allg. Zufriedenheit sehe ich mich selbst in der Verantwortung.

    Trotzdem gibt es immer noch Situationen, in denen ich quasi "vor die Wand" renne und meine Mutter gerne glücklicher machen würde.. natürlich ist sie nun auf mich mehr als vorher angewiesen, da ich fast die einzige Besucherin bin.

    Irgendwie war die Krankenhauszeit letzte Woche wieder ein Stück mehr Abschied, sie entgleitet mir immer mehr durch die Sehnsucht nach einer viel früheren Zeit.

    Beim nächsten Besuch werde ich sie mal mit ein paar alten Fotos konfrontieren aus ihrer Kindheit und Jugend..bin sehr gespannt, ob sie sich wiedererkennt.

  • Trotzdem gibt es immer noch Situationen, in denen ich ... meine Mutter gerne glücklicher machen würde.. natürlich ist sie nun auf mich mehr als vorher angewiesen, da ich fast die einzige Besucherin bin.

    Liebe Rose,

    ist es nicht ein unmöglich Ding, andere Menschen glücklich zu machen, nicht nur im Elternverhältnis, sondern auch im Paarverhältnis?

    Wir haben ein ähnliches "Glücks-Problem" mit Schwiegermutter. Bei ihr liegt (wie ich meine) Depression in ihren Genen. Sie hat nie gelernt glücklich zu sein - das heißt die eigenen Ziele mit den Möglichkeiten abzustimmen. Ihre Wünsche sind unersättlich.
    Und da soll sie ausgerechnet dann Realitätssinn und Glück lernen, wenn durch die Demenz ihre Persönlichkeit mehr und mehr zersplittert?

  • Liebe Rose60 , Anette K , ecia25 , Buchenberg

    Meine Therapeutin sagte, dass ich nicht für das Glück meiner Mutter verantwortlich bin.

    Ich denke das ist ein befreiender Satz.

    Das ist in der Tat eine sehr befreiende Erkenntnis, zumindest habe ich das auch so empfunden. Es nahm eine Zentner-Last von mir ...

    Dass meine Mutter mit ihrer jetzigen Situation nicht zufrieden ist, hat nichts - aber auch gar nichts - mit mir zu tun. Wenn ich genau das gemacht hätte, was sie gewollt hat, wäre sie vermutlich genauso unzufrieden.

    Ich bin verantwortlich für mein Glück und Wohlergehen. Und wenn es bedeutet, dass meine Mutter auch mal zurückstecken muss, dann ist das eben so.

    LG, SunnyBee

  • Hallo Buchenberg,

    Die genetische Disposition zu Depression habe ich auch, aber ruhe mich nicht darauf aus, sondern gehe es seit vielen Jahren mit verschiedenen Mitteln und Wegen an, relativ erfolgreich, wie mir von außen jedenfalls gespiegelt wird. Und da wären wir wieder bei der Selbstverantwortung ;)

    Liebe Grüße

    • Offizieller Beitrag

    Hallo in die Runde, dem will ich mich anschließen und möchte den Kreis gern erweitern auf die anderen Aktiven hier, die so viele wertvolle Beiträge schreiben!


    Nur einen Anmerkung möchte ich machen: Um die Diskussion, ob eine Depression wirklich in den Genen steckt ist, wird kaum noch ernsthaft geführt. Wahrscheinlich gehört es zu unser aller Genen, zumindest wenn wir davon ausgehen, dass depressive Verstimmungen manchmal eine fehlgeleitete Trauer sind.

    Allen ein schönes Wochenende Ihr Martin Hamborg

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