Hallo zusammen, ich bin zurück aus dem Urlaub! Das Problem mit dem Telefonterror habe ich zum Glück nicht. Das regelmäßige Telefonieren von meiner Mutter und mir war "schon immer" so geregelt, dass ich sie angerufen habe und nicht umgekehrt, weil sie immer das Gefühl hatte, ich kann den Zeitpunkt besser bestimmen (als die Kinder klein waren und so). Ich habe ein paarmal aus dem Urlaub angerufen, aber immer nur kurz (sie hat wohl noch in Erinnerung, dass Telefonate aus dem Ausland teuer sind ;-)). Der Urlaub war toll, die Distanz hat sehr gut getan. Wenn ich rechtzeitig den Tipp mit der Zeitschrift "happinez" gelesen hätte, wäre es bestimmt noch besser gewesen ;-). Am letzten Tag rief ein Pfleger an. Ich war natürlich in heller Aufregung. Es ging aber "nur" um das Thema, dass meine Mutter sich nicht waschen lässt und ihre Kleidung nicht wechselt, auch in ihrer Kleidung schläft. Gut, daran konnte ich dann in einem Cafe in Bordeaux sitzend, auch nichts ändern.
Meine Mutter wirkt auf mich sehr depressiv. Das ist eine Veränderung, die drastisch mit dem Umzug ins Heim eingetreten ist. Die Pfleger schlagen nun vor, ihr "Stimmungsaufheller" von einem Psychiater verschreiben zu lassen, der ab September wieder ins Heim kommt. Ich finde die Idee gut. Hat jemand Erfahrung damit? Ich finde diese traurige Stimmung schlimmer zu ertragen als die Demenz als solches. Ich lese hier von anderen Erkrankten, die mit Männern rumflirten. Ich kann mir vorstellen, dass das peinlich ist, aber sie haben doch anscheinend noch etwas Spaß am Leben, oder?
Meine Mutter flirtet zwar nicht mit Pflegern, lässt sich aber anscheinend von ihnen leichter "lenken". Am Freitag war eine Fußpflegerin da. Ich wurde gebeten, zugegen zu sein, weil man wohl noch immer glaubt, dass ich Einfluss auf meine Mutter habe. Wir haben mit Engelszungen geredet, zwecklos. Sie saß wie ein bockiges Kleinkind auf dem Bett und hat gezetert "nein, ich ziehe meine Strümpfe nicht aus". Die nette Fußpflegerin hat nach 20 min aufgegeben. Der Pfleger hat es dann einige Zeit später tatsächlich geschafft, sie zu der Fußpflege zu bewegen. Wie er das hinbekommen habe, wollte ich von ihm wissen. "Einfach machen", war seine Antwort.
Im Heim gibt es eine Betreuerin, die sich 1h/Woche (!!!) um meine Mutter bemüht. Da sie den ganzen Tag auf dem Bett liegt und nichts tut, habe ich die Idee, eine "Gesellschafterin" über betreut.de zu suchen, die mit ihr Mensch-ärgere-dich-nicht spielt oder eine Runde ums Heim spaziert (die einzigen Tätigkeiten, zu denen sie sich motivieren lässt). Das hat in ihrer letzten Zeit zu Hause sehr gut geklappt, und die Besuche von "Petra" waren ein echtes Highlight für sie. Aber damit warte ich glaube ich noch, bis der Psychiater sie gesehen hat. Ich glaube, dass sie meine Versuche, sie zu irgendwas zu animieren, eher lästig und anstrengend findet. Aus ihrer Sicht bin ich wohl ein echter Stressfaktor.
Ich hatte heute die Idee, sie am Sonntag Nachmittag zu mir nach Hause zu holen. Es gibt ein Streichorchester, das sie früher häufig in Konzerten gesehen hat und das jetzt (Corona) Konzerte im Internet zeigt. Ich dachte, die Aufnahme im Internet ist vielleicht ein kleiner Ersatz, und wollte sie mit ihr bei mir daheim ansehen (kein WLAN in den zugänglichen Bereichen des Heims). Das Pflegepersonal fand die Idee gut. Gesagt, getan. Ich habe sie mit dem Auto (das mal ihres war) abgeholt. Sie hat tatsächlich mein Haus wiedererkannt und sich auf die Terrasse in die Sonne setzen und mit einem Kaffee bewirten lassen. Nach 15 Minuten sagte sie, sie wolle früh zu Bett gehen. Ich konnte sie überreden, sich das Konzert (8 min) mit mir anzusehen, was sie nicht vom Hocker und auch nicht von der Couch gerissen hat. Sie meinte, dieses Konzert habe sie sich erst gestern angesehen, und es lohne sich nicht für sie. Und außerdem wollte sie jetzt (es war 14 Uhr) schlafen gehen. Nun denn. Ich hatte wegen ihrer mürrischen Verfassung auch keine Lust mehr. Während ich meinen Autoschlüssel gesucht habe, machte sich meine Mutter daran, die Treppe hinaufzusteigen. Sie war der Meinung, dass ihr Bett dort sei! (Tatsächlich hat sie bei früheren Besuchen dort geschlafen). Ich (entsetzt): "Mama, du hast hier kein Bett, du kannst hier nicht schlafen! Ich bringe dich zurück in dein Zimmer." Sie (zornig): "Lass mich in Ruhe, ich wohne seit Jahren in diesem Haus! Ich will in mein Bett!" Wow! Meine Mutter, die seit Wochen jammert, sie wolle nach Hause, kann ihre Wohnung nicht mehr von meinem Haus unterscheiden! Diese Demenz versetzt mich immer wieder in Erstaunen! Zum Glück habe ich es geschafft, sie ins Auto zu verfrachten. Im Heim angekommen, ist sie willig ausgestiegen und war offensichtlich froh, sich endlich in "ihr" Bett legen zu können. Der ganze Ausflug hat ca. 1 Stunde gedauert, und sie war total gerädert! Ich auch.
Ich glaube, ich lasse solche Experimente lieber sein.
Eine Frage bewegt mich, und mich interessiert eure Meinung dazu. Was wünsche ich mir für mich selber, wenn ich diese Krankheit auch bekommen sollte? Wie kann ich Vorsorge dafür treffen, dass ich meinen Kindern nicht das antue, was meine Mutter mir antut? Ich bin im Nachhinein echt sauer auf sie, dass sie das Thema "was soll werden, wenn du nicht mehr in deiner Wohnung wohnen kannst" nie mit mir besprochen hat, obwohl ich das Gespräch immer wieder gesucht habe. Sie hat zwar allerlei Vollmachten und Patientenverfügungen unterschrieben, der Fall Demenz kommt darin aber nicht vor.
Manche denken daran, sich das Leben zu nehmen bei einer Demenz-Diagnose. Ich kann das gut nachvollziehen, denn das, was ich von dem Heim bisher mitbekommen habe, ist wirklich kein attraktiver Lebensabend. Ich würde auf keinen Fall womöglich bei meinen Kindern wohnen wollen, und das wissen meine Kinder auch. Ich hoffe, dass das ihr Gewissen entlasten wird. Wenn die Räumlichkeiten es hergeben, lieber mit einer 24h-Kraft, oder meinetwegen im Heim. Meine naive Hoffnung ist, dass es "bis dahin" weitere, bessere Angebote für Demenzkranke gibt (ja, ich weiß, es wird auch noch mehr Demenzkranke geben). Ich habe in einem Zeitungsartikel von 12 Risikofaktoren gelesen. Also: gesundes Leben führen, Bewegung, soziale Kontakte... :-).