Die letzten Wochen (Geriatrische Komplexbehandlung, Zuhause, Gerontopsychiatrie)

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  • Hallo Rose60,


    während ich meine Antwort an Buchenberg geschrieben habe, warst du wohl auch gerade am tippen, sodass du diese gar nicht einbeziehen konntest.


    Auch dir ein "Danke" für deine Worte! Einiges von dem, was ich soeben geschrieben habe, hätte ich so wahrscheinlich auch dir geantwortet. Dennoch versuche ich hier und da noch konkreter auf deine Fragen/Denkansätze einzugehen.


    Was die Dauer der Bereitschaft ihn zu Pflegen angeht, bin ich selbst noch unschlüssig. Vor über einem Jahr habe ich mich ja vor allem wegen meiner Oma dazu entschieden, erst einmal ganz für sie da zu sein. Da ich damals gerade mit der Uni fertig war, war das auch kein Problem. Die Pflege der Oma war definitiv anders, sie war deutlich anstrengender und hätte Buchenberg seine Frage wie die Pflege organisiert ist zu ihr gestellt, hätte ich hier eine überzeugendere Antwort gehabt. Wir hatten schnell eine gewisse Routine. Anders als bei meinem Opa spürte ich auch eine tiefe Dankbarkeit, sodass ich zwischendurch auch mal sagte, sie müsse sich nicht für jeden Handgriff bei mir bedanken. Prinzipiell kann ich mir vorstellen es (vorerst) ohne Zeitlimit weiter zu machen, wobei ich aber definitiv Aus- und Ruhezeiten für mich finden muss (zB Kurzzeitpflege). Gleiches gilt für weitere Hilfen, sei es nun durch einen Pflegedienst oder Essen auf Rädern.


    Glücklicherweise haben mir Freunde in der letzten Zeit mit den größeren Baustellen im und am Haus geholfen, sodass ich etwas Luft zum atmen hatte. Auch die 6 Wochen die er in der Psychiatrie verbrachte, fühlten sich trotz der vielen Arbeit dort, wie Urlaub an.


    Was sein Verhalten angeht, muss ich noch einen Weg finden. Wenn es mich auf direktem Weg trifft, komme ich damit recht gut zurecht. Was mir zusetzt sind eben seine Anschuldigungen gegenüber Dritten (Schläge, Diebstahl, Betrug, Beleidigung,...). Ich weiß ja, was ich (nicht) gemacht habe, aber da er ja zwischendurch noch durchaus normal wirkt, habe ich immer wieder das Bedürfnis mich bei diesen Personen dazu zu äußern, obwohl ich darauf eigentlich keine Lust habe.


    Ein point-of-no-return wäre sicherlich, wenn er längerfristig klar erkennbar verwahrlost und sich gleichsam vehement gegen Hilfe wehrt. Außerdem wüsste ich nicht, wie ich reagieren würde, wenn er seine Drohungen mich zu schlagen, dann doch mal in die Tat umsetzt. Auch wenn ich auf seine Drohgebärden weiterhin mit der Antwort "Denk dran, wenn du mir eine gibst, gibt es eine zurück" reagiere, so möchte ich dies eigentlich nicht.


    Ich weiß natürlich, dass er für vieles nichts kann, aber ich merke auch, dass die Wut der letzten Woche eine andere Qualität bekommen hat. Das er, bis auf wenige Ausnahmen, für nichts und niemanden ein "Danke" übrig hat. (EDIT: , macht die Sache natürlich nicht besser)


    (Interessant ist übrigens, seit dem wir uns vom Montag an wieder "gut" verstehen, versucht er bei jeder Gelegenheit bei mir über die Nachbarn herzuziehen. Jene zu denen er sonst immer hinging, wenn er nicht weiter wusste und die sich nun wirklich nichts haben zu Schulden kommen lassen.)


    Finanziell wäre ein Heimaufenthalt glücklicherweise problemlos machbar. Bisher dürften ethisch/moralische Überlegungen eine Rolle gespielt haben, allerdings merke ich, wie ich mich dem Gedanken immer mehr öffne - glücklicherweise sind ich und mein Vater uns in dieser Frage relativ einig.


    LG


    P.S. So richtig scheint er sich an den Rauswurf von eben nicht zu erinnern. Immerhin sperrte er sich nicht gegen die Tabletteneinnahme. Er hat sich nun nochmal hingelegt...

  • Hallo Buchenberg,


    Die tägliche Pflege ist eher reaktiv, da seine Selbstständigkeit von Tag zu Tag extrem schwankt. Eine wirkliche Routine gibt es, von den zwei täglichen Besuchen zur Medikamentengabe, nicht.


    Vielleicht zum Abschluss eine Gegenfrage auf die ich bisher keine wirklich klare Antwort gefunden habe: Wie verfahren denn Pflegedienste, wenn beispielsweise eine große Morgentoilette geplant ist, die Person sich aber so vehement weigert, dass die Leistung nicht erbracht werden kann? Wird diese dann trotzdem wie vereinbart abgerechnet?

    Hallo enh,

    bekommt Opa keine warmen Mahlzeiten zu festen Tageszeiten? Snacks sind keine gesunde Ernährung.


    ... Ein Pflegedienst bietet definierte Leistungen, aber abgerechnet wird über Minuten plus Wegezeit. Falls ein Patient sich lange streitet und eine Dienstleistung schließlich ablehnt, kann das trotz nicht erbrachter Leistung zu längerer Anwesenheit des Pflegers und damit zu zusätzlichen Kosten führen.
    Genaueres kann dir aber nur dein vertraglicher Pflegedienst sagen.

    LG Buchenberg

  • Buchenberg danke für deine Antwort, damit kann ich etwas anfangen.


    Was deine Frage angeht: Samstags und Sonntags kocht mein Vater (meist. bleibt was für Montag übrig), ansonsten bringe ich oder die Nachbarn Gerichte aus der nahen Krankenhauskantine mit, gelegentlich koche ich auch mal und ansonsten gibt es Dosensuppen oder Fertiggerichte. Wenn er nicht möchte, dann gilt die Devise "dann eben Kuchen" (etc). Mit Snacks sind v.a. Erdbeeren und Weintrauben gemeint. Während der Saison ist es keine Seltenheit dass 500 g schneller weg sind, als man seinen Augen traut.


    Seine Frühstücksgewohnheit, ein normales Brötchen in eine Tasse Milchkaffee zu tunken, fand ich schon immer etwas schräg, aber vielleicht kommt uns diese Angewohnheit zumindest im Hinblick auf die Selbstständigkeit nun auch etwas entgegen.

  • Samstags und Sonntags kocht mein Vater (meist. bleibt was für Montag übrig), ansonsten bringe ich oder die Nachbarn Gerichte aus der nahen Krankenhauskantine mit, gelegentlich koche ich auch mal und ansonsten gibt es Dosensuppen oder Fertiggerichte.

    Vielleicht könntest du mal an einem Kochkurs teilnehmen, das wäre auch für deine Selbstbestimmung und für deine Gesundheit nützlich. ;)

  • Vielleicht könntest du mal an einem Kochkurs teilnehmen, das wäre auch für deine Selbstbestimmung und für deine Gesundheit nützlich. ;)

    Haha, sicherlich nie ne schlechte Idee... Obwohl es bei mir eher an der Lust, denn am Können liegt. Aber wie auch immer, da ich vor zwei Tagen das erste Mal etwas größere Mengen an Gemüse aus dem Garten ernten konnte, schreien diese natürlich danach verarbeitet zu werden. Ich werde mich also mal an einem Gemüseeintopf á la Oma versuchen, der uns beiden wohl noch gut in Erinnerung ist :)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo enh, Respekt, wie sehr Sie sich um Ihren Großvater kümmern, obwohl er Ihnen alles so schwer macht!


    Mir gefällt es, dass Sie ehrlich ansprechen, wie er Sie an die persönlichen Grenzen führt und Sie manchmal gegen besseres Wissen handeln. Die sogenannte "symmetrische Eskalation" - das gegenseitige Hochschaukeln, kann genau dazu führen, was Ihnen Ihr Großvater vor Fremden unterstellt.

    Es ist ein gutes Zeichen, dass Sie der Pflegedienst anspricht und die Wahnsymptome überprüft.


    Da er offensichtlich seine Medikamente nicht oder unregelmäßig nimmt, kann natürlich die Wahnspannung wieder zunehmen, egal ob Sie oder Nachbarn davon betroffen sind.


    Über die plötzliche Wesensänderung habe ich länger nachgedacht. Möglicherweise hat das "Anspritzen" bewirkt, dass es wie eine Katharsis - also der Höhepunkt - eines "Spiels" war, so wie ein Kind ein anderes so lange piesackt, bis es den Hahn aufdreht und beide wieder beste Freunde sind.

    Wenn es dieses "Willst Du mich provozieren, bis ich ausraste" ist, finden Sie vielleicht einen humorvollen Weg, diesen Test oder das Spiel aufzulösen, ohne dass Sie in die Falle der Eskalation rutschen. Viel Erfolg und gute Ideen,

    Ihr Martin Hamborg

  • Hallo Herr Hamborg,


    vielen Dank für ihre Worte.

    Die sogenannte "symmetrische Eskalation" - das gegenseitige Hochschaukeln, kann genau dazu führen, was Ihnen Ihr Großvater vor Fremden unterstellt.

    Allerdings eine Rückfrage: Den ersten Teil des Satzes kann ich noch nachvollziehen, beim zweiten bin ich unsicher. Falls Sie die Zeit finden, würde ich mich sehr freuen, wenn sie darauf nochmal kurz eingehen könnten.


    Ihr Karthasis-Beispiel klingt einleuchtend. Wobei ich in der Vergangenheit bereits feststellen konnte, dass in einer eskalierten Situation, ein sagen wir mal, unerwartetes Verhalten meinerseits, diese auch wieder entschärfen konnte. Konkret meine ich damit, mir die Ohren zuzuhalten und durch laute Geräusche zu demonstrieren "Ich höre dir nicht mehr weiter zu". Dies mag sicherlich auch kindisch klingen oder sein, aber in Kombination mit einem Sich-Entfernen war es durchaus wirksam. Geplant kam es aber bisher nie dazu, es war mehr oder weniger auch eine Reaktion aus der Hilflosigkeit heraus.


    LG

    • Offizieller Beitrag

    Hallo enh, gut dass Sie nachfragende mein Satz war wirklich etwas unklar: Von einer symetrischen Eskalation sprechen wir, wenn sich die Beteiligten gegenseitig hochschaukeln und ein Wort das andere ergibt, ohne dass sich der nicht demente Mensch seiner oder Ihrer anderen Rolle bewusst ist.

    Häusliche Gewalt kann entstehen, weil beide Recht haben wollen - und jeweils aus ihrer Perspektive fest daran glauben.

    Ihr Großvater sucht sich vielleicht den Beistand von Fremden, vielleicht weil er sich Ihnen unterlegen fühlt und macht deshalb diese Vorwürfe von "Zeugen".


    Wenn Sie in einem Konflikt auf die gleiche Ebene gehen, wie Ihr Großvater riskieren Sie diese Eskalation. Nur Sie sind nicht dement und können den Teufelskreis unterbrechen.


    Eine Ausnahme besteht darin, wenn Sie mit innerem Abstand und Humor in diese Auseinandersetzung gehen und Ihr Großvater diesen Spaß versteht. Genauso lesen sich manche Ihrer Erfahrungen. Ein solches "Spiel" kann kritische Situationen gut entspannen - unter der Bedingung, dass Ihr Großvater sein trotziges Verhalten wahrnimmt und Spaß versteht.

    Ihr Martin Hamborg

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