Fassade, Wahn, oder doch etwas Anderes? Die Verzweiflung wächst.

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  • Ihr Lieben, ich war vor ein paar Jahren schonmal als Miracula aktiv…finde nur meine Zugangsdaten nicht mehr und bin daher nun Mauerflower. 8)

    Seit längerem lese ich nun schon wieder mit hier und finde etliches davon, was bei meiner Mutter passiert, hier wieder. Irgendwie jedoch ist aber auch so vieles anders in ihrem Fall.

    Sie wurde vor 4 Jahren operiert (damals 78), KH-Aufenthalt und geriatrische Reha zusammen ca. 2 Monate. Bis dahin war sie einigermaßen fit, bewegte sich gerne und viel und es waren keine bis ganz wenige kognitive Einschränkungen zu bemerken. Als sie wieder zuhause war, kümmerten wir uns (wie vorher auch) um sie, nun noch intensiver: einkaufen, Fahrten zum Arzt, Termine hier und da, Begleitung und Bespaßung regelmäßig und aufwändig.

    Irgendwann begannen dann Merkwürdigkeiten, die fast alle in die Kategorie „ich kann das alles alleine, ich lasse mich nicht bevormunden/einengen etc.“ fielen. Fast immer ging etwas voraus, was wir (wie schon seit Jahren vorher) für sie taten, was nun plötzlich nicht (mehr) verstanden wurde und in der Folge abgelehnt.

    Erklärungsversuche unsererseits wurden mit Schimpfen und IHRER Realität beantwortet, die objektiv jedoch nicht stimmte.


    Nach einem verbalen und schriftlichem Eklat (Handynachricht) wollte sie schließlich einen „Kontaktabbruch“.

    Sie hatte uns zuvor als dumm, faul, geldgierig etc. bezeichnet und versucht, mich gegen meinen Mann und meinen Vater (ihr Ex) aufzuhetzen. Eine lange Funkstille folgte, in der sie alles, was von uns war, abschaffte und sich ihre Welt teuer und umständlich, mit fremder Hilfe, zurechtbastelte.

    Gelegentliche kurze Treffen an neutralen Orten, damit der Kontakt zu den Enkeln nicht abreißt, wurden von mir in den letzten 6-12 Monaten wieder aufgenommen. Dabei versuchte ich, möglichst alle empfindlichen Themen zu vermeiden, was weitgehend gelang. Mir fiel zunehmend auf, wie sehr sie immer mehr über alles mögliche schimpfte: Personen, Vermieter, Politiker, dicke Menschen etc. „Normale“ Unterhaltungen drehten sich meist um politische Geschehnisse, die Ereignisse in ihrem MehrfamilienHaus und die Angebote beim Einkaufen.


    Vor knapp 3 Monaten dann der Schock: der Rettungsdienst rief mich an, sie sei in der Whg. gestürzt, wohl mehrere Tage gelegen und nun von einer Nachbarin gehört worden, die alles Weitere ins Rollen brachte. Irgendwie hat sie dem Rettungsdienst noch die Zugangsdaten zu ihrem Handy sagen können und meinen Namen da drin, sodass mich diese mit ihrem Handy anriefen.

    Über 3 Wochen KH mit Intensivstation und Normalstation folgten, in denen sie allmählich wieder aufgepäppelt wurde und zu Kräften kam, nach und nach wieder sitzen und langsam gehen konnte. gebrochen war nichts, allerdings eine Tiefe Wunde am Rücken vom liegen.


    In der ganzen Zeit war ich nahezu täglich bei ihr, kümmerte mich um alles, ihre Wohnung, Anträge, Klamotten, Sonderwünsche, Medikamente usw. Sie wirkte dankbar und (nach einigen Tagen) relativ orientiert. Der Sozialpsychiatrische Dienst des KH organisierte ein Pflegeheim zur anschließenden Kurzzeitpflege, da die Wunde am Rücken nach dem KH-Aufenthalt noch einige Monate tägliche Versorgung und Heilung benötigte. Für den Abschluss des Heimvertrages und verschiedener damit zusammenhängender Anträge benötigten wir eine Vollmacht, die sie mir kurz vor der Entlassung aus dem KH auch bereitwillig ausfüllte.


    Der Umzug erfolgte wenige Tage später und es schien, als käme sie im Heim ganz gut an. Alle waren nett, ein schönes (Doppel)Zimmer und eine grüne Umgebung - sogar das Essen passte. Noch immer besuchte ich sie regelmäßig, ca. 2-3 Mal die Woche. Irgendwann, nach ca. 2-3 Wochen, nahm ich eine Unruhe wahr, widersprüchliche und unlogische Aussagen zum Tagesgeschehen etc. Als meine Mutter wieder etwas besser auf den Beinen war und einen Rollator erhalten hatte, ging sie auf der Station und im Haus umher…und als ich das nächste Mal kam: „Wo bin ich hier gelandet, das ist ja ein Demenz-Heim, was soll ich hier…“ etc. Sie ging sogar in die Verwaltung und fragte, was sie hier eigentlich mache. Denn „sie“ behielten sie ja nur da, um daran Geld zu verdienen.


    Die Wohnungsschlüssel, die ich von ihr hatte, verlangte sie mit fadenscheinigen Argumenten zurück, ebenso ihre Bankkarte. Damit konnte ich mich von heute auf morgen um nichts mehr kümmern, es waren jedoch schon etliche Anträge gestellt (PG-Einstufung, Kostenübernahme fürs Heim, Medikamentenzuzahlungen und -Befreiung etc.), die so natürlich liegen blieben, da ich an keine Post mehr kam und keine Geldeingänge/Abbuchungen mehr sehen konnte.


    Dann ging es weiter: nach ihrer (in ihren Augen unmittelbar bevorstehender) Entlassung möchte sie umziehen, eine größere Whg. und barrierefrei. Ich soll das alles einfädeln und mich kümmern. Meine Bemerkung, sie solle zunächst mal gesund werden, dann können wir schauen, zu wann sie evtl. umziehen könne (und die alte Whg. natürlich auch kündigen) wischte sie weg, ebenso die von mir geäußerten Bedenken, dass solche Wohnungen begehrt, teuer und selten seien. Ihre Wahrnehmung ist eine andere. Zu diesem Zeitpunkt wirkte sie auf mich immerfort orientiert, relativ klar - bis eben auf einige Bereiche, wo nur ihre Realität zählt und sonst nichts. Im Gespräch mit den Mitarbeitern des Heimes wurde mir das auch so bestätigt- sie ist umgänglich, nett und ehrgeizig bzgl. ihrer Genesung, aber alle medizinischen Aussagen, die ihr nicht in den Kram passen, werden umgedeutet oder ignoriert. Versucht man, sie zu korrigieren, wird sie ärgerlich und noch beharrlicher.


    Sorry für den langen Vorspann- der war aber nötig, um meine Frage formulieren zu können.


    Denn vor 2 Wochen ist alles eskaliert, wie schon vor 3 Jahren einmal. Meine Mutter bekam ein Schreiben ihrer Krankenkasse in ihr Heim-Postfach, das sie als Mahnung verstand und mir eine aufgebrachte Nachricht schrieb, sie wolle nun alles wieder selber machen, sei fit und gesund. Umgehend wollte sie sämtliche Unterlagen haben. Gekränkt und geschockt über den erneuten Wandel packte ich alles zusammen, machte noch eine Aufstellung der geleisteten Dienste (Anträge, Zahlungen, ausstehende Dinge für Ämter etc) und brachte es ihr, imernoch freundlich und ruhig, ins Heim. Ich schlug vor, dass sie sich ja alles in Ruhe ansehen könne und wir dann weitersehen. Erklärungen, was genau das von ihr monierte Schreiben aussage, wollte sie nicht hören.

    Kaum hatte sie die Unterlagen, legte sie auch schon los: Ich habe keine Vollmacht von ihr und hätte sie auch nie gehabt…sie hätte das „im Koma“ abgegeben und das sei ungültig…ob ich mich nicht schäme… ALLE seien sich dessen bewusst und von ihr informiert…etc. Dazu muss ich erwähnen, dass sie nahezu keine Freunde hat, weil sie die nach und nach verlassen oder vergrault hat. Dann ging es weiter: Meine Freunde hätten sich bei ihr beschwert und über mich gelästert, das sei ganz schlimm, das müsse mir bewusst sein.

    Weil mir auf solche Ungeheuerlichkeiten hin nichts Harmloses einfiel, verabschiedete ich mich freundlich von ihr, ich hätte noch einen Termin. Sie schimpfte noch hinter mir her, ich werde schon sehen, wo das alles hinführt und ich werde sicher auf die Schnauze fallen etc.


    Nach diesem Auftritt herrschte erstmal Funkstille. Das Heim informierte mich, dass sie einen Termin bei der Haus-Neurologin für sie gemacht hätten, die ins Heim käme. Dies war nun letzte Woche und ich rief die Dame danach in ihrer Praxis an: Sie hatte kognitive Einschränkungen bei meiner Mutter festgestellt, sie wirke „unscharf“ und sie hätte die Verdachtsdiagnose auf beginnendes demenzielles Sydrom gestellt. Sie empfahl mir, für die geschäftlichen Angelegenheiten meiner Mutter einen Betreuer zu beauftragen, um den Stress von mir abzuhalten. Außerdem sei ihre seit 10 J diagnostizierte Epilepsie oft ein Vorbote der Demenz (Epilepsie beginne sonst viel früher, wenn sie mit 70 plus beginnt, sei dies ein Warnzeichen).


    Was mich wundert: sie redet „ganz normal“, also der Satzbau, die Wortwahl… selbst beim Schimpfen… und Kurzzeit-Gedächtnis habe ich auch kaum Einschränkungen feststellen können… Langzeit eh nicht, da ist alles da, soweit feststellbar.


    Ich bin nun völlig ratlos und fühle mich der EntscheidungsVerantwortung kaum gewachsen: Betreuer? Aber ich schaffe das jedenfalls nicht länger, möchte mich nicht immer wieder beschuldigen und beschimpfen lassen. Mein Mann, der sehr viel der Arbeiten Anträge/Telefonate/ etc. übernommen hatte, lehnt das auch ab, weil er sieht, wie es mir damit geht und wie fertig ich mal wieder wegen ihr bin. Ich bin berufstätig und wir haben Kinder, das Jüngste noch im Grundschulalter, dafür möchte ich meine im Moment leider eher geringe Kraft einsetzen.

    Aber ist die Diagnose und damit die Grundlage für den Betreuungsantrag gerechtfertigt?


    So Vieles habe ich hier von Euch gelesen, dass sich speziell die Mütter so klar äußern, wehren, ausdrücken… so viele Beispiele, dass die Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses kaum wahrnehmbar sind… bei meiner Mutter sind es eher wahnhafte Inhalte, Beschimpfungen, Fehldeutungen der Wirklichkeit und solches mehr. Eine Fassade. Aber DEMENZ?


    Morgen möchte das Heim sich mit mir und meiner Mutter zusammen setzen, um über das weitere Vorgehen zu beraten…schließlich ist der Antrag auf Kostenübernahme noch fertig zu bearbeiten (er ist schon eingereicht von uns, es fehlen aber noch ein paar Unterlagen, an die ich nicht herankomme, weil sie mir Postkasten/Wohnungsschlüssel abgenommen hat und bei allen möglichen Stellen die Vollmacht widerrufen hat).


    Sorry, ist ewig lang geworden jetzt, ich hoffe, das liest überhaupt wer :huh:

    Einmal editiert, zuletzt von Mauerflower () aus folgendem Grund: „Kurz umrissen“ gelöscht, weil nicht kurz

  • Hallo Mauerflower! Gelesen hat es auf jeden Fall schon mal jemand, nämlich ich.

    Aus eigener Erfahrung kann ich Dir hier nicht allzu viel beitragen, da mir vergleichbare Erlebnisse mit meiner Mutter fehlen.

    Aber ich habe eine Tochter, die wegen psychischer Erkrankung auf eigenen Wunsch eine Betreuerin hat und genau darüber haben wir gestern gesprochen: wir waren uns einig, dass es besser ist, wenn jemand Außenstehendes die Betreuung übernimmt, weil zwischen uns eine ganz andere, gewachsene Beziehung besteht und Mutter-Kind da einfach immer wieder eingespielte Rollen zum Tragen bringen kann. In unserem Fall sähe ich zwar die Gefahr in einem völlig anderen Bereich, nämlich, dass ich mein "Kind" dann zu sehr bemuttern könnte.

    Aber in Deinem Fall kann ich mir tatsächlich Entlastung für Dich und Deine jetzige Familie vorstellen, denn so wie sich das liest, wird es mit Deiner Mutter keinesfalls einfacher und Du wärest ihr Sündenbock.

    Sicherlich werden Dir aber hier einige andere auch noch von echten diesbezüglichen Erfahrungen schreiben, ich wollte Dir v.a. antworten, damit Du Dich nicht "ungelesen" fühlen musst.

    Lieben Gruß ecia

  • Danke, liebe ecia, das hilft mir tatsächlich schonmal! Ich habe eben auch Bedenken, dass es gänzlich unmöglich wird, einen normalen Umgang mit meiner Mutter zu pflegen, wenn ständig Ärger über geschäftliche Dinge herrscht.


    Und danke fürs Lesen.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Mauerflower,


    Menschen mit Alzheimerkrankheit od. vaskulärer Demenz weisen tatsächlich ein höheres Risiko auf, eine Epilepsie zu entwickeln. Generell kann eine Behandlung einer Epilepsie im Alter "tricky" sein (Medikamente) und tatsächlich gibt es Hinweise, das es auch einen umgekehrten Einfluss gibt. Zuetzt war das auch Thema bei einer Epilepsie-Tagung.

    Bei dem was Sie beschreiben und in Ihrer persönlichen Situation halte ich es für einen guten Rat, jemanden Drittes mit der Betreuung zu beauftragen. Wenn der Antrag gestellt würde, wird seitens des Gerichts ohnehin überprüft oft erforderlich. Von daher besteht nicht die Gefahr, dass Ihrer Frau Mutter unnötigerweise oder gar widerrechtlich ein/e Betreuer/in zur Seite gestellt wird. Ggfs. könnten Sie auch mit einem Betreuungsverein vor Ort sprechen und sich beraten lassen - was aber eben einen zusätzlichen Termin für Sie darstellt und vielleicht auch nicht die letzten Fragen beantwortet.


    Ich bin nun völlig ratlos und fühle mich der EntscheidungsVerantwortung kaum gewachsen: Betreuer? Aber ich schaffe das jedenfalls nicht länger, möchte mich nicht immer wieder beschuldigen und beschimpfen lassen. Mein Mann, der sehr viel der Arbeiten Anträge/Telefonate/ etc. übernommen hatte, lehnt das auch ab, weil er sieht, wie es mir damit geht und wie fertig ich mal wieder wegen ihr bin. Ich bin berufstätig und wir haben Kinder, das Jüngste noch im Grundschulalter, dafür möchte ich meine im Moment leider eher geringe Kraft einsetzen.

    Aber ist die Diagnose und damit die Grundlage für den Betreuungsantrag gerechtfertigt?



    Sorry, ist ewig lang geworden jetzt, ich hoffe, das liest überhaupt wer :huh:

    Ein eventuell beigeordneter Betreuer wird auch nicht dafür sorgen (können), dass die Entwicklung künftig nicht weiter immer wieder Ihre Kraft und Zeit erfordert. Aber er könnte vielleicht einen guten Teil davon übernehmen und damit einen für alle tragbaren Mittelweg schaffen.

    Es grüßt Sie

    Jochen Gust

    PS: auch nicht selten erlebt: die Beziehungen zum / zur Betreuten entspannen sich irgendwann wieder, wenn die "handfesten Dinge", die in der Vergangenheit zu Konflikten geführt haben, durch einen Betreuer erledigt werden.

  • PS: auch nicht selten erlebt: die Beziehungen zum / zur Betreuten entspannen sich irgendwann wieder, wenn die "handfesten Dinge", die in der Vergangenheit zu Konflikten geführt haben, durch einen Betreuer erledigt werden.

    Danke, Herr Gust, das wäre genau das was ich mir erhoffe- ich bin nicht mehr in der Schusslinie und für alles verantwortlich und so kann es evtl. nach und nach etwas Entspannung in der Beziehung zu meiner Mutter geben.

    Ich wäre ja bereit, einem eventuellem Betreuer zuzuarbeiten, aber möchte eben nicht an der Front stehen.


    Was mich schon länger interessiert: Wie kann ein Richter eine psychiatrische Begutachtung vornehmen? Oder „lässt“ er das begutachten?

  • So Vieles habe ich hier von Euch gelesen, dass sich speziell die Mütter so klar äußern, wehren, ausdrücken… so viele Beispiele, dass die Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses kaum wahrnehmbar sind… bei meiner Mutter sind es eher wahnhafte Inhalte, Beschimpfungen, Fehldeutungen der Wirklichkeit und solches mehr. Eine Fassade. Aber DEMENZ?

    Liebe Mauerflower, willkommen im Forum. Hilfreiche Tipps hast du schon bekommen. Du wirst sicher auch bei vielen von uns (ebenso bei mir) gelesen haben, dass böses/bösartiges/aggressives Verhalten oft am Anfang der Demenz steht ..., manchmal ohne dass die scheinbar typischen Anzeichen der Demenz schon von außen sichtbar sind. Das liegt tatsächlich oft an der Fähigkeit von uns Menschen (bzw. unseres Gehirns), Ausfälle zu kompensieren und somit eine Fassade zu schaffen, die uns in und vor der Öffentlichkeit schützt. (Das machen auch wir "Gesunden" zuweilen mit Erfolg.)

    Andererseits geht bei Dementen auch die soziale Kompetenz verloren (durch Störungen/Abbau im Gehirn) und das Erkennen der eigenen Unzulänglichkeit führt zwangsläufig zu Abwehrreaktionen. Dabei verstärken sich oft die normalen Persönlichkeitsmerkmale, meist die eher negativen. Vielleicht sind es auch manchmal die von außen als positiv empfundenen. Aber das scheint seltener der Fall zu sein (hier im Forum berichten wenige davon - mir fällt nur der Schwiegervater von Buchenberg ein, ich selbst kenne ein, zwei Fälle Dementer, die fortwährend sehr lieb waren).


    Wenn ihr es genau wissen möchtet, welches Krankheitsbild bei der Mutter dahintersteckt, lohnt sich sicher eine Diagnose. Wir haben die Diagnostik nicht weiter verfolgt, die äußeren Anzeichen kristallisierten sich immer mehr heraus und waren deutlich und eindeutig genug.


    Ich würde es mir gut überlegen, die Betreuung abzugeben, es sei denn, du möchtest auch den Kontakt minimieren/abbrechen. Dann ist es vielleicht eine Option. Ab einem bestimmten Grad der Demenz (wenn es bei deiner Mutter eine ist) spielt es aber immer weniger eine Rolle, wer die Betreuung inne hat - deine Mutter wird dann das Konstrukt der Betreuung gar nicht mehr durchschauen. Dann gilt es, sie angemessen einzubeziehen bzw. zu beruhigen (in dieser Hinsicht würde ich eine Diskussion hierüber für völlig kontraproduktiv halten und mir sehr gut überlegen, wie man das der Mutter nahe bringt, ohne dass es eskaliert.)


    Man hat in der Betreuungsfunktion natürlich schon einiges zu tun (ich bin vom Gericht als Betreuerin eingesetzt) und es ist bisher schon ziemlich viel angefallen, was ich erledigen musste.


    Hast du aber einen fremden Betreuer, gibst du m.E. fast alles aus der Hand. Das muss einem bewusst sein, das muss man wollen.

    Manchmal muss man vielleicht die besonders wütende Phase der dementen Angehörigen auch einfach aushalten ... tatsächlich wird es meistens irgendwann besser. Auch hier nachzulesen! Es wird vielleicht nicht richtig schön, aber das ist bei einer solchen Krankheit auch kaum zu erwarten.


    Fazit: Ich kann/will nicht PRO oder CONTRA raten, aber die Entscheidung muss gut durchdacht sein und sollte vielleicht nicht nur aus dem Bauch heraus getroffen werden.

    Ich stand auch schon einmal vor dieser Entscheidung und würde heute sagen, es war gut, dass ich die Betreuung übernommen habe, obwohl es mir meine Mutter (bzw. ihr krankheitsbedingtes Verhalten) nicht gerade leicht gemacht hat.


    Alles Liebe! Ein Betreuungsverein ist vielleicht erst mal gut für die Erstberatung.

  • Ich würde zunächst so gerne wissen, was genau vorliegt bei meiner Mutter: ist es wirklich eine Demenz? Wie gesagt, so vieles hier, was ich lese, klingt sehr ähnlich. Besonders bezüglich der Beschimpfungen, der wahnhaften Realitätsverkennung etc. Aber bei fast allem Sonstigen zeigt sie kaum oder keine Einschränkungen. Sie sucht nichts, wiederholt sich nicht auffällig oft (eher deshalb, weil sie kaum jemanden zum Reden hat und wenn, dann alles ihr wichtige mehrfach anbringen will), sie sucht nicht nach Worten etc.

    Im Gegenteil, man kann mit ihr durchaus auf hohem Niveau diskutieren über das Weltgeschehen und die politischen Ereignisse. Die haben sie schon immer interessiert.

    Will sagen: Wenn man sie kennenlernt, fällt einem Laien nichts dementielles auf, im Gegenteil. Meine Mutter wird oft gelobt, weil sie geistig noch so fit sei.

    Mich verunsichert das aber, denn ich stelle mir die Frage: beschimpft SIE mich tatsächlich so niederträchtig oder ist es die Krankheit? Und wenn es die Krankheit ist, welche?

  • Mich verunsichert das aber, denn ich stelle mir die Frage: beschimpft SIE mich tatsächlich so niederträchtig oder ist es die Krankheit? Und wenn es die Krankheit ist, welche?

    Liebe Mauerflower, bei meiner Mutter war es definitiv so ähnlich und rückblickend WAR es die Demenz ... das baute sich über Jahre auf. Meine Mutter wurde bis zuletzt (sogar von der Neurologin) für ihre geistige Fitness gelobt. Aber eine genaue Diagnose kann nur jemand vom Fach stellen. Die Frage ist, ob sich deine Mutter einer fachärztlichen Untersuchung aussetzen möchte. Vielleicht könnt ihr zuerst hausärztlichen Rat einholen. In unserem Fall hat das genügt und die Hausärztin hat glasklar erkannt, dass es eine Demenz ist. Es sind viele Schritte nötig, um an ein gutes Ziel zu kommen. Liebe Grüße.

  • Aber eine genaue Diagnose kann nur jemand vom Fach stellen. Die Frage ist, ob sich deine Mutter einer fachärztlichen Untersuchung aussetzen möchte. Vielleicht könnt ihr zuerst hausärztlichen Rat einholen. In unserem Fall hat das genügt und die Hausärztin hat glasklar erkannt, dass es eine Demenz ist.

    Danke für Deine Schilderung, SchwarzerKater. Das hilft mir gerade sehr, denn ich kenne nur Menschen in Phase 2 bis 3 ihrer Demenz, wo es quasi „klar“ ist, dass es eine ist. Aber gerade dieser Beginn ist mir noch fremd…man sieht es ja den Menschen nicht an. Und bei Nahestehenden Menschen verschleiern die Emotionen und bei mir auch die Angst den Blick auf die Fakten.


    Da meine Mutter aktuell immernoch im Pflegeheim ist, um ihre Wunde vom Sturz versorgt zu bekommen, haben sie vom Heim aus letzte Woche eine Fachärztin bei ihrem wöchentlichen Rundgang zu Ihr geschickt. Ihre Verdachtsdiagnose lautete „kognitive Einschränkungen und beginnendes dementielles Syndrom“.


    Sie wollte noch Untersuchungen in ihrer Praxis durchführen, ich rufe sie aber nochmal an und frage, ob sie das nicht auch im Heim machen könne. Denn dorthin bekommt man meine Mutter nicht, „sie hat ja ihre Ärzte und braucht keine anderen“.

    Schädel CTs und MRTs liegen von vor ein paar Wochen vom Krankenhaus noch vor.

  • Hallo mauerflower,

    Wenn du eine Diagnose von einer Fachärztin hast mit den von dir beschriebenen Auffälligkeiten, wird es wohl auch so sein und sollte dir evtl. Schuldgefühle nehmen.

    Wenn deine Mutter aktuell so schwierig ist und sie dich offensichtlich gerade so ablehnt, würde ich tatsächlich die Idee mit der Betreuung von außen aufgreifen.

    Wir hatten bei meinem Vater eine Betreuerin, die Rechtsanwältin war, also seriös und sich mit uns abgestimmt hat, unsere Fragen und Anregungen ernst genommen hat.

    Anfangs hatte sie viele Entscheidungsbereiche wie Aufenthaltsort, Finanzen etc. Mit der Zeit hat meine Schwester einzelne Bereiche auf Antrag bei Gericht zurück erwirkt, dann ist es auch kostengünstiger.

    Leider weiß ja niemand, in welcher Zeit es sich weiter entwickelt und ich verstehe sehr gut, dass du deine Kraft für deine Familie brauchst.


    Es ist eine aufreibende Phase, wenn die Elternteile noch so kämpfen .

    Alles Gute für dich!

  • Danke, liebe Rose.

    Ja, die Fachärztin hat eine Verdachtsdiagnose gestellt- soviel ich weiß, ist es aber bei Demenz zu Lebzeiten immer eine Verdachtsdiagnose.

    Und sie hat sich eigenen Angaben nach nur mit ihr unterhalten, keine Tests durchgeführt. Das hat mich doch etwas verunsichert, daher würde ich sie darum bitten, das noch, soweit im Heim möglich, nachzuholen. Denn zu ihr in die Praxis wird meine Mutter sich nicht bewegen lassen.


    Heute ist nun dieses anberaumte Gespräch im Heim, mir graut schon davor. Das Heim möchte, dass ich „weitermache“ mit meiner Vollmacht (die sie mir ja offiziell meint entzogen zu haben, siehe Anfangspost 🤪) und meiner Mutter erklären, dass eben nicht mehr „alles so gut ist und alles stimmt“ bei ihr. Meine Mutter wird vermutlich denken, das kommt alles von mir, ich habe das eingefädelt. Ich sehe das schon…


    Wahrscheinlich werde ich mir noch etwas Bedenkzeit erbitten - wobei es dem Heim ja auch darum geht, möglichst schnell die Kostenübernahme gesichert zu haben, dessen Antrag ich ja noch eingereicht habe. Bis auf die fehlenden Sachen, die meine Mutter jetzt ja unbedingt selbst erledigen möchte. Also ist das mit der Zeit wohl eher nicht so gerne gesehen beim Heim 😔.


    Die PDL und die Ärztin meinten getrennt voneinander auch, es könne ja auch eine Betreuung nur für die Bereiche Post/Anträge oder so sein.

  • Liebe Mauerflower,

    du schreibst:

    Ja, die Fachärztin hat eine Verdachtsdiagnose gestellt- soviel ich weiß, ist es aber bei Demenz zu Lebzeiten immer eine Verdachtsdiagnose.

    Nein, eine Verdachtsdiagnose ist es nur solange sich die Demenz mit Tests oder bildgebenden Verfahren (z.B. MRT) noch nicht nachweisen lässt.

    Bei meiner Mutter war uns Angehörigen schon 6 Jahre vor der Diagnose klar, dass sie dement ist, aber erst die Diagnose konnte uns sagen, welche Art Demenz sie entwickelt. Bei ihr ist es eine Mischform aus Alzheimer und vaskulärer Demenz.

    Es hat bei ihr, nachdem sie mit meinem Vater zusammen in die Nähe meiner Schwester gezogen war, mit Aggressivität und Wahnvorstellungen angefangen, aber kein Test/keine Untersuchung konnte zu diesem Zeitpunkt eine Demenz feststellen, weswegen man erstmal eine Schizophrenie diagnostiziert hat, und wir ihr aufgrund dessen die falschen Medikamente gegeben haben. Genützt haben die garnichts, außer dass meine Mutter aufging wie ein Hefekloß.

    Will sagen, diese Tests scheinen im Anfangsstadium einer Demenz noch nicht zielführend zu sein, und wenn man dann, so wie wir damals, auf eine Diagnose hofft, dann kann das zu einer Fehldiagnose führen.


    Hat deine Mutter denn schon einen Pflegegrad? Wenn sie wegen der Versorgung der Wunde in einem Pflegeheim ist, müsste sie doch eigentlich einen haben, oder?

    Dann sollte das mit der Kostenübernahme doch eigentlich kein Problem sein.

    Das würde ich an deiner Stelle mit meiner Mutter versuchen ganz sachlich zu besprechen...ihr klar machen, dass sie selbst zahlen muss, wenn sie dich sich nicht um diesen Antrag lässt. Zur Unterstützung würde ich mir noch die PDL zu dem Gespräch mitnehmen.


    Die PDL und die Ärztin meinten getrennt voneinander auch, es könne ja auch eine Betreuung nur für die Bereiche Post/Anträge oder so sein.

    Ja, da haben beide Recht. Aber bis die Post/Anträge von einem gerichtlich bestellten Betreuer bearbeitet werden können vergehen Monate.

    Ich weiß wovon ich spreche, bin vom Gericht bestellte Betreuerin für meine Mum.


    Ich hoffe, ich konnte dir eine paar Unsicherheiten in dieser Anfangsphase der Demenz nehmen, und du wirst das Gespräch schon wuppen.


    Viel Erfolg wünscht dir

    Silly

  • Heute ist nun dieses anberaumte Gespräch im Heim, mir graut schon davor. Das Heim möchte, dass ich „weitermache“ mit meiner Vollmacht (die sie mir ja offiziell meint entzogen zu haben, siehe Anfangspost 🤪) und meiner Mutter erklären, dass eben nicht mehr „alles so gut ist und alles stimmt“ bei ihr. Meine Mutter wird vermutlich denken, das kommt alles von mir, ich habe das eingefädelt. Ich sehe das schon…

    Liebe Mauerflower,

    Ja, du bist als nächste Angehörige die Zielscheibe deiner kranken Mutter.

    Eine mögliche Erklärung dafür:

    Du hast vor dir eine scheinbar „starke“ Persönlichkeit, aber mit narzisstischen Zügen. Vieles von ihrer Autorität und ihrem Selbstbewusstsein ist wohl Fassade.

    Was macht eine beginnende Demenz mit dieser Person?

    Die Person spürt, dass ihre geistigen Defizite zunehmen. Das bedroht ihr Image und ihr Bild, das sie von sich der Welt zeigt. Ihre Fassade beginnt zu bröckeln. Das macht der Person Angst und macht sie wütend. Es kostet sie Kraft, ihre Fassade zu halten und zu stützen.

    Trotzdem bemerken ihre engen Angehörigen als erste, dass etwas mit ihr nicht stimmt. Je mehr diese Angehörigen nach dem Grund bohren, je mehr die Angehörigen versuchen auf die Person Einfluss zu nehmen und ihr gute Ratschläge geben, desto panischer und aufgebrachter wird die kranke Person. Die Angehörigen verweisen nämlich durch ihr Verhalten auf all die Schwächen, die die Person gerade leugnen und vertuschen will.

    Eine Demenz reduziert aber nicht nur die geistigen Fähigkeiten, sie reduziert auch die sozialen Fähigkeiten. Die kranke Person reagiert immer öfter über, und die engen Angehörigen sind ihr bevorzugtes Opfer, ihre Zielscheibe.


    Das kranke „böse“ Verhalten einer Demenzkranken lässt sich kaum beeinflussen. Wenn du das ablehnende Verhalten nicht aushalten kannst, musst du „auf Abstand gehen“ und die Pflege und Versorgung der kranken Person möglichst an andere delegieren. Meist reagiert die kranke Person auf Menschen außerhalb der Familie weniger ablehnend und weniger aggressiv. Wahrscheinlich ist es auch für die kranke Person leichter und weniger stressig, wenn sie von „Fremden“ gepflegt und versorgt wird statt von ihrer Tochter.

    (Das ist meine Privatmeinung, ich bin kein Arzt!)

    Liebe Grüße!

    Buchenberg

  • Heute ist nun dieses anberaumte Gespräch im Heim, mir graut schon davor. Das Heim möchte, dass ich „weitermache“ mit meiner Vollmacht (die sie mir ja offiziell meint entzogen zu haben, siehe Anfangspost 🤪)

    Liebe Mauerflower, ich hatte von meiner Mutter nicht einmal eine Vollmacht. Meine Mutter meinte zeitlebens, dass sie alles !!! selbst im Griff hat. ("Soweit kommts ja wohl noch, dass jemand anders über mich bestimmt ....")

    Die Hausärztin hatte aber früh den Verdacht, dass sich eine Demenz entwickelt und machte in Abständen Tests (die meine Mutter aber anfangs noch gut bestand) und ich wollte die Demenz irgendwie nicht wahrhaben. Das war wie bei deiner Mutter.

    Ein Sturz führte meine Mutter dann über das Krankenhaus in die Kurzzeitpflege und dort hat man wegen der Kostenübernahme ;) natürlich auch gleich alles in die Wege geleitet. Meine Mutter hat damals auch noch vieles mitbekommen und war einigermaßen sauer. Ich kann mich noch gut erinnern, wie schrecklich aufgeregt ich war. Wir haben sie dann auch erst noch einmal nach Hause geholt und dann ging der Ärger richtig los (ich möchte das gar nicht alles ausführen.)


    Was die Betreuungssache angeht, so ist tatsächlich jeder/r Demente etwas anders, so dass wir alle nur aus unserer Perspektive urteilen können.

    Ich kann auch nur aus meiner Erfahrung sprechen: Meine Mutter hat damals alle Pflegekräfte aus dem Haus gejagt inklusive mich. Der Pflegedienst meinte, so etwas noch nicht erlebt zu haben.


    Jetzt mit fortgeschrittener Demenz hat sich meine Mutter zu einer ausgeglichen freundlichen Person entwickelt, so dass es mir wie ein Wunder vorkommt. Wahrscheinlich zerstört die Demenz auch Bereiche im Gehirn, die für diese anfängliche Wehrhaftigkeit zuständig sind. Für meine Mutter gibt es jetzt nur noch den Moment, der Kampf hat aufgehört.

    Aber lass dich gut beraten, inwiefern du wirksam werden kannst und was und wie viel deine Mutter von deinem Wirken mitbekommt. Wenn du eine Vollmacht hast, kommt ja auch niemand vom Gericht, sondern du kannst alles regeln. Bei mir war das m.E. noch schlimmer, weil ja ein Richter meine Mutter befragte, ob sie mir nun die Vollmacht erteilen möchte. Das wurde aber sehr einfühlsam und geschickt gemacht, so dass auch ich diese Situation gut überstehen konnte.

    Ich denke, du solltest einfach auch prüfen, ob das Verhältnis zwischen euch früher (vor der Demenz) ein gutes oder bereits belastetes war. Falls es früher einigermaßen gut war, lohnt es sich vielleicht, diese Phase auszuhalten. Bei uns hat es ein (vorläufig?) gutes Ende genommen, obwohl die Vorzeichen mit meiner wütenden ablehnenden Mutter ungünstig standen. Aber frag einfach nach den Erfahrungen vor Ort.

  • Liebe Mauerflower -


    ich kann Deine Situation so gut nachvollziehen. Man steht da und weiß überhaupt nicht, warum man so beschimpft und beleidigt wird. Ich wusste nicht einmal, dass meine Mutter solche Schimpfwörter kennt... Aber es ist wie schwarzerkater schreibt: Die Demenz beginnt schon Jahr früher, schleichend und unbeachtet. Niemand von uns denkt an Demenz, wenn jemand mal vergisst, wo er/sie etwas hingelegt hat. Nach dem Tod meines Vaters machte sich die Demenz meiner Mutter deutlicher bemerkbar, auch wenn ich es erst für Trauer hielt (sie waren 60 Jahre verheiratet). Als dann die Beschimpfungen hinzu kamen, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Dann ging es relativ schnell mit den Schüben. Aber auch das hängt von der jeweiligen Person ab. Meine Mutter änderte dann mehrfach ihre Meinung, ob sie mir eine Vollmacht geben wollte oder nicht. Der Pfarrer aus ihrer Kirche hat sie dann dazu gebracht, sie zu unterschreiben - denn sie wollte dann doch nicht, dass fremde Leute über sie bestimmen. Dann doch lieber ihre "nichtsnutzige" Tochter, die ihr Konto leerräumen wollte.

    Langer Rede: Ich habe mich um alles gekümmert, dass hatte ich auch schon bei meinem Vater. Aber ich habe sie weniger besucht. Dass ich einige Hundert Kilometer weit entfernt wohne, hat auch dabei geholfen. Aber es ist schwer. Wie Buchenberg so schön schreibt: "Eine Demenz reduziert aber nicht nur die geistigen Fähigkeiten, sie reduziert auch die sozialen Fähigkeiten." Das können wir leider nicht ändern.

    Ich wünsche Dir viel Kraft!

  • Hallo Mauerflower, Du hast ja nun schon wertvolle Tipps bekommen.

    Auf einen Punkt möchte ich noch einmal eingehen:

    Will sagen: Wenn man sie kennenlernt, fällt einem Laien nichts dementielles auf, im Gegenteil. Meine Mutter wird oft gelobt, weil sie geistig noch so fit sei.

    Du bist verunsichert, ob es wirklich Demenz bei Deiner Mutter ist, selbst mit der Verdachtsdiagnose der Fachärztin fühlst Du Dich noch nicht wohl.

    Bei meiner Mutter begannen auch Wesensveränderungen lange, bevor wir auf den Gedanken kommen könnten, dass sie evtl. dement wird. Sie arbeitete plötzlich ihre Ehe auf mit ihrem narzisstischen Mann (meinem Vater), der ein Alkohol- und später Opiatsüchtiger Haustyrann war (selbst Arzt und Psychologe) und uns allen, aber vor allem ihr, das Leben zur Hölle gemacht hatte und den sie aber vergötterte und mir sogar verbot, zu denken(!), dass er süchtig gewesen sei!

    Plötzlich durfte ich ihr alles über ihn erzählen, was ich an Negativem zu sagen hatte, weil ich es so erlebt hatte und sie war interessierte Zuhörerin, nahm es einfach an, obwohl sie es jahrzehntelang geleugnet hatte, wohl um ihr eigenes Ich zu schützen. Ich glaubte oft, sie sei nicht mehr Dieselbe. Zudem begann sie zu schimpfen, Schimpfworte, ja Gossenausdrücke zu verwenden, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie sie kennt, klagte, dass sie so eine Wut in sich wahrnimmt. Lange, wusste sie nicht, warum diese Wut, benannte sie aber dann als Wut auf ihr verpasstes eigenes Leben. Oft genug fragte ich mich, ob das noch die Mutter ist, die ich bisher kannte.

    Erst einige Jahre nach diesen Anfangen zeigten sich dann Dinge, die auch Laien auf Anhieb als Demenz wahrnehmen können, wobei durch ihre Fast-Blindheit natürlich auch da einiges zunächst verschleiert gewesen sein könnte.

    Aber selbst heute, weitere Jahre und Pflegegrade später kann sie noch mit weniger vertrauten Menschen so telefonieren, dass diejenigen nichts merken - es sei denn, das Gespräch dauert lange genug, dass sie alle Fragen und Gesprächsinhalte in ihre Wiederholungsschleifen bringen kann.

    Das beschreibe ich Dir deshalb so ausführlich, damit Du sehen kannst, wie am Anfang der Demenz das evtl. nur durch noch nicht sehr dramatische Verhaltensänderungen u.ä. zum Ausdruck kommen kann.

  • Nach dem Tod meines Vaters machte sich die Demenz meiner Mutter deutlicher bemerkbar, auch wenn ich es erst für Trauer hielt (sie waren 60 Jahre verheiratet). Als dann die Beschimpfungen hinzu kamen, wusste ich, dass etwas nicht stimmte.

    Liebe Tanja, es war bei uns haargenauso wie bei dir. Meine Mutter lebte ihre Trauer mit einer unbändigen Wut auf das Leben und ... auf mich aus. Allerdings merkte ich schon im letzten Jahr (als mein Vater noch lebte), dass sie sich veränderte. Vergessen hat sie damals höchstens im Normalbereich. Eine Verwahrlosung trat erst allmählich ein: Erst stapelten sich im Gefrierfach sämtliche von mir gekauften Brötchen, dann stand jede Woche dasselbe auf meinem Einkaufszettel, Termine waren ihr nicht mehr wichtig. Dann lagen zu Ostern noch ein paar Weihnachtsdeckchen auf dem Tisch und immer so weiter ... Die Gespräche wurden etwas oberflächlicher, aber man merkte das kaum, da man Ausfälle wohl lange kompensieren kann.


    Meine Mutter spricht jetzt nur noch ganz wenig, aber wenn, dann sind es mehr oder weniger sinnvolle Sätze, die aus "Redebausteinen" bestehen und die relativ gut passen. Da die Beschäftigung mit diesen Themen mein Beruf ist, kann ich mir gut vorstellen, von wo diese Sprachbausteine stammen. Gut, dass sie noch da sind! Allerdings hat das Sprachverständnis schwer gelitten. Sie versteht zwar noch einfache Aufforderungen, aber keine komplexen Zusammenhänge mehr. Und sie ahnt vage, dass sie nicht immer in diesem Pflegeheim war, aber an früher erinnert sie sich fast nicht mehr .... und - so traurig es ist - das kommt ihr in ihrer Situation zugute. Nur der Moment ist noch wichtig!

  • Das friedliche "Im-Moment-Leben" beobachte ich auch bei meiner Mutter und ich habe das Gefühl, sie hatte selten im Leben so wenig Sorgen. Von daher finde ich die Demenz in diesem Stadium gar nicht mehr so schlimm - eher für mich, wenn ich zu sehr draufschaue, wie sie nicht mehr merkt, dass sie wochenlang nicht beim Friseur war (früher undenkbar), dass sie auf ihre Kleidung geschlabbert hat, mir zunehmend Antworten gibt, die zu meiner Frage nicht passen, eher Floskeln sind.

    Also gerade finde ich es nicht so furchtbar, weil es ihr trotzdem gut geht. Ich habe auch mitbekommen, wie sie mit Mitbewohnern spricht und jeder etwas sagt, was aber eigentlich nicht zueinander passt, so wie kleine Kinder manchmal nebeneinander her spielen, aber eben sich nicht allein fühlen. Ich versuche es mit ihren Augen zu sehen und dann ist es wieder ok. Das ist MEIN Weg ;)


    Liebe Grüße an alle

  • Liebe Rose60 -


    Dein Satz "sie hatte selten im Leben so wenig Sorgen" trifft es. Genau das Gefühl hatte ich bei meinem letzten Besuch im Heim. Früher war es ein Drama, wenn sie einen Fleck auf dem T-Shirt oder der Bluse hatte. Da wurde direkt neu angezogen, nicht nur das Teil mit dem Fleck, sondern das gesamte Outfit. Mit ihren Bekannten im Heim ist es genauso: Die eine spricht von ihrem Zug, den sie unbedingt noch erreichen muss, die andere, das ihr Mann sie bald abholt, weil sie sich um die Tankstelle kümmern muss usw. Aber alle kommen wunderbar miteinander klar.


    schwarzerkater: Bei meiner Mutter war es eher, dass Tage, Uhrzeiten und Daten "verrutschten". Sie wurde 2x die Woche von Bekannten zur Kirche abgeholt und da sah sie auch immer wie aus dem Ei gepellt aus - sie haben mir manchmal Fotos geschickt und wenn ich zu Besuch war, habe ich es ja auch gesehen. Mind. 30 Minuten wurde da am Outfit gefeilt. Sie ist auch Einkaufen gegangen und hat gekocht. Aber dann kamen so Dinge, dass sie nur noch mit mir zur Bank wollte, um Geld zu holen. So Kleinigkeiten. Und dann ging es etwas rasanter: Leute von ihrer Kirche wollten sie "fertigmachen", irgendwer lauerte vor dem Haus (vorzugsweise mein toter Vater), Geld wurde angeblich geklaut usw. Dazu die Beschimpfungen. Es ging ziemlich schnell - mein Vater ist ja knapp 2,5 Jahre tot.

    Schauen wir mal, wie es ist, wenn ich sie das nächste Mal besuche.

  • Ihr Lieben, einen sonnigen guten Tag!

    Gestern war nun unser Date im Heim mit PDL, Verwaltung, meiner Mutter und mir. Meine Mutter erschien zum vereinbarten Termin am Büro und sagte mit einem Blick auf mich: „Ah, die Frau x. (Mein NACHname) hat auch einen Termin!“ Ich grüßte sie freundlich.


    Als wir zu 4. am Tisch in einem Büro saßen, fing die PDL liebevoll an, wie es ihr denn ginge. Sie: „Gut, ich ziehe in 14 Tagen aus!“

    Darauf angesprochen, dass man da eine Kündigungsfrist einzuhalten habe, meinte sie nur, davon wisse sie nichts und sie hätte davon nie gelesen.

    Ich habe ihr dann gesagt, dass sie ja allen Papierkram wieder selber machen wollte und ich ihr alles, auch den Heimvertrag, deshalb gegeben hätte- vor 2 Wochen.

    Meine Mutter hat redegewandt um sich geschlagen und alle Einwände und freundlichen Klärungsversuche zu Vollmacht/Papieren/Vertrag/Ärzte etc. weggewischt und immer wieder gesagt, dass sei „unser Problem“, sie würde sich die nötige rechtliche Hilfe gegen alle schon organisieren.

    Außerdem hätte ich „mir widerrechtlich bei ihrer Bank Blätter geholt“ (Auszüge gedruckt für die Beantragung der Kostenübernahme) und überhaupt solle man mir ja besser nichts glauben, ich hätte sie schließlich „einfach in das nächstbeste Heim gesteckt“, sie hätte das nie gewollt (bis vor 2 Wochen hat sie sich noch wohl gefühlt und war mir ein klein wenig dankbar für die ganzen Bemühungen). Die ganze Zeit über sagte sie nie „meine Tochter“ sondern „die Frau x“.


    Auf die besorgte Nachfrage der Verwaltung, warum sie mir das den wegnehmen wolle, wo ich das alles bisher doch so gut gemacht habe, warf sie uns allen „eine emotionale Front gegen sie“ vor.

    Außerdem erzählte sie immer wieder von der schweren OP und dem Koma, in dem sie mir die Vollmacht gegeben hätte- beides gab es nie. Sie war, als wir die Vollmacht ausfüllten (die Voraussetzung für den Heimvertrag war) kurz vor der Entlassung aus dem KH, orientiert und erleichtert, dass ich das für sie übernehme. hat sich alles genau durchgelesen und damals offenbar auch verstanden (vor 6 Wochen).


    Irgendwann verließ sie die Runde und ich redete dann noch im Anschluss mit den beiden Mitarbeitern, die besorgt und erschüttert waren und mir erstmal einen Kaffee holten. So etwas hätten sie noch nie erlebt!


    Das Heim wird nun eine Mitteilung ans Betreuungsgericht machen, wie sie mir eben am Telefon sagten, weil sie der Überzeugung sind, dass wir so nicht weiterkommen und meine Mutter weder ihren Papierkram (und damit zB die Bezahlung des Heimes) organisiert bekäme, noch irgendeine Hilfe, am wenigsten von mir, zulassen würde.


    Als ich abends heimkam und mir nochmal ein Arztbrief von vor 2 Jahren in die Hand nahm, den ich erst gestern morgen erhalten hatte, stolperte ich über das Wort SAE (subkortikale arteriosklerotische encephalopathie) als Äthiologie (Herkunft/Ursache) ihrer Epilepsie.

    Nun, das hat mich die Nacht über wach gehalten. Google sagt hierzu als zugrunde liegende, auslösende Erkrankung etwas von progredienten Abbauprozessen, mit ähnlichen Folgen wie bei einer vaskulären Demenz. Typisch seien, dass das Gedächtnis und die Sprachfähigkeit noch lange erhalten bleiben, die Betroffenen aber z.B. einen Wahn entwickeln und wütendes/aggressives Verhalten, speziell gegenüber nahen Angehörigen zeigen.


    Bums. Ich habe seit mehr als 4 Jahren alles zu psychischen Veränderungen im Alter gelesen, Demenzen, Symptome, alles was ich kriegen konnte… nur hatte ja nichts wirklich auf das Verhalten und die Symptome meiner Mutter gepasst. Der Arzt muss ihr das sicherlich damals in der stationären Epilepsie-Behandlung, wo diese Diagnose gemacht wurde, erzählt haben. Aber sie hat es entweder nicht verstanden oder nicht hören wollen. Oder der Arzt hat zu dem Zeitpunkt diese Wahn-Symptome noch nicht wahrgenommen und dem Ganzen nicht ein zu großes Augenmerk schenken wollen. Wie auch immer.


    Nun weiß ich nach über 4 Jahren auf und ab, was neuropathologisch los ist bei meiner Mutter, dass sie auf eine nicht aufzuhaltende Erkrankung zusteuert - nein, schon mitten drin ist… und war trotzdem erst einmal erleichtert. Ich schäme mich dafür. Aber mein erster Gedanke war: Diese üblen Beschimpfungen, das verletzende Verhalten, das ist nicht meine Mutter…das ist die Krankheit.

    Damit kann ich tatsächlich einfacher umgehen.


    Bin allerdings noch wie unter Schock, einerseits wegen des eskalierten Gespräches gestern, dann wegen der Diagnose… und wegen dieser Aussicht, mich mit dem Betreuungsgericht und Co. rumschlagen zu müssen. Also in Bezug darauf, wie meine Mutter das aufnehmen wird. Für mich persönlich wird es hoffentlich (emotional) leichter, weil ich so nur der Sündenbock für immer wäre.

    Ich selber habe für mich beschlossen, keine Anträge etc. im Moment für meine Mutter zu machen, zumindest diesen Teilbereich kann gerne jemand übernehmen.

    Dann lieber mit ihr vielleicht irgendwann wieder reden und Kaffee trinken können, weil diese Themen nicht zwischen uns stehen, sondern outgesourced sind.

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