Hallo Elisabetha,
ich habe Ihren Text aufmerksam gelesen und kann auch das gut nachempfinden.
Ihr Vater war, so wie ich das lese, eher ein dominanter Mensch, der viel mit seinem Willen gemacht hat und dabei nicht immer die Bedürfnisse anderer berücksichtigt hat.
Sich daraus zu befreien, braucht viel Zeit, Lebenserfahrung und Reflektion. Vor allem hat man durch Solches auch viele Ängste erlebt.
Viele Menschen haben Probleme mit den eigenen Bedürfnissen, manche kennen sie noch nicht einmal wirklich. Da wird dann gerne mit Angst, Übergriffigkeit, Dominanz oder emotionaler Erpressung gearbeitet, um etwas zu erreichen. Solange genügend Ablenkung und einige Ressourcen vorhanden sind, geht es im Leben einigermaßen. Aber in den meisten Menschen schlummert so Einiges, was sie nicht kennen. Da entstehen dann leider Opfer- und Täterverhaltensweisen. Ganz besonders in Familien, wie Sie es für mich stimmig beschreiben.
Was Ihre Mutter sagt, das stimmt auf der einen Seite, auf der anderen Seite, kann niemand, alles im Leben zu aller Zufriedenheit auffangen, wenn Menschen aus irgendwelchen Gründen, nicht mehr selbst etwas zum Gelingen beitragen können. Ihr Vater hat den Verstand nicht nur verloren, er hat auch einige seiner Verhaltensweisen beibehalten, seinen Willen, seine Durchsetzungskraft. Und genau an dem Punkt kann man keine wirklich befriedigende Lösung für alle mehr finden. Es muss leider eskalieren und das tut einfach nur weh, da verstehe ich Sie. Und die Telefonseelsorge hat recht, er ist hier mehr Kind, als erwachsen, ich würde vielleicht eher sagen, etwas dazwischen.
Sie fragen, was man alles so ertragen kann. Ich weiß es manchmal auch nicht mehr. Ich sitze hier genauso zwischen so vielen Stühlen. Und was Menschen einem angetan haben, dass sind Verhaltensweisen, wo sie selbst mit ihrem Leben und ihren eigenen Bedürfnissen nicht zurechtkamen. Die einen übergriffig, die anderen ängstlich ect. Meine Vorgehensweise in diesen Punkten ist die, dass ich hier für mich selbst sorgen will und das in mir bereinige, denn ich weiß für mich inzwischen, das mir das am meisten hilft, innerlich bei mir zu bleiben und das Leben anderer bei denen zu belassen. Man hat zwar Begegnungen durch die Eltern-Kind-Beziehungen oder auf der Arbeit, aber letztendlich auch ein Eigenleben in sich, das man einfach nicht mit anderen teilen kann und wo Harmonie und Unversehrtheit als tiefes Bedürfnis eine Rolle spielen. Unsere Welt ist nicht perfekt und ich denke, wir haben noch lange nicht der Weisheit letzter Schluss gefunden. Das hat keine Religion/Tradition oder die bisherige Wissenschaft geschafft. Von daher hat unser Leben Grenzen und ein jeder versucht es mit seinen Strategien zu meistern, oftmals nicht besonders glücklich, so auch Ihr Vater.
Ihre Mutter wird es alleine mit Willenskraft nicht gelingen ihren Mann noch zu retten. Man kann ihm aber das Leben erleichtern nach der Eskalation, wenn gar nichts mehr vor und zurück geht. Ich denke, Sie wollen diesen Zeitpunkt noch abwarten, bis Sie die Betreuungsunterlagen wegschicken, was ich verstehe. Vielleicht warten Sie auch auf das OK Ihrer Mutter. Das hat auch nichts mit Ausgrenzung oder sonst etwas zu tun, wie ihre Mutter meint, sondern weil es einfach in dem jetzigen Rahmen, keinen anderen Ausweg mehr gibt. Und das ist hart für alle Beteiligten. Zudem sage ich mir, dass das nicht das wahre Leben ist, so wie es vielleicht einmal gedacht gewesen ist. So ähnlich wie sie denken, indem sie besser mit allem Zurechtkommen, wenn ihr Vater nicht mehr lebt. Und nein mich entsetzt diese Aussage nicht. Denn was man loswerden will, das sind die psychischen niederschmetternden Zustände, die eben nichts mit Harmonie und Unversehrtheit zu tun haben. Die Wahl zwischen Pest und Cholera, sage ich dazu.
Ich glaube auch nicht, dass Sie die Unterlagen deshalb abgeben wollen, um sich zu wehren, sondern um für sich selbst sorgen zu können, damit Sie nicht untergehen. Aber ich glaube, sie haben da automatisch einen Zwiespalt, weil Ihnen das Verzeihen ect. noch nicht gelingen will. Das kann man auch nicht erzwingen, aber vielleicht gelingt es irgendwann (Zeitfaktor), wenn man mehr über sich selbst weiß. Oftmals aber nicht in den unmittelbaren und direkt auf einen einwirkenden Situationen. Ich wünsche Ihnen hier viel Kraft.
Liebe Grüße an Sie