Hilfe! Betreuungsverfahren trotz Vorsorgevollmacht

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  • Hallo,


    ich bin seit zwei Wochen pflegende Angehörige. Neue, aber sehr spannende Herausforderung, die ich mit Spaß und Humor angehe.


    Meine Mama hat im Juli bei einem Anwalt Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung aufsetzen lassen, da ihr die Vordrucke vom Bundesministerium für Justiz, die ich ihr immer wieder vorgelegt habe, nicht zusagten.


    Leider hat sie die Dokumente erst am 4.10. unterschrieben, als ich sie sehr verwirrt in ihrer Wohnung aufgefunden habe.


    Nun habe ich es unter großen Anstrengungen geschafft, sie in der Geriatrie der Uniklinik Dresden unterzubringen - was mein Wunsch war.


    Problem an der Sache - ich bin selbst Patientin in der Psychiatrie (bipolare Störung, 2012 diagnostiziert, aber seit dem ersten Ausbruch 2012 zum Glück beschwerdefrei).


    Ich nehme alle Hinweise der Ärzte und Psychologen an und tue alles, um stabil zu bleiben. Diese wollen jedoch jetzt ein Betreuungsverfahren anstrengen, um mich zu entlasten.


    Nun habe ich mich mal belesen, was ein Betreuer so leistet. Aufgaben, die ich gern selbst übernehmen möchte. 5 Stunden pro Monat entlasten mich nicht wirklich. Finanzielle und unterbringungsrechtliche Fragen möchte ich gern selbst in der Hand behalten. Als Bevollmächtigte kann ich ja auch Untervollmachten erteilen, was ich rege tue.


    Wie soll ich reagieren? Möchte einen Rechtsstreit gern vermeiden - der kostet Kraft, die ich gern im Sinne meiner Mama anderweitig nutzen möchte.


    Vielen Dank für Ihre Tipps.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Claudia95,
    Sie sind durch Ihre Erkankung und die Diagnose in eine schwierige Situation gekommen und wir können von außen nur einige Gedanken zur Klärung beisteuern:
    Leider machen Betreuungsgerichte immer wieder schlechte Erfahrungen mit Kindern, die den Aufgaben einer Betreuung nicht gewachsen sind. Das können finanzielle Begehrlichkeiten auf das Erbe, Konflikte in der Familie oder psychische Belastungen sein. Aus meiner Sicht war es eine kluge Entscheidung des Gesetzgebers, dass das Betreuungsrecht trotz aller Vollmachten greifen kann.
    Die Verantwortlichen für die Einleitung des Betreuungsverfahrens werten vermutlich Ihre Diagnose aus dem Jahr 2012 als Hinweis darauf, dass Sie Ihrer Verantwortung gegenüber Ihrer Mutter vielleicht nicht gerecht werden können.


    Vielleicht hilft es Ihnen, wenn ich Ihnen kurz das Vorgehen skizziere, denn das Betreuungsrecht stehen die Interessen der Betreuten im Mittelpunkt, auch durch die Unterstützung (und nicht Bevormundung) der Bevollmächtigten.


    An der Entscheidung des Gerichtes sind mehrere unabhängige Stellen beteiligt:
    - Die Betreuungsbehörde oder Betreuungsstelle der Kommune schaut aus sozialpädagogischer Sicht in den Alltag Ihrer Mutter
    - Die ärztlichlichen Gutachter berücksichtigen den Grad der Demenz auf die Entscheidungsfähigkeit Ihrer Mutter
    - Verfahrenspfleger machen sich im Auftrag des Betreuungsgerichts einen Eindruck und informieren den Betreuungsrichter
    - Der Betreuungsrichter macht sich ein persönliches Bild und entscheidet auf Grundlage aller vorliegender Informationen.
    Gegen diese Entscheidung könnten Sie dann juristisch vorgehen, doch viel sinnvoller ist es, wenn Sie mit den einzelnen Instanzen kooperieren.


    Nun haben die Betreuungsrichter unterschiedliche Grundhaltungen, wie schnell sie eine notariell beglaubigte Vollmacht aufheben. Ein wichtiges Prinzip ist die Verhältnismäßigkeit und die Frage, ob der Bevollmächtigte seine Aufgaben im Sinne der Beauftragten übernimmt. Der Richter wird berücksichtigen, dass Ihre Mutter Ihre Krankheit "billigend in Kauf genommen hat", als sie Sie vor dem Notar beauftragte. Meine Einschätzung ist: Je mehr Sie den Beteiligten zeigen, dass Sie Ihre Verantwortung konstruktiv übernehmen, desto eher wird das Verfahren eingestellt, d.h. die Richter bestätigen damit das in Sie gesetzte Vertrauen.


    Wenn das Gericht zu einer anderen Entscheidung kommt und weiterhin Bedenken hat, bedeutet das nicht, dass man Ihnen alle Verantwortung entziehen würde. Im Gegenteil, Ziel des Gesetzes ist, dass Sie (nur) an der Stelle Unterstützung bekommen, in der eine Überforderung vermutet wird.
    Vermutlich wird das Gericht:
    - einen Ergänzungbetreuer oder Verhinderungsbetreuer einsetzen, wenn Sie durch eine Krise diese Aufgabe nicht übernehmen können
    - einen Betreuer parallel einsetzen, mit dem Sie Entscheidungen im Sinne Ihrer Mutter abstimmen können
    - nur selten wird eine Vollmacht vollständig aufgehoben


    In jedem Fall ist der geäußerte und mutmaßliche Wille Ihrer Mutter die wichtigste Instanz für alle Entscheidungen und der gesetzliche Rahmen soll helfen, dass dies auch wirksam wird.


    Vielleicht konnte ich Ihnen durch diese Informationen etwas Hintergrund für Ihre weiteren Entscheidungen geben. Ihre Situation ist schwierig, denn Sie schreiben in Ihrer Mail, dass Sie derzeit richtig mit Ihrer Erkrankung umgehen. Andere mit dieser Diagnose haben keine "Krankheitseinsicht", suchen nicht den Rat der Ärzte und Psychologen und treffen (krankheitsbedingt) weitreichende Entscheidungen, die sie später sehr bereuen.
    Deshalb bitte ich Sie, nehmen Sie das Betreuungsverfahren als Chance, in der Sie beweisen, dass Sie weiterhin auf dem Weg der Heilung sind, - auch indem Sie die beschriebenen flankierende Hilfen annehmen.
    Bitte unterschreiben Sie nicht mit Ihrem Namen in diesem öffentlichen Forum, denn diese sehr persönlichen Informationen sollten durch die Anonymität geschützt werden. Sie können Ihre Frage noch einmal bearbeiten und den Nachnamen löschen, aber ich werde auch von mir aus die Kolleginnen im Wegweiser Demenz informieren.

  • Hallo,


    kurzer Bericht, um auch anderen zu helfen, die in einer "schwierigen Lage" sind:


    War gestern bereits bei der zuständigen Sozialarbeiterin in der Uniklinik und habe mich kurz vorgestellt. Sie war davon sehr angetan.


    Habe ihr dann sehr offen meine Ängste bezüglich Betreuungsverfahren erläutert und meine eigene Situation offen und ehrlich geschildert. Sie war sehr verständnisvoll und hat mich erstmal beruhigt.


    Das kann ich leider von dem Anwalt, den ich in meiner ersten Panik konsultiert habe nicht behaupten. Der stellte ein Betreuungsverfahren als worst-case Szenario dar.


    Habe dann nochmal recherchiert. Genau diese Kanzlei erstellt für ca. 170 EUR individuelle Vorsorgedokumente - offensichtlich ihr Hauptgeschäft. Tolles Vertriebsinstrument, bei den Leuten Panik zu verbreiten!


    Ich selbst habe aufgrund meiner eigenen Krankheit bereits 2012 eine Vorsorgevollmacht erteilt, an meinen liebevollen Lebenspartner, der mich bisher meisterlich in allen Krisen unterstützt hat.
    Dafür habe ich den Vordruck des Bundesjustizministeriums genutzt - reicht m.E. völlig aus.


    Vielen lieben Dank nochmal an Herrn Hamborg für die ausführliche Antwort hier im Forum.

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