Hallo,
für mich ist ganz klar: es gibt auch ein Recht darauf, in Ruhe gelassen zu werden.
Alles andere ist eine Frage der Motivierung, des Angebots. In meinen Augen haben wir zumindest in Einrichtungen zuviel Beschäftigungsangebote mit "Eventcharakter". Singrunde, Gymnastikkreis, Hockergymnastik, Kochgruppe etc. pp. . Wo Menschen das Spaß macht, sie zu motivieren sind teilzunehmen - prima. Aktivität ist wichtig, weil damit einer ganzen Reihe von Problemen vorgebeugt oder begegnet werden kann (z.B. hier schon genannte Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen, aber auch sicheres Gehen / Gleichgewicht wird eben durch Aktivität trainiert, nicht durch Liegen etc.).
Meiner Erfahrung nach hilft es manchmal ungemein, an frühere Gewohnheiten - vor allem aber auch Aufgaben und Pflichten anzuknüfen, um Menschen in Aktivität zu bringen. Dabei geht es nicht immer nur darum, ob die Aktivität gerade Glücksgefühle auslöst.
Es ist Normalität, Aufgaben zu haben, die uns nicht per se glücklich machen. Ich muss nachher noch den Abwasch erledigen. Das ist okay und gehört dazu - richtig glücklich macht es mich aber nicht.... . Eine Form von Aktivität ist es dennoch.
Will sagen: manchmal hilft bei der Suche nach der richtigen Aktivität, nach der richtigen Beschäftigung und Aktivierung, nicht nur danach zu schauen was Freude bereitet oder "uns" sinnvoll erscheint. Es dürfen auch Pflichten sein - die gehören zu einem normalen Leben dazu. Natürlich müssen sie ggfs. angepasst werden, damit sie gefahrlos möglich sind. Ich erlebe aber auch, dass ein "Möchten Sie heute am Singkreis teilnehmen?" in einer Einrichtung eine so lebensfremde Frage für einen Betroffenen sein kannen, dass er gar nicht teilnehmen wollen kann. Manchmal ist es besser, den feuchten Lappen dazulassen und zu bemerken, dass hier "....aber mal wieder Staub gewischt werden müsste...".
Ich hoffe, ich konnte verdeutlichen was ich meine.
Pflegefachleute und Betreuungskräfte brauchen in dieser Hinsicht oftmals die Unterstützung der Angehörigen, gerade um zu erfahren was biographische Normalität war, was zum normalen Aktivitäts- und Interessenspektrum gehört(e), um auf den richtigen Dreh zu kommen. Und immer wieder bleibt es beim "Versuch- und Irrtumsystem", heißt: ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren.
Es grüßt Sie
Jochen Gust