Hallo zusammen,
ich lese nun schon seit ein paar Tagen mit, ohne mich bis jetzt zu beteiligen. Die Situation in der meine Geschwister und ich gerade sind, ist genau die, die ihr erlebt oder erlebt habt. Daher möchte ich zunächst nur einmal danke sagen, für eure Offenheit und die Bereitschaft eure Gefühle und Ängste mitzuteilen. Auch die, die wir ich nur lesen, profitieren davon.
Ich jedenfalls finde mich wieder mit allen Ängsten, Schuldgefühlen und offenen Fragen. Morgen haben wir einen Beratungstermin, vielleicht finden sich dann schon ein paar Eckpunkte zur Orientierung. Aber die Beiträge hier sind auch Orientierung. Infos aus erster Hand. Das hilft.
Unser Vater hat sich bis vor kurzem um unsere demente Mutter gekümmert und fast alles allein getragen. Pfingsten kam er nach einem Sturz ins Krankenhaus und ist vor 2 Wochen verstorben. Mutter nun allein zu Haus. Sie ist im fortgeschrittenen Stadium, schafft ihren Tag nur noch mit deutlichen Einschränkungen, lehnt aber auch jede Hilfe ab: Putz- und Haushaltshilfe, Pflegedienst (hat Pflegegrad 3, heute haben wir mit der Autorität der Hausärztin einen neuen Versuch gestartet), wehrt sich gegen die Medis, hat Angst vor Bevormundung, will Autofahren um einzukaufen, was wir natürlich nicht zulassen, hat sehr unregelmäßig Hunger, viel abgenommen, kann natürlich für Sauberkeit und Kochen im Haus nicht mehr sorgen. Lehnt aber auch alles an Hilfe (außer wir machen es nebenbei, sodass sie es nicht bemerkt) ab.
Sie ist trotzdem noch relativ selbständig und pflegt ihre Kontakte, geht in die Kirche zu Fuß (12 Min), schafft ihre Körperpflege einigermaßen und füttert die Katze. Sie räumt die Spülmaschine ein und aus, ab und zu saugt sie Staub und beschneidet die Rosen. Sie sagt zwar 10 mal am Tag, dass sie das Telefon nicht bedienen kann, ruft mich aber dennoch selbständig an. Das Körpergedächtnis funktioniert also, trotzdem hat sie große Angst nicht telefonieren zu können und lässt sich seit Wochen täglich mehrmals das Telefon erklären, dass sie seit 20 Jahren nutzt. Wir kaufen ein, essen mit ihr, fahren sie zu allen Terminen, kümmern uns um alles Nötige, seit dem Krankenhausaufenthalt unseres Vaters und der Beerdigung sehr intensiv.
Wir sind alle drei berufstätig, haben aber aktuell etwas mehr Zeit. Der eine hat Urlaub, ich habe Kurzarbeit, meine Schwester kann wie eine Selbständige ihre Zeit einteilen. Das wird sich aber nicht längere Zeit durchhalten lassen. Nun denken wir an ein Netzwerk aus Pflegedienst, Hilfen im Alltag (Sauberkeit, Essen), Nachbarn, die sich liebevoll kümmern, Enkelkindern (die auch berufstätig sind) - die uns dabei unterstützen können, damit unsere Mutter solange zu Hause bleiben kann, wie es "geht". Dabei stellen sich natürlich viele Fragen: Wann setzt die Selbst-Gefährdung und auch die Fahrlässigkeit gegenüber anderen ein. Wenn z.B. mal (wieder) ein Topf auf dem Herd verbrennt. Es gibt zwar überall Rauchmelder, aber wer hört die schon in einem Reihenhaus? Tagespflege mit Fahrdienst wäre eine weitere Möglichkeit, vorausgesetzt sie lässt sich darauf ein.
Und dennoch stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Bei Alzheimer gibt es keinen Weg zurück. Wir fragen uns also, wann ist der richtige Zeitpunkt, sie in einem Heim betreuen zu lassen? Eher so früh wie möglich, damit sie sich noch bewusst einleben kann (mit krassem Widerstand ist zu rechnen) oder so spät wie möglich (damit sie davon nicht mehr viel mitbekommt)? Wir versuchen das Emotionale vom Sachlichen zu trennen und darauf zu schauen, was für unsere Mutter das beste ist. Und das ist schwer genug.
Soviel für den Moment. Und nochmal Danke.