Ich habe Angst, dass meinem Stiefvater etwas passiert und meine Mutter dann alleine bleibt, weil sie weiterhin jegliche Arztbesuche und Hilfe verweigert, und ich mich dann um sie kümmern muss. Ich weiß nicht, wie ich das tun könnte, ohne daran selbst zu zerbrechen. Ich selbst bin hochsensibel, habe Morbus Bechterew und hege so eine tiefe Abneigung gegen meine Mutter, dass ich mich am liebsten davor drücken möchte. Ich tue es nur meinem Mann zuliebe, der aus einem sehr harmonischen, liebevollen Elternhaus stammt.
Liebe Tochter67 und Valentina61, eure Schicksale ähneln sich sehr. Und zunächst mal unterstreiche ich das, was ecia sagt und füge hinzu:
Unvorstellbar sind die "schlimmen Geschichten" für andere besonders deswegen, weil sie (wie wir alle) mit einem Bild vom normalen Leben (man kann es auch Narrativ nennen) groß geworden sind, das uns das Zurechtfinden im Leben erst ermöglicht. Dies bedeutet, dass man sich von solch unglaublichen Schicksalen irgendwie verunsichert bis bedroht fühlen kann und sie bezweifelt, ausblendet ... oder alles zusammen. ((Ich kenne dies aus einem anderen Lebensereignis heraus sehr gut.))
Ich finde eure Berichte unglaublich traurig und berührend und ich sag mal aus der Ferne: So wie ihr das schildert, gibt es für mich (auch wenn ich nicht haargenau dasselbe erlebt habe) keinen einzigen Punkt, an dem ich zweifeln würde. Ich kann es sehr gut nachfühlen. Wenn andere zweifeln, lernt man dann oft auch etwas über die anderen 
Ich sehe für euch zwei große Herausforderungen (Baustellen?). Die erste betrifft euch selber. Durch das Zerbrechen des alten gewohnten Systems (mag es noch so schrecklich gewesen sein) wird einem erst bewusst, auf welch wackeligen Füßen das alles stand und wie andere einem geschadet haben.
An diesen Punkt kommen wir (auf unterschiedlichen Ebenen) alle, wenn unsere Systeme zusammenbrechen ... hier durch die Demenz unserer Eltern, egal wie alt auch WIR schon sind.
Ihr selber bemerkt jetzt doppelt und dreifach, was da alles schlimm gelaufen ist: Eltern sind halt nur weil sie Eltern sind nicht automatisch selbstlose, liebevolle, gebende Menschen ... sondern sie entsprechen genau den Menschentypen, die uns im Alltag begegnen (oder auch zum Glück nicht) und um die wir möglichst einen großen Bogen machen können.
Jedenfalls denke ich, dass ihr euch erst mal vor allem um EUER WOHLERGEHEN (groß geschrieben und gedacht!!!!) kümmern müsst. Es gibt hier viele mit ähnlichen Schicksalen, die sehr wertvolle Beiträge geschrieben haben, wie sie das machen und damit umgehen (Tanja, Alfijonski, Rose, ecia, ...). Diese Beiträge empfehle ich euch sehr und wünsche euch auch zusätzlich guten psychologischen Beistand, um wieder ins seelische Gleichgewicht zu kommen. Das ist SEHR WICHTIG.
Im Zusammenhang mit der 2. Herausforderung komme ich zu dem o.g. Zitat. Dazu ist meine Meinung: Ihr beide seid (so wie ich es lese) sehr verantwortungsvoll und menschlich eingestellt (anders als die von euch beschriebenen Mütter es euch gegenüber waren). Ich halte das für unglaublich wertvoll, d.h. trotz der ungerechten Behandlung habt ihr eure menschliche Größe bewahrt. Das ist ja wirklich nicht immer so. Hier gäbe es ganz andere Reaktionsmöglichkeiten ...
Aaaaber: Hier möchte ich euch raten, für eine Zeit die emotionale Ebene der Sache gegenüber zu verlassen und zu überlegen, was jetzt zu tun ist und was ihr überhaupt tun KÖNNT / was Sinn macht:
Die Mütter sind dement, schwer krank und hilfsbedürftig. Ihr könnt ihnen natürlich helfen, Das bedeutet aber nicht, dass ihr alles unternehmen müsst, um einen realen Ausgleich für die Krankheit zu schaffen. Ihr könnt den Verlust an Geist und körperlicher Kraft nicht kompensieren - die Mütter müssen mit dem Weniger an Geist und Kraft zu leben lernen. (Dabei können ihnen entsprechende fachliche Betreuungen helfen).
Und erst recht nicht müsst ihr die bekannten narzisstischen Grundbedürfnisse der Mütter befriedigen, euch weiterhin und noch schlimmer als "Prügeltöchter" demütigen und böse behandeln lassen, damit für die Mütter wieder alles wie gewohnt zu laufen scheint.
Am sinnvollsten finde ich, wenn man Kontakt mit helfenden Fachpersonen (Ärzten) aufnimmt, um zu besprechen, was geht und was nicht geht. Meistens bekommt man hilfreiche Tipps.
Auf gar keinen Fall würde ich mit den dementen Müttern diskutieren oder mich rechtfertigen für etwas (Bitte einfach immer in Gedanken bis 10 zählen, bevor man emotional reagiert und/oder sich immer innerlich vorsprechen: Ich tue das, weil es nötig ist. Ich lasse mich ((von dir)) nicht kleinkriegen. ...)).
Ansonsten würde ich mich tatsächlich auf eine gewisse Zeit zurückziehen (innerlich sowieso, aber vielleicht auch äußerlich) und den Dingen ihren Lauf lassen.
Die dementen Personen haben lange, lange noch das Recht, ihren eigenen Weg zu gehen, möge der auch noch so gefährlich ausschauen.
Meine Mutter war nicht narzisstisch, aber mit einer Persönlichkeit "gesegnet" (sie hat um sich gebissen wie eine Löwin), die uns allen den Weg in ihre Demenz zur Hölle gemacht hat. Ich bekam keine Vollmacht von ihr, sie lehnte alles ab.
Ich habe wirklich und wahrhaftig irgendwann alles laufen lassen: Die Pflegekräfte hat sie rausgeworfen, mein Essen teilweise aus Trotz abgelehnt, die Getränke ausgekippt. Sie blieb wochen- bis montatelang in dreckigen Klamotten, wusch sich nicht, ging nicht mehr ins Bett ...
Ich ... konnte ... nichts ... machen!!!
Und diesen Satz habe ich mir wie ein Mantra immer wieder vorgesprochen!
So ähnlich müsst ihr das auch machen: Versucht also, auf die rationale Ebene (zumindest zeitweise) zu kommen und zu überlegen: Was geht - was geht nicht? Wo könnt/wollt ihr helfen? Wo ist es unmöglich, ohne sich selbst zu verlieren.
Und wenn ihr hier ein sicheres Netz habt (Ärzte gefragt/informiert etc.), dann lasst "es" laufen. Denkt an euer Leben, sucht nach frohen Momenten ... Genauso tue ich das auch ... und es ist oft richtiggehend Arbeit, weil ich in meiner Persönlichkeit eben auch so angelegt bin, dass ich immer alles perfekt machen und andere zufrieden und glücklich machen will. Aber man hat Grenzen ... und die müssen sowohl andere als auch wir selbst respektieren
Alles, alles Liebe!