Hallo Barbara66,
der Wahn Ihrer Mutter ist aber auch wirklich speziell und vertrackt, und in emotionaler Hinsicht sicher sehr schwer für Sie auszuhalten!
Ich bin absolut keine Expertin für Wahn, aber müsste schon mehr über das Empfinden und Denken Ihrer Mutter wissen, um Ideen für einen erträglich machenden Umgang dafür zu entwickeln...
Von daher noch ein paar Fragen zu den Hintergründen: Haben Sie den Eindruck, dass sie sterben will, oder dass sie sich selber als Belastung für ihre Familie sieht und der Tod in ihren Augen der einzige Ausweg für sie als pflichtbewusste Staatsbürgerin und liebende Angehörige ist? Wer hat den "Termin" mit ihr ausgemacht? Leidet sie bewusst an ihrer Demenz, oder an körperlichen wie seelischen Medikamenten-Nebenwirkungen (Ich meine mich zu erinnern, dass Sie vor Monaten mal so etwas erwähnten)? Haben Sie damals den Vorschlag von Herrn Gust weiter verfolgt, eine neue oder intensivere Anti-Depressions-Behandlung anzugehen?
Da Ihre genannten Ausflüchte (keine Zeit/kein Auto etc.), anders als bei vielen Menschen mit Demenz OHNE Wahnproblematik, nicht ziehen, wäre es vielleicht einen Versuch wert, in Momenten, indenen sie noch reagiert bzw. zuhört, gegen jede Intuition MIT, statt gegen den Wahn zu argumentieren: Manche Personen (Achtung: beschrieben ist das vorwiegend für "nur" depressive", nicht aber für wahnhafte Menschen; ich habe keine Ahnung, ob man das 1:1 übertragen kann!) revidieren doch ihren Entschluss, wenn man sie dazu bringt, sich alle Details und Aspekte konkret auszumalen. Sie könnten fragen, ob, und welche wünsche Sie ihr noch erfüllen können vor dem "Termin", also die Gedanken auf Positives lenken. Ob sie ihr noch einmal ein Lieblingsessen kochen sollen. Ob, und von wem sie sich vielleicht noch verabschieden möchte. Ob sie sich vorher noch mit jemandem versöhnen möchte, mit dem sie im Streit liegt. Ob und welche Botschaft sie für ihre Enkel überliefern möchte. Ob es Orte gibt, die sie noch einmal sehen möchte. Sie könnten darauf hinweisen, dass man vor seinem letzten Gang schon gut frisiert und gebadet sein sollte, damit sie sich eventuell eher auf Körperpflege einlässt. Sie könnten sie fragen, wie sie beerdigt werden möchte, und welche Kleidung sie dafür vorgesehen hat. Wie sie sich die Trauerfeierlichkeiten wünscht, und wer was erben soll... Bei leichteren, anders gelagerten Fällen, in denen ein Todeswunsch geäußert wird, führen solche Strategien dazu, dass die betreffende Person irgendwann realisiert, dass das alles anstrengend und viel Aufwand ist, und sie eigentlich doch noch ganz gerne ein paar Tage auf dieser Welt wäre.
Oder anders: Sie könnten es mit der emotionalen Schiene versuchen und sie fragen, ob sie ihr bei der Heirat gegebenes Versprechen (in guten wie in schlechten Zeiten) brechen, und ihren Mann alleine lassen möchte. Sie könnten ihr sagen, wie traurig Sie über den Tod Ihrer Mutter wären, dass Sie sich nie vergeben könnten, wenn Sie ihr beim Suizid helfen, und wie sehr Sie sie vermissen würden.
Oder ganz anders, nämlich mit Gesetzen argumentieren: Polizei und Staatsanwälte hätten Ihnen versichert, dass man in Deutschland niemanden erschießen darf - und Sie und Ihre Familie nicht ins Gefängnis wollen, weil sie Behilfe beim Brechen dieser Gesetze einfordert. Dass Sie deshalb auch sofort gehen müssen, weil sie sonst zu viel über ihre Pläne wüssten und man Ihnen eine Mitschuld geben könnte...
Wenn das derartige Eingehen auf Teile ihres Wahns die Sache nur verschlimmert, würde ich Ihnen tatsächlich raten, den Raum zu verlassen, sobald das Thema aufkommt.
Den von Ihnen angesprochenen Körperkontakt, also eine Umarmung, oder eine sanfte Massage von Schultern oder Händen etc., würde ich eher in guten Momenten anbieten, keinesfalls, wenn sie aufgewühlt und enttäuscht bzw. verärgert ist, weil Sie sich ihrem Plan widersetzen.
Vielleicht verändert eine dieser Ideen die Situation ein bisschen...? Ich wünsche es Ihnen von Herzen!
S. Sachweh