Beiträge von Zebulon

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    Ich hab zwar keinen Spruch des Tages, dafür eine Aktion des Tages.


    Mein Vater wird jede Woche vom Nachbarn zu seinem Urologen gefahren. Auf der Landstraße merkt dieser, dass er geblitzt wurde und kurz drauf stand schon der Mann mit der Kelle. Nachbar hat ihn zu spät gesehen und fuhr dran vorbei.


    Nach dem Termin war die Blitzstelle immer noch da. Nachbar hielt an und ging zu den Polizisten, entschuldigte sich fürs Vorbeifahren und begründete es mit den Schmerzen meines Vaters und dem Arzttermin, und um die Situation zu bestätigen, kam mein Vater mit seinen zwei Krücken auch aus dem Auto und wedelte mit seinem Urinbeutel in Richtung der Beamten.


    Der Beamte bedankte sich fürs Zurückkommen, bemerkte noch, dass er es schön findet, dass sich Nachbarn noch so kümmern und fragte, ob Nachbar mit 20€ einverstanden wäre. Damit wäre die Sache vom Tisch. Das wiederum wollte mein Vater bezahlen, wusste aber mal wieder seine PIN nicht.


    Später meinte Nachbarin dazu: "Nein, nein, das soll er mal schön selber bezahlen. Er ist ja schließlich zu schnell gefahren.


    Ich kann mir meinen Vater so gut vorstellen, wie er den Beamten seinen Urinbeutel entgegenwedelt…


    Liebe Grüße an alle und einen stressfreien Tag!

    Guten Morgen schwarzerkater

    guten Morgen zusammen,


    mal wieder vielen lieben Dank für deine sehr konstruktive Rückmeldung.

    Mein Gefühl sagt mir, dass es vielleicht besser wäre, wenn du deinen Vater nicht jetzt schon auf die kommende Katastrophe vorbereitest.

    Vielleicht hast Du damit recht. Selbst wenn es dazu kommt, so, wie ich meinen Vater kenne, nimmt er diesen Umstand dann höchst persönlich, trotz 'besseren Wissens', dass es nicht sie ist, sondern die Demenz. Ich persönlich könnte damit umgehen, bei ihm mache ich mir dann doch Sorgen.

    Vielleicht (und das ist eventuell auch zu bedenken) steckt dein Vater ebenso schon in einer demenziellen Symptomatik - das kündigt sich meist lange vorab an, oft auch als Depression.

    Auf Depressionen wird er schon seit -zig Jahren behandelt. Die Psychologin meinte in einem gemeinsamen Gespräch, mein Unfall sei in all den Jahren in jeder einzelnen Sprechstunde allgegenwärtig.


    Trotzdem, auch bei ihm fallen uns inzwischen schon etliche Merkmale auf, die darauf hinweisen. Einfach nur Fragen nach dem Tagesgeschehen beantwortet er mir meistens mit 'Ich weiß nicht'.


    Er selbst sagt auch immer wieder, er glaube, dass es bei ihm auch anfange… Allerdings habe ich gelesen, dass es bei den Partnern von Dementen zu massiver Unterforderung des eigenen Gehirns kommt und damit auch demente Verhaltensweisen auftreten. Inwieweit das tatsächlich stimmt, kann ich nicht sagen. Vielleicht ist das auch nur Wunschdenken von mir - weil nicht sein kann, was nicht sein darf…

    Und ich habe inzwischen verstanden, dass Demente ihre eigene Situation ggf. als gar nicht so schlimm empfinden. Sie merken ab einem Zeitpunkt X nicht mehr, was alles verloren gegangen ist und wichtig ist, dass sie sich möglichst in einem zufriedenen Zustand befinden, wo alle Last, alles Leid von ihnen abfällt. Sie leben wirklich im Augenblick und freuen sich über Dinge, für die sie früher vielleicht gar nicht offen waren. Es ist eine komplett andere Welt!

    Das meinte ich, als ich schrieb, sie lebt in ihrer eigenen Bubble. Für sie ist alles kein Problem, es ist alles gut und sie ist zufrieden, wie es ist.

    Aber unsere Aufgabe ist m.E., immer mehr von der Lebenswelt der kranken Person her zu denken ...: Wie geht es ihr? Leidet sie? Was kann ich tun, dass so wenig Stress wie nur möglich bei ihr ankommt?

    Um das 'Seelenheil' meiner Mutter mache ich mir aus o.g. Gründen (Bubble) die wenigsten Gedanken. Meine größte Sorge ist mein Vater. In einem früheren Beitrag habe ich schon geschrieben, dass die Mutter meines Vaters mit 88 Jahren ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt hat. Das senkt die Hemmschwelle natürlich ungemein.

    Vielleicht kannst du für deine Eltern mal zusammen eine geriatrische Reha organisieren?

    Auch das habe ich meinen Eltern schon mehrfach vorgeschlagen, als sie wieder mal den Plan hatten, Pfingsten mit dem Auto in die Abruzzen (ca. 1000 km) zu fahren. Zwar keine geriatrische Reha, weil ich nicht wusste, dass es das gibt, aber doch eine Kur für beide, in der sich um Mom gekümmert wird und er 'sporteln' kann. Außerdem hätte er deutschsprachige Urologen in greifbarer Nähe. Nein, das möchten sie nicht. Ich werde es ihm aber nochmal nahelegen und mich darüber informieren…


    Ich wünsche Dir und dem Rest der Community einen stressfreien Tag!

    Guten Morgen,

    Das ist sicher schlimm, aber auch tröstlich, denn deine Mutter wird keinen schmerzlichen Verlust mehr empfinden, sondern mehr und mehr im Moment leben.

    Danke! Meine Worte! Das wirklich einzig Gute und Tröstliche an der ganzen Sache ist, dass sie selbst nichts davon mitbekommt, für sie ist die Welt in Ordnung.


    Das sagt sie auch immer wieder, wenn mein Vater wieder bitterlich weinend und zutiefst verzweifelt ist: "Warum weinst denn? Uns geht's doch gut. Wir haben unser Dahoam, zwei gesunde* Kinder. Wir haben doch keine Probleme." - woraufhin er noch verzweifelter weint.


    *Damit meine ich, dass sie inzwischen auch meinen Unfall vor über 40 Jahren vergessen hat. Der Unfall, der unser aller Leben völlig aus dem Gleis geschmissen hat - besonders meine Eltern. Als ich sie mal gefragt hab, welchen Unfall ich denn gehabt hab, sah sie mich fragend an und meinte: "Auto?" - "Nein, Mutti. Wir waren alle beim Skifahren.". Sie sagte zwar: "Ach, ja!", ich sah ihr aber an, dass sie keine Ahnung hatte, wovon ich sprach.


    Ich bereite meinen Vater auch immer und immer wieder darauf vor, dass der Punkt unweigerlich kommen wird, an dem sie ihn und uns Kinder nicht mehr erkennen wird. Einfach nur, damit er es immer wieder hört und er halbwegs vorbereitet ist. Es wird so kommen. Sicher. Ich weiß, richtig vorbereitet kann man darauf nicht sein, aber ich möchte, dass es nicht wie ein Genickschlag auf ihn einschlägt. Ob das richtig ist, weiß ich nicht...

    Daher wunderte ich mich, dass es so möglich sei, das Pflegegeld einzustecken und der zu Pflegende bekommt nichts.

    Das wundert mich auch, denn (nicht nur, aber auch) genau aus diesem Grund wird kontrolliert. Da muss schon immense betrügerische Energie dahinter stecken, dass man die Kontrollen so hinters Licht führt.

    Bei uns war das nicht möglich, da ich keinen Zugriff auf das Konto meiner Mutter hatte,

    Das ist leichter, als Du denkst. Ich erledige seit einigen Jahren alle Überweisungen für meine Eltern und habe - natürlich nach schriftlicher Zustimmung meines Vaters - unsere beiden Konten verknüpft. So wähle ich mich mit der App bei mir ein und habe Vollzugriff auf das Konto meiner Eltern. Das ist natürlich absolute Vertrauenssache, ist aber auch eine Möglichkeit zum Missbrauch dieses Vertrauens.


    Falls doch, wäre es dringend nötig, dass irgendeine Instanz auch kontrolliert, was mit dem Pflegegeld passiert.

    Ich selbst habe Pflegegrad 2 und bekomme im halbjährlichen Rhythmus Besuch des Pflegedienstes, die dann kontrollieren, ob alles passt oder ob was fehlt. Lege ich diese Berichte nicht vor, wird das Pflegegeld bis zur Vorlage gestoppt.

    Hallo nochmal schwarzerkater,


    ich möchte noch auf deine Erlebnisse eingehen.

    Ich war das Hauptaggressionsziel meiner Mutter ... und will am liebsten vergessen, was das damals für mich bedeutet hat. Es war die Hölle!

    Dieses Verhalten hat sie (noch) nicht, weiß aber, dass das durchaus auf uns zukommen kann/wird. Anzeichen dafür hat sie schon gezeigt, indem sie auch mich beschimpft hat, wie sie es noch nie getan hat. Ich habe es einfach ignoriert und bin gegangen.


    ist mir manches rational klar, was nicht bedeutet, dass es für mich emotional leicht(er) zu händeln ist.

    Das meine ich mit Kopf/Herz :)


    Du wirst sehen, es ist ein Prozess und irgendwann wird es auch dir nicht mehr gar so schlimm vorkommen.

    Das hoffe ich sehr, befürchte aber, dass wir Schlimmeres noch vor uns haben, wie z.B. das nicht mehr erkennen von den unmittelbaren Bezugspersonen.

    Hallo schwarzerkater,


    herzlichsten Dank für deine lieben Worte. Sie trieben mir wirklich die Tränen der Rührung in die Augen.


    Obwohl uns 'Fischen' Träumerei nachgesagt wird, hat mir meine realitätsbezogene Mutter (Skorpion) immer gelernt, das eine vom anderen zu trennen und vor allem zu erkennen. Nicht, dass ich jetzt einen falschen Eindruck hinterlasse, ich bin nicht esoterisch angehaucht und baue auch nicht auf die Macht der Sternzeichen, aber erstaunlich ist es schon irgendwie, dass die Zeichen so große Ähnlichkeiten oder sogar Gemeinsamkeiten zeigen - amüsant ist es in jedem Fall…


    Tatsächlich wird das 'Loslassen' verschiedener Prozesse oder Gedanken ein Kraftakt werden. Gerade, was ihre Reinlichkeit betrifft. Vor über einer Woche hat sie vom Friedhof ein paar Äpfel mitgebracht, von denen sie früher Apfelkücherl gemacht hat. Inzwischen war die Küche schwarz vor Fruchtfliegen, worüber sich meine Mutter auch schon gewundert hat. Mein Bruder hat die Äpfel gestern gefunden und sofort entsorgt und mit der Insektenkeule die Küche 'gereinigt'.


    Der Kopf sieht und akzeptiert die Realität, das Herz bringt die alten Erinnerungen wieder und wieder hoch. Kürzlich habe ich ihr gesagt, dass ich ihre Küche vermisse, ihr saures Kartoffelgemüse, ihr paniertes Frühstücksfleisch, ihren einmaligen Münchner Kartoffelsalat, ihren Nudelsalat, den sie immer zu den Badeausflügen an den Baggersee gemacht hat, ihre Schoko-Sahne-Torte (eigene Erfindung und einzige Torte, die ich gegessen hab) und… und… und. Ich vermisse es so sehr (beim Schreiben kommen mir wieder die Tränen). Ihre Antwort war: "Ja, dann mach ich's halt mal wieder.". Sie hat seit Jahren nichts mehr gekocht, außer Würschtl warm machen und Leberkäs aus der Pfanne. Das zeigt einmal mehr, dass sie in ihrer eigenen Bubble lebt.


    Lieben Dank auch für deine wirklich hilfreichen Tipps!


    LG Zebulon

    Hallo juliasiebers,


    vielen lieben Dank für Ihre aufbauenden Worte - das sind sie tatsächlich. Das zeigt uns, dass wir in der richtigen Spur sind…


    Für mich ist völlig unverständlich, dass die beiden niemals, bevor es überhaupt zu einer solchen Situation kommt, darüber gesprochen haben, was wäre wenn… Sie waren ihr Leben lang ein gut eingespieltes Team und haben uns vorgelebt, wie man eine Beziehung 'auf Augenhöhe' führt - was für diese Jahrgänge (1936/37) nicht selbstverständlich ist/war. Probleme wurden von uns ferngehalten und nur untereinander besprochen - aber zu keinem Zeitpunkt haben sie sich über diese Eventualität Gedanken gemacht. Das habe ich ihnen beiden auch mal gesagt - zu dem Zeitpunkt hat sich die Demenz meiner Mutter schon deutlich gezeigt. Mein Vater zuckte mit den Schultern und meine Mutter meinte: "Ja mei, einer pflegt halt den anderen." - davon ausgehend, dass nicht sie die Pflegebedürftige ist/sein wird.


    Ich habe meinen Eltern beim Thema Pflegeheim ganz klar gesagt, dass ich für meinen Teil sofort in ein Pflegeheim gehen würde - in der Hoffnung, ihre Horrorvorstellung 'Pflegeheim' zu entschärfen und ggf. doch als Alternative anzusehen. Das würde ich mir im Vorfeld selbst aussuchen, solange ich noch dazu in der Lage bin.


    Mit Ihrem Tipp geben Sie 1:1 wieder, was ich meinem Vater schon seit Jahren 'predige': kleine, überschaubare Aufgaben, auch die Foto-Schuhschachtel - genauer zwei davon. Eine aus dem persönlichen Umfeld und eine rund um die Radsport-Karriere meines Vaters mit Zielfotos und Zeitungsartikeln. Die persönliche Schachtel könnte sie ja ganz bequem abends auf der Couch durchgehen und auf die Rückseite die abgebildeten Personen und bestenfalls noch die Gelegenheit notieren. "Gute Idee, mach ich a anderes Mal! Heut ned.". Das gibt ihre Aufmerksamkeitsspanne einfach nicht mehr her.


    Auch so eine - für mich unverständliche - Veränderung meiner Mutter: sie war ihr Leben lang der personifizierte Fleiß. Keine Arbeit war ihr zu viel, nichts zu mühsam, alles bestens organisiert. Heute sagt man Familienmanagerin. Sie hat immer auf sich geschaut, war immer sauber und gepflegt, kein böses Wort zu irgendjemandem und heute das genaue Gegenteil. Es kann passieren, dass sie Menschen im Umfeld (Freundin/Pflegekraft, auch mich) aufs Übelste beschimpft, mit Kraftausdrücken um sich schmeißt (Blöde Kuh, leck mich doch am A*, usw.). Ich kann damit umgehen, ich weiß ja, dass es 'nicht sie ist', aber ich verstehe es einfach nicht. Wie kann sich etwas so ins Gegenteil des ursprünglichen Charakters entwickeln? In etwas nie dagewesenes...


    Sie haben einen sechstürigen Kleiderschrank im Schlafzimmer - wovon die Hälfte ihr gehört, und läuft wochenlang mit den gleichen, schmuddeligen, teilweise kaputten Klamotten rum, löchrige Socken, kaputte Schuhe, schmutzige Haare. Ich habe ihr von Palmers eine Kombination aus Oberteil und Leggins besorgt, die zieht sie nur an, wenn ich sie explizit darauf anspreche. Am nächsten Tag aber wieder das alte Zeug.


    Es ist jedes Mal ein Kampf, sie zum Haarewaschen zu bewegen. Natürlich würde sich der Pflegedienst darum kümmern, aber wenn sie's nicht zulässt, können die auch nichts machen. Ganz zu schweigen von der Badewanne. Früher ging meine Mutter zweimal/Woche in die Badewanne. Seit meiner Kindheit hatte sie das Ritual, mittwochs, nachdem wir ins Bett gebracht wurden, ihr Entspannungsbad zu nehmen (ich ab mich oft aus dem Bett gemogelt unter dem Vorwand, nochmal auf die Toilette zu müssen und ganz nebenbei gefragt, ob ich auch mit rein darf. Durfte ich, immer.). Sie hatte Irisöl von Olga Tschechova, davon kamen ein paar Tröpfchen rein - weit vor den heute käuflichen Ölbädern. Sie hätte Produktentwicklerin werden sollen. Sie hat Kräuter geschnitten, unterschiedlich gemischt und in Eiswürfelbehältern eingefroren, gibt's heute als Kräuterlinge zu kaufen.


    Ich könnte Bände über sie schreiben. Vielleicht eröffne ich einen Thread, der sich nur um die Erinnerungen und Erlebnisse rund um meine Eltern dreht - sofern so etwas hier überhaupt erlaubt/gewünscht ist und nicht als deplatziert gesehen wird, weil sie ja noch leben und es wie ein Nachruf rüberkommen könnte…


    Ich habe, um zu verhindern, dass meine Eltern mit dem Auto zum Aldi fahren (Begründung folgt gleich*), eingeführt, den Wocheneinkauf von REWE liefern zu lassen. Das ist der einzige Lieferdienst, der ins Münchner Umland liefert. Hierzu geh ich mit Mom in die Küche, ich hab meine App und Mom steht am Kühlschrank und wir gehen gemeinsam durch, was benötigt wird. Dazu schicke ich sie schon mal hoch ins Bad (Toilettenpapier?) und runter in den Keller (Getränke?), usw. Derzeit machen wir das zusammen am Telefon.


    *Zur o.g. Begründung: Mein Vater hat seit drei Jahren ein neues Leasing-Auto. Inzwischen hat er rund um das Auto einen Gesamtschaden von über 4.000 €, weil er Kurven zu eng nimmt und/oder das Piepen des Alarms nicht hört.


    Mit dem vorigen Auto gab es einen Streit mit einer Fahrerin, die er beim rückwärts Ausfahren aus einer Schrägparkzone angefahren hat und sie hat hinter ihm auf den freiwerdenden Parkplatz gewartet - ist also gestanden! Seine Versicherung hat anstandslos gezahlt und die Sache als Bagatellfall abgeschlossen. Natürlich hat ihn das hochgestuft. Darüber hat er sich so geärgert, dass er Nächte lang schlaflos im Bett lag und dann sogar in die Versicherung gefahren ist und seine Schuld abgestritten hat (die Dame hatte eine Zeugin im Auto, mein Vater führte meine Mutter als 'Zeugin!' auf). Er hat Hinz und Kunz um Rat gefragt, wollte sich sogar einen Anwalt nehmen und hat meinem Bruder und mir vorgeworfen, nicht 'auf seiner Seite' zu sein. Die Versicherung ließ sich aber bei dieser Bagatelle auf keinen Streitfall ein, was ihn dazu bewegte, mit dem neuen Auto die Versicherung zu kündigen und zu wechseln. Auch das alte Auto war rund herum verschrammt und verbeult.


    Seitdem mache ich seine und ihre Arzttermine, um sie mit meiner Arbeitszeit zu koordinieren und dann fahren zu können (inzwischen führe ich vier Kalender: Digital dienstlich/privat gekoppelt, den meines Vaters und meinen 'analogen'). Letztlich bleiben auch nur kleine Zeitfenster von meinem frühestmöglichen Dienstende und den Praxiszeiten. Inzwischen helfen uns dabei auch die Nachbarn/Freundin bei den Arztfahrten - und seit 2020 sage und schreibe zehn Beerdigungen.


    Wir haben festgestellt, dass bei jedem Todesfall in der Familie meiner Mutter ihr Zustand massiv schlechter wurde. Inzwischen lebt aus ihrer Generation niemand mehr von der Familie. Sie singt Kinderlieder vor sich hin 'Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm - zu meiner Mama, zum einem Papa, zu meinen Lieben…'


    Meine Schwägerin hatte nun eine neue Idee. Ihre Eltern (ähnliches Alter, aber noch in sehr guter Verfassung) haben vor dem Haus einen kleinen Klapptisch und zwei Klappstühle aufgestellt. Das könnte sich bei meinen Eltern auch umsetzen lassen, der Platz wäre da. Dann sieht sie, was draußen vor sich geht und hat (so hoffen wir) keinen Bedarf mehr, in der Nachbarschaft umherzustreifen. Ganz nebenbei hätte die Nachbarin/Freundin von ihrem Balkon aus einen Logenblick auf sie. Da könnte sich mein Vater auch dazu setzen und hätte sie so im Auge. Allerdings kommt er ihr nicht hinterher, wenn sie doch losmarschiert… Natürlich können wir von Nachbarin/Freundin nicht erwarten, sich den ganzen Tag auf dem Balkon aufzuhalten, aber, nachdem die erste Frau ihres Mannes an Lungenkrebs starb und verständlicherweise was gegen ihr Rauchen hat, raucht sie heimlich auf dem Balkon.


    Ich bitte um Entschuldigung, dass es wieder Überlänge wurde und bedanke mich bei allen, die's lesen!


    Liebe Grüße an alle Gleichgesinnten und Mitleser :)

    Zebulon

    Hallo schwarzerkater


    ganz lieben Dank für deine bestätigenden Worte. Uns allen ist natürlich klar, dass wir von ihr keine Umsetzung ihrer ehrlich gemeinten Einsicht erwarten können. Der Einzige, der mit der Situation überhaupt nicht klar kommt, ist unser Vater. Z.B. schimpft er sie, wenn sie mal wieder raus geht, erinnert sie an ihr Versprechen, usw...


    Ich habe meinem Vater schon vor längerer Zeit versucht, ein Pflegeheim für Mom 'schmackhaft' zu machen, indem ich ihm sagte, er könne ja den ganzen Tag bei ihr verbringen und wenn er nach Hause geht, weiß er sie gut aufgehoben und könne selbst wieder zu Kräften kommen. Das ist für ihn aber keine Option. Ohne sie will er nicht leben - und umgekehrt.


    Das Problem mit der Dehydrierung hatten wir vorletzte Woche auch. Er rief mich (mitten in einer ViKo) an und sagte, ihr sei schwindlig und würde sich übergeben. Ich sagte ihm, er solle ihr jetzt erstmal viel zu trinken geben, ihr ein Butterbrot machen und in einer Stunde (nach meinem Meeting) melde ich mich und wenn es nicht besser ist, rufe ich den Hausärztlichen Notdienst.


    Es dauerte keine zehn Minuten rief er wieder an, am Apparat war Nachbarin/Freundin, die alles weitere übernahm. Beim Hausärztlichen Notdienst ging keiner ran, so rief sie die 112. Der Notarzt bestätigte die Dehydrierung, gab ihr eine Aufbauspritze, mit dem Hinweis, gleich morgen zur Hausärztin zu gehen. Dort bekam sie dann eine Infusion und die Aufforderung, in zwei Tagen wieder zu kommen. Beim nächsten Besuch konnte ihr an beiden Armen keine Infusion gelegt werden, weil die Venen zu <irgendwas> seien (sorry, an den Begriff kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern). Alternativ bekam sie die Schwedentabletten, mit denen sie Durst bekommen solle.


    Seitdem kommt die Freundin täglich und kontrolliert die Tabletteneinnahme.


    Diese Woche ist die Hausarztpraxis noch geschlossen, werde aber nächste Woche Kontakt aufnehmen. Meine Mutter hat ohnehin einen Termin fürs Labor.


    VG Zebulon

    Hallo Ihr Lieben,


    bei meiner Mutter hat sich eine neue Stufe der Eskalation ergeben und wir stehen vor der ultimativen Frage: Pflegeheim?


    Erst mal zu meiner aktuellen Situation. Dass ich im Rollstuhl bin, spielt jetzt erst mal nur eine sekundäre Rolle, heißt aber, dass ich ohnehin schon eingeschränkt mobil bin. Seit einigen Monaten habe ich starke Schmerzen im rechten Knie, weshalb ich meine wöchentlichen Besuche bei meinen Eltern erstmal von 3x (Mi/Fr/So) auf 2x (Fr/So) reduziert habe. Einfach weil der Treppenabsatz vom Keller zur Tiefgarage zum einen schmerzhaft zum anderen riskant wg. Sturzgefahr ist.


    Vor zehn Tagen wurde das Knie operiert, wodurch ich seitdem gar nicht zu meinen Eltern kam, eben wegen des Treppenabsatzes, der meinen Fuß durch den ohnehin schon verformten Gang im rechten Winkel nach außen dreht. D.h. die Hauptlast der persönlichen Betreuung liegt derzeit bei meinem Bruder.


    Nun zu meiner Mutter. Dass sie sich seit geraumer Zeit bei Nachbarn, zu denen meine Eltern niemals Kontakt hatten, für ein paar Minütchen auf die leere Terrasse setzt und wieder geht, erfuhr ich erst vor einigen Wochen von der direkten Nachbarin besagter Nachbarn und Freundin meiner Mutter. Deren Zugang zum Garten ist offen, also keine Gartentür und die Terrasse liegt zur Straße. Gegen diese 'Besuche' hatten die Nachbarn nichts einzuwenden, sie säße ja nur da und schaut in die Luft.


    Im Laufe der Zeit sank die Hemmschwelle meiner Mutter, sodass sie, auch wenn die Nachbarn da waren und selbst auf der Terrasse saßen, einfach aufs Grundstück ging und fragte, ob sie sich dazu setzen dürfe. Auch hier hatten die Nachbarn nichts dagegen.


    Letzte Woche begann sie, im Garten 'zu arbeiten' und das Gartenhäuschen umzuräumen - ganz so, als wäre es ihr Garten. Das ging den Nachbarn dann doch zu weit. Sie schalteten ihre Nachbarin/Moms Freundin ein. Die schlug sofort bei meinen Eltern auf, nahm sie mit zu den 'Geschädigten', wo sie sich entschuldigen sollte und versprechen, ab sofort das Grundstück nicht mehr zu betreten. Natürlich wussten alle Beteiligten, dass das Versprechen einer Dementen zu 99 % nicht vertrauenswürdig ist, hofften aber, dass - gerade durch die inzwischen angebrachte Kette - eine Hemmung eintreten würde.


    Diese Taktik funktioniert seit zwei Jahren bei einer anderen Nachbarin, bei der sie auch immer wieder unaufgefordert ins Haus ging. Die alleinlebende alte Dame, die selbst größere körperliche Einschränkungen hat, erschrak jedes Mal fast zu Tode. Auch hier ging Freundin mit Mom zu ihr und sie erhielt ein regelrechtes Verbot, das Haus zu betreten. Seit dem war sie nicht mehr dort.


    Die Kette funktionierte nur kurz. Inzwischen schlüpft sie einfach unten durch und rupft Unkraut - und auch gepflanzte Blumen. Die inzwischen resoluteren Nachbarn informierten wieder die Freundin und komplimentierten sie aus dem Garten. Jetzt leistet meine Mutter Widerstand mit der Begründung, das sei doch schließlich ein Garten. "Ja," erwiderten die Nachbarn, "aber kein öffentlicher.".


    Gestern Abend schluckte ich die bittere Pille und rief bei den Nachbarn an. Es war ein sehr verständnisvolles Gespräch, in dem ich viele weitere Vorkommnisse erfuhr.


    Einmal, Nachbarin lud gerade das Auto ein und ging nochmal zurück ins Haus, holte noch etwas, drehte sich um und meine Mutter stand neben ihr - IM Haus. Sie sagte mir, nicht auszudenken, wenn sie meine Mutter eben nicht gesehen hätte, in Urlaub gefahren wäre und sie eingeschlossen hätte.


    Auch das Ausmaß der 'Besuche' meiner Mutter kannte ich nicht. Sie sagte, teilweise bis zu zehn bis 15 Mal/täglich und jedes Mal wusste sie vom vorherigen Besuch nichts mehr.


    Einmal traf sie vor dem Haus auf den Herrn Nachbarn, sprach ihn an, ob er denn neu hergezogen sei, sie kenne ihn ja gar nicht. Genau den Herrn, dessen Terrasse sie seit Monaten 'belagert'…


    Als mein Bruder gestern bei den Eltern war, rief ich an und er stellte den Ton laut. In diesem Gespräch ließ ich alle 'bösen' Worte fallen, die ich für nötig hielt (in der Hoffnung, der Schock ließe etwas in ihr gären): Hausfriedensbruch! Übergriffigkeit! Polizei! - und das böseste aller Worte: Pflegestelle!


    Sie flehte regelrecht "Da will ich nicht hin. Ich versprech's, ich geh nicht mehr rüber. Ich versprech's! Ich versprech's!". Es trieb mir die Tränen in die Augen, weil ich weiß, dass sie es ja tatsächlich so meint, aber in einer Minute von dem Gesprochenen nichts mehr weiß. Nicht nur das, sie glaubt schlichtweg nicht, dass sie 'so etwas macht'.


    Was die Vollmacht der Pflege angeht, stehen mein Bruder und ich in der zweiten Reihe. Die erste Entscheidungsvollmacht liegt bei unserem Vater. Ihn haben wir gestern eindringlich in die Pflicht genommen:


    1. Absperren! Es darf ihr nicht mehr möglich sein, jederzeit das Haus zu verlassen.


    Wir können uns (wie bisher) nicht mehr darauf verlassen, dass sie zur Freundin geht. Bisher war unsere Auffassung 'Wo soll sie schon hin? Das Dorf ist überschaubar. Sie geht einmal um den Stock und vielleicht noch in die Kirche.'. Pustekuchen. Sie geht unaufgefordert in wahllos offene Türen, ohne überhaupt zu wissen, wer dort wohnt. Und das ist nur das, was wir wissen oder zugetragen bekommen.


    2. Aufstehen! Es kann nicht sein, dass mein Vater bis 11/halb 12 schläft und sie in dieser Zeit alleine ist. Er hat uns versichert, er kümmert sich.


    Das habe ich ihm gestern Abend, bei unserem täglichen Telefonat nochmal eingetrichtert. Seine Antwort war: "Wenn zugesperrt ist, muss ich ja nicht aufstehen!". Wir werden sehen, wie er seine Verantwortung umsetzt - wohl wissend, dass, sollte es nicht funktionieren, die nächste Option nur noch das Pflegeheim ist.


    Aktuell kommt zu meiner Mutter ein Pflegedienst 3x3Std./Woche. Das deckt bei weitem nicht ab, was nötig wäre.


    Seit einigen Wochen lege ich meinem Vater die 24-Stunden-Betreuung wieder nah. Vor zwei Jahren war ich mit der Organisation schon so weit, dass wir unmittelbar vor einem Beratungstermin standen, da zog er die Reißleine und stoppte das ganze Vorgehen. Sie könnten damit nicht umgehen, dass eine fremde Person dauerhaft im Haus wäre.


    Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, hat mir die Dame vom Pflegedienst gesagt, wenn die demente Person 'zum Abhauen neigt', werden wir keine Pflegeperson finden, die diese Verantwortung übernehmen wird.


    Da meine Mutter im letzten Jahr viermal die Küche fast in Brand steckte, ist sie inzwischen eine Gefahr für sich und andere geworden. Auch das glaubt sie nicht, wenn wir es ihr erzählen.


    Das nächste Pflegeheim ist im Nachbardorf, aber die werden sicher nicht auf uns warten. Ich weiß auch gar nicht, wie es dann weiter geht… Rufe ich an und melde meine Mutter an? Warteliste? Schnellere Aufnahme aufgrund Gefahr für sich und andere bzw. Sicherheitsvorkehrung? Können sie sagen 'Nein, wir nehmen nur eigene Dorfbewohner auf.'?


    Meine Aufgabe diese Woche ist, einen erneuten Pflegegradantrag für meinen Vater zu stellen. Der Pflegedienst meiner Mutter hat mir angeboten, mit mir die Dokumente durchzugehen und zu besprechen. Wenn auch er einen Pflegegrad hat, besteht vielleicht die Möglichkeit, mehr und längere Einsätze zu erhalten.


    Mit ratlosen Grüßen

    Zebulon

    Hallo ihr Lieben,


    seit meinem letzten Eintrag hat sich viel getan. Ich hab hier fleißig mitgelesen, hatte aber leider nicht unbedingt die nötige Muße, mich zu beteiligen. Sorry dafür und mal wieder Hut ab für eure Geduld und unglaubliche Einsatzbereitschaft.


    Eigentlich hatte ich für meine Eltern 2x/Woche eine warme Essenslieferung organisiert. Die kleine Küche aus dem Nachbardorf ging wirklich auf die Extra-Wünsche meines Vaters ein und doch… eines Tages bekam ich eine E-Mail von dort, meine Eltern haben das Essen endgültig abbestellt. Als ich sie drauf ansprach, konnte sich keiner der beiden daran erinnern. Für mich sieht's so aus: Mom hat's abbestellt und weiß es nicht mehr und Dad hat's nicht mitbekommen.


    Ich schrieb also die Küche an und bat sie zum einen, die Lieferungen wieder aufzunehmen und zum anderen eine Kündigung von meiner Mutter (wg. Demenz) nicht anzunehmen und sich ggf. bei mir zu melden. Ich bekam weder eine Antwort noch wurde die Essenslieferung weitergeführt.


    Seit Anfang 2021 bekam meine Mutter für ca. 30-45 Minuten täglich Besuch von der Caritas. Das lief mehr oder weniger gut - seitens meiner Mutter. Da konnte es schon vorkommen, dass sie die Dame mit 'blöde Kuh, lass mir meine Ruhe' beschimpfte, sie rausschmiss oder erst gar nicht rein ließ. Kein Problem für die Dame, sie setzte sich ein paar Minuten ins Auto, klingelte nochmal und dann gab's ein großes Hallo. Gelegentlich telefonierte ich mit ihr und da erzählte sie mir dann lachend von den 'Anekdoten' meiner Mutter.


    Auf vielfachen Rat haben wir mal eine 24-Std.-Betreuung ins Auge gefasst. Der eigentliche Anstoß kam erstaunlicherweise von meinem Vater. Und hier stießen wir auf einen massiven Fehler in unserem System. Bisher hat die Caritas direkt mit der Pflegekasse abgerechnet. Mit Pflegegrad 3 sind das +/- 1.300€ Sachleistung oder +/-500€ Geldleistung. In unserem Fall ersteres.


    Über eine Empfehlung kam ich auf einen Augsburger Pflegedienst, der osteuropäische Pflegekräfte vermittelt, die sich alle 2-3 Monate ablösten, keine 'halblegale Sache', die uns schon öfter empfohlen wurde. Die Kosten würden sich auf ca. 2.800€ aufwärts bewegen, je nachdem, welche Ansprüche man an die Damen oder Herren hat (z.B. Sprachkenntnisse). Für meine Eltern hätte das bedeutet, dass sie ca. 1.500€ draufzahlen müssten - sofern es bei den 1.300€ Sachleistung bliebe. Dem gegenüber gestellt, was meine Eltern im Durchschnitt monatlich verbrauchen, hätte das locker gepasst.


    Tat es nicht. Meine Mutter würde mit diesem Pflegedienst in die Geldleistung 'rutschen' und somit ist das Ganze nicht mehr finanzierbar. Sie haben zwar zusammen eine ganz passable Rente, aber nach Abzug von 2.300€ blieben nur noch ein paar hundert Euro übrig. Zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben, wie man so schön sagt…


    Auf meine Frage, was die Leistung der osteuropäischen Kräfte unterscheidet, dass sie nicht als 'Sachleistung' anerkannt werden, meinte sie, zum einen würden sie bei uns (Deutschland) nicht in die SV einzahlen, wohl aber in ihrem eigenen Land; Zum anderen würden sie bei uns (auf dem Papier) den Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen. Ein Irrwitz!! Genau diese Kräfte fehlen an allen Ecken und Enden und werden immer weniger. Die Augsburger Dame meine, Jens Spahn hätte diese Änderung auch schon auf seiner Agenda gehabt, aber wie wir wissen, ist er nicht mehr an seiner Position. Sie sieht zwar schon über kurz oder lang eine Änderung der Situation, nicht aber in einem Zeitrahmen, dass er meinen Eltern helfen könnte. Somit hat sich das Thema 24-Std.-Betreuung erledigt - was bei meinem Vater zu heftigstem Aufatmen führte. Ihm lag 'eine fremde Person im Haus' sehr im Magen.


    Ganz nebenbei: war nicht der Sinn und Zweck der EU, dass jeder in jedem EU-Ausland problemlos arbeiten könne? Tja, Ziel nicht erreicht.


    Plan B: Eben diese Dame aus Augsburg erzählte mir von ihrer Schwiegermutter, deren Pflegedienst 3x3 Std./Woche kommt. Was genau zu tun ist, ist dann zu vereinbaren. Abgerechnet werden Sachleistungen direkt mit der Pflegekasse. Der Rest wird meinen Eltern in Rechnung gestellt. Geschätzt zwischen 10€ und 20€. Passt!


    Seit zwei Wochen wechseln sich wg. Personalmangel zwei (deutsche*) Damen ab. Beide leben im Umkreis von ca. 15 km. Von einer Dame war mein Vater so begeistert, dass er mich gleich nach ihrem ersten Einsatz anrief und sagte, ich solle beim Pflegedienst Bescheid sagen, dass nur noch diese Dame kommen soll. Das habe ich auch getan, aber man sagte zu mir, dass sich das langfristig schon einrichten ließe, momentan eben wg. Personalmangels nicht zu 100% umzusetzen ist.

    *Nicht, dass ich missverstanden werde. Ich habe überhaupt nichts gegen die o.g. osteuropäischen Pflegekräfte. Es hat mich nur gewundert, dass ohne Rückfragen oder 'Aufpreis' Damen quasi aus der Nachbarschaft kamen und bei der Augsburger Agentur schon die Sprachqualität eine Preisfrage war.


    Im November hat meine Mutter ihren 85. Geburtstag. Da sie immer schon sehr leicht friert und sie sich regelmäßig beschwert, wenn mein Bruder und/oder ich gleich nach unserem Eintreffen die Terrassentür aufreißen, bekommt sie von mir eine Kuscheldecke mit Ärmel - farblich passend zur Couch :D


    Es stehen mir (wieder) div. Behördenaktionen bevor:


    - Nach Absprache mit dem VdK sollte ich Mitte Oktober (also jetzt) einen neuen Pflegegrad-Antrag für meinen Vater stellen.


    - In eigener Sache falle ich selbst immer wieder hinterm Tisch runter. Mein Führerschein muss ausgetauscht werden. Wohlgemerkt, wir reden hier vom 'grauen Lappen', ausgestellt 1979. Bis 19.01.2023 hab ich noch Zeit.


    - Mein Behinderten-Parkausweis ist seit 2019 abgelaufen (mir will nicht in den Sinn, warum er überhaupt ein Ablaufdatum hat. Glaubt das Versorgungsamt an die wundersame Heilung nach 40 Jahren inkomplettem Querschnitt??).


    Es ist ja nicht mal so, dass ich von einer Behörde zur nächsten rennen müsste. Alles geht inzwischen online - und trotzdem, ich krieg den Hintern bzw. die Tastatur einfach nicht hoch. Prokrastination (ugs. Aufschieberitis) schimpft sich das und ich bin Voll-Profi darin.


    Ganz lieben Dank an alle, die durchgehalten haben.


    Weiterhin Kopf hoch und tut euch was Gutes.


    LG Zebulon

    Das ist ja tragisch! So soll's natürlich nicht laufen. Da können wir Angehörige planen, vorausschauen und organisieren wie wir wollen, was nützt es, wenn es im Bedarfsfall nicht genutzt wird oder werden kann - aus welchen Gründen auch immer.


    Wir haben noch den 'Vorteil', dass mein Vater auch im Haus lebt, allerdings zeigt sich bei ihm auch schon eine gewisse Verwirrtheit - was ich bisher für mich unter dem Deckmäntelchen des Stresses verbucht habe. Diese Scheuklappen werde ich wohl langsam ablegen müssen... - schön nach dem Motto 'weil nicht sein kann, was nicht sein darf' ;(


    LG und durchhalten!

    Zebulon

    Hallo OiOcha,


    wir, mein Bruder und ich - mit Zustimmung unseres Vaters, haben meinen Eltern auch einen Notfallbutton eingerichtet, allerdings nicht zur Polizei sondern einen sog. Hausnotruf, der in unserem Fall beim Malteser Hilfsdienst landet. Vorangegangen sind mehrere Stürze beider, die bei beiden zu Krankenhausaufenthalten führten.


    Es wird hierzu ein kleiner Tresor an einer von außen zugänglichen Stelle angebracht, indem der Haus-/Wohnungsschlüssel ist. Der Tresor ist nur mit einem Code zu öffnen, der in unserem Fall beim MHD hinterlegt ist.


    Wir haben die Einstellung für das Gerät im Haus bewusst so vornehmen lassen, dass der rote Button leuchtet - was die falsche Entscheidung war. Gleich am ersten Wochenende hat meine Mutter (dement/Pflegegrad 3) gleich dreimal den Button gedrückt, weil sie ihn 'abschalten' wollte. Die Dame beim Hausnotruf war jedes Mal sehr freundlich und meinte, alles OK, lieber einmal umsonst gedrückt, als im Notfall gar nicht.


    Wir haben dann drum gebeten, den leuchtenden Button wieder 'lichtlos' zu stellen. Seit dem ist der versehentliche Notruf nicht mehr passiert und ich vermute, im Notfall ist der Button auch schon vergessen.


    Vielleicht wäre ein Hausnotruf für deine Eltern auch eine Idee. Hier kommt nicht gleich die Polizei, sondern der Hausnotruf ruft sofort an und erkundigt sich nach der Situation. Erst dann wird der Notdienst informiert. Nur der alarmierte Krankenwagen erhält dann den Tresor-Code für den Schlüssel.


    Viele Grüße und stark bleiben :)

    Zebulon

    Hallo Ute,


    ich denke auch, dass es fürs Betreute Wohnen deiner Mutter schon 'zu schlecht' geht. Diesen Plan hatte ich für meine Eltern auch und deshalb mit meinem Onkel (jüngerer Bruder von Vater) gesprochen. Er hat mir erklärt, dass meine Eltern beide dafür schon in zu schlechtem Zustand wären. Eben weil das BW ganz erheblich auf die Eigenständigkeit der Bewohner eingeht.


    Böse, verbale Angriffe gibt es von meiner Mutter auch schon mehrfach - was Zeit ihres Lebens niemals der Fall war. Mir, meinem Vater und auch ihrer Freundin/Nachbarin gegenüber. Obwohl ich vor dem ersten Mal wusste, dass meine Mutter nicht mehr die ist, die ich seit immer kenne, hat mich diese verbale Entgleisung ziemlich getroffen.


    Gleiches bei ihrer Freundin. Da ist sie richtig ausgerastet. Die hat mich anschließend angerufen und bitterlich geweint, so geschockt war sie. Auch sie kannte das von meiner Mutter nicht.


    Wir haben uns jetzt alle darauf eingestellt und nehmen diese Entgleisungen als das, was sie sind, Erscheinungsbilder der Demenz. Es schmerzt uns trotzdem noch, aber nicht die Entgleisung an sich, sondern das, was aus dieser aufopfernden, fürsorglichen, zu jedem freundlichen Frau geworden ist.


    Ich wünsche Dir, dass Du schnell Frieden mit den Bosheiten deiner Mutter finden kannst. Es ist nicht sie, die da spricht <3


    Alles Gute und durchhalten!


    LG Zebulon

    OiOcha

    Wir hatten vor einigen Jahren eine ähnliche Situation - wenn auch nicht in diesem Ausmaß wie bei Dir.


    Mein Vater (Jg. 1936) hatte von seinem Vater (Jg. 1909), der schon vor 1933 beim Militär und später bei der Waffenmeisterei war, ein Gewehr, quasi aus dem Erbe. Frag mich nicht, welches, es lag jedenfalls über Jahr(zehnt)e auf dem Wohnzimmerschrank meiner Eltern.


    Als die Demenz meiner Mutter immer spürbarer und mein Vater immer depressiver wurde, ließ meinen Bruder und mir das Ding auf dem Schrank keine Ruhe - vor allem, weil meine Großmutter mit ihrem Suizid die Hemmschwelle massiv heruntergesetzt hat.


    Vor ein paar Jahren ging dann eine Aktion der Polizei durch die Medien, dass man jede Art von Waffen in privaten Haushalten straffrei und unbürokratisch in jeder Polizeistelle abgeben könnte. Wir packten die Gelegenheit beim Schopf, machten unserem Vater die Aktion schmackhaft und er setzte sie in die Tat um.


    Bei der Polizei informierten sie ihn darüber, dass es aufgrund des Alters der Waffe auch ausreichen würde, sie unbrauchbar zu machen, dann könne er sie behalten. Offenbar hat er sich trotzdem dagegen entschieden und ist ohne wieder nach Hause gekommen. Ich bin froh über die Aufklärung der Polizei und seinen aktiven Entschluss, die Waffe abzugeben. Sonst hätte ich immer das Gefühl gehabt, ihn in die Abgabe 'reingequatscht' zu haben. So hatte er nochmal die Wahl und hat sie abgegeben.


    Die Waffe zwischen der Unterwäsche zu finden, muss für deine Mutter gelinde gesagt schockierend gewesen sein. Besonders, weil das Zeitfenster ja doch sehr klein war. Denkst Du, dein Vater hatte sie bewusst dort deponiert und evtl. sogar einen Plan? Er kannte doch die 'passionierte Aufräumerin' an seiner Seite.


    LG Zebulon

    Hallo ihr Lieben,


    wenn ich das richtig sehe, ist mein letzter Eintrag von vor fast einem Jahr. Sorry dafür. Ich hatte nur wenig Zeit und keine Muße zu schreiben.


    Bei meinen Eltern hat sich fast nichts geändert, außer, dass mein Vater nun endlich für ein Beratungsgespräch wg. einer 24-Std.-Betreuung zugänglich ist - dabei hab ich ihm noch gar nicht gesagt, dass die ursprünglich angenommenen Kosten von 2.100€ bei weitem nicht ausreichen, zum anderen nicht sicher ist, dass diese Agentur (die ich auf Empfehlung meines Teamleiters erhalten habe) über die Pflegekasse als Sachleistung abgerechnet werden kann. Das könnte nämlich das Pflegegeld meiner Mutter wieder drastisch reduzieren.


    Ich bin gerade dabei, mich über Agenturen zu informieren, die ihre Abrechnung mit der Pflegekasse verrichten können/dürfen. Das sind - so TelKo mit dem VdK - deutsche Agenturen, deren Kosten natürlich nicht mit osteuropäischen vergleichbar sind. Ich schätze, dass mein Vater dann gleich wieder raus sein wird, mit seiner Bereitschaft.


    In den letzten acht Monaten hat meine Mutter viermal die Küche fast in Brand gesetzt. Jedes Mal kam es zu starker Rauchentwicklung. Den guten Kontakten meines Bruders ist es zu verdanken, dass der sofort eine Funkschaltung der Sicherung des Herdes in der Küche versteckt installiert hat, mit der mein Vater - ohne jedes Mal in den Keller zu müssen - die Sicherung ein- und wieder ausschalten kann.


    Eine weitere Eigenart, die meine Mutter inzwischen an den Tag legt, zerrt ebenfalls an den Nerven meines Vaters. Sie zupft ununterbrochen - wirklich, über Stunden - an Ihrem Kragen oder ihrer Halskette. Sie hört einfach nicht auf. Selbst wenn wir sie erinnern, gehen die Hände für Sekunden davon ab, zupfen inzwischen an den Ärmeln um dann wieder am Kragen zu zupfen.

    Ich hab ihr zum Kneten zwei Silikonbälle gekauft und gedacht, wenn sie schon was 'in der Hand haben möchte', dann kann sie gleich ihre Muskulatur stärken (einen einfachen Drehverschluss an einer Flasche bekommt sie nicht auf). Die Dinger liegen nur in der Gegend rum.


    Die letzten Wochen fahre ich mit ihr, bevor ich mich auf meinen Heimweg mache, noch a bisserl mit dem Auto spazieren. Wenn man bei uns Richtung Berge fährt, gibt es wunderschöne, abgelegene Straßen, auf denen man das Gefühl hat, durch einen kilometerlangen Tunnel im Wald zu fahren oder die Kutsche des Königs kommt gleich um die Ecke. Teilweise sitzt sie völlig fasziniert von der Umgebung und von den "riesigen Feldern" im Auto, teilweise singt sie Kinderlieder oder sie singt vor sich hin: "Ich will zu meiner Mama! Ich will zu meinem Papa!".

    _____


    Auf seinen immer wiederkehrenden Wunsch, einen alten Radl-Spezl im Pflegeheim zu besuchen, hab ich mich mit dessen Tochter in Verbindung gesetzt. Wir kennen uns schon seit unserer Kindheit - eben über die Sportfreundschaft unserer Väter -, haben uns aber seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen.


    Bei unserem ersten Telefonat nach ?? Jahren wurden wir exakt nach 2:00:00 Std. aus der Leitung geworfen… will sagen, einerseits freuten wir uns, endlich mal wieder miteinander zu reden, andererseits war der Anlass dazu umso trauriger.


    Ihre Situation ist eigentlich noch um einiges dramatischer als unsere. Vater (schwer dement, hochaggressiv und mittlerweile auch handgreiflich) wurde von Mutter seit Jahren zuhause versorgt und gepflegt. Mutter bekam Anfang letzten Jahres einen schweren Schlaganfall und kämpfte wochenlang ums Überleben. Ab sofort war sie selbst ein Pflegefall und als Folge musste natürlich auch sofort für Vater ein entsprechendes Pflegeheim gefunden werden.


    Dort ging es mit seiner Aggressivität dann erst richtig los. Versuche von Tochter zum 60. Hochzeitstag ein gemeinsames Treffen von Vater und Mutter zu organisieren, lehnte Mutter kategorisch ab. Sie habe Angst vor ihm, er ginge sie bestimmt an, weil sie schuld wäre, dass er jetzt in einem Heim wäre. Erst sehr viel später wurde Tochter klar, dass nicht nur das die Angst von Mutter war, sondern auch die Scham, dass Vater Mutter in diesem 'kläglichen' Zustand sehen würde. Sie, die Zeit Lebens immer alles unter Kontrolle hatte, hat sich selbst nicht mehr unter Kontrolle. Von Bruder ist keine Hilfe zu erwarten, der ist schwerster Alkoholiker und vegetiert in seiner bald-Messie-Wohnung vor sich hin. Auch er lässt keine Hilfe zu.


    Jetzt wollte mein Vater selbst mit Tochter von Freund sprechen und ich gab ihm ihre Handynr. Nach dem Telefonat war mein Vater ausgesprochen euphorisch und sagte mir, Freund habe neue Medikamente bekommen und sei nun wieder ganz der alte Charmeur, der er immer war. Ich rief Tochter an und sie bestätigte mir meine Annahme. Natürlich war er nicht 'ganz der Alte', er ist natürlich immer noch dement, aber die Aggression sei nach der neuen Medikation wie weggeblasen und er ist nun der Liebling der Station.


    Wir besuchten also Radl-Spezl. Dass er meinen Vater irgendwann erkannte, sah ich daran, dass er ihn im Laufe des Besuches immer wieder mit seinem Namen angesprochen hat. Ob er meine Mutter erkannte, bin ich mir nicht sicher, aber ganz sicher hat er mich nicht erkannt.


    Ich machte ein Foto von den beiden Vätern, wie sie sich die Hände hielten und sich anlächelten und schickte es Tochter. Sie schrieb zurück, dass sie Tränen in den Augen hat. Sie habe ihren Vater schon lange nicht mehr lächeln gesehen.


    Nach ca. 20 Minuten grätschte die Demenz meiner Mutter in den Besuch. In Minutentakt sagte sie: "Jetzt reicht's wieder, jetzt geh'ma wieder!" - was meinem Vater unangenehm und peinlich war. Schon nach ein paar weiteren Minuten sah man Spezl seine Erschöpfung an, er kämpfte mit dem Schlaf und wir verabschiedeten uns wieder.


    Mit Tochter hab ich ausgemacht, dass wir den nächsten Termin so planen, dass wir uns im Pflegeheim treffen und vielleicht auch einen Kaffee in der Cafeteria trinken können.

    ___


    Kürzlich fuhren wir zu meinem Rolli-Service. Auf dem Weg dorthin meinte mein Vater, ob wir im Anschluss an seiner alten Werkstatt vorbeifahren könnten. Klar, die liegt ja auf dem Weg. Da kamen Erinnerungen auf - auch meinerseits. Ich bin ja auch quasi in der Werkstatt groß geworden und später hab ich mir was dazu verdient, indem ich jede Woche zur Zulassung fuhr und Autos an- und abmeldete.


    Er ging kurz rein, hinterließ einen schönen Gruß an seinen Nachfolger und wir fuhren wieder zurück. Dann meinte er, sein damaliger Kompagnon wohne in einer Seitenstraße und ob wir da wohl auch mal vorbei fahren könnten. Klar, hier waren wir ja auch unzählige Male zu Besuch. Als wir vor dem Haus standen sagte ich zu ihm, er solle doch mal klingeln, vielleicht ist er ja da. Gesagt, getan - und er war da. Die Freude war riesig. Sie hatten sich schließlich auch schon mind. 20 Jahre nicht mehr gesehen. Er bedankte sich unzählige Male bei meinem Vater für die gute Zusammenarbeit, lobte ihn immer wieder, was für ein guter, warmherziger, zuverlässiger Mensch er sei und entschuldigte sich genauso oft dafür, dass er manchmal ein richtiges Ekelpaket war. Mein Vater strahlte für den Rest des Tages.


    Es war schön, dass ich ihn mal wieder auf andere Gedanken bringen konnte und er was hatte, woran er positiv zehren konnte. Er hat noch tagelang von dieser Begegnung gesprochen.

    ___


    Seit dem ersten Lockdown habe ich bei meinen Eltern den wöchentlichen Lieferservice eingeführt. Eigentlich kam uns (meinem Bruder und mir) der Lockdown wie gerufen, weil wir verhindern möchten, dass er mit seinen 86 Jahren noch viel mit dem Auto in der Gegend herumfährt.


    In einer der letzten Bestellungen hab ich ihnen Eiskonfekt mitbestellt. So schnell konnte ich gar nicht schauen, war das 4x10er-Päckchen weg. Ich hätte nie gedacht, dass so eine Kleinigkeit beiden so eine riesige Freude macht.

    ___


    Ich bedanke mich bei allen, die durchgehalten haben und wünsche euch einen erholsamen Abend. Gönnt euch was Wohltuendes


    LG Zebulon

    Hallo ihr Lieben,

    Hallo Herr Hamborg,


    kurz vorweg: wegen einer evtl. Wiedererkennung habe ich meinen Benutzernamen geändert (vorm. KoDo). Der heutige Eintrag gibt doch viel unserer persönlichen, familiären Situation preis. Möglicherweise werde ich einzelne Stellen nachträglich wieder entfernen.


    Vielen Dank für eure/Ihre lieben Worte.


    Die Wahrnehmung der Situation meines Bruders ist gemischt, ganz besonders von meinem Vater. Er ist in vielen Punkten unheimlich in sich zerrissen. Das liegt aber primär in der Vergangenheit.


    <Textabschnitt entfernt>


    Allein eine detaillierte Beschreibung dieser Ereignisse wären abendfüllend, hier aber nur mal im Steno-Format.


    Persönlich komme ich sehr gut mit ihr klar, muss aber dazu sagen, dass ich ausgesprochen harmoniebedürftig bin. Vermutlich auch, weil wir grundsätzlich ein sehr harmonisches Elternhaus hatten - wobei in den 60ern eine 'Watschn' noch nicht unter Gewalt lief. Meiner Mutter 'rutschte gelegentlich die Hand aus', wie's bei uns so schön heißt, das war aber alles andere als an der Tagesordnung. Mein Vater dagegen hätte und hat niemals auch nur die Hand gegen uns erhoben. Bei ihm reichte es, wenn er die Stimme erhob.


    Sorry für die Abschweifung - zurück zur Wahrnehmung meiner Eltern: Ich habe kürzlich mit meiner Cousine genau darüber gesprochen. Sie hat auch (wie ich) den Eindruck, dass mein Vater die Brisanz der Situation nicht vollständig erfasst.

    <Textteile entfernt>


    Anders natürlich die Wahrnehmung meiner Mutter. Sie staunt jedes Mal wieder über die etlichen Narben meines Bruders an Armen und Beinen. Jedes Mal wieder erklären wir ihr die Situation und jedes Mal wieder sagt sie: "Ach ja, genau!".


    Nun zum tatsächlich wirklich schwierigen Thema: eindeutig jein. Diesbezüglich ist unsere Familie schon vorbelastet. Ich habe irgendwann schon mal geschrieben, dass sich die Mutter meines Vaters im Alter von 88 Jahren mit einem Sturz aus dem Fenster das Leben genommen hat. Damit hat sie die 'Hemmschwelle' ziemlich herabgesetzt.


    Ja deshalb, weil die Verzweiflung meines Vaters über die Lage meiner Mutter so riesig ist, dass ich es grundsätzlich durchaus für möglich halten würde. Er sieht einfach keine Lösung, keinen Ausweg und keine Zukunft mehr, nicht den kleinsten Lichtblick. Auch seine eigene körperliche Verfassung wird immer schlechter. Als ehem. Bayerischer Vize-Meister im Radsport war seine Fitness bis weit in seine 70er unglaublich. Mit über 70 fuhr er 12.000-15.000 km/Jahr, darüber hat er täglich Buch geführt - aber durch div. Stürze und Brüche gings mit seiner Fitness dahin. Er hat keinen Auftrieb, etwas daran zu ändern. Seine (behandelten) Depressionen tun ein Übriges. Aber, …


    Nein deshalb, weil ich ihm immer wieder die Situation meiner Mutter vor Augen halte "Was passiert denn dann mit Mutti? Bruder und ich haben dann endgültig verloren und Mutti müsste dann unweigerlich in eine Pflegeeinrichtung!". Ich habe den Eindruck, dass allein das ihn von einem evtl. Vorhaben abhält, er will sie nicht alleine zurücklassen. Auch hier ist er innerlich zerrissen.


    Sie haben recht, je nach seiner mentalen Verfassung kommt es mir tatsächlich oft wie ein 'hilfloser Erpressungsversuch' vor, wovon er dann aber sofort wieder zurückrudert, weil er mich/uns ja nicht so sehr belasten will. Am liebsten wäre es ihm, wenn ich wieder zu Hause einziehen würde, aber das Haus ist nun mal nicht barrierefrei. Evtl. Umbauten würden an die halbe Million € grenzen.


    Ich versichere ihm dann immer wieder, dass das für uns weder eine Belastung noch eine Verpflichtung ist, sondern eine Selbstverständlichkeit. Früher waren sie beide für uns da und heute ist es eben andersrum. Das Einzige, was uns an den Rand der Verzweiflung bringt, ist, wenn beide alles, was wir anstrengen, um ihnen (aber in erster Linie ihm) das Leben zu erleichtern und Verantwortung von seinen Schultern nehmen, boykottieren oder ablehnen.

    • Das Essen, das 2x/Wo. geliefert wird, schmeckt nicht (stimmt nicht, fantastische Hausmannskost, genau wie Muttern immer gekocht hat);
    • Tante Caritas soll nicht mehr kommen, das können wir selber (No way! Keine Option!);
    • Nachbarn bieten sich zum Rasen mähen an: "Könn'ma selber." (Kann er eben nicht, er hat schon Probleme ohne Krücken auf die Toilette zu kommen),
    • und… und… und…

    Sie haben beide ein Problem, Hilfe anzunehmen. Sie waren es schließlich immer, die geholfen haben - nicht umgekehrt. Nun ist es aber mal anders und das wird sich nicht ändern. Aber auch damit haben Sie völlig recht, sie denken sie, müssten für uns da sein. Hinzu kommt ja auch noch seine selbst auferlegte Schuld an meinem Unfall (hab ich auch irgendwann schon mal beschrieben).


    Mit dem Suizid meiner Großmutter habe ich mit der Zeit Frieden geschlossen, das hatte ich glaube ich schon mal erwähnt. Sie hat ihren eigenen körperlichen und geistigen Verfall nicht mehr ertragen und wollte niemandem zur Last fallen. Im Nachhinein erkannten wir, dass sie schon vorher Versuche unternahm, wie z.B. waren alle Fenster und Türen geschlossen und alle Herdplatten inkl. des Bratrohrs liefen auf voller Leistung. Zufällig kam mein Vater vorbei und erstickte fast an der Hitze im Raum. Er schaltete alles ab und öffnete die Fenster. Erst später erkannten wir, dass sie dachte, es wäre ein Gasofen. Auch hat sie Jahre zuvor zu mir gesagt: "Mei, Mädle, wenn ich ned so feig wär, wär alles schon vorbei!". In ihren letzten Jahren hat sie immer gesagt, sie sei 'über der Zeit', sie gehöre nicht mehr hierher.


    Meine Erkenntnis daraus ist, dass ein Mensch in diesem Alter ein Recht darauf hat, selbst zu entscheiden, wann und wie er dieses Leben verlassen möchte. Und auch wenn ich damit evtl. bei dem einen oder der anderen Leserin Unmut hervorrufe, dieses Recht möchte ich auch meinen Eltern zugestehen.


    Selbstverständlich ermuntere ich sie nicht dazu (als Kind war ich in psychotherapeutischer Behandlung, weil ich Panik und Albträume davor hatte, dass meine Eltern/meine Oma sterben könnten), ich hänge an ihnen, wir hätten uns keine besseren Eltern wünschen können.


    Ich hab mir sogar schon mal überlegt, hier einen Thread mit den Erinnerungen an meine (immer mehr schwindende) Mutter zu eröffnen. Andererseits, sowas zu ihren Lebzeiten zu tun, scheint mir dann doch etwas … merkwürdig. Ob sowas gewünscht ist, weiß ich nicht. In mir kommen immer wieder fast schon verschollene Erinnerungen an Ereignisse, Erlebnisse, die uns unsere Eltern mit ihren geringen Mitteln geboten haben.


    Vielen Dank nochmal für Ihren Zuspruch und Ihre sehr wertvollen Einschätzungen.

    @Alle: Danke fürs Lesen und vor allem fürs Durchhalten :*


    LG Zebulon

    Hallo ihr Lieben,


    jetzt hab ich mich ja schon eine ganze Weile nicht mehr gemeldet, aber jetzt nehm ich mir mal wieder die Zeit dazu.


    Viel passiert.

    Begonnen hat dieses Jahr damit, dass meine Mutter sich mal wieder aus dem Haus schlicht und prompt dort fiel. Im Nachhinein erfuhren wir, dass sie sich auf allen Vieren ins Haus schleppte. Unsere Nachbarin, die sich, nebenbei bemerkt, ganz rührend um meine Mutter kümmert, hat sie 'gefunden' und reingebracht. Bei diesem Sturz brach sie sich den Oberarm und bekam in einer OP eine Platte rein.


    Sturz: Dienstag; OP: Mittwoch; Telefonat mit der Station: Donnerstag. Hier wurde mir gesagt, dass sie sie noch übers Wochenende behalten und sie voraussichtlich am Montag nach Hause kann. Ich dachte mir noch, das ist jetzt eine gute Gelegenheit für meinen Vater, mal a bisserl zur Ruhe zu kommen, bevor das Drama dann am Montag wieder weitergeht. Keine Stunde später stand sie vor der Tür.


    Bedingt durch ihre starken Schmerzen riefen wir noch am selben Abend den Hausärztlichen Notdienst, der rief den RTW und der wiederum empfahl uns, sie erneut ins KH zu bringen. Wir stimmten dem zu, unter der Voraussetzung, sie auf keinen Fall in die vorige Klinik zu bringen. Also brachten sie sie ins nächstgelegene Klinikum. Auch von dort wurde sie am Freitagnachmittag wieder kommentarlos nach Hause gebracht.


    Nachdem ich schon auf 180 war, bat ich meinen Bruder mit der Klinik zu telefonieren, ich wäre vermutlich durch die Decke gegangen. Das tat er auch und er telefonierte über eine Stunde mit dem Oberarzt. Der erklärte ihm die Situation ausführlich und eben auch, warum auch sie unsere Mutter schon wieder nach Hause schickten - sie könnten nichts tun. Alles, was möglich war, wurde getan und in Anbetracht der Corona-Situation ist sie einfach Zuhause besser aufgehoben. All das leuchtete uns ein. Man muss doch nur mit den Leuten reden...


    Natürlich hatte sie mit ihrem Bruch und dem ruhiggestellten Arm massive Probleme mit dem Toilettengang und mit dem Bett ein- und aussteigen. Also bestellte ich einen Toilettenstuhl und von der Hausärztin wurde uns ein Bettgalgen verschrieben, der noch am selben Tag geliefert wurde.


    Endlich (!!!) stimmten beide einer Pflegeperson zu. Die Ärztin sprach von mind. 2x/tgl. wenn nicht sogar einer 24-Std.-Kraft, aber ich war ja schon froh, dass sie 1x/tgl. zuließen. Seitdem kommt die Caritas täglich und ich werde einen Teufel tun, sie wieder abzubestellen. Endlich kommt sie halbwegs regelmäßig in die Badewanne.


    Erschwerend hinzu kommt, dass mein 'kleiner' Bruder (51) vor zwei Monaten einen Herzinfarkt hatte und fünf Bypässe eingesetzt bekam. Das war für uns alle ein riesiger Schock. In den sechs Stunden der OP konnte ich keinen anderen Gedanken fassen, vor allem, weil ich ja weiß, wie es ist, wenn einem der Brustkorb 'geöffnet' wird. Bei mir zwar nicht in der gleichen Weise wie bei ihm, aber sehr ähnlich. Wenn die Wirbelsäule von vorne operiert wird, geht's ähnlich zu.


    Bis dahin waren wir gut verknotet, ich übernahm die Anwesenheiten bei unseren Eltern, Arzttermine und alles Organisatorische, er übernahm alle 'Lauf- und Besorgungswege' und alle technischen Hilfen im und ums Haus unserer Eltern. Im Moment ist er noch so geschwächt, dass er innerhalb kürzester Zeit schweißgebadet pausieren muss. So bleibt im Moment der Großteil an mir hängen. Egal, Hauptsache, mein Bruder kommt wieder auf die Beine!


    Da offenbar bei uns keine Ruhe einkehren darf/kann, ging's am Samstag weiter. Mein Vater fiel zum 4. Mal in dieser Wochen wg. Schwindel um, kam ins Krankenhaus und ich siedelte wieder zu meinen Eltern. Diesmal ist die Situation noch schwerer, ich habe wieder zwei Katzen, die auch versorgt werden wollen. Also fuhr ich jeden Morgen um 5:30 Uhr zu mir, versorgte die beiden und versuchte, wieder zurück zu sein, bevor meine Mutter aufwachte. Abends nahm ich sie mit, gab ihr bei mir kleinere Aufgaben und auf dem Rückweg holten wir uns was beim McD. Das war zwar nicht neu für sie, konnte sich aber an die letzten Male nicht erinnern. Es schmeckte ihr jedenfalls richtig gut.


    Die Option eines Pflegeheimes rückt auch bei uns immer näher, aber wir blenden das gekonnt aus. Keiner von beiden will ohne den anderen: "Dann geh'n wir halt zusammen!" - gemeint ist damit keine Pflegestelle.


    Ich könnte jetzt abendfüllend weiterschreiben, von den verbalen Attacken meiner Mutter gegen ihre Freundin, gegen meinen Vater ("Jetzt wird's Zeit, dass'd dich aufhängst. Dann hab ich wenigstens meine Ruhe!" - nach 60 Jahren Ehe). Beide riefen mich danach bitterlichst weinend an und ich versuchte, die Wogen zu glätten. Bei beiden hat sie sich anschließend ehrlich entschuldigt, aber weitere Aussetzer sind vorgezeichnet...


    Euch schon mal ein ruhiges, sonniges Wochenende. Bleibt stark ;*


    LG KoDo

    Hallo Never,


    was Du schreibst, liest sich schrecklich. Das tut mir ehrlich sehr leid. Ähnliche Situationen sehe ich mit meiner Mutter auf uns zukommen. Sie hat seit März Pflegegrad 3, ihre Aufmerksamkeitsspanne liegt zwischenzeitlich teilweise bei unter einer Minute. Sie lebt mit meinem Vater in unserem Elternhaus, einer Doppelhaushälfte, das sie Anfang der 70er gebaut haben, ca. 10 km vor der Stadt.


    Trotzdem habe ich das Gefühl, dass wir bei Weitem noch nicht da angekommen sind, wo ihr schon alle seid. Ich kämpfe immer noch damit, mich von meiner 'früheren' Mutter zu verabschieden und muss mich regelrecht zusammenreißen, ihr bei verschiedenen Aussagen oder Aktionen (wenn sie z.B. dem Pizzalieferanten auf die Pelle rückt) nicht zu kontern - und selbst wenn ich das täte, wäre das innerhalb von Minuten wieder vergessen.


    Mein Vater ist mit dieser Situation hoffnungslos überlastet und überfordert. Er fühlt sich nur unterstützt, wenn ich anwesend bin. Bei schlechter Tagesverfassung weint er den ganzen Tag bitterlich, lehnt aber jede Hilfe von außen vehement ab. Sie beugt sich dann tröstend zu ihm und kann seine Verzweiflung einfach nicht verstehen. In dieser Situation habe ich ihr gesagt, dass er wegen ihr weint, wegen ihres schwindenden Gedächtnisses und ihrer weiter fortschreitenden Demenz. Ihre Reaktion war, ihr fehle doch nichts, es sei doch alles OK. Keine fünf Minuten später zeigte sie sich wieder besorgt über Dad's vieles Weinen. Kein Wort, von dem was ich sagte, blieb hängen. Ein anderes Mal fuchtelte sie mit der Hand vor dem Gesicht und fragte mich: "Bin i jetzt plemm plemm?"... :/


    Wir, mein Bruder und ich, sind sehr behütet und in einem harmonischen Elternhaus aufgewachsen. Natürlich wurde auch gestritten, aber alles im Rahmen des Normalen, wie's halt zwischen Geschwistern mit fast neun Jahren Altersunterschied so ist… Deshalb kümmert sich mein Bruder genauso um meine Eltern, das macht die Sache schon einfacher - soweit man überhaupt von 'einfach' reden kann…


    Ich kann mich Sonnenblümchen und Hanne nur anschließen, was das Telefon angeht. Wenn es ihr letzter Draht nach außen ist und Du ihn ihr nicht nehmen willst, kann ich das verstehen. Dann bleibt nur die Option, im richtigen Moment das Gespräch zu beenden - mit oder ohne Ankündigung. Das ist ein Überschreiten einer Hemmschwelle, aber zu deinem eigenen Schutz vor verbalen Attacken oder dem Thema deines Sohnes ist das zwingend notwendig. Auch wenn Du ihr noch so oft sagst, wie verletzend ihre Worte sind, es bleibt nicht drin. Deshalb musst Du Dich in den Fokus setzen.


    Alles Gute :*, viel Kraft :thumbup: und viele Grüße <3

    KoDo

    Hallo Seifenblase,


    ich hoffe, dein Post rutscht damit wieder ganz nach oben. Mein erster Post hier ging auch auf diese Weise 'verloren' und genau so kam ich mir dann auch vor.


    Deine Situation ist die Horrorvision jedes Betroffenen. Wie soll man sich davor schützen? Kann man das überhaupt? Noch dazu, wenn die Person aus der eigenen Familie kommt…


    Wir (mein Bruder und ich) stehen mit der Demenz unserer Mutter noch ziemlich am Anfang des Dramas und nach allem, was ich hier lese, wird mir Angst und Bange vor der Zukunft. Glücklicherweise stehen mein Bruder und ich in sehr gutem Kontakt zueinander und halten uns täglich auf dem Laufenden.


    Leider lehnt mein Vater auch jede Hilfe von außen ab und ich befürchte, dass - wie es mir hier auch schon prophezeit wurde - erst ein Worst-Case eintreffen muss, bis er bereit ist, einen Schritt weiter zu denken und ggfls. zu handeln.


    Ich hoffe und wünsche mir aufrichtig, dass Herr Hamborg einen Rat für Dich hat - und wenn keinen Rat, dann wenigstens ein paar aufbauende und unterstützende Worte.


    Ich empfehle Dir, im Thema 'Wie geht es Euch denn so' zu schreiben. Zum einen sind da etliche mehr oder weniger Gleichgesinnte, zum anderen betrachte ich es schon fast a bisserl als Tagebuch. Außerdem schaut Herr Hamborg über kurz oder lang immer mal vorbei. Das tut schon gut, Feedback auf seine Probleme zu bekommen - von ihm oder von anderen Betroffenen.


    Alles Gute, gute Nerven und viel Kraft weiterhin.


    VG KoDo <3