Ein Hallo in die Runde,
bei mir ist privat so Vieles, was es zu verdauen gibt, so dass die beginnende Demenz meiner Mama noch eine kleinere Rolle spielt.
sohn,
es ist immer schwer, wenn man erfährt, dass das Leben und die Menschen anders sind, als die Vorstellungen, die man davon hat.
Eine eigene Familie kann nur dann eine Entlastung sein, wenn alle einigermaßen gesund und belastbar durchs Leben kommen, mit den üblichen Einbrüchen, die in ein paar Tagen, Wochen vorbei sein können oder die, wenn sie von Dauer sind, einen nicht ganz vereinnahmen ect. Sobald aber ein/zwei Personen selbst körperlich und psychisch so stark betroffen sind, dass sie auch viel Zuwendung, Hilfe bedürfen und das über einen langen Zeitraum, dann sieht die Sache ganz anders aus.
Ich komme aus einer Großfamilie. Die meisten kommen durchs Leben, aber die eigenen Belastungen sind hoch, so dass jede zusätzliche Aufgabe kaum machbar ist, bis auf gegenseitiges kurzfristiges Helfen und da sein in Notsituationen usw.
Ich habe das Buch: Die magische Welt der Alzheimer gelesen. Da hat die Demenzkranke zwölf Kinder gehabt. Jeden Tag hat jemand anderes von ihnen bei ihr geschlafen. Ein/zwei hat sie aber wegen der Gestohlenenfantasie nicht mehr akzeptiert.
Das ist natürlich ein Idealfall und trotz allem war es schwer, den Verfall der Mutter mitzuerleben, der recht klassisch verlaufen ist.
Und wenn ich ehrlich bin, was Deine Schwester über ihre Kinder gesagt hat, dass kann zum Teil nachvollziehen, auch aus meiner damaligen kindlichen Sicht, die aber deshalb damals so gewesen ist, weil die Demenz damals in ihrem Charakter nicht erklärbar gewesen ist.
Auch ich habe mich rückblickend manchmal unwohl mit meiner Oma gefühlt. Sie hat, ohne es zu wollen und ohne, dass wir es verstanden haben, vieles schlecht gemacht und uns als Absicht gegen sie unterstellt. Mir hat das oft weh getan, gerade weil niemand uns da etwas hat zu sagen können und meine Mutter eine still Leidende gewesen ist, die aber Halt in ihrem sehr verständnisvollen Partner gefunden hat. Sie hat aus allem versucht das Beste zu machen. Es ist ihr auch gelungen. Und ich bewundere sie, dass sie es trotz allem hinbekommen hat. Aber sie hat auch ihren Preis dafür bezahlt. Noch heute ist sie innerlich spürbar auf der Flucht, vor Umständen, die sie nur schwer ertragen kann, auch wenn sie sie dann doch anpackt. Es ist schwer zu beschreiben.
Ich habe mir damals auch eher Menschen ausgesucht, von denen ich etwas lernen konnte, die mir was Schönes vom Leben haben mitgeben können. Mich haben solche geistigen Krankheiten, gefühlt vom eigenen Leben abgeschnitten. Ich konnte aber meiner Oma mit Taten hin und wieder helfen wie beim Strümpfe ausziehen, Essen bringen und wenn sie mal gefallen war, da war ich handlungsfähig gewesen. Das hat mir nichts ausgemacht, aber die geistige Ebene war mir fremd.
Die Sache mit den Achtsamkeitsübungen kenne ich auch. Hat mir mal gut geholfen, bei leichteren Problemen ect. Aber in ganz schweren Situationen, da habe ich jetzt andere Methoden, die mir besser helfen. Aber das führt hier zu weit, darüber zu schreiben. Es ist auch oftmals eine Glaubensfrage, was man da so akzeptieren kann oder auch nicht akzeptieren kann. Ich habe da einige Bücher drüber gelesen, halte die östlichen Philosophien, auf denen die Achtsamkeitsübungen aufbauen, für unvollständig. Man kann aber ihre Hilfestellungen wie eine Art Pille benutzen und es hilft nachgewiesenermaßen vielen Menschen Ruhe zu finden. Aber nicht immer hilft die Pille, wenn die Symptome sich verändern. Mir haben dann eher uralte Serien die gewünschte Ablenkung gebracht.
Ich wünsche Dir, dass du auch am Wochenende mal eine Entlastung für Dich finden kannst.
Gerne schließe ich mich auch Herrn Hamburg an, dass man Kinder in eine Demenz mit einbeziehen sollte. Das machen doch einige Eltern in der heutigen Zeit. Da ist Gestaltung und Phantasie gefragt. Aber auch Eltern haben hier Defizite. Wenn die Schwester schon soviel erlebt und durchgemacht hat und wenn sie zusätzlich noch Kinder hat, dann haut sie kaum Zeit für sich selbst und auch kaum Zeit zu reflektieren. Das war bei meiner Mutter auch so gewesen. Vieles, was mit ihr zu tun hatte, musste sie verdrängen und ich löse heute noch so manches Traumata auf, was sie damals im Zusammenhang mit der Demenz ihrer Mutter nicht verstanden hat, weil sie es für Willkür, aber nicht als Folge der Krankheit angesehen hat.
Ich würde der Schwester hier einerseits Verständnis entgegen bringen und ihr meine eigene Sicht trotzdem erklären. Kinder kommen, wenn man es ihnen erklärt meist mit einer Demenz zurecht. Und gerade bei Deinem Vater sehe ich doch viele Möglichkeiten mit ihm zusammen noch etwas gestalten zu können. Ich glaube, dass die Schwester hier viele (unbegründete) Ängste hat.
Was ich aber gut verstehe ist, dass man erst einmal in ein tiefes Loch fällt, wenn man schon wieder alleine da steht. Ich habe da leider auch öfters zu hören bekommen, dass man mit dem und dem nicht umgehen kann. Ich weiß auch nicht wie manche es hinbekommen, sich dann einfach gar nicht mehr zu melden. Trotzdem habe ich dann irgendwann doch einen Dialog gesucht. Und ich hoffe für Dich, dass da noch etwas machbar ist.
Liebe Grüße an alle Mitlesenden in der Runde