Hallo in die Runde,
das ist sicher eine schwierige und sehr individuell zu lösende Frage: Wie kann man als Angehörige/r erreichen, dass die Besuche für alle Beteiligten möglichst angenehm und speziell für Sie als Angehörige aushaltbar sind? Außer dem Wissen darüber, was die Erkrankten früher interessiert hat, ist vor allem wichtig, dass Sie bei dem, was auch immer Sie mitbringen, machen oder anbieten, einigermaßen wohl fühlen - dass Sie ausstrahlen, dass Sie in dem Moment wirklich nicht nur da sein, sondern sich genau mit dieser Sache beschäftigen möchten - deshalb fällt alles weg, was Ihnen individuell banal, peinlich, langweilig, gekünstelt etc. erscheint, oder wozu Sie sich zwingen müssten. Leider haben Menschen mit Demenz ja sehr feine Antennen dafür, wenn wir uns unwohl fühlen...
Ich habe in den letzten 25 Jahren immer wieder beobachtet, dass es den Gesunden sehr, sehr schwer fällt, so ein Beisammensein ohne wirkliche Kommunikation, ohne Sprache auszuhalten, und deshalb aus eigener Not dazu neigen, die Betroffenen zuzutexten... während Menschen mit Demenz es sehr genießen können, einfach jemanden schweigend neben sich sitzen zu haben und unter Umständen noch seine Hand zu halten. Deshalb die Anregung: Gibt es irgendetwas, was Sie gemeinsam mit dem erkrankten Elternteil beobachten könnten - Tiere, kleine Kinder, Schrebergärtner, das Geschehen vor oder im Haus? Könnten Sie sich vorstellen, lustige Filme gemeinsam anzuschauen: Der Humor wird bei den meisten Menschen mit Demenz wieder sehr visuell, schadenfreudig und kindlich, deshalb mögen viele Filme aus der Stummfilmzeit wie "Die kleinen Strolche" oder "Dick und Doof". Manch einer lacht sich auch über die Pleiten, Pech und Pannen von "Mr. Bean" (der ja in der Regel komplett ohne Sprache auskommt) kaputt. Und wie wäre es, wenn Sie mit dem Smartphone kurze Videos/Grußbotschaften von anderen Angehörigen oder früheren Nachbarn, Freunden, Kollegen etc. aufzeichnen und die gemeinsam mit Ihren Eltern anschauen? Mit einem USB-Stick könnte man solche Filme ja auch auf manchen moderenen Fernsehgeräten vorführen (vonwegen der Größe und Sichtbarkeit des Bildschirms).
Sie dürfen zwar derzeit noch nicht wieder miteinander singen, was extrem vielen Menschen mit Demenz große Freude bereitet - aber es hindert niemand Sie daran, gemeinsam Musik zu hören - gibt es einen Lieblingsschlager, oder die größten Hits einer Sängerin, die Sie mitbringen könnten? Dazu schunkeln, den Takt klatschen, "sitztanzen" gefällt ja auch vielen.
Wenn direkte Berührungen eher abgelehnt werden, könnten Sie beispielsweise ausprobieren, ob die Damen ein Handbad mit anschließender Nagelpflege genießen könnten, und ob die Herren sich auf eine Igelball-Massage einlassen würden - und zwar nicht unbedingt sofort als Empfangende, sondern als Gebende: Sie könnten auf Ihre eigenen Schmerzen oder Verspannungen verweisen und fragen, ob er Ihnen kurz was Gutes tun kann.
Wenn Ihre Eltern noch verbal erreichbar sind: Gibt es irgendetwas, worin Sie sich Rat und Hilfe suchen, oder wenigstes eine Meinung erfagen können - Handwerkliches, Gärtnerisches, Hausfrauliches, etc., wobei Ihnen Ihre Eltern früher geholfen oder Sie unterstützt haben? Können Sie einen Werbeprospekt mitbringen und sich modisch oder farblich beraten lassen, oder sich gemeinsam über die aktuelle Mode, Formen, Rocklängen austauschen? Vielen schmeichelt es auch in der fortgeschrittenen Demenz noch, als Experten für etwas wahrgenommen und angesprochen zu werden, und viele knüpfen gerne an diesen Teil der Elternrolle (anderen helfen, für sie sorgen) an.
Und wenn nicht Grunderkrankungen bzw. Abhängigkeiten, Medikamente oder Adipositas dagegen sprechen: bei den allermeisten kommt große Freude auf, wenn Sie eine Leckerei mitbringen (wenn schon Besuche im hauseigenen Café vielleicht nicht mehr möglich sind). Vor allem Lieblingsspeisen oder Süßigkeiten aus der Kindheit (bei meiner Großmutter waren das beispielsweise solche Dinge wie Veilchenpastillen, Salmiakpastillen, Pfefferminzbruch) wecken oft Erinnerungen und führen dazu, dass die Erkrankten von selber etwas erzählen und kommunikativ etwas munterer werden. Meine Oma hat in ihren letzten Lebensmonaten auch sehr genossen, mit Besuch ein oder zwei Eierlikörchen zu nippen.
Vielleicht könnte irgendwas davon auch Ihnen und Ihren Eltern gut tun? Ich hoffe es.
Freundliche Grüße an alle
S. Sachweh