Beiträge von Buchenberg

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    Ich sehe das so wie schwarzerkater,

    Des Menschen Wille ist sein Himmelreich - oder seine Hölle.

    Heute ist alles gepackt und im Auto verstaut. Morgen fahren meine Frau und ich für zwei Wochen in Urlaub - unter ganz normale Menschen.
    Und kein Wort mehr über verhinderte Königinnen!

    Heute morgen nach dem Frühstück fragt mich Schwiegermutter: „Habt ihr die Tageszeitung?“

    Ich: „Nein, die ist noch im Briefkasten. Du kannst sie selber dort holen.“

    Sie: „Ich habe Angst!“

    Ich: „Wovor hast du Angst? Wir wohnen in einem ganz ruhigen Haus. Du willst bedient werden wie eine Königin.“

    Sie: „Ja, das wäre schön!“

    Ich bin also trotz (oder weil?) ich die einzige Bezugsperson und Verwandte bin, von heute auf morgen böse. Mir bricht das schier das Herz.

    Ich denke, das erste, was Demenzkranke verlieren, ist Überblick und komplexes Denken. Was sie erleben, ist eine geschrumpfte Welt, die ihnen zunehmend als "feindlich" gegenübertritt. Daher schrumpfen auch ihre Erklärungsansätze. Sie suchen nach was - das muss der oder die verlegt oder gestohlen haben. Sie finden nicht die Unterstützung, die sie brauchen - das muss an der mangelnden Liebe der Tochter liegen. Schwiegermutter verlangte heute Morgen nach einem Taschentuch. Als meine Frau ihr sagte, dass sie ihre Taschentücher im Bad und neben ihrem Sessel finden würde, beschwerte sich ihre Mutter: "Was ist das denn für ein Service!"

    Demenzkranke sind Verschwörungstheoretiker. Sie schreiben ihr ganzes Unglück einigen, wenigen Menschen zu, die alles zu verantworten haben.
    In deinem Fall bist du, Mauerflower allein verantwortlich, im Fall von Schwiegermutter sind meine Frau und ich, samt allen Pflegerinnen an ihrem Unglück schuld.

    Welches Unglück? Das zu beantworten, würde zu weit führen!
    Buchenberg

    Kurse für pflegende Angehörige sind dazu da, die Pflegenden im Umgang mit ihren körperlich oder geistig eingeschränkten Familienmitgliedern zu schulen. ...

    Mit freundlichen Grüßen

    R. Gascho

    Hallo Frau Gascho,

    herzlichen Dank für die Info!

    Meine Frau hatte zu Beginn ihrer Pflegezeit so einen Kurs besucht. Das war damals zur rechten Zeit. Inzwischen glaube ich, dass uns nach längerer Pflegezeit nicht mehr die allgemeinen, sondern eher die individuellen Probleme sehr belasten. Jeder Pflegefall hat seine Eigenheiten.
    Mit freundlichen Grüßen
    Buchenberg

    Da Sie Ihre Schwiegereltern versorgen und Pflegegeld beziehen....

    Das verstehe ich nicht. Wir beziehen kein Pflegegeld. Das Pflegegeld geht komplett an den Pflegedienst und die Schwiegereltern zahlen monatlich noch einen Eigenanteil von rund 1500.- Euro. Außerdem zahlen die Schwiegereltern Miete für die Seniorenwohnung. Unsere Ausgaben für Lebensmittel werden notiert und am Ende des Monats mit den Schwiegereltern abgerechnet.

    Die Grenze zwischen Pflegeauftrag und Privatleben ist gerade bei der Persönlichkeit Ihrer Schwiegermutter professionell.

    Auch bei dieser Aussage ist mir nicht wohl. Sie verstehen das vielleicht als Aufmunterung. Aber wir sind im Umgang mit der Schwiegermutter nicht "professionell". Wir bewältigen den Alltag, wir sorgen für normale Bedürfnisse, aber im Umgang mit einer psychisch kranken Person sind wir nicht ausgebildet und fühlen uns deshalb völlig überfordert.

    Freundliche Grüße!

    Buchenberg

    Nach dem Abendessen erzählt Schwiegervater aus der Kindheit:
    „Wir hatten Hühner und Kaninchen. Und zeitweise hatten wir auch einen Hund.“

    Meine Frau: „Einen lieben oder einen bissigen Hund?“

    „Einen lieben. Man konnte ihn anschreien, und da wusste er, dass er nicht gemeint war.“

    Ja, kann ich verstehen - das andere ist leider auch nicht so lustig.

    doch, auch die Sprüche deiner Mutter finde ich lustig. Es ist eine unfreiwillige Komik, aber es ist doch schöner, wenn alle darüber lachen als wenn sie die Sprecherin korrigieren und verbessern wollen.

    Ich konnte sie tatsächlich am Freitag vor meinem Urlaub in die Kurzzeitpflege fahren. ... Eine wirklich Erholung war der Urlaub nicht.

    Liebe Alex,

    ich finde, du hast mit deinem Urlaub und der Einweisung deiner Mutter einen sehr guten Anfang gemacht. Das ist ein Anfang auf dem Weg, auf dem deine Mutter lernen muss, dass sie nicht verlangen kann, nur von dir versorgt und verpflegt zu werden.
    Wer krank ist, muss sich von medizinisch ausgebildeten Menschen versorgen und pflegen lassen. Deine Mutter ist krank. Demenz ist eine Krankheit. Deiner Mutter kann besser von professionellen Pflegekräften geholfen werden als von dir.

    Mach weiter so!

    Buchenberg

    Schluss mit dem Gendern und Schluss mit dem weiblichen Geschlecht: meine Mutter spricht nur noch im Maskulinum, wenn es um die Bezeichnung von Putzfrau („er kommt ja wieder Dienstag“), Nachbarin („der unter mir wohnt“), Tochter („ich warte auf meinen Mann“ neulich in der Kurzzeitpflege als wir uns verabredet hatten und sie auf mich wartete) etc. geht. Der Einfachheit halber ist jeder „er“ (der Mensch) unabhängig von Geschlecht, Alter, Hautfarbe.

    Meine Frau hatte auch über deine einleitenden Worte gelacht.

    Vielleicht fasst du diese "Sprüche des Tages" mal irgendwann für ein Büchlein zusammen?

    Liebe scharzerkater,

    meine Frau und ich sammeln die Sprüche ihres Vaters schon einige Jahre und versenden sie an Verwandte und alte Bekannte als Jahresbrief zum Jahreswechsel. Diese Adressaten haben auch ein Bild von dem Menschen vor Augen, um den es geht.

    Ich finde ohne Humor hält man dieses Leben doch kaum aus und ich wünsche dir/euch von Herzen, dass es euch durch doch immer wieder anstrengende Phasen hilft👍

    Liebe Rose,

    danke für deinen Zuspruch! Humor ist ein wiederaufladbarer Energiespeicher. Immer, wenn mir mein Humor abhanden kommt, scheinen mir die Umstände stärker zu sein als ich, und ich reagiere dann in dieser Situation unangemessen und verzweifelt.

    Heute hat meine Frau ihren letzten Arbeitstag, dann ist Urlaub und hoffentlich wird daraus Abstand und Erholung für zwei.

    Der Pflegedienst hat beide Schwiegereltern bettfertig gemacht. Er liegt schon. Sie kommt hinzu und sagt:
    “Du willst wahrscheinlich, dass ich zu dir ins Bett komme!?“

    Er: „Nö, das hab ich mir schon abgewöhnt! Du wirst wahrscheinlich da vorne“ (er zeigt auf ihr Bett) „untergebracht.“

    Heute wieder ein gebrauchter Tag. Stress gemacht, außer in den Zeiten, wo sie eingeschlafen war.

    Meine Frau und ich haben aber jetzt einen Weg auf dem wir den Demenzstress halbieren (?) können:

    Wir treten bei Problemen nicht mehr zu zweit auf, sondern immer nur einzeln. Der/die andere zieht sich zurück.

    Hallo Stella

    und willkommen im Demenzforum!

    Wie die Erfahrungen der Teilnehmer hier aufgezeigt haben, ist es selbst für Fachleute sehr schwierig, Einschränkungen durch Demenz festzustellen und einzuordnen.

    Als meine private Beobachtung/Vermutung kann ich noch ergänzen: Dort, wo nur Angehörige einen Patienten versorgen, ist der Medizinische Dienst eher geizig mit der Vergabe des Pflegegrates. Dort, wo professionelle Pflegekräfte eingebunden sind, ist der MD eher großzügig bei der Vergabe des Pflegegrades.


    "Hätten Sie gewußt, dass die gesetzlichen Krankenkassen per Gesetz dazu verpflichtet sind, Ihnen eine Stromkostenerstattung für elektrische Hilfsmittel zu bezahlen? Dies betrifft nicht nur Geräte für die Heimbeatmung von Patienten sondern zum Beispiel auch Elektromobile oder Elektrorollstühle usw."

    (google-schlau)

    Morgens hatte der Pflegedienst Frühstück gemacht und Schwiegermutter und Schwiegervater beim Waschen und Anziehen geholfen. Am Vormittag kochte meine Frau mit ihrer Mutter Brombeermarmelade ein. Zu Mittag servierte ich Lammbraten auf weißen Bohnen, nachmittags hatte meine Frau die beiden nach draußen in die Sonne mitgenommen. Abends bereitete ich Salat und Brot. Nach dem Abendessen nehmen meine Frau und ich eine Auszeit bis der Pflegedienst kommt, der die beiden Alten ins Bett bringt. Als meine Frau anschließend ins elterliche Schlafzimmer geht, um „gute Nacht!“ zu wünschen, erhält sie von ihrer Mutter zur Antwort:

    „Wie kann eine Tochter nur ihre Mutter so schlecht behandeln!“ – eine Verurteilung, die für meine Frau völlig aus dem Nichts kam. Sie hatte seit dem Abendbrot nicht mehr mit ihrer Mutter gesprochen.


    Wenn die Mutter so etwas zur eigenen Tochter sagt, tut das besonders weh. Eine abwertende Äußerung verletzt um so mehr, je näher uns die Person steht, von der das kommt. In der Regel steht uns ein Lebenspartner am Nächsten, dann die eigenen Kinder, Freundinnen und Freunde, dann Geschwister, die Eltern. Irgendwo auf dieser Skala von emotionaler Nähe und emotionalem Abstand ordnen wir auch unsere Arbeitskolleginnen und –Kollegen ein.

    Die emotionale Nähe zu einem Menschen ändert sich im Laufe eines Lebens durch äußere Faktoren wie Wechsel des Wohnorts, aber auch durch eigene Umwertungen. Wie nahe und wie fern uns ein Mensch steht, haben wir mehr oder minder selbst in der Hand.

    Ein Mensch, dem wir einen „Kuschelplatz“ in unserem Herzen einräumen, hat dann Macht über uns – die Macht, Glücksgefühle in uns zu wecken, und eine besondere Macht uns zu verletzen. Je näher uns jemand steht, desto größer seine Macht über uns.

    Als meine Frau und ich ihre alten Eltern in unseren Haushalt holten, habe ich mir das nicht schwierig vorgestellt. Ich hatte mit meiner verstorbenen Frau schon in einer WG gelebt und hatte damals die Erfahrung gemacht, dass wir/ich es selbst bestimmen können, wie viel Abstand oder Nähe wir bei den Mitbewohnerinnen zulassen wollen. Das stellte sich aber bei den Schwiegereltern als schwierig, wenn nicht unmöglich heraus. Den Schwiegereltern fehlte die WG-Erfahrung völlig, und Schwiegermutter fühlt sich bei uns eben nicht als „WG-Mitglied“, sondern als „die Mutter“ und damit als Autoritätsperson. Das ist für mich ein ständiger Reibungspunkt, der umso schmerzlicher wird, je mehr ihre Fähigkeiten nachgelassen haben. Außer Teller und Besteck abwaschen tut sie nichts mehr, meint aber, sie könne und müsse in allem mitentscheiden. Das bringt mich auf die Palme. Mein Lebensmotto ist: „Wer die Arbeit hat, trifft die Entscheidung.“ Ihr Lebensmotto ist: „Wer eine (scheinbare) Hierarchieposition hat, trifft die Entscheidung.“ Ihre Autorität geht nicht in Rente. Ihre Autorität erkrankt nicht an Demenz.

    Ihr Autoritätsglaube trifft meine Frau noch stärker als mich, denn es ist immer noch „ihre Mutter“, auch wenn die Pflichten einer Mutter schon lange entfallen sind. In jedem einzelnen Fall bestätigt meine Frau diese antiquierte Autorität, wenn sie sich irgend etwas von der Mutter sagen lässt. Jeder kleine Auftrag der Mutter an die Tochter, sogar jede positive und bestätigende Bemerkung über ihre Kleidung oder Frisur erneuert die mütterliche Autorität und bestätigt ihre Nähe. Wenn dann von der Mutter aus dieser Nähe heraus plötzlich abwertende Bemerkungen über meine Frau und mich kommen, dann trifft das um so härter.

    Aus diesem Dilemma kommen wir nur heraus, wenn wir gegenüber dieser demenzkranken Person so weit auf Abstand gehen, dass sie uns nicht mehr verletzen kann.

    Auf Abstand gehen heißt: Wir ignorieren ihren Autoritätsanspruch. Wir akzeptieren von ihr keine Aufträge. Auf Abstand gehen heißt, wir erwarten von ihr kein Lob und nehmen keine Gefälligkeit an. Auf Abstand gehen heißt, wir gestalten den Umgang mit ihr ebenso professionell wie der Pflegedienst, der Tag für Tag zu uns kommt. Wir schulden den Schwiegereltern gewisse pflegerische Dienstleistungen: Essen, Kleidung, Gesundheit, Unterkunft – aber nichts darüber hinaus. Wir schulden ihr keine gemeinsame Freizeit. Wir schulden ihr keinen gemeinsamen Urlaub oder eine gemeinsame Feier. Wir behandeln die Schwiegereltern so, wie sie in einem guten Pflegeheim behandelt würden. Wir sind für ihre Pflege verantwortlich, aber nicht weil sie „Eltern“ oder „Schwiegereltern“ sind, sondern weil sie Pflege nötig haben und wir freiwillig und ohne Not die Pflegeverantwortung übernommen haben.


    Buchenberg