Beiträge von Nelly

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    Hallo in diese Runde,


    diese Wechselbäder kenne ich von meiner Mutter genauso wie Ihr, ich kann es sehr gut nachfühlen, man braucht dafür manchmal gar keine individuellen Details.

    Meine Mutter wechselt im Laufe eines Tages x-mal die Stimmungslage, in ihren Anrufen und auch während einer Stunde Besuch. Hinterher fühle ich mich immer, als hätte man mir den Stecker gezogen. Bin jedes Mal dankbar dafür, dass meine Fahrtzeit mit fem Auto nur wenige Minuten beträgt …

    Ganz viel StärkStärk für Euch alle!

    Nelly

    enh2292

    Danke Dir für Dein Nachvollziehen und die Tipps!


    Buchenberg

    Ich wollte durchaus keine Therapie für meine Mutter, nur jemanden, der ab und zu mit ihr spricht, wenn sie jeden Tag bitterlich viel weint, weil „alle gestorben sind“, sie „ nichts mehr kann, alles vergisst“, denn von mir nimmt sie keinen Trost an.

    Erschwert würde das allerdings, weil sie sofort aufhört zu weinen, wenn jemand ins Zimmer kommt, siehe Außenfassade, und nur wenn man mit Zeit und geduldigem Nachfragen auf sie eingeht, öffnet sie sich. Das hat mir einmal ein Pfleger geschildert. Nur wie gesagt, keine Zeit dafür.


    Frage: Kann mein Besuch Stress bedeuten, wenn sie gleichzeitig täglich mehrfach danach fragt?

    Ein herzliches Hallo an alle hier,


    die letzten drei Wochen habe ich versucht, die Besuche und die zahlreichen Anrufe meiner Mutter stoisch und diszipliniert wie ich bin, hinzunehmen, ohne viel darüber mit anderen zu reden, weil ich mir schon selbst auf die Nerven gegangen bin, mit dem Immergleichen. Ich wollte ausprobieren, ob es mir besser geht, wenn ich weniger darüber rede und damit vielleicht auch weniger grüble.

    Es hilft ja alles nichts, sie steckt in ewigen Wiederholungen, redet ständig von allen, die verstorben sind, ruft bei mir an und meint ihre Mutter, sucht ihren Mann unter einer nicht existierenden Telefonnummer, und natürlich will sie immer noch abgeholt werden, samt Mitbewohnerin.Hinzugekommen ist jetzt noch ihre permanente Sorge um ihre Zimmergenossin, auch das konfus, weil sie sie manchmal mit ihrer Gartennachbarin oder ihrer Schwiegermutter verwechselt. Ich weiß, ich sollte ihr das Telefon abstellen, weil es sie irgendwie ja auch noch zusätzlich verrückt macht (und vor allem mich), andererseits denke ich immer, es ist das Einzige, was ihr geblieben ist. Nachdem sie mich heute mit 21 Anrufen auf die Mailbox weichgekocht hatte, hat sie bei meinem Rückruf dann aufgelegt mit den Worten, sie rufe mich nie mehr an. Haha.

    Gestern traf ich die Hausärztin, sie sagte mir, seien Sie versichert, Ihrer Mutter geht es viel besser als es bei Ihnen ankommt, laut den Pflegenden. Sie sagte, sie habe immer noch die Kraft der Außenfassade, nur bei mir lasse sie alles los und raus - der berühmte Trigger.

    Wenn ich sie besuche, weiß ich oft einfach gar nicht mehr, wie ich mit ihr kommunizieren soll. Ich versuche immer, sie nicht zu korrigieren, nichts richtigzustellen, nicht zu widersprechen, irgendwas Nettes und Belangloses zu erzählen. Wenn ich mit ihrer Mitbewohnerin spreche, ist sie beleidigt, diese freut sich immer über meine Besuche, meine Mutter nicht. Ich bin so unendlich müde davon. Trotzdem gehe ich weiter tapfer zweimal pro Woche hin, weil ich ihr etwas Abwechslung bieten möchte. Sie sagt oft, es sei ihr so langweilig.

    Ich finde es sehr bedauerlich, dass man sich im Heim - abgesehen von den Angeboten des Sozialdienstes für alle - um den psychischen Zustand der Bewohner*innen gar nicht kümmert. Vielleicht habe ich da auch falsche Vorstellungen? Sicher sind zugewandte Einzelgespräche zeitlich gar nicht machbar.

    Was will ich eigentlich sagen … ich fühle mich allein mit meiner so verwirrten Mutter, und gerade mal wieder wie eine Versagerin, weil ich vorhin einfach nur hilflos verzweifelt war, als sie auflegte. Was für ein ätzender Teufelskreis. Meine Schwester hat seit bestimmt zwei Wochen nicht mehr nach der Mutter gefragt, ich habe es getestet, indem ich ihr keine freiwilligen Bulletins mehr geschrieben habe.

    Immerhin habe ich mich endlich wieder aufgerafft, wie früher regelmäßig ins Kino zu gehen - da kann ich echt abtauchen.


    Danke fürs Loswerden-Können hier.

    Liebe Grüße

    Nelly

    Bei meinem dementen Großvater war es auch so, dass die eigene Einrichtung eher nicht willkommen war, weil er ja nicht krank war und bald entlassen würde. Und die Bilder u.ä. waren ihm egal.

    Auch bei meinen Eltern und jetzt nur noch bei meiner Mutter ist es so, dass nichts von zu Hause im Zimmer sein soll, es gehört nach Hause, meine Mutter hat immer Angst, man könnte vergessen, z.B. das Kissen wieder mitzunehmen und es soll auch nichts „Privates“ für andere zu sehen sein. Jeder noch seine kleine Gegenstand wird sofort in die Schublade gelegt. Und ja, genau, man ist ja nicht krank, es kommt nie eine Visite und was soll man dann also noch hier. Sie denkt immer noch, sie sei in Reha oder doch im Krankenhaus, aber die machen hier ja nichts.

    Hallo in die Runde,


    meine Beobachtungen sind, dass sowohl meinem verstorbenen Vater als auch meiner Mutter nie etwas recht war, recht zu machen war, es immer viel zu meckern und verurteilen gab, so ist es jetzt in der Demenz erst recht komplett unmöglich, etwas richtig zu machen. Ihrer beider Glas, vor allem das meines Vaters, war immer halbleer. Ganz sicher auch biographisch bedingt. Dazu das Ignorieren des Altwerdens, des sich niemals damit Auseinandersetzen-Wollens. Vom Alter beleidigt, sagte mein Vater.

    Meine Mutter sitzt im Speisesaal, flüsternd mit der Hand vor dem Mund, und lästert über alle, die in ihr Blickfeld geraten …

    Ja, mir macht das auch Angst für mich selbst, andererseits denke ich, wir lernen jetzt so viel, wir müssen das doch schaffen, es besser hinzukriegen. Daran möchte ich glauben.


    Liebe Grüße

    Nelly

    Hallo in die Runde,


    Ein kleiner Bericht, wie es bei mir in den letzten Wochen gelaufen ist:

    Nach mehreren Anläufen ist es mir gelungen, dass die Frau, mit der sich meine Mutter ein bißchen angefreundet hat, zu ihr ins Zimmer verlegt wurde. Die ganz neue Mitbewohnerin, die vier Wochen nach dem Tod meines Vaters direkt aus dem Krankenhaus zu ihr ins Zimmer kam, hat ihr irgendwie Angst gemacht, weil sie nur „böse guckt und nicht spricht“. Seit „ihre Freundin“ bei ihr eingezogen ist, hat sie nicht mehr geweint, aber ich habe der ebenfalls dementen Frau gegenüber jetzt ein schlechtes Gewissen, sie wirkt manchmal gestresst von meiner Mutter.

    Es ist nicht verwunderlich, dass sich meine Mutter eine sehr introvertierte, höfliche und sehr zurückgenommene Person ausgesucht hat - sie sagt ihr dauernd, was sie tun soll, wie sie es mit meinem Vater gemacht hat. Die Frau hat ähnliche Wortfindungsstörungen wie er, für die meine Mutter viel zu ungeduldig ist. Zusammen haben sie natürlich das große Thema „Wir wollen hier weg“, nach wie vor kann meine Mutter bis zu 16x pro Stunde anrufen und verzweifelt auf dem Anrufbeantworter fragen, wie lange sie noch bleiben sollen, wie sie nur hierher gekommen ist usw. Ihr kennt das.

    Die Mitbewohnerin scheint keinen Besuch zu bekommen und freut sich immer sehr, wenn ich komme, das ist schön zu sehen. Letztens habe ich sie am Eingang aufgesammelt, als sie weglaufen wollte, und mit nach oben in den Wohnbereich genommen, da war sie meiner Mutter gegenüber ganz stolz, dass sie mich „gefunden hat“. Sie rührt mich.

    Vielleicht halten sich die Vor- und Nachteile der Zimmergemeinschaft doch die Waage.

    Jedenfalls kann ich seit ein paar Tagen etwas besser schlafen und bin nicht mehr so in Stücken wie das ganze vergangene Jahr, eher manchmal sehr genervt, was ich jedoch als eine Entwicklung sehe ;)


    Viele liebe Grüße an alle und jede Menge gute Nerven und Durchhaltevermögen

    Nelly

    Liebe Zimt,


    kann Dir nur von meiner Mutter berichten, die sich im Heim im Oktober den Oberschenkelhals gebrochen hat. Sie war nach der Operation um einiges verwirrter als davor, da fing es an, dass sie von ihren Eltern redete und nach ihnen fragte. Sie wurde am 5. Tag zurück ins Heim gebracht und lag dann für eine Woche im Bett, seitdem sitzt sie im Rollstuhl und hatte die Operation sehr schnell vergessen. Sie bekam ambulante Physiotherapie. Das hat aber nichts mehr verändert, sie läuft seitdem nicht mehr und hat auch Angst davor, schafft es aber alleine noch aus dem Rollstuhl auf die Toilette.


    Liebe Grüße

    Nelly

    Teuteburger


    Ich kann Dich sehr gut verstehen, ich hatte das Kühlschrankproblem auch, als meine Eltern noch zu Hause lebten. Wenn ich etwas weggeworfen habe, wurde mein Vater sauer, wenn ich etwas sauber gemacht habe, empörte sich meine Mutter, ob ich denken würde, sie sei dreckig!? Dabei fand ich da Dinge im Gemüsefach, bei denen konnte man nicht mehr erkennen, was sie mal gewesen sein wollten … Mir war das auch extrem unangenehm, meine Mutter war immer die perfekte Superhausfrau. Ich habe oft versucht, heimlich zu regeln, wenn sie gerade wieder dabei waren, irgendwas zu suchen und somit abgelenkt.

    Guten Tag in die Runde,


    auch bei mir gibt es dezente positive Veränderungen. Ich habe bei den letzten beiden Besuchen meine Mutter im Gemeinschaftsraum erlebt. Sie hat Kontakt geknüpft mit ein paar Bewohnerinnen, die noch etwas mobiler sind und sie ansprechen und da sie immer sehr auf Außenwirkung bedacht ist, ist sie sehr freundlich - auch wenn sie leise und hinter vorgehaltener Hand über alles und jeden meckert. Sobald sie alleine ist, stürzt ihre Stimmung ab, dann ruft sie x-mal an, in immer schlimmer werdenden Zuständen. Sie braucht also definitiv Ablenkung, zu der man sie aber immer überreden muss. Und je nach Tageszeit und Besetzung gibt es die halt nicht. Sie war ihr komplettes Leben niemals alleine. Sie vergisst nach wie vor, dass mein Vater gestorben ist und fragt immer, ob ich wüsste, wo er sei. Wenn ich dazu nichts sage, fällt es ihr oft von alleine ein und dann wird es furchtbar. Auch vergisst sie ständig, dass es eine Frau in ihrem Zimmer gibt und erschrickt sich jedes Mal, wenn sie sie sieht. Aber zum Glück ist sie da und auch noch mobil, so konnte sie Hilfe holen als meine Mutter wieder gestürzt ist, sie hätte warten müssen, bis jemand zufällig reinkommt.

    Ich komme mittlerweile mit einer sehr defensiven Verhaltensweise ganz gut klar und fühle mich auch nicht mehr so 100% von ihr belegt.

    Ganz neue Perspektive in Sachen Self-Care …

    Die Träume, dass ich bei ihr wohnen muss oder sie zu mir abgehauen ist, reichen vollkommen …


    Viele herzliche Grüße an Euch, haltet alle gut durch

    Nelly

    Liebe Schwarzerkater,


    ich danke Dir sehr für Deine Antwort, es unterstützt mich in meinem Willen, es hinzukriegen.

    Ich habe vor vielen vielen Jahren damit abgeschlossen, mit meiner Mutter etwas zu klären, ihr etwas zu erklären, sie hat schon immer sofort angefangen zu weinen, ihr Thema. Ich will es auch jetzt nicht mehr, finde es nur sehr erstaunlich, was und wie viele "alte" Dinge, die ich abgehakt hatte, wieder hochkommen. Was die Veränderung der Eltern so alles auslöst ... Schon auch sehr interessant. Tröstlich ist es ein wenig, zu wissen, dass sie alles vergisst - auch dass sie vor fünf Minuten wütend aufgelegt hat und wieder anruft. Umgehen mit der berühmten Wundertüte, das ist die Übung schlechthin, Gruß an Sohn83 :)


    Ich bin gut im Anderen-Verzeihen, mit mir selbst muss ich tatsächlich noch mehr Nachsicht üben. Wenn ich von ihr wegfahre, fühle ich mich immer wie Stecker gezogen, da braucht es tatsächlich, wie Du schreibst, einen Plan. Im Kino abtauchen ist gut. Das mit Deinem Rockkonzert-Besuch fand ich auch toll!


    Liebe Grüße und man kann es nicht oft genug sagen, danke für diese Gemeinschaft hier!

    Liebe Schwarzerkater, liebe Rose60,


    vielen lieben Dank für Eure Ratschläge, sie sind mir so wertvoll! Ich bewundere Euch auch dafür, dass Ihr sooo viel beantwortet, Ihr seid eine echte Instanz und Kompetenz hier. Ich denke auch oft beim Lesen der vielen Beiträge, darauf möchte ich antworten und hier und dort, aber ich bin noch so ausgelaugt, dass es bei den Gedanken bleibt.

    Im Grunde habe ich alles längst kapiert, und doch tappe ich immer wieder in die Falle und lande in einer Auseinandersetzung mit meiner Mutter. Gestern Abend die Freundlichkeit in Person, das erinnernd ging mein weiches Herz heute Morgen ans Telefon, als sie anrief: Die alte Diskussion, sie will nach Hause, was soll sie hier, hier ist sie ganz allein, niemand kümmert sich um sie etc. Ihr kennt das alles.

    Ich packe alle guten Argumente aus, bleibe ruhig, sie wird immer saurer bis ich die Nerven verliere und sage, ich lebe schon mein halbes Leben allein (falschfalschfalsch, ich weiß) - und sie legt einfach auf.

    Hiermit stimme ich in den gut besetzten Chor der Töchter von narzisstischen Müttern (und einer ebenso narzisstisch geprägten Schwester, ein Abbild meiner Mutter, ich fürchte ihr Altwerden ...). Die ganze Zeit dachte ich, ich muss hier nicht auch noch damit ankommen ... Ich bin mit dem Satz aufgewachsen: "Was hatten wir mit der X immer eine Last!" - Ich war schon mit drei oft im Krankenhaus. Später, wenn ich eine OP brauchte, und es waren zahlreiche, hat sie sich immer leid getan, dass sie jetzt wieder nicht schlafen kann ... Sie kennt das Wort Entschuldigung nicht, immer sind die anderen schuld, sie hat auch ihr ganzes Leben an meinem Vater herumgemeckert. Klar, jetzt schlägt ihre narzisstische Persönlichkeit noch viel heftiger durch, gekränkt, weil mein Vater sie hat "hocken lassen".

    Liebe Schwarzerkater, Du hast recht, am besten funktioniert noch, bei Besuchen einfach still da zu sitzen, und liebe Rose60, ja, es stimmt, man kann schon nicht-dementen Menschen bei Trauer kaum wirklich helfen, wie soll es dann bei Demenz gehen, wenn schonvom Gutgemeinten nichts ankommt.

    Ich bin ein geduldiger und auch recht gelassener Mensch, aber immer noch nicht geduldig und gelassen genug, um nicht immer wieder die gleichen Fehler zu machen ... Aber ich werde es schaffen, weil ich es schaffen will.

    Liebe Grüße!

    Nelly

    Hallo zusammen und vielen Dank für Euren Zuspruch und Sohn83: Ich kann so gut nachvollziehen, wie Du Dich fühlst, "Wundertüte" ist ein Wort auch in meinem Kopf.


    Mein Update: Ich habe es nach dem schrecklichen letzten Wochenende geschafft, erst am Freitag wieder zu meiner Mutter zu gehen. Sie war gerade im Bad als ich reinkam, rief ganz freundlich, sie käme gleich raus - sieht, dass ich es bin und fängt sofort an zu weinen. Das und was mir einer der Pfleger später erzählt hat, beweist alles, was Ihr mir hier schreibt: Ich bin die Auslöserin, der Trigger. Ein Pfleger sagte, sie halte sich wacker, eine Frau, die im Zimmer gegenüber wohnt, auch dement, würde meine Mutter abends immer besuchen. Wenn er diese Frau suchen würde, säße sie bei ihr. Sie überlegen, ob sie die beiden zusammenlegen, denn auch er meinte wie ich, es sei riskant, jemand ganz Neues, die dann vielleicht auch nicht gerne im Heim wäre, zu meiner Mutter ins Zimmer einziehen zu lassen.

    Die Verwirrtheit meiner Mutter kennt unzählige Varianten und Stadien im Laufe eines Tages, das höre ich auf meiner Mailbox. Wenn ich sie mal anrufe, kann ich sofort hören, ob sie Besuch hat, dann hat sie ihr "Außengesicht".

    Bei meinem Besuch vorgestern habe ich es hinbekommen, mich darumherum zu mogeln, ihr zu sagen, dass mein Vater nicht mehr lebt, als sie damit anfing. Immer klappt das nicht. Eine Pflegerin sagte mir, ich dürfe ihr nicht sagen, dass er gestorben ist, aber manchmal provoziert meine Mutter es regelrecht, indem sie immer wieder insistiert, ich wisse doch, wo er sei ... das ist furchtbar. Was bei ihr gar nicht funktioniert, sind Sätze wie "Ich verstehe, wie Du Dich fühlst", "Ich kann nicht entscheiden, ob Du nach Hause kommst, was kann ich sonst für Dich tun", darauf kommt nur Aggression, Vorwurf und Angriff, ganz mit der exakten Wortwahl meines Vaters. Irgendwie will sie mein Mitgefühl nicht.


    Dieses Wochenende war das erste seit unendlichen Monaten, an dem ich mich etwas entspannen konnte. Es geht voran. Auch Dank Euch!

    Liebe Grüße an alle

    Nelly

    Ein herzliches Hallo in die Runde, die so viel teilt und hilft!

    Danke für alles, was Ihr mir vor ein paar Tagen geschrieben habt.

    Mein Update: Die Trauerfeier für meinen Vater hat meine Mutter fürchterlich weinend und während der schönen Rede des Pfarrers, in der er sie direkt angesprochen hat, ihn beschimpfend, "jetzt hast Du mich hier hocken lassen!!" in einem schrecklich aufgelösten Zustand hinter sich gebracht. Alle, die sie gesehen haben, waren bestürzt.

    Im Café dann anschließend die bekannte Verwandlung in ihre Außenfassade, eine heitere, mit allen plaudernde Frau, die alle zu sich nach Hause zum Essen eingeladen hat und von der niemand gedacht hätte, dass sie die Witwe sein könnte.

    Am nächsten Tag schon konnte sie sich bei meinem Besuch an nichts mehr erinnern, an keine Beerdigung, an keine Gäste. Mal weiß sie, dass er gestorben ist, mal nicht. Sie bohrt aber dann so lange, wo er sei, bis ich ihr bis zu zweimal in der Stunde sagen muss, aber er ist doch gestorben und dann wird es grausam. Ich möchte ihr nicht jedes Mal das Messer ins Herz rammen und noch mal umdrehen. Aber wenn ich versuche, irgendetwas anderes zu sagen, mich herauszureden, was auch immer, mir fällt einfach nichts mehr ein, fragt sie so massiv jedes Mal nach, weil sie schon noch spürt, dass da irgendetwas nicht stimmt. Dann wieder komme ich hin und sie sitzt schon tränenüberströmt da und weiß, dass er tot ist. Während ich da bin, weint sie ununterbrochen und will nur noch sterben.

    Die Pflegerinnen sagen, beim Essen würde sie ihn immer suchen, mehr haben sie nicht dazu gesagt.


    Meine Schwester wollte, dass wir ihr wieder die Möglichkeit zu telefonieren einrichten, weil sie sich soooo alleine fühlt, wenn sie niemanden erreichen kann, und auch Angst hat allein. Mit dem Ergebnis, dass ich heute einen Horrortag hatte, sie hat 13x auf meine Voicebox gesprochen, von freundlich säuselnd, "ich wollte nur hören, wie es Euch geht"

    (sie fragt einen nie, wie es geht) über weinend, "wo ist der Papa, ich kann ihn nirgends finden?" über aggressiv wie mit der Zunge meines Vates sprechend, was sehr gruselig ist, "ich will sofort nach Hause, hier macht eh niemand etwas mit mir, was soll das alles, Du brauchst Dich um nichts zu kümmern, hol mich ab, ich will nie wieder irgendwohin fahren, wenn ich zu Hause bin, gehe ich nie mehr vor die Tür!". Als ich sie wider besseres Wissen zurückrief, wurde sie patzig und legte auf - um Minuten später wieder anzurufen. Ich habe dann die Pflegerin angerufen, sie soll nach ihr gucken und dann ist alles wieder eitel Sonnenschein. Auch sie sagte mir, das alles, was ich beschreibe, das würden sie nicht kennen.

    Allerdings verweigert sie jede Ablenkung, will nur in ihrem Zimmer sitzen und weinen. Nächste Woche bekommt sie eine neue Mitbewohnerin, was sie nicht möchte, weil sie ja sowieso über jede/n etwas lästern hat und allen mißtraut. Auf der anderen Seite fürchtet sie sich besonders abends und nachts alleine. Es ist zum Durchdrehen. Die Pflegerin ist auch skeptisch, es sei noch zu früh für eine neue Mitbewohnerin. Ich weiß es nicht.

    Der Tag heute hat mich wirklich fast wahnsinnig gemacht, es sollte nach drei Wochen Hamsterrad endlich mein Ruhetag sein.

    Ich werde auf jeden Fall die Besuche wieder herunterschrauben, ich war jetzt fast jeden Tag da, seit dem Tod meines Vaters vor drei Wochen. Mein weiches Herz wollte sie trösten, aber das ist unmöglich. Ich kann einfach nicht mehr. Immer dieses Elend, und dabei so manipulativ, so egozentrisch, trotz aller kognitiven Einschränkungen. Die wahre Persönlichkeit scheint doch noch länger durchzukommen.

    Danke für Euer Ohr bzw. Auge und all' mein Mitgefühl für Eure ähnlichen Situationen! JA, es ist wirklich nicht einfach, herunterzukommen und sich gut zu tun ...


    Liebe Grüße

    Nelly

    Ein gutes neues Jahr für Euch alle hier!

    Wie gut, dass es Euch gibt.


    Und herzlichen Dank für Eure Anteilnahme, das hilft sehr.

    Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes noch nicht dazu gekommen, um meinen Vater zu trauern, das wird noch kommen, das weiß ich. Die ganze Woche war ich nur mit Organisation der Bestattung und was da alles dranhängt, beschäftigt. Ich war jeden Tag bei meiner Mutter, ihre Verfassung ist unverändert.

    Liebe Schwarzerkater,


    ich danke Dir! Ja, genau so ist es, ich hatte noch keinen Moment der Trauer, habe so gut wie gar nicht geweint bisher. Ich bin die Marmorsäule für Mutter und Schwester, comme toujours.

    Meine Mutter hat mir auch schon vorgeworfen, ich hätte ihr verschwiegen, dass er krank sei - sie haben beide seine schwere Herzerkrankung einfach ignoriert - und ich sei schuld, dass er tot ist.

    Uff.

    Aber ich sehe, Du kennst das und das tut schon wieder gut, gleich verstanden zu werden. Gut, dann nehmen wir sie mit.


    Liebe Grüße

    Nelly

    Hallo in die Runde,


    ich hoffe, Ihr hattet trotz allem schöne Weihnachtsfeiertage.


    Mein Vater ist vor eineinhalb Wochen gestorben. Sein Herz hat aufgegeben und er ist einfach eingeschlafen, was mich für ihn froh macht. Ich hatte befürchtet, er würde sich in den letzten Tagen der Atemnot vielleicht wehren, aber er wurde von der Hausärztin sehr gut palliativ versorgt. Ich hatte ein paar Tage vor seinem Tod einen schönen Moment mit ihm, als er sich bei meiner Berührung beruhigte und nicht mehr hustete und stöhnte.


    Nun gibt es viele neue Dinge zu lernen, neue Herausforderungen: Meine Mutter, die schon immer sagte, sie wolle vor ihm sterben, ist im wahrsten Sinne des Wortes un-tröstlich. Sie trauert noch viel stärker und schlimmer, als ich es mir je schlimm ausgemalt habe. Sie weint schrecklich viel und wirkt wie ein verlassenes Kind. Sie bringt auch die Worte Ehemann und Papa durcheinander. Wenn wir von unserem Papa sprechen, denkt sie daran, dass ihr Mann und ihr Vater jetzt tot sind. Es ist ihr auch egal, wenn meine Schwester und ich sagen, warum willst Du denn jetzt sterben, wir sind doch auch noch da? Ihre Antwort ist, wir seien erwachsen, wir brauchen niemanden.

    Das Schlimmste ist, dass sie zwischendurch immer wieder vergisst, dass er gestorben ist und fragt, wo er sei, unterbewußt spürt, dass etwas nicht stimmt und so lange bohrt, bis ich sage, er ist doch gestorben. Dann weint sie so herzzerreißend wie am Tag seines Todes. Sie war bei ihm und hat ihm die Hand gehalten, danach hat sie ihn abwechselnd fürchterlich beschimpft und wieder beweint. Als ich mit ihr aus dem Zimmer gegangen bin als er abgeholt wurde, hatte sie es bei der Rückkehr zum ersten Mal vergessen, dann fiel es ihr wieder ein, weil die Bestatter eine Rose auf sein leeres Bett gelegt hatten. Diese Zusammenbrüche, manchmal zweimal während eines Besuches, sind grausam.

    Jetzt steht die Frage im Raum, nimmt man sie mit zur Trauerfeier oder nicht? Was sagt Ihr hier, im Forum der Schwarmintelligenz?

    Für sie ist es schon immer eine schreckliche Vorstellung, verbrannt zu werden und ich fürchte schon beim Anblick der Urne samt Foto ihres Mannes wird sie zusammenbrechen.

    Der Psychiater der PIA sagte, sie müsse mitkommen, um abschließen zu können. Ich habe überlegt, eine Verwandte zu bitten, sich um sie zu kümmern und wenn es ganz furchtbar würde, dass sie dann mit ihr schon vorgeht ins Café.


    Gestern am Telefon war sie ganz in ihrer Außenfassade, sie hatte Besuch von einer Bewohnerin, die anscheinend ihre Nähe sucht und sich offensichtlich ein bißchen um sie kümmert. "Wir sitzen hier und erzählen" und wimmelte mich schnell ab. Das macht sie auch wenn ich sie besuche, dass sie nach einer halben Stunde immer sagt, wenn Du etwas vorhast, kannst Du ruhig gehen, um im gleichen Moment wieder fürchterlich zu zittern und zu weinen anzufangen, dass ich mich gar nicht traue zu gehen. Sie weint auch, "weil sie gar nichts mehr kann", schon beim Schuhe anziehen oder umziehen bricht sie in Tränen aus.

    Jedenfalls berichtete ich meiner Schwester von dem schönen Moment mit der Mitbewohnerin - sie hatte vorher das Gegenteil erlebt bei ihrem Besuch: Eine sehr schlecht gelaunte Mutter, die alles gepackt hatte und sofort nach Hause wollte... Klar, dass diese Episode für meine im Ausland lebende Schwester ganz viel schlimmer war als für mich das letzte halbe Jahr mit den ständigen Attacken meines Vaters, "Nach Hause!!!!"... Aber das nur nebenbei.


    Meine Mutter hat schon immer sehr viel Angst alleine, im Dunkeln, überhaupt. Im Januar soll sie jemanden ins Zimmer bekommen, ich würde das erst einmal ausprobieren wollen, bevor ich mich um ein Einzelzimmer kümmern würde. Ich glaube, das wäre nicht gut für sie, auch wenn sie jetzt Angst hat, "wer da wohl kommt", denn man ist ja auch prinzipiell misstrauisch gegen alle anderen Menschen. Andererseits hat sie eben diese große Fähigkeit, nach außen Fassade zu wahren. Am Tag seines Todes kamen ganz viele der Belegschaft des Heimes kondolieren, jedes Mal sagte sie, da kann man halt nichts machen, das ist halt so, jeder muss sterben - um sich hinterher herzzerfetzend auf ihn zu werfen, zu weinen und ihn zu beschimpfen. Das hat sich mehrmals wiederholt.


    Im Heim gibt es einen Krätze-Ausbruch, meine Mutter sieht verheerend aus und natürlich habe ich mich angesteckt, als ich sie tröstend im Arm hielt. Das wieder loszuwerden, hatte ich dann auch noch zu allem, was man eh schon zu tun hat mit Beerdigung usw., am Hals... Hab es hinbekommen, uff.


    Viele liebe Grüße

    Nelly

    Lieber Sohn83,


    ein virtuelles dickes fettes StärkStärk!

    Ich kann körperlich nachfühlen wie es Dir geht, ich hatte es vor einem halben Jahr mit den Eltern. Du machst das Richtige.

    Viele mitfühlende Grüße

    Nelly