Sehr geehrte Nina,
zuerst einmal möchte ich Ihnen mein persönliches Verständnis über Ihre Verzweiflung und Ihren Ärger übermitteln. Die Belastung als Vollzeit Berufstätige und gleichzeitige pflegende Angehörige eines Elternteils an sich, ist schon eine große Herausforderung. Wenn dann noch der von Ihnen beschriebene Notfall eintritt, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass man/frau sich am Rande der Verzweiflung befindet und sich vermutlich auch Ängste über die persönliche Existenz auftun.
Obwohl ich mit meiner Arbeitsstelle u.a. nah am (Pflege) Geschehen bin, gibt es in meiner Praxis zum Pflegezeitgesetz eher geringe Anfragen oder Aussagen von Betroffenen.
Zum allgemeinen Verständnis: das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) ist im Juli 2008 im Rahmen des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes in Kraft getreten. Inhalt des Gesetzes ist die befristete Freistellung von der Arbeit für pflegende Angehörige. Dabei unterscheidet man zwei Möglichkeiten. Die Freistellung kann entweder:
kurzfristig für maximal 10 Tage in akuten Notsituationen in Anspruch genommen werden oder als
längerfristige Freistellung (bis zu 6 Monaten) beantragt werden.
In beiden Fällen gilt: pflegende Angehörige haben Anspruch auf unbezahlte, aber sozialversicherte Freistellung von der Arbeit mit Kündigungsschutz.
Im Folgenden möchte ich noch einmal auf die kurzfristige Freistellung eingehen:
Für die “Kurzzeitige Arbeitsverhinderung” (§ 2 PflegeZG) gelten folgende Regelungen (Textauszug):
1. Beschäftigte haben das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben (auch ohne Vorankündigung), wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen.
2. Beschäftigte sind verpflichtet, dem Arbeitgeber ihre Verhinderung an der Arbeitsleistung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dem Arbeitgeber ist auf Verlangen eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen und die Erforderlichkeit der im Punkt 1 genannten Maßnahmen vorzulegen. Es muss noch keine Pflegebedürftigkeit anerkannt sein. Der Arbeitgeber kann die Freistellung nicht verweigern oder verhindern.
Dazu Allgemeines: die Dauer der gesetzlichen Freistellung kann nicht durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung reduziert werden. Der Anspruch eines Beschäftigten auf Freistellung nach § 2 PflegeZG besteht in allen Betrieben, unabhängig von der Zahl der Mitarbeiter, und damit auch in Kleinbetrieben mit weniger als 15 Beschäftigte. Es kommt auch nicht darauf an, wie lange das Arbeitsverhältnis bereits bestanden hat.
Sehr geehrte Frau Nina, das PflegeZG ist noch relativ jung und vermutlich ausbaufähig wenn man Theorie und Praxis miteinander vergleicht. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn es für diese Regelung eine vergleichbare Lösung gäbe, wie z.B. bei der Erkrankung eines Kindes. Ihnen wünsche ich weiterhin viel Kraft und Geduld in Ihrer verantwortungsvollen Rolle als berufstätige und pflegende Angehörige.
Alles Gute
Mit freundlichen Grüßen
Renate Gascho