Liebe Forumsmitglieder und Mitleidende,
ich war eine Zeit ziemlich still, habe aber immer mitgelesen. So war ich informiert, was bei euch "alten Bekannten" vor sich geht und wie viele neue betroffene Menschen nun im Forum sind.
Ich möchte ein kurzes Update meiner Situation geben: Im September 23 wird meine Mutter nun bereits zwei Jahre im Pflegeheim sein. Wir waren von Anfang an der Meinung, dass dieses Heim in dörflicher Idylle meiner Mutter am besten entsprechen wird. Es handelt sich um ein "betreutes Wohnen" mit eingegliederter Pflege. Meine Mutter bewohnt eine kleine hübsche Wohnung. Es gibt kein spektakuläres Beschäftigungsprogramm, sondern halt einen Alltag, in dem alles seinen Gang geht ... Die Pflegerinnen sehen nicht so aus wie Pflegerinnen, aber tun alles, was anliegt. Es läuft alles recht entspannt ab: Mal läuft ein Kater durchs Gelände und schaut bei den Häschen nach dem Rechten. Die gewaschene Wäsche flattert im Wind, auf den Hochbeeten reifen die Erdbeeren und der Salat. In der Küche schnippelt jemand Gemüse für den Salat ...
Meine Mutter ist immer mehr in sich selbst zurückgezogen, wird aber als "zufrieden" beschrieben. Obwohl ich mit dem Verstand erfasse, dass alles im Rahmen der Möglichkeiten so in Ordnung ist, tut sich meine Seele schwer(er) und die Traurigkeit wird nicht weniger ... sie mäandert so vor sich hin und durchzieht mein Leben.
Dabei kann ich die unspektakuläre Art, mit der man mit den Menschen dort umgeht, nur begrüßen. Man sieht alles recht gelassen: Wenn meine Mutter nichts essen mag, lässt man sie eher in Ruhe. Sie wird gewogen und wenn das Gewicht nicht dramatisch sinkt, wird nichts unternommen.
Eine etwas jüngere Pflegerin meinte, dass man dort eher vorsichtig ist mit solchen Maßnahmen wie Füttern und hochkalorischer Nahrung ... denn wenn die Menschen alt sind, ist es okay, dass auch der Körper nach und nach Ballast abwirft. Ich hoffe, ich habe das so richtig wiedergegeben. Mir gefällt dieser Ansatz jedenfalls gut.
Meine Mutter SO zu treffen und zu sehen, verursacht mir auf verschiedenen Ebenen unterschiedliche Gefühle: Ich kann recht gut akzeptieren, dass sie jetzt ist wie sie ist. Ich habe mit ihr auch keine alten Rechnungen mehr offen. Die frühe Zeit ihrer Demenz war zwar grausam, aber das kann ich ihr gut verzeihen und als Folge der Krankheit akzeptieren. Sicher hat sie (wie JEDER Mensch) auch nicht immer alles richtig gemacht, aber sie hat sich immer große Mühe gegeben ...
Das alles bedenkend, wird der Druck bei mir nicht weniger. Ich denke, dass so eine Demenz einem klarer wie selten eine andere Krankheit (oder Situation) Vergänglichkeit vor Augen führt und Abschiede (die per se) schmerzhaft sind, ins quälend Unermessliche ausdehnt. Außerdem hat man endlos Zeit fürs Mitleiden ... und gerade dieses Gefühl kostet enorme Kraft, wenn es nicht irgendwann wieder abklingt.
Nun ja, aber was will man machen ... es ist so und ich muss es bewältigen.
Besonders der geistige Verfall meiner Mutter schreitet weiter fort. Dazwischen sind komischerweise Momente, in denen meine Mutter einen oder zwei klare Sätze sagt, ansonsten nimmt sie kaum noch Notiz von mir und anderem. Ich habe aber den Eindruck, dass sie die Pflegerinnen mag.
Und dann nennt sie IMMER nur meinen Mann beim Namen, mich dagegen nie. Das finde ich jedoch in Ordnung, weil mein Mann auch viel für sie (für meine Eltern überhaupt) getan hat. Mich entlastet es sogar, dass meine Mutter nicht sehr an mir zu hängen scheint. Wir überlegen gerade, ob ein Besuch pro Woche nicht ausreichen würde ... meine Mutter profitiert ohnehin nur recht wenig davon und liebt nichts so sehr wie ihre Ruhe ...
So viel zu meinem Update. So wie ihr alle, bemühe ich mich, auch mein Leben zu leben. Leider sind aber die anderen Baustellen nicht weniger, v.a. mein Enkelkind, das dem toxischen Vater gesetzlich ausgeliefert ist (daher kann ich euch alle mit toxischen Elternteilen so gut verstehen).
Aber auch die anderen Abschiede, die das Leben so mit sich bringt, sind nicht leicht (z.B. von meinem armen Schwager, den wir Ende 22 beerdigen mussten, während sein Vater mit knapp 99 noch lebt).
Aber so ist das Leben in den nun späteren Jahren... wer hätte da nicht seine eigene Leidensgeschichte. Ich denke, die Aufgabe besteht darin, die Balance zwischen Leiden und einem guten Leben zu finden. Daran arbeite ich weiter.
Ich werde mich in Zukunft sicher wieder etwas öfter zu Wort melden. Alles Liebe für euch alle.